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̔Ως δἰ ἡμῶν in 2 Thess 2.2 als Hinweis auf einen verlorenen Brief

Published online by Cambridge University Press:  26 January 2009

Eve-Marie Becker
Affiliation:
Faculty of Theology, Taasingegade 3, DK-8000, Aarhus, Denmark
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Abstract

Die These des Beitrags ist, dass die Wendung ‘ὡς δι᾽ ἡμῶν’ in 2 Thess 2.2 nicht als direkter Hinweis auf den 1 Thess zu verstehen sei, sondern dass sich hier vielmehr der pseudonyme Verfasser mit einer nicht mehr erhaltenen brieflichen Fehlinterpretation des 1 Thess auseinandersetzt und sich so indirekt um eine ‘richtige’ Deutung des 1 Thess bemüht. Im Unterschied zu 2 Thess 2.2 ist 2 Thess 2.15 als direkter Hinweis auf die—nach Meinung des Verfassers—‘richtige’ Paulus-Lehre, d.h. den 1 Thess oder den vorliegenden 2 Thess, zu verstehen. Mit dieser These schlägt der Artikel zugleich eine differenzierte Typologie der paulinischen und pseudo-paulinischen Diskurse vor.

Type
Articles
Copyright
Copyright © Cambridge University Press 2009

1. Zur exegetisch-theologischen Stellung des 2 Thess

Die Auslegung des 2 Thess ist in besonderer Weise mit der literarischen Authentizität oder der pseudepigraphen Abfassung des Briefes beschäftigt. In der neutestamentlichen Einleitungswissenschaft gilt J. E. Christian Schmidt (1798/1801) gemeinhin als erster Exeget, der die Echtheit des 2 Thess in Frage gestellt hat.Footnote 1 Schmidt befindet sich mit dieser Einschätzung in einem theologiegeschichtlichen Diskurs, der in erheblichem Maße kanonkritisch orientiert war: Die Kanonkritik Johann Salomo Semlers (1771–1775)Footnote 2 hatte zur kritischen Auseinandersetzung mit der sog. Inspirationslehre geführt und die Authentizität von Verfasser und Verfasserangaben zur Diskussion gestellt.Footnote 3 Ferdinand Christian Baur trieb die historisch-kritische ExegeseFootnote 4 im Blick auf die Pseudepigraphie-Forschung besonders in seinen Studien zu den Pastoralbriefen (1835)Footnote 5 so voran, dass deren paulinische VerfasserschaftFootnote 6 bleibend infragestellt war. Ähnliche Überlegungen finden sich bereits bei Friedrich D. E. Schleiermacher im Blick auf den 1. Timotheus-Brief (1807).Footnote 7

Doch entwickelt die Pseudepigraphie-Forschung schon im 19. Jh. eine solche Eigendynamik, dass sie zu einem theologischen Problemfall wird: So wird besonders in der Theologie die Frage nach der Vereinbarkeit von ‘literarischer Fälschung’ mit dem ‘Wahrheitsgehalt’ der (neutestamentlichen) Texte (pia fraus) als eine ‘ethisch-moralische’ FragestellungFootnote 8 debattiert. Und umgekehrt wird nicht selten hinter Pseudepigraphie- oder Authentizitäts-Urteilen eine bestimmte theologische Tendenz oder Programmatik vermutet. Daher plädierten bedeutende Exegeten und Klassische Philologen wie etwa Adolf Deissmann (1911)Footnote 9 oder Franz Dornseiff (1939)Footnote 10 für eine kritische Infragestellung von oder zumindest für einen vorsichtigen Umgang mit Pseudepigraphie-Urteilen bei der Auslegung neutestamentlicher, aber auch sog. paganer oder frühjüdischer Literatur. In der Folgezeit haben sich Forscher wie Josef A. Sint (1960),Footnote 11 Wolfgang Speyer (1971)Footnote 12 oder Norbert Brox (1975)Footnote 13 der antiken Pseudepigraphie maßgeblich als einem literarischen oder theologischen Phänomen gewidmet.Footnote 14 Auch wenn gerade Speyer mit seiner Klärung des Begriffs der ‘literarischen Fälschung’Footnote 15 zu einer Entschärfung der pia-fraus-Diskussion beigetragen hat, hält die ethisch-moralische Diskussion über die paulinische Pseudepigraphie bis in unsere Gegenwart an.Footnote 16 Sie macht eine noch stärkere terminologische und literaturgeschichtliche Differenzierung des gemein-antiken Phänomens der literarischen Pseudepigraphie notwendig.Footnote 17

Die Auslegung des 2 Thess ist mit dem in den Klassischen Altertumswissenschaften und in der Theologie geführten Diskurs über paulinische Pseudepigraphie untrennbar verknüpft. Vice versa aber können Einsichten in die Entstehungsverhältnisse des 2 Thess auch zu einer differenzierten Betrachtung von frühchristlicher Pseudonymität bzw. PseudepigraphieFootnote 18 oder Orthonymität führen. Diesem Anliegen ist der vorliegende Beitrag verpflichtet. Der 2 Thess erweist sich für diese Fragestellungen als geradezu paradigmatisch: Während andere sog. deutero- oder tritopaulinische Schreiben wie der Kol und Eph sowie die Pastoralbriefe bei der Mehrheit der Exegeten inzwischen als pseudepigraph gelten,Footnote 19 wird die Frage nach der Authentizität des 2 Thess in der jüngeren und jüngsten Forschung durchaus kontrovers diskutiert.Footnote 20 Hier stehen Exegeten wie Werner Georg KümmelFootnote 21 und Abraham J. Malherbe,Footnote 22 die die Authentizität des 2 Thess voraussetzen, Exegeten wie Willi MarxsenFootnote 23 oder Margaret M. MitchellFootnote 24 gegenüber, die von einer pseudepigraphen Abfassung des 2 Thess ausgehen.Footnote 25 Wie ist diese Divergenz hinsichtlich der Beurteilung der Authentizität, d.h. der literarischen ‘Echtheit’ des 2 Thess zu erklären? Die Divergenz basiert vor allem auf der unterschiedlichen Einschätzung des literarischen Verhältnisses von 1 Thess und 2 Thess, die die Forschung seit William Wredes Untersuchung von 1903 bestimmt.Footnote 26 Der Dissens, der bei der Verhältnisbestimmung von 1 Thess und 2 Thess entsteht, schlägt sich besonders in Datierungsfragen nieder: Die Befürworter der Authentizität rechnen mit einer Abfassungszeit des 2 Thess in zeitlicher Nähe zum 1 Thess (z.B. Kümmel; Robert Jewett).Footnote 27 Die Befürworter der pseudepigraphen Abfassung des 2 Thess hingegen rechnen überwiegend mit einer zeitlich späten Abfassung des Briefes (Ende des 1. Jhs.: z.B. Udo Schnelle; G. S. Holland).Footnote 28 Daneben findet sich—gleichsam als tertium—auch die Annahme, der 2 Thess sei als ältester erhaltener deuteropaulinischer Brief (Philipp Vielhauer),Footnote 29 vielleicht noch zu Lebzeiten des Paulus (Otto Merk),Footnote 30 geschrieben worden.Footnote 31

Nun hat Martin Dibelius im Blick auf die Frage der Authentizität des 2 Thess zu Bedenken gegeben: Wir haben kein ‘Recht, einen Brief nur deshalb dem Apostel abzusprechen, weil uns die besonderen Umstände seiner Entstehung nicht völlig durchschaubar sind’.Footnote 32 Diese Einschätzung ist methodisch bedeutsam, zeigt sie doch, dass Echtheitskritik und Pseudepigraphie-Forschung nicht von Fragen historischer Rekonstruktion zu trennen sind. So muß die Exegese des 2 Thess besonders darauf konzentriert sein, die Entstehungsverhältnisse dieses Briefes nicht nur im Verhältnis zum 1 Thess, sondern auch unabhängig davon zu erhellen. In diesem Zusammenhang scheint in 2 Thess 2.2 der SchlüsselFootnote 33 zum Verstehen des Briefes zu liegen.Footnote 34 Diese Vermutung läßt sich—wie Robert Jewett gezeigt hat—besonders durch eine rhetorische Briefanalyse stützen:Footnote 35 Denn wenn man in 2.1-2 die partitio des Briefes erkennt, so dient dieser Briefabschnitt der Einleitung in die im Folgenden zu diskutierenden Fragstellungen oder Probleme,Footnote 36 nimmt also gleichsam die Vor- und Entstehungsgeschichte des Briefes in den Blick. Die nun folgenden exegetischen Beobachtungen sind daher in besonderem Maße auf die Analyse von 2 Thess 2.2 konzentriert.

2. Exegetische Beobachtungen zu 2 Thess 2.2

2 Thess 2.2 zeigt zunächst unabhängig von der Frage, ob der 2 Thess authentisch ist oder nicht, d.h. orthonym oder pseudonym verfaßt wurde, dass das Phänomen frühchristlicher Pseudepigraphie existierte und bekannt war. Denn 2 Thess setzt sich in 2.2 unter anderem mit dem Phänomen literarischer ‘Fälschung’ auseinander: Hier begegnet im Zusammenhang der Diskussion um ‘rechte’ und ‘falsche’ Lehre über die Parousie des Kyrios (2 Thess 2.1) explizit der Gedanke, es könnte zu einer ‘fälschlichen’ Inanspruchnahme des paulinischen Wirkens und Briefeschreibens (ὡς δι᾽ ἡμῶν) gekommen sein:Footnote 37

1 Wir bitten euch aber, Brüder, was die Parousie unseres Herrn Jesus Christus und unsere Zusammenführung mit ihm betrifft, 2 dass ihr euch nicht schnell in {eurem} Sinn ins Wanken bringen noch erschrecken laßt—weder durch Geist, noch durch Wort, noch durch einen Brief, scheinbar (ὡς δι᾽ ἡμῶν) durch uns {gewirkt} –, wie (ὡς) (ὅτι): ‘Der Tag des Herrn ist schon gegenwärtig.’

‘Fälschung’ bedeutet hier eine aus der Sicht des Autors bestehende sachlich-verfälschende Inanspruchnahme paulinischer Autorität und apostolischer Lehre. Nun ist die Deutung von 2 Thess 2.2 in der Forschung vor allem dadurch bestimmt, dass dieser Vers gemeinhin in einen unmittelbaren Zusammenhang zum 1 Thess gestellt wird. Wie ist das zu erklären, und was folgt aus dieser Deutung?

2.1. Jüngere und jüngste Deutungsvorschläge: 2 Thess 2.2 als Verweis auf den 1 Thess

Die Mehrzahl der Exegeten versucht, den in 2 Thess 2.2 durch ὡς δι᾽ ἡμῶν benannten Brief konkret auf der Basis der uns erhaltenen Paulus-Briefe zu identifizieren. Ihrer Meinung nach ist 2 Thess 2.2 als Verweis auf den 1 Thess zu verstehen.Footnote 38 Doch wie wäre dieser Sachverhalt zu deuten, und in welcher Weise könnte sich 2 Thess 2.2 auf den 1 Thess beziehen? In der jüngeren Forschung werden vor allem drei Interpretationen vorgeschlagen:

(1.) Die Vertreter der Authentizitäts-Annahme für den 2 Thess—wie Kümmel—verstehen 2 Thess 2.2 zusammen mit 2.15 als einen direkten, d.h. expliziten Verweis auf den 1 Thess. Demnach wollte Paulus seine in 1 Thess 4-5 vorgetragenen Überlegungen zur Parousie des Kyrios explizieren.Footnote 39 Die Partikel ὡς wäre also als eine komparativ-demonstrative Konjunktion (‘so wie’),Footnote 40 nicht aber modal (‘als ob’)Footnote 41 aufzufassen. Diese Deutung dient der Vermeidung der Pseudepigraphie-Annahme für den 2 Thess. Unklar bleibt, warum Paulus im 2 Thess dem literarischen Schema des 1 Thess weitgehend folgt und nicht—wie etwa in der korinthischen Korrespondenz (z.B. 2 Kor 1.12-14)—auf einen früheren Brief im Zuge einer neuen und eigenständigen Argumentation meta-textuell hinweist.

(2.) Andreas Lindemann und Willi Marxsen werten den 2 Thess als pseudepigraphen Paulus-Brief. Ihrer Meinung nach versucht der pseudo-paulinische Schreiber mit dem Anspruch auf Orthonymität den 1 Thess als eine ‘Fälschung’ zu deklarieren und theologisch zu ersetzen,Footnote 42 d.h. selbst an seine Stelle zu treten. Auch dieser Deutung zufolge bezieht sich 2 Thess 2.2 explizit auf den 1 Thess. So würde also der 2 Thess—selbst pseudepigraph—den 1 Thess zu einem Pseudepigraphon stilisieren. Diesem Deutungsvorschlag liegt ein Konfliktmodell zugrunde: Der deuteropaulinische 2 Thess sieht sich im theologischen Streit mit dem 1 Thess, d.h. mit Paulus. Unklar bleibt hier, warum und wie der Autor des 2 Thess gleichzeitig zwar im Namen des Paulus, sachlich aber gegen Paulus gerichtet agieren kann.

(3.) Auch Eckart Reinmuth, Jürgen Roloff und Hanna Roose halten den 2 Thess für pseudepigraph. Sie schlagen—in jeweils unterschiedlicher Akzentuierung im Unterschied zu Lindemann (s.o.) aber vor –, den 2 Thess als eine theologische Aktualisierung des 1 Thess zu verstehen: Reinmuth meint, ὡς δι᾽ ἡμῶν sei mit ‘wie er von uns geschrieben wurde’ zu übersetzen: ‘Der Vers bringt zum Ausdruck, daß die eschatologisch irrige Haltung, die anschließend korrigiert wird, sich zu Unrecht auf einen Brief des Paulus berufen würde’.Footnote 43 Der 2 Thess fungiert hier also—wie Jürgen Roloff formuliert—als ‘Leseanweisung’ für den 1 Thess.Footnote 44 Hanna Roose vermutet ähnlich hinter 2 Thess 2.2 eine bewußte, intertextuell zu erschließende Ambivalenz: Zwar weise der 2 Thess auf den 1 Thess hin, verstehe sich selbst aber als eine authentische Darstellung paulinischer Lehre und fungiere somit als ‘reading instruction’ für den 1 Thess.Footnote 45 Auch dieser Deutung zufolge nimmt 2 Thess 2.2 explizit auf den 1 Thess Bezug. Ähnlich spricht Gerd Theißen zuletzt und in Anlehnung an die Untersuchung von Annette Merz zu den PastoralbriefenFootnote 46 von einer ‘fiktiven Selbstauslegung des Paulus’ in den deuteropaulinischen Schriften.Footnote 47 Dieser Deutungsvorschlag verfolgt ein harmonisierendes Interesse, insofern er der paulinischen Pseudepigraphie im 2 Thess die Funktion einer fortschreibenden Aktualisierung und Deutung paulinischer Theologie beimißt. Unklar bleibt jedoch, warum sich der Autor des 2 Thess zur Abfassung einer solchen ‘reading instruction’ genötigt sieht bzw. an oder gegen welche Adressaten-Gruppe der 2 Thess gerichtet ist.

2.2. Vorschlag zur Modifikation: Thess 2.2 als Verweis auf einen verlorenen Brief

Aus meiner Sicht ist eine andere, so bisher noch nichtFootnote 48 diskutierte Interpretation von 2 Thess 2.2 weiterführend, die ich zunächst thetisch formuliere: 2 Thess 2.2 ist nicht auf den 1 Thess, sondern auf einen uns nicht bekannten, d.h. verloren gegangenen paulinischen oder pseudo-paulinischen Brief zu beziehen. Diese Einsicht resultiert zunächst aus exegetischen Beobachtungen zu 2.2, die besonders auf der philologischen Analyse der Satzstruktur beruhen, und bezieht später 2 Thess 3.17 sowie 2.15 sowie Überlegungen zum Inhalt dieses verlorenen Briefes (unter 3.) mit ein. Im Einzelnen:

(a.) Die Wendung ὡς δι᾽ ἡμῶν in 2 Thess 2.2 ist—wie mit Berufung auf Erasmus schon Ernst von Dobschütz betont hatFootnote 49—auf den gesamten μήτε-Satz zu beziehen.Footnote 50 So ist ‘Fälschung’ nicht allein als ein briefliches Phänomen, d.h. als literarische Fälschung zu verstehen, sondern bezieht zugleich pneumatische und kerygmatische sowie schriftliche Aspekte (μήτε διὰ πνεύματος μήτε διὰ λόγον μήτε δἰ ἐπιστολῆς) des apostolischen Wirkens mit ein.Footnote 51 Der Brief begegnet also nur als eine mögliche Form apostolischer Lehre und apostolischen Wirkens. Es geht in 2 Thess 2.2 also insgesamt um ‘richtiges’ (διά, vgl. 2.15) und ‘falsches’ (ὡς διά, 2.2) apostolisches Wirken, nicht allein um die Frage einer verfälschenden Lehre in brieflich-literarischer Form. Für den Verfasser des 2 Thess existiert eine ‘richtige’, d.h. sachgemäß an Paulus anknüpfende, und eine ‘falsche’, d.h. sachlich gegen Paulus gerichtete Fortführung des paulinischen Erbes.

Wichtig für die Deutung von 2.2 schließlich ist die Bestimmung der Konjunktion ὡς innerhalb der Konstruktion ὡς δι᾽ ἡμῶν: Wie oben gesehen, deuten Kümmel, aber auch z.B. Reinmuth ὡς komparativ-demonstrativ (‘so wie’), d.h. sie verstehen die ὡς-Konstruktion als einen direkten Verweis auf 1 Thess. Auch Lindemann mißt der Konjunktion zuerst eine komparativ-demonstrative Funktion bei, die den Bezug zu 1 Thess herstellt, sieht dann aber auch eine modale Funktion vorliegen: Demnach enttarnt ὡς den 1 Thess als einen nur ‘scheinbar von uns geschriebenen’, d.h. letztlich ‘gefälschten’ Brief. Ich dagegen meine, dass ὡς in erster Linie modal zu verstehen ist und dem Leser einen ‘scheinbar von uns’ geschriebenen Brief als Fälschung vor Augen führen will. Höchstens in zweiter Linie ist ὡς komparativ-demonstrativ zu deuten, sofern es auch einen konkreten Hinweis auf diesen Brief gibt (s.u.).

(b.) Des weiteren ist zum Verständnis von 2 Thess 2.2, auch 3.17 heranzuziehen: Hier insistiert der Autor des 2 Thess auf den apostolischen Autograph (ὁ ἀσπασμὸς τῇ ἐμῇ χειρσὶ Παύλου, ὅ ἐστιν σημεῖον ἐν πάσῃ ἐπιστολῇ οὕτως γράφω). Gerade mit diesem Topos, nämlich dem vehementen Anspruch auf Autographie, scheint der Autor einerseits zwar als pseudonymer Verfasser durch,Footnote 52 beansprucht aber andererseits, ein ‘authentisches’ Schreibinteresse zu verfolgen. Wie ist diese Ambivalenz aufzulösen und zu erklären? Offenbar kämpft der Verfasser gegen die seiner Meinung nach ‘falsche’ apostolische, d.h. ‘falsche’ paulinische Lehre über die Parousie und bedient sich dabei—seines Erachtens zu Recht—der Form des paulinischen Briefes.

Diese Funktionsbestimmung des autographischen Topos in 3.17 wird im Folgenden für die Deutung von 2.2 relevant werden: So setzt sich der Verfasser des 2 Thess in 2.2 nicht mit dem 1 Thess, sondern mit einer—seiner Meinung nach—‘falschen’ in Umlauf geratenen schriftlichen Interpretation dieses früheren paulinischen Briefes an die Gemeinde in Thessaloniki explizit kritisch auseinander. Diese fälschliche Interpretation von 1 Thess könnte unter anderem in einem literarisch gefälschten Brief ihren Niederschlag gefunden haben.Footnote 53 Denkbar wäre freilich auch, dass jener Verweis auf einen gefälschten Brief (…μήτε δι᾽ ἐπιστολῆς) seinerseits auf reiner literarischer Fiktion basiert und apologetischen Interessen dient, insofern er die Legitimationsbasis für die Abfassung des 2 Thess darstellen soll.Footnote 54

Die Abfassung des 2 Thess hat also eine doppelte Stoßrichtung: Der Brief tritt einem eventuellen früheren, verfälschenden Schreiben, in jedem Fall aber einer—nach Meinung des Verfassers—vielfältigen (pneumatisch, kerygmatisch, epistolographisch) Fehlinterpretation paulinischer Lehre, explizit entgegen (2 Thess 2.2) und gibt zugleich eine ‘Leseanweisung’ für das ‘rechte’ Verstehen des 1 Thess (2 Thess 2.15). Der Bezug des 2 Thess auf 1 Thess stellt sich dabei nicht unmittelbar von 2.2, sondern höchstens von 2.15 (s.u.) her. Diese Überlegungen setzen meines Erachtens nicht zwingend voraus, dass der 2 Thess konkret und ausschließlich an die Gemeinde in Thessaloniki gerichtet war. Sollten bereits der 1 Thess und die darauf folgende, nicht mehr erhaltene literarische Fehldeutung dieses Briefes über Thessaloniki hinaus bekannt geworden sein (vgl. ähnlich Kol 4.16), so würde der 2 Thess in diesen Diskurs mit überregionaler Bedeutung eingreifen.Footnote 55

(c.) Die bisherige Analyse [besonders (a.)] hat gezeigt, dass ὡς δι᾽ ἡμῶν zuerst modal und erst dann komparativ-demonstrativ zu verstehen ist, d.h. in erster Linie eine Fehldeutung paulinischer Lehre enttarnt (modales ὡς). Entgegen der vorherrschenden Deutung meine ich nun aber nicht, dass 2 Thess 2.2 auf den 1 Thess hinweist und—wie Lindemann vorschlägt—diesen Brief als Fehldeutung paulinischer Lehre zu enttarnen sucht: Dass sich 2.2 nicht auf den 1 Thess beziehen kann, wird gerade von 2.15 her deutlich. Oder anders formuliert: Die von mir vorgeschlagene Deutung von 2 Thess 2.2 läßt sich sinnvoll mit der Deutung von 2 Thess 2.15 vereinbaren. Dieser Umstand ist wichtig, weil die verschiedenen oben genannten Deutungsvorschläge (s. 2.1.) zu keiner homogenen Interpretation von 2 Thess 2.15 im Verhältnis zu 2.2 einerseits und zum 1 Thess andererseits geführt haben.Footnote 56

Wie also verhalten sich 2 Thess 2.2 und 2.15 sowie 1 Thess zu einander? Zunächst ist 2 Thess 2.15 meines Erachtens sachlich und im Blick auf den implizierten Referenzrahmen von 2.2 zu unterscheidenFootnote 57—soweit ist z.B. Lindemann tendenziell zuzustimmen.Footnote 58 Allerdings bezieht sich 2.15 nicht auf den 2 Thess (gegen Lindemann). Vielmehr erfolgt in 2.15 die Aufforderung an die Adressaten, an der bereits vermittelten Lehre festzuhalten (στήκετε καὶ κρατεῖτε τὰς παραδόσεις): Hier aber wird an die bereits ergangene ‘rechte’ paulinische Lehre positiv angeknüpft. In 2.15 ist damit der 1 Thess gemeint—soweit ist z.B. Reinmuth zuzustimmen.Footnote 59 Die ‘rechte’ paulinische Lehre ist nach Meinung der pluralen Verfassergruppe den Adressaten wörtlich und schriftlich, genauer: durch einen zeitlich früheren Brief mitgeteilt worden (… ἃς ἐδιδάχϑητε εἴτε διὰ λόγου εἴτε δι᾽ ἐπιστολῆς ἡμῶν).

So ergibt sich als Fazit: Der Verfasser des 2 Thess nimmt erst in 2.15, nicht aber in 2.2 auf den 1 Thess und die darin formulierte paulinische Unterweisung explizit Bezug.Footnote 60 Daher sind die Prä-Texte, auf die 2 Thess 2.2 einerseits und 2 Thess 2.15 andererseits Bezug nehmen, zu unterscheiden: 2 Thess 2.2 setzt sich kritisch mit einer Fehlinterpretation paulinischer Lehre auseinander, die unter Umständen auch in einem (uns nicht mehr erhaltenen) Brief erfolgte, der realiter vielleicht paulinischen, wohl eher aber pseudo-paulinischen Ursprungs war. 2 Thess 2.15 hingegen knüpft positiv an die Inhalte des zeitlich deutlich früher geschriebenen 1 Thess an.

2.3. Ergebnis des Vorschlags und weitere Perspektiven

Fassen wir diese Überlegungen zusammen: Der Verfasser des 2 Thess wählt eine mit 1 Thess 1.1 identische superscriptio (2 Thess 1.1), in der Παῦλος als erstgenannter Co-Sender erscheint.Footnote 61 In 3.17 verstärkt er den Eindruck, orthonym und autographisch zu schreiben. Aus der Sicht des Verfassers des 2 Thess ist der in 2.2 genannte Brief Gegenstand der Auseinandersetzung mit ‘falscher’ Lehre. Der Verfasser bewertet diesen Brief als pseudepigraph. Für uns hingegen ist die Beurteilung der literarischen Authentizität des verlorenen Briefes, auf den 2 Thess 2.2 anspielt, kaum zu leisten—der Brief könnte paulinischen oder pseudo-paulinischen Ursprungs sein. Die Beurteilung von dessen Authentizität oder Pseudepigraphie kann daher nicht auf der Basis von 2.2 erfolgen.Footnote 62 Daneben können sich ‘rechte’ oder ‘falsche’ paulinische Lehre auch in pneumatischen Zeichen oder kerygmatisch artikulieren. Wenn sich der Verfasser des 2 Thess des paulinischen Briefformulars bedient, nutzt er dieses legitim zur Durchsetzung der in seinen Augen ‘richtigen’ paulinischen Lehre. Das Phänomen der Pseudepigraphie ist für den Verfasser des 2 Thess also nicht von der Person des Autors her, sondern von der sachlichen ‘Richtigkeit’ her zu verstehen. Es findet vor dem Hintergrund des Streits um ‘rechte’ Lehre und ‘Irrlehre’ statt. Die Berufung auf Παῦλος dient der Erinnerung der ‘rechten’ apostolischen Lehre. So gibt es für den Verfasser des 2 Thess insgesamt drei Typen von Paulus-Lehre und -Briefen, nämlich:

  • ‘rechte’ Paulus-Lehre und authentische Briefe (= 1 Thess; s. 2 Thess 2.15);

  • ‘rechte’ und authentisch fortgeführte Paulus-Lehre und-Briefe (wie sein eigenes Schreiben; s. 2 Thess 3.14, 17)Footnote 63 sowie;

  • verfälschte und verfälschende Paulus-Lehre und -Briefe (nicht mehr erhalten; s. 2 Thess 2.2).

Der 2 Thess dient—so meine ich—der Zurückweisung einer als verfälschend geltenden literarischen und mündlichen Deutung des 1 Thess, die nicht (mehr) erhalten ist.Footnote 64 Diese Differenzierungen machen deutlich, dass sich das Verhältnis von theologischer ‘Richtigkeit’ und literarischer Authentizität bzw. Pseudepigraphie auf der Basis der Auslegung des 2 Thess komplex darstellt. Dieses Verhältnis kann wie folgt bestimmt werden:

  • ‘richtige’ Paulus-Lehre (1 Thess) kann in literarisch authentischer, d.h. orthonymer Form vorliegen (vgl. 2 Thess 2.15);

  • ‘richtige’ Paulus-Lehre (2 Thess) kann in literarisch nicht-authentischer, d.h. pseudepigrapher Form vorliegen (vgl. 2 Thess 3.17);

  • ‘falsche’ Paulus-Lehre (verlorener Brief) könnte in literarisch authentischer oder nicht-authentischer, d.h. orthonymerFootnote 65 oder pseudepigrapher Form vorliegen (vgl. 2 Thess 2.2).

So fallen die Beurteilung literarischer Authentizität und theologischer ‘Richtigkeit’ eines Briefes nicht zusammen, sondern sind phänomenologisch und sachlich zu unterscheiden.

3. Ausblick: Der 2 Thess als Beitrag zu einem ‘Paulus-Diskurs’

Norbert Brox hat in der Diskussion über die theologiegeschichtliche Stellung der paulinischen Pseudepigraphen den 2 Thess als eine ‘Gegenfälschung, die vorhandene Fälschungen unschädlich machen will, indem sie vor ihnen als Fälschungen warnt und dazu selbst das Mittel der Täuschung einsetzt’,Footnote 66 charakterisiert. Brox führt hier im Sinne der pia-fraus-Debatte das ethische Moment in die Beurteilung literarischer Authentizität oder Pseudepigraphie wieder ein. Damit werden letztlich auch die wenig sachgemäßen Kategorien ‘orthodoxer’ oder ‘heterodoxer’ Lehrbildung vorbereitet.Footnote 67 Zugleich bleibt die neutestamentliche Pseudepigraphie-Forschung damit auf die eingangs erwähnte kanonkritische Funktion beschränkt (s.o. 1.).

Aus meiner Sicht jedoch gibt der 2 Thess im Sinne einer literarischen und geschichtlichen Quelle Einblick in die theologischen und theologiegeschichtlichen Konflikte um die Sicherung, Fortschreibung und Diskussion der paulinischen Lehre.Footnote 68 Dabei ist der 2 Thess selbst auch ein theologiegeschichtlicher Beitrag zu einem ‘Paulus-Diskurs’, der freilich innerhalb dieses Diskurses beansprucht, zur ‘richtigen’ Paulus-Deutung beizutragen. Diskurstheoretisch betrachtet und aktualisiert, müßten Walter Bauers Überlegungen zur Ketzerbekämpfung im 2. Jh.,Footnote 69 d.h. zur diffizilen Unterscheidung von ‘Kirchenlehre’ und ‘Häresie’,Footnote 70 also bereits in die Zeit des 2 Thess vordatiert werden. Das aber bedeutet: Der Kampf um die Durchsetzung und Fortschreibung der ‘richtigen’ paulinischen Lehre kann kaum ethisch-moralisch beurteilt werden, sondern stellt sich vielmehr als ein religiöser Diskurs in der Geschichte der frühen Paulus-Rezeption dar,Footnote 71 der für uns kaum allein durch die Beurteilung von literarischer Authentizität oder Pseudepigraphie durchsichtig gemacht wird. Die Fragen, wo genau dieser Diskurs angesiedelt ist und gegen wen bzw. gegen welche Form der Paulus-Rezeption sich der 2 Thess konkret richtet, könnten als weitere Überlegungen hier angeschlossen werden.Footnote 72 Plausibel wäre, die Wendung ὡς ὅτι ἐνέστηκεν ἡ ἡμέρα τοῦ κυρίου in 2 Thess 2.2b als einen palintextuellen Footnote 73 Hinweis auf den Inhalt und die These des zuvor erwähnten pseudo-paulinischen Briefes zu verstehen: Es könnte sich daher hier durchaus um eine Allusion oder gar ein Zitat aus diesem Brief handeln. Demnach greift ὡς den modalen Charakter des vorhergehenden ὡς auf, und ὅτι ist gleichsam als ein ὅτι-recitativum zu lesen, das den Inhalt oder gar Wortlaut der ‘falschen’ Lehre wiedergibt: Nach dieser Lehre ist der ‘Tag des Herrn schon da’.Footnote 74

An dieser Stelle aber sei vorerst betont: Der 2 Thess führt uns als pseudepigrapher Paulus-Brief literatur- wie theologiegeschichtlich in die Anfänge einer frühchristlichen Deutungs- und Diskurskultur, die als Streit über die ‘richtige’ Paulus-Interpretation übrigens bleibendFootnote 75 unabgeschlossen ist.

Table 1. Zur Frage nach der Echtheit des 2 Thess und der Deutung von 2.2 – Tabellarische Übersicht

References

1 Schmidt, J. E. C., ‘Vermuthungen über die beyden Briefe an die Thessalonicher’, Bibliothek für Kritik und Exegese des neuen Testaments und älteste Christengeschichte Tom. 2 Fasc. 3 (Hadamar: Gelehrtenbuchhandlung, 1801) 380-86Google Scholar.—Hinweise dazu bei Kümmel, W. G., Einleitung in das Neue Testament (Heidelberg21: Quelle & Meyer, 1983) 228Google Scholar. Vgl. auch Rigaux, B., Saint Paul. Les Épitres aux Thessaloniciens (Paris/Gembloux: Librairie Lecoffre/Éditions Duculot, J., 1956) 124-5, bes. 124 Anm. 2Google Scholar.

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6 Vgl. zur Forschungsgeschichte auch: Kümmel, Einleitung, 326-33—Baur bezweifelt grundsätzlich übrigens nicht nur die Echtheit des 2 Thess, sondern auch die des 1 Thess. Vgl. dazu auch Rigaux, Épitres, 120-21 und 124-5 mit Hinweis auf z.B.: Baur, F. C., Paulus der Apostel Jesu Christi: Sein Leben und Wirken, seine Briefe und seine Lehre: Ein Beitrag zu einer kritischen Geschichte des Urchristenthums (Stuttgart: Becher & Müller, 1845) 480-92Google Scholar.

7 Schleiermacher, F. D. E., Ueber den sogenannten ersten Brief des Paulos an den Timotheos (Berlin: Realschule, 1807)Google Scholar.—Baur, Pastoralbriefe, bes. 1-7 verweist kritisch auf Schleiermacher, indem er betont, auch die geschichtlichen Entstehungsbedingungen der Briefe müssten berücksichtigt werden. Baur geht es also darum, zu einem ‘geschichtlich begründeten Resultat zu kommen’, a.a.O., 7.

8 So z.B. Candlish, J. S., ‘Über den moralischen Charakter pseudonymer Bücher’ (1892), Pseudepigraphie in der heidnischen und jüdisch-christlichen Antike (hg. N. Brox; WdF 484; Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 1977) 7-42Google Scholar; Bardy, G., ‘Betrug und Fälschungen in der Literatur der christlichen Antike’, Pseudepigraphie in der heidnischen und jüdisch-christlichen Antike (hg. N. Brox; WdF 484; Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 1977) 163-84Google Scholar.—Vgl. dazu auch Speyer, W., Die literarische Fälschung im heidnischen und christlichen Altertum: Ein Versuch ihrer Deutung (HAW I.2; München: Beck, 1971) z.B. 94Google Scholar.

9 Vgl. bes. Deissmann, A., Paulus. Eine kultur- und religionsgeschichtliche Skizze (Tübingen: Mohr, 1911) 10Google Scholar.

10 Vgl. Dornseiff, F., Echtheitsfragen antik-griechischer Literatur: Rettungen des Theognis, Phokylides, Hekataios, Choirilos (Berlin: de Gruyter, 1939) bes. 1-4Google Scholar, der hier folgende philologische Grundregel formuliert: ‘Man kann… nicht verlangen, daß die Echtheit nachgewiesen wird. Aber wenn die Einwände gegen die Echtheit als haltlos erwiesen sind, muß eine Schrift für echt angesehen werden….’.

11 Sint, J. A., Pseudonymität im Altertum: Ihre Formen und ihre Gründe (Commentationes Aenipontanae XV; Innsbruck: Wagner, 1960)Google Scholar.

12 Speyer, Die literarische Fälschung.

13 Brox, N., Falsche Verfasserangaben: Zur Erklärung der frühchristlichen Pseudepigraphie (SBS 79; Stuttgart: Katholisches Bibelwerk, 1975)Google Scholar.

14 Vgl. dazu ausführlich: Becker, E.-M., ‘Von Paulus zu “Paulus”: Literatur- und theologiegeschichtliche Aspekte der Pseudepigraphie’, Pseudepigraphie und Verfasserfiktion in frühchristlichen Briefen/Pseudepigraphy and Author Fiction in Early Christian Letters (hg. Frey, J. et al. ; WUNT; Tübingen: Mohr Siebeck, 2009; im Druck)Google Scholar.

15 Speyer, Die literarische Fälschung, 94: ‘Die literarische Fälschung ist… ein Sonderfall der Lüge, näherhin des Betruges’, a.a.O., 94.

16 Vgl. etwa auch die Überlegungen bei Marxsen, W., Der zweite Thessalonicherbrief (ZBK.NT 11.2; Zürich: Theologischer Verlag Zürich, 1982) 107-17Google Scholar, die sich auf den kanonischen Status des 2 Thess beziehen. In der jüngsten exegetischen Diskussion: Vgl. Frenschkowski, M., ‘Pseudepigraphie und Paulusschule: Gedanken zur Verfasserschaft der Deuteropaulinen, insbesondere der Pastoralbriefe’, Das Ende des Paulus: Historische, theologische und literaturgeschichtliche Aspekte (hg. Horn, F. W.; BZNW 106; Berlin/New York: de Gruyter, 2001) 239-72, 250Google Scholar; Zimmermann, R., ‘Unecht—und doch wahr? Pseudepigraphie im Neuen Testament als theologisches Problem’, ZNT 12 (2003) 27-38Google Scholar.

17 So etwa auch gefordert von Stemberger, G., ‘Pseudepigraphie II. Judentum’, TRE 27 (Berlin/New York: Walter de Gruyter, 1997) 656-9, 656Google Scholar: ‘Pauschalurteile wie pia fraus oder fehlender Begriff geistigen Eigentums tragen wenig zur Erklärung des Phänomens und seiner Vielfalt sowie der Wahl der jeweiligen Verfassernamen bei…’.—Vgl. dazu auch: Frey, J. et al. (Hg.), Pseudepigraphie und Verfasserfiktion in frühchristlichen Briefen/Pseudepigraphy and Author Fiction in Early Christian Letters (WUNT; Tübingen: Mohr Siebeck, 2009; im Druck)Google Scholar.

18 Beide Begriffe sind—wie vielfach festgestellt wurde—synonym zu gebrauchen.

19 Vgl. dazu etwa: Stamps, D. L., ‘Pauline Letters’, Dictionary of Biblical Criticism and Interpretation (ed. Porter, S. E.;, London/New York: Routledge, 2007) 265-70, bes. 265-6Google Scholar; Herzer, J., ‘Abschied vom Konsens? Die Pseudepigraphie der Pastoralbriefe als Herausforderung an die neutestamentliche Wissenschaft’, ThLZ 129 (2004) 1267-82Google Scholar.—Vgl. auch z.B. Towner, P. H., The Letters to Timothy and Titus (NICNT; Grand Rapids/Cambridge: William B. Eerdman, 2006)Google Scholar, der zuletzt an der Authentizität der Pastoralbriefe festhält.

20 Vgl. insgesamt auch zur Übersicht über die Geschichte ausgewählter Forschungspositionen: J. A. D. Weima/S. Porter, E., An Annotated Bibliography of 1 and 2 Thessalonians (New Testament Tools and Studies 26; Leiden: Brill, 1998) 51-64Google Scholar.—Zur Geschichte der älteren Forschung vgl. etwa Holtzmann, H. J., Lehrbuch der Historisch-Kritischen Einleitung in das Neue Testament (Freiburg: Mohr, 1885) 229-31Google Scholar.

21 Kümmel, Einleitung, 228-32.

22 Malherbe, A. J., The Letters to the Thessalonians (AncB 32B; New York: Doubleday, 2000) bes. 375Google Scholar.

23 Marxsen, Thessalonicherbrief, bes. 107-17.

24 Mitchell, M. M., ‘Thessalonicherbriefe’, RGG 4 VIII (Tübingen: Mohr Siebeck, 2005) 360-62, 361Google Scholar, die sogar von einer ‘doppelten Pseudepigraphie’ (pseudonymer Autor und fiktiver Adressat) spricht, was aber für alle pseudonymen Briefe gelten würde; vgl. auch Hughes, F. W., Early Christian Rhetoric and 2 Thessalonians (JSNTSup 30; Sheffield: JSOT Press, 1989) 16-17Google Scholar. Vgl. auch die Überlegungen bei Metzger, P., Katechon: II Thess 2.1-12 im Horizont apokalyptischen Denkens (BZNW 135; Berlin/New York: de Gruyter, 2005) bes. 73CrossRefGoogle Scholar. Vgl. auch Trilling, W., Der zweite Brief an die Thessalonicher (EKK XIV; Neukirchen-Vluyn: Neukirchener Verlag, 1980)Google Scholar.—In der gegenwärtigen deutschsprachigen Einleitungswissenschaft gilt der 2 Thess überwiegend als pseudepigraph: Vgl. dazu Schnelle, U., Einleitung in das Neue Testament (UTB 1830; Göttingen6: Vandenhoeck & Ruprecht, 2007) 358-9Google Scholar; Heininger, B., ‘Die Rezeption des Paulus im 1. Jahrhundert: Deutero- und Tritopaulinen sowie das Paulusbild der Apostelgeschichte’, Paulus: Leben—Umwelt—Werk—Briefe (hg. Wischmeyer, O.; UTB 2767; Tübingen/Basel: A. Francke Verlag, 2006) 309-40, 320-22Google Scholar.—Keine Infragestellung der Echtheit findet sich etwa bei Aland, K., ‘The Problem of Anonymity and Pseudonymity in Christian Literature of the First Two Centuries’, JThS 12 (1961) 39-49Google Scholar, deutsche Übersetzung: ‘Das Problem der Anonymität und Pseudonymität in der christlichen Literatur der ersten beiden Jahrhunderte’, Studien zur Überlieferung des Neuen Testaments und seines Textes (ANTT 2; Berlin: de Gruyter, 1967) 24-34, 26.

25 Vgl. zur Forschungsgeschichte bis zu Beginn des 20. Jhs. auch die umfassende Darstellung bei von Dobschütz, E., Die Thessalonicher-Briefe (KEK 10; Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 1909) 31Google Scholar, und bis zur Gegenwart: Malherbe, Letters, 349.—Zuletzt auch Furnish, V. P., 1 Thessalonians, 2 Thessalonians (Abingdon New Testament Commentaries; Nashville: Abingdon, 2007) bes. 131-7Google Scholar.

26 Wrede, W., Die Echtheit des Zweiten Thessalonicherbriefs (TU 9,2; Leipzig: Hinrichs, 1903)Google Scholar. Wrede kommt freilich zu der dezidierten Einschätzung: ‘Das literarische Verhältnis des Briefes zum ersten Thessalonicherbrief bleibt ohne die Annahme der Fälschung völlig unverständlich’, a.a.O., 114.—Ders., Paulus (Halle: Gebauer-Schwetschke, 1904) 2 konstatiert übrigens: ‘Ob ein Brief mehr oder weniger echt oder unecht ist, ist übrigens von geringem Belang. Nur die Echtheit der Pastoralbriefe würde das Bild des Paulus wesentlich verändern’.

27 Vgl. zur Darstellung der älteren Forschung: von Dobschütz, E., Die evangelische Theologie: Ihre jetziger Stand und ihre Aufgaben: Zweiter Teil: Das Neue Testament (Halle: Buchhandlung des Waisenhauses, 1927) 16Google Scholar. Weiß, J., Das Urchristentum: 1. Teil: 1.-3. Buch (Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1914) 217Google Scholar = Weiß, J., Das Urchristentum (hg. Knopf, R.; Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1917) 217Google Scholar rechnet sogar mit einer Entstehung des 2 Thess zeitlich vor dem 1 Thess, ähnlich zuletzt auch Bruce, F. F., 1 & 2 Thessalonians (WBC 45; Waco: Word Books, 1982)Google Scholar bes. xli-ii. von Harnack, A., ‘Das Problem des zweiten Thessalonicherbriefes’, SPAW (1910) 560-69Google Scholar versteht den 2 Thess als einen an den judenchristlichen Teil der Gemeinde in Thessaloniki gerichteten Brief.—So zieht Kümmel, Einleitung, 228-30 die Argumente, die gegen die Echtheit des 2 Thess zu sprechen scheinen, besonders aus sprachlichen, theologisch-eschatologischen und auch zeitlichen Gründen (2 Thess 2.4 wird vor 70 n.Chr. datiert) in Zweifel und kommt zu dem Schluß, Paulus habe den ‘2 Thess wenige Wochen nach 1 Thess geschrieben…, als 1 noch in frischer Erinnerung bei ihm war’, a.a.O., 231-2. Vgl. außerdem: Rigaux, Épitres, bes. 144-6.—Ähnlich, aber vom ‘Sitz im Leben’ herkommend, sieht Still, T. D., Conflict at Thessalonica: A Pauline Church and its Neighbours (JSNTSup 183; Sheffield: Sheffield Academic Press, 1999)Google Scholar bes. 59 im 2 Thess eine zeitlich kurz nach 1 Thess geschriebene Korrektur des früheren Briefes; Wilder, T. L., Pseudonymity, the New Testament, and Deception: An Inquiry into Intention and Reception (Lanham: University Press of America, 2004)Google Scholar bes. 60 versucht gerade auf der Basis von 2 Thess 2.2 zu zeigen, dass pseudonyme Paulus-Briefe als nicht ungefährlich betrachtet worden sind. Zur weiteren Verteidigung der Echtheit vgl. auch Jewett, R., The Thessalonian Correspondence: Pauline Rhetoric and Millenarian Piety (Philadelphia: Fortress Press, 1986)Google Scholar z.B. 59-60, der zudem mit einer raschen Abfolge der Briefe nacheinander rechnet und beide Briefe auf ca. 50 datiert; Nicholl, C. R., From Hope to Despair in Thessalonica: Situating 1 and 2 Thessalonians (SNTSMS 12; Cambridge: Cambridge University, 2004)CrossRefGoogle Scholar sowie Wanamaker, C. A., The Epistles to the Thessalonians: A Commentary on the Greek Text (Grand Rapids/Exeter: Eerdmans, 1990) 37Google Scholar, der den 2 Thess für den zeitlich früheren Brief hält.

28 In der Mehrheitsmeinung wird der 2 Thess auf das Ende des 1. Jhs. datiert—so Schnelle, Einleitung, 360; Heininger, Die Rezeption des Paulus, 320; Broer, I., Einleitung in das Neue Testament: Bd. II Die Briefliteratur, die Offenbarung des Johannes und die Bildung des Kanons (NEB Ergbd. 2/II; Würzburg: Echter Verlag, 2001) 482-4Google Scholar datiert nur vage in den ‘Zeitraum der letzten Jahrzehnte des ersten Jahrhunderts’, a.a.O., 484; ähnlich zuletzt auch Schreiber, S., ‘Der zweite Thessalonicherbrief’, Einleitung in das Neue Testament (hg. Ebner, M./Schreiber, S.; KStTh 6; Stuttgart: W. Kohlhammer, 2008) 440-449, 445Google Scholar. Vgl. auch Holland, G. S., The Tradition that You Received from Us: 2 Thessalonians in the Pauline Tradition (HUTh 24; Tübingen: Mohr, 1988) 130Google Scholar.

29 Vielhauer, P., Geschichte der urchristlichen Literatur: Einleitung in das Neue Testament, die Apokryphen und die Apostolischen Väter (Berlin/New York: de Gruyter, 1975) 102Google Scholar: ‘Der 2 Thess ist wohl der älteste erhaltene, wenn auch nach 2.2; 3.17 zu urteilen, nicht der erste fingierte Paulusbrief’. Vielhauer datiert den 2 Thess in die ‘zweite Hälfte der 80er Jahre’, ebd.

30 So hat O. Merk mit der Annahme, es handele sich bei 2 Thess um einen ‘“Deuteropaulinen” zu Lebzeiten des Paulus’ (Merk, O., ‘Überlegungen zu 2 Thess 2.13-17’, Wissenschaftsgeschichte und Exegese: Ges. Aufsätze zum 65. Geburtstag [hg. Gebauer, R. et al. ; BZNW 95; Berlin/New York: de Gruyter, 1998] 422-31, 430Google Scholar) eine frühe Abfassung des 2 Thess ‘kurz nach 1 Thess’ plausibel gemacht: Vgl. auch Merk, O., ‘Nachahmung Christi: Zu ethischen Perspektiven in der paulinischen Theologie’, Wissenschaftsgeschichte und Exegese. Ges. Aufsätze zum 65. Geburtstag (hg. Gebauer, R. et al. ; BZNW 95; Berlin/New York: de Gruyter, 1998) 302-36, 326Google Scholar.

31 Der Datierungsspielraum liegt daher insgesamt zwischen ca. 50 und 90 n.Chr., Trilling, Der zweite Brief, 28 datiert sogar noch großzügiger im Zeitraum von 80 n.Chr. bis in das frühe 2. Jh.—Vgl. dazu auch die tabellarische Übersicht unten. Die Frage nach der Datierung des 2 Thess kann hier allerdings nicht weiter vertieft werden.

32 Dibelius, M., Geschichte der urchristlichen Literatur (hg. Hahn, F.; München3: Kaiser, 1990) 101Google Scholar.

33 Paul Metzger versucht zuletzt, die literarische und theologische Funktion des 2 Thess weitgehend unabhängig von einer Deutung von 2 Thess 2.2 zu bestimmen: Der Verfasser des 2 Thess versteht sich selbst nicht als ein Paulusschüler, sondern ist ‘ein der Apokalyptik nahe stehender Autor…, der nur deshalb einen Brief im Namen des Paulus schreibt, weil er damit seinen Gegnern deren Gewährsmann entziehen und ihn für sich selbst beanspruchen will…’, Metzger, P., ‘Eine apokalyptische Paulusschule? Zum Ort des Zweiten Thessalonicherbriefes’, Apokalyptik als Herausforderung neutestamentlicher Theologie (hg. Becker, M./Öhler, M.; WUNT 2.214; Tübingen: Mohr Siebeck, 2006), 145-66, 165Google Scholar.

34 So meint auch Menken, M. J. J., 2 Thessalonians (London/New York: Routledge, 1994) 97CrossRefGoogle Scholar.

35 Vgl. Jewett, Thessalonian Correspondence, 82-7.

36 Vgl. auch Hughes, Early Christian Rhetoric, 56-7: ‘The partitio can function in two ways, either as a listing of the problems to be dealt with in the proof or as a statement of agreement or disagreement with adversaries’, a.a.O., 56 mit Verweis auf Quintilian, inst or 4,5,1. Zur Definition in der literarischen Rhetorik vgl. Lausberg, H., Elemente der literarischen Rhetorik: Eine Einführung für Studierende der klassischen, romanischen, englischen und deutschen Philologie (München10: Hueber, 1990) 96Google Scholar: ‘Die partitio (διαίρɛσις) ist eine einleitungsmäßige Aufzählung zu behandelnder Punkte, und zwar vor einer verwickelten narratio oder vor der argumentatio’.—Wanamaker, Epistles, 49 hingegen sieht in 2 Thess 2.1-12 eine narratio vorliegen, in welcher das Thema von ‘Paul's ministry’ (vgl. 1.5) ausführlich dargelegt werde. Holland, The Tradition, bes. 43-4 weist 2 Thess 2.1-17 dem Abschnitt der probatio zu: Diese Zuordnung wirkt sich allerdings mehr auf die Bestimmung der pragmatischen Funktion von 2.2 als auf die Bestimmung des Themas selbst aus: ‘The true topic of the probatio… ist the refutation of the false proclamation’ in 2.2b, a.a.O., 44.

37 Vgl. noch einmal Vielhauer, Geschichte, 102.

38 S.u. So z.B. auch Trilling, Der zweite Brief, 76; Heininger, Die Rezeption des Paulus, 320.—Ähnlich auch Theißen, G., Das Neue Testament (München: Beck 2002, 84Google Scholar: ‘Der 2 Thess lehnt sich an… den 1 Thess… an. Er könnte auf mündliche Paulustraditionen zurückgehen’; Theissen, G., The New Testament. History, Literature, Religion (London/New York: Continuum, 2003) 129Google Scholar.—Die Beziehung von 2 Thess 2.2 auf den 1 Thess wird vor allem auch deswegen hergestellt, weil beide Briefe in ihrem literarischen Verhältnis zu einander gedeutet werden (s.o. zu W. Wrede), vgl. etwa auch von Soden, H., Urchristliche Literaturgeschichte (Die Schriften des Neuen Testaments; Berlin: Alexander Duncker, 1905) 164Google Scholar.

39 Vgl. Kümmel, Einleitung, z.B. 232. Aber auch Kümmel konstatiert mit Hinweis auf 2.2: ‘Offensichtlich hat Paulus aufgrund von Nachrichten Anlaß zu der Vermutung, es kursiere ein gefälschter Brief unter seinem Namen’, a.a.O., 230.

40 Vgl. Blass, F./Debrunner, A./Rehkopf, F., Grammatik des neutestamentlichen Griechisch (Göttingen18: Vandenhoeck & Ruprecht, 2001) § 453Google Scholar.—Als Parallelen für die Wendung ὡς δι' ἡμῶν bietet der Thesaurus Linguae Graecae an: Cassius Dio, Hist 1.1.46.11 (ed. U. P. Boissevain, 1895/repr. 1955); Alexander Aphrodisiensis, de an 172,8 (ed. I. Bruns, 1887).

41 Bauer, W., Griechisch-Deutsches Wörterbuch zu den Schriften des Neuen Testaments und der übrigen urchristlichen Literatur (Berlin/New York5: de Gruyter, 1971) 1175Google Scholar charakterisiert mit Verweis auf 2 Thess 2.2 die modale Bedeutung von ὡς wertend als ‘eine erlogene, jedenfalls objektiv falsche Eigenschaft’.—Vgl. zur modalen Bedeutung von ὡς: Hoffmann, E. G./von Siebenthal, H., Griechische Grammatik zum Neuen Testament (Riehen2: Immanuel-Verlag, 1990) § 252,61Google Scholar.—Ähnlich schlägt auch Trilling, Der zweite Brief, 75-6 vor, bei ὡς zwischen einer ‘hypothetischen’ und einer ‘realen’ Bedeutung zu unterscheiden.

42 Vgl. Lindemann, A., ‘Zum Abfassungszweck des zweiten Thessalonicherbriefs’, ZNW 68 (1977) 35-47CrossRefGoogle Scholar, bes. 39; Marxsen, Thessalonicherbrief, 80: Der Verfasser des 2 Thess will ‘mit seinem Schreiben den 1. Thess. ersetzen’.—Anders: Theißen, Das Neue Testament, 86-7: ‘Ausdrücklich wird der 1 Thess bestätigt, nur seine Deutung soll korrigiert werden’, a.a.O., 87.

43 Reinmuth, E., Der zweite Brief an die Thessalonicher (NTD 8/2; Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 1998) 157-202, 162Google Scholar; vgl. auch a.a.O., 177.

44 So z.B. Roloff, J., Einführung in das Neue Testament (Stuttgart: Philipp Reclam, 1995) 214Google Scholar.—Vgl. zur neueren Forschungsgeschichte auch: Roose, H., ‘Polyvalenz durch Intertextualität im Spiegel der aktuellen Forschung zu den Thessalonicherbriefen’, NTS 51 (2005) 250-69CrossRefGoogle Scholar, bes. 258.—Ähnliche Überlegungen bereits auch bei: Menken, 2 Thessalonians, 34-5 und 43.

45 ‘… the letter's pseudepigraphical fiction includes a claim to chronological priority as well as authenticity. In their efforts to read both letters to the Thessalonians as a literary unity, the real addressees might have viewed the pseudepigraphical letter not as a later addition to 1 Thessalonians…, but as the older foundation on which any ‘correct’ reading of 1 Thessalonians has to be based’, Roose, H., ‘“A letter as by Us”. Intentional Ambiguity in 2 Thessalonians 2.2’, JSNT 29 (2006) 107-24, 121Google Scholar; vgl. auch dies., Polyvalenz.

46 Vgl. Merz, A., Die fiktive Selbstauslegung des Paulus. Intertextuelle Studien zur Intention und Rezeption der Pastoralbriefe (NTOA 52; Göttingen/Fribourg: Vandenhoeck & Ruprecht, 2004)CrossRefGoogle Scholar. Vgl. auch Merz, A., ‘Pseudepigraphie. Neues Testament’, Lexikon der Bibelhermeneutik (hg. Wischmeyer, O. et al. ; Berlin/New York: de Gruyter, 2009)Google Scholar (im Druck).

47 Vgl. Theissen, G., Die Entstehung des Neuen Testaments als literaturgeschichtliches Problem (Schriften der Philosophisch-historischen Klasse der Heidelberger Akademie der Wissenschaften Bd. 40 [2007]; Heidelberg: Universitätsverlag Winter, 2007) 163-81Google Scholar.

48 Vgl. in der Tendenz ähnliche Überlegungen bei Hughes, Early Christian Rhetoric, 16-17; 75-95, die allerdings nicht auf einer detaillierten Analyse von 2 Thess 2.2 basieren und die in 2 Thess 2.2 einen Bezug auf Kol oder Eph sehen wollen, a.a.O., 91.

49 Vgl. dazu die Überlegungen bei von Dobschütz, Thessalonicher-Briefe, 265-6.—Anders z.B. Bruce, 1 & 2 Thessalonians, 164.

50 So auch Malherbe, Letters, 416-17.

51 Ähnlich in diesem Punkt auch Reinmuth, Brief, 162.

52 Anders: 1 Kor 16.21—dazu auch Mitchell, Thessalonicherbriefe, 363.

53 Ähnlich Mitchell, Thessalonicherbriefe, 361: ‘Einige Christen haben sich davon überzeugen lassen (vielleicht durch einen anderen pseudepigraphen Paulusbrief), daß “der Tag des Herrn schon gekommen ist”’.—Kümmels (Einleitung, 230-32) vorgetragene Überlegungen zur Orthonymität des Schreibens lassen sich hier insofern aufgreifen, als Kümmel die theologische Nähe des 2 Thess zu 1 Thess konstatiert. Diese Beobachtungen sprechen dafür, nicht einen theologischen Dissens zwischen beiden Briefen, sondern zwischen dem 2 Thess und einer ‘falschen’ Deutung des 1 Thess zu vermuten.

54 Vgl. zur Nähe von Fiktion und Geschichte in der Antike z.B.: Bowersock, G. W., Fiction as History. Nero to Julian (Berkeley: University of California, 1994)Google Scholar, z.B. 29: Inszenierung von z.B. ‘other peoples, other places’.

55 Zu den Fragen der Adressatenschaft vgl. zuletzt etwa Metzger, Katechon, 81.

56 Während sowohl Kümmel als auch Reinmuth 2 Thess 2.2 zusammen mit 2.15 auf den 1 Thess beziehen, bezieht Lindemann 2.2 auf den 1 Thess und 2.15 auf den vorliegenden 2 Thess.—S. dazu unten auch die tabellarische Übersicht.

57 2 Thess 2.15 wird in der Forschung allgemein entweder mit 2.2 parallelisiert, s. vorhergehende Anm., vgl. auch Marxsen, Thessalonicherbrief, 94.

58 Vgl. Lindemann, Abfassungszweck, 39.

59 Vgl. Reinmuth, Brief, 184.—S. dazu noch einmal unten die tabellarische Übersicht.

60 Da hier eine ähnliche Wendung (…δι᾽ ἐπιστολῆς) wie in 2.2 vorliegt, liegt freilich die Vermutung nahe, dass auch in 2.2 ein realer Brief im Blick der Verfasser ist.

61 Zum Begriff vgl. Becker, E.-M., Schreiben und Verstehen. Paulinische Briefhermeneutik im Zweiten Korintherbrief (NET 4; Tübingen/Basel: Francke Verlag, 2002) 149-55Google Scholar.

62 Vgl. die Überlegungen unter 3. zum Inhalt des verlorenen Briefes.

63 Insofern bleibt mir Schnelles Beschreibung (Einleitung, 359) unklar: ‘Ob der unbekannte Verfasser des 2 Thess im engeren Sinn der Paulusschule angehörte, muss offen bleiben…’.

64 Marxsen, Thessalonicherbrief, 60 hat zu Recht darauf hingewiesen, dass die Präskripterweiterung in 2 Thess 1.2 gegenüber 1 Thess 1.1-2 einen Hinweis darauf gibt, dass der Verfasser des 2 Thess verschiedene Paulus-Briefe kannte. Diese Überlegung könnte im Zusammenhang der Rekonstruktion der Korrespondenz mit der Gemeinde in Thessaloniki des weiteren wichtig sein.—Zum möglichen Inhalt dieses verlorenen Briefes vgl. noch einmal die Überlegungen unter 3.

65 Die Möglichkeit, dass 2 Thess 2.2 auf einen verlorenen Brief paulinischen Ursprungs verweist, ist hypothetisch zu verstehen und sei daher der Vollständigkeit halber angeführt—sie kann jedenfalls bei der Rekonstruktion eines verlorenen Briefes logisch nicht ausgeschlossen werden.

66 Brox, Falsche Verfasserangaben, 24. Brox fährt dann fort: ‘Die Gegenfälschung zeigt die irritierende Mentalität, die hinter dem ganzen irreführenden Unternehmen der Verfasserschafts-Fiktion stehen kann’, a.a.O., 25.

67 Vgl. dazu etwa die Überlegungen zu den Anfängen der Schismenbildung innerhalb der korinthischen Korrespondenz bei: Paulsen, H., ‘Schisma und Häresie. Untersuchungen zu 1 Kor 11,18.19’, Zur Literatur und Geschichte des frühen Christentums: Ges. Aufsätze (hg. Eisen, U.; WUNT 99; Tübingen: Mohr Siebeck, 1997) 43-74Google Scholar, bes. 45.—Eine ältere Position, die sich explizit kritisch zu W. Bauers Studie verhält, findet sich bei: Bieder, W., Die kolossische Irrlehre und die Kirche von heute (ThSt 33; Zollikon/Zürich: Evangelischer Verlag, 1952) bes. 5-8Google Scholar.

68 So ist der 2 Thess zumindest wirkungsgeschichtlich gerade auch für die Deutung des ‘paulinischen Evangeliums’ bedeutsam—gegen z.B. Mack, B. L., Wer schrieb das Neue Testament? Die Erfindung des christlichen Mythos (München: Beck, 2000) 157Google Scholar: Der 2 Thess ‘trägt nichts zu unserer Kenntnis des paulinischen Evangeliums bei’.

69 Vgl. Bauer, W., Rechtgläubigkeit und Ketzerei im ältesten Christentum (BHTh 10; Tübingen: Mohr, 1934) 185Google Scholar: ‘Die Rechtgläubigkeit… reichert den Bestand der apostolischen Briefliteratur zum Zwecke der Ketzerbestreitung an…’, ebd. Bauer verweist in diesem Zusammenhang auf die Pastoralbriefe, den sog. 3. Korintherbrief und den 2 Petr.—Vgl. dazu kritisch Bieder, Die kolossische Irrlehre.

70 Vgl. Bauer, Rechtgläubigkeit, bes. 1-5.

71 Ähnlich auch Hughes, Early Christian Rhetoric, 104: ‘Thus, it may emerge that the writers of the pseudopauline letters were not merely forgers or weak epigones…but theologians in their own right who used a variety of theological sources and practiced rhetoric in creative ways for particular reasons, just as the historical Paul did’. Oder auch bereits Vielhauer, Geschichte, 102: Der 2 Thess zeigt ‘die Strukturelemente der Deuteropaulinen…: den fingierten paulinischen Brief als literarisches Mittel innerkirchlicher Auseinandersetzung und die Methoden dieser Auseinandersetzung, nämlich Ausspielen des Paulus als der Autorität, aktualisierende und modifizierende Weiterbildung paulinischer Gedanken, kritische Aufnahme anderer Traditionen’.

72 Ich kann diese Diskussion hier allerdings nicht vertiefen, d.h. werde auch offen lassen, ob Hughes, Early Christian Rhetoric, 17 und 97-104 darin zu folgen ist, den 2 Thess in Opposition zu Kol und Eph zu verstehen.

73 Stocker, Nach P., Theorie der intertextuellen Lektüre. Modelle und Fallstudien (Paderborn: Schöningh, 1998) 53Google Scholar lassen sich Zitate und Allusionen als palin-textuelle Äusserungen verstehen.—Davon zu unterscheiden sind meta-textuelle Äusserungen, die eine kommunikative oder literarische Beziehung von Texten auf einander dokumentieren, vgl. auch: Becker, Schreiben und Verstehen, 137.

74 Die Identifikation dieser Lehre muß hier offenbleiben. Ob sie—wie Marxsen, W., Einleitung in das Neue Testament: Eine Einführung in ihre Probleme (Gütersloh4: Mohn, 1978) 52Google Scholar meint—als früher ‘Gnostizismus’ oder als Form apokalyptischen Schwärmertums zu verstehen sei, scheint mir spekulativ zu sein.

75 Als wichtiges Beispiel für den Diskurs um eine angemessene und sachgemäße Paulus-Deutung sei etwa auf die sog. New Perspective-Debatte im 20. und 21. Jh. hingewiesen.

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Table 1. Zur Frage nach der Echtheit des 2 Thess und der Deutung von 2.2 – Tabellarische Übersicht