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Zwischen Mythos und Wahrheit: Neue Perspektiven auf die sogenannten Pastoralbriefe*

Published online by Cambridge University Press:  31 May 2017

Jens Herzer*
Affiliation:
Institut für Neutestamentliche Wissenschaft, Martin-Luther-Ring 3, 04109 Leipzig, Germany. Email: herzer@uni-leipzig.de
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Abstract

The perspective on the Pastoral Epistles presented in this paper differs from the established scholarly consensus and moves beyond the controversy concerning pseudonymity versus authenticity. After examining the development of the ‘Corpus Pastorale’ theory and clarifying some methodological questions, the paper argues for an interpretation of the Pastorals separately from each other and in their specific relation to Paul and his tradition. Significant examples indicate the possibility of understanding 2 Timothy and Titus as authentic letters of Paul, whereas 1 Timothy proves to belong to the second century ce. From this perspective, many otherwise contradictory aspects of the history of interpretation regain their rationale.

German abstract: Die hier zur Diskussion gestellte Perspektive auf die Pastoralbriefe unterscheidet sich grundlegend vom etablierten Konsens der Forschung und weist über die klassischen Alternativen hinsichtlich Pseudonymität und Authentizität hinaus. Nach einer Bestandsaufnahme der Theorie eines ‘Corpus Pastorale’ und der Klärung methodischer Fragen werden Argumente für eine individuelle Interpretation der Briefe in ihrer spezifischen Relation zu Paulus und der Paulustradition entfaltet. Anhand signifikanter Beispiele wird die Möglichkeit erörtert, 2 Tim und Tit als authentische Briefe des Paulus zu verstehen und 1 Tim als ein Schreiben des 2. Jahrhunderts n. Chr. zu interpretieren. Unter dieser Perspektive kommen viele Aspekte der Auslegungsgeschichte neu zu ihrem Recht, die sich sonst eher als problematisch erweisen.

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Articles
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Copyright © Cambridge University Press 2017 

Mythos und Wahrheit – das sind zwei für die Pastoralbriefe charakteristische Begriffe. Vor den ‘abscheulichen Mythen’ wird gewarnt (1 Tim 4.7), die Wahrheit hingegen wird eingeschärft, von der ‘Gott will, dass alle Menschen sie erkennen’ (1 Tim 2.4). Das Rangieren zwischen den Gleisen Mythos und Wahrheit kennzeichnet aber nicht nur die Pastoralbriefe selbst, sondern auch ihre Auslegung und die entsprechend kontroverse Forschungsgeschichte.

Der magnus consensus über die Pastoralbriefe lässt sich mit folgenden Aspekten umreißen: Es handelt sich um ein dreiteiliges Briefkorpus, das ein pseudonymer Autor der zweiten oder dritten urchristlichen Generation angesichts von häretischen Herausforderungen zum Zwecke der Konsolidierung einer durch Ämter strukturierten Gemeinde sowie zur Sicherstellung der Bewahrung der paulinischen Überlieferung verfasst hat. Der sich mit der Herausbildung dieses Konsenses etablierende Begriff ‘Pastoralbriefe’ steht in der Regel als Synonym für diese Sicht der drei Mitarbeiterbriefe unter dem Namen des Paulus, auch wenn er in der Sache für die Beschreibung des inhaltlichen Profils der Schriften keineswegs unangemessen ist.Footnote 1 Doch gibt es durchaus Anlass zu einem erneuten Nachdenken über diesen m.E. nur scheinbaren Konsens.Footnote 2 Insbesondere die These der Zusammengehörigkeit der drei Pastoralbriefe als ein Corpus PastoraleFootnote 3 ist bereits mehrfach einer substantiellen Kritik unterzogen worden, ohne die zweite wesentliche Voraussetzung der Pseudepigraphie der Briefe infrage zu stellen.Footnote 4 In den letzten dreißig Jahren sind nicht nur mindestens zwanzig neue wissenschaftliche Kommentare zu den Pastoralbriefen geschrieben, sondern auch eine kaum zu überblickende Fülle monographischer Versuche themenbezogener Interpretationen wie auch Gesamtdeutungen vorgelegt worden. Die Ergebnisse in der Erklärung der Pastoralbriefe gehen jedoch sowohl im Blick auf eine Gesamtperspektive als auch im Detail so weit auseinander, dass sich die Vermutung geradezu aufdrängt, die gemeinsame Prämisse könnte nicht hinreichend gesichert sein. Insofern ihre Begründungsmuster strittig bleiben, sind etablierte Denkgewohnheiten oft eher geeignet, selbst zum Mythos zu werden und die Wahrheit des Gedachten und Vorgestellten allenfalls ansatzweise zu repräsentieren.

Im Folgenden sollen daher 1. ein kurzer problemorientierter Blick in die Forschungsgeschichte geworfen, 2. exemplarisch zwei methodische Probleme thematisiert und 3. anhand eines konkreten Beispiels eine nicht nur vom vermeintlichen akademischen Konsens sondern auch von den klassischen Alternativpositionen abweichende Perspektive zur Diskussion gestellt werden. Auch ein solcher Versuch ist natürlich keineswegs von der Gefahr ausgenommen, der ‘Wahrheit’ über die Pastoralbriefe nicht vollumfänglich gerecht zu werden, zumal in diesem Rahmen nur einige grundlegende Aspekte thematisiert werden können.

1. Forschungsgeschichtliche Aspekte: Die Entstehung eines Interpretationsparadigmas

Vor ziemlich genau neunzig Jahren schreibt Adolf von Harnack über die Pastoralbriefe: ‘Das Rätsel, das über diesen Briefen schwebt, hat noch niemand wirklich gelöst und ist auch mit unseren geschichtlichen Hilfsmitteln unlösbar.’Footnote 5 Das ist Harnacks Resümee nach mehr als einhundert Jahren kritischer Forschung, die im Übergang vom 18. zum 19. Jahrhundert begann und mit den Namen Johann Ernst Christian SchmidtFootnote 6 und Friedrich Daniel Ernst SchleiermacherFootnote 7 verbunden ist. Im 19. Jahrhundert gab Ferdinand Christian BaurFootnote 8 der Forschung über die Pastoralbriefe eine bis heute bestimmende Grundrichtung, die schließlich in dem grandiosen, 1880 erschienenen Kommentar von Heinrich Julius HoltzmannFootnote 9 einen vorläufigen Höhepunkt erreichte. Während Baur und Holtzmann bereits von der Unechtheit der Pastoralbriefe überzeugt waren, konnte Harnack ca. fünfzig Jahre nach Holtzmanns Kommentar deren Position nicht mehr mit dem gleichen Enthusiasmus nachvollziehen: ‘Ohne einen kritischen Gewaltstreich kann man daher weder die Echtheit noch die Unechtheit dieser Briefe, so wie sie vorliegen, behaupten.’Footnote 10 Pauschal behaupten – so muss man wohl betonen, denn Harnack hat bekanntlich im Sinne einer Fragmententheorie dafür plädiert, die sich gegen die Behauptung der Unechtheit ‘sträubenden’ geschichtlichen Einzelheiten als Interpolationen in ansonsten pseudonyme Briefe anzusehen.Footnote 11 Dennoch war er insgesamt pessimistisch: ‘… uns (fehlen) alle Mittel …, positiv die Entstehung dieser Briefe zu begreifen’.Footnote 12 Überblickt man die neueren Kommentare und Monographien zu den Pastoralbriefen und die entsprechende Fülle der Erklärungsversuche, so entsteht der Eindruck, dass die Forschung hier deutlich zuversichtlicher geworden ist. Ob sie auch des Rätsels Lösung näher gekommen ist, steht auf einem anderen Blatt.

Nach einigen zögerlichen Ansätzen zuvor begann mit der philologischen Kritik Schleiermachers am 1. Timotheusbrief die neuzeitliche Echtheitskritik an der Briefliteratur des Neuen Testaments – ein ‘Donnerschlag für viele Theologen’, wie ein zeitgenössischer Rezensent mit einiger Dramatik notierte.Footnote 13 Mit dieser Weichenstellung in Richtung Pseudepigraphie als eines philologisch begründeten Erklärungsmusters neutestamentlicher Schriften wurde in der Forschung ein Weg beschritten, der es letztlich erlaubte, ein differenzierteres Bild von der Entwicklung des frühen Christentums zu zeichnen und die Dynamik der Vielfalt christlicher Traditionen in den ersten beiden Jahrhunderten überhaupt erst zu verstehen. Die heute zu Recht wieder obsoleten Kategorien von ‘Rechtgläubigkeit und Ketzerei’Footnote 14 spielten dabei ebenso eine Rolle wie die Entdeckung oder besser: Wiederentdeckung der Pseudepigraphie und ihrer Bedeutung für die Entstehung der vielfältigen christlichen Strömungen in den ersten beiden Jahrhunderten. Das Bemerkenswerte an Schleiermachers These ist aus heutiger Sicht nicht mehr die Einsicht in den pseudepigraphischen Charakter eines Paulusbriefes. Das ist zu einer Selbstverständlichkeit geworden. Bemerkenswert ist vielmehr, dass damit die Frage nach dem sachlichen und literarischen Verhältnis der Pastoralbriefe zueinander aufgeworfen und – wie ich angesichts der Diversität der Pastoralbriefforschung behaupten würde – bis heute nicht hinreichend plausibel beantwortet wurde. Schon Baur war sich der Bedeutung dieser Frage bewusst, hatte aber auch selbst keine Antwort darauf gegeben. Unter der Voraussetzung einer antignostischen Tendenz bezog Baur die Schleiermachersche Kritik am 1. Timotheusbrief konsequent auf alle drei Briefe.Footnote 15 Immerhin hatte er dabei noch etwas gesehen, was in der Folgezeit mehr und mehr nivelliert wurde: Bei aller Verwandtschaft der Pastoralbriefe könne ‘doch nicht geläugnet werden, daß es sich mit dem ersten dieser Briefe in kritischer Hinsicht im Ganzen auch wieder anders verhält, als mit den beiden andern, und der von Schleiermacher in Beziehung auf jenen geführte negative Beweis kann in Beziehung auf diese wenigstens nicht auf dieselbe Weise geführt werden’.Footnote 16 Erst unter der Voraussetzung, dass alle drei Briefe zusammengehören, kann Baur auch den 2. Timotheusbrief und den Titusbrief für unecht erklären.Footnote 17 ‘Den sichersten Standpunkt für diese Untersuchung muß der erste Brief geben.’Footnote 18

Der bereits erwähnte Heinrich J. Holtzmann war es dann, der die Devianz der Pastoralbriefe im Vergleich zu Paulus als den eigentlichen Grund ihrer Pseudonymität explizit auf den Punkt gebracht hat:

Man trete an unsere Briefe heran, unmittelbar nach einer gründlichen Lectüre der Römer-, Galater- oder Korintherbriefe, und das plötzlich veränderte, bedeutend niederer gestellte Niveau der ganzen Denkart wird sich unabweisbar geltend machen. Zwar kennt man das Horazische Quandoque bonus dormitat Homerus, man weiss auch, dass Göthe neben Faust zuweilen ‘Quark’ producirt hat. Aber bei einem so stark ausgeprägten originalen Geiste wie Paulus erwartet man mit Recht in allen grösseren Auslassungen, die er schriftlich fixirte, ‘seines Geistes einen Hauch zu verspüren’. Ein Mann, welcher von der Ursprünglichkeit seines inneren Gehaltes selbst ein so bestimmtes Bewusstsein verräth (Gal. 1,11f. 2,2f. 2Kor. 4,2. 11,4), wird Allem, was er in irgend einer Weise amtlich oder beruflich schreibt, auch den unverkennbaren Stempel seines Geistes aufdrücken. Nun braucht man aber noch keineswegs der Ansicht Schwalb's zu sein, dass nur leeres Stroh in den Pastoralbriefen stecke, um die auch von ihm concedirten ‘Glanzstellen’ doch als secundären Charakters, als Nachwirkungen paulinischer Lectüre zu recognosciren und zu finden, dass in Bezug auf Gewicht des Gehaltes, Grossartigkeit und Geschlossenheit des Gedankenganges selbst die zweifelhaften Paulinen hoch über jenen stehen.Footnote 19

Der Maßstab, an dem sich die Pastoralbriefe messen lassen müssen, sind also die vier großen Episteln des Baurschen Kanons der als authentisch anerkannten Paulusbriefe, allen voran der Römerbrief. Die vergleichsweise theologische Banalität der Pastoralbriefe wird deutlich hervorgehoben; es fallen Begriffe wie ‘Quark’ oder ‘leeres Stroh’. Als ‘concedirte Glanzstellen’ gelten Holtzmann die hymnischen und traditionell geprägten Stücke, die zwar nicht originär paulinisch, aber theologisch noch einigermaßen akzeptabel sind. Hier ist derselbe Idealismus des 19. Jahrhundert mit Händen zu greifen, dem sich auch die inzwischen längst nicht mehr diskutable Reduktion des corpus Paulinum authenticum auf die vier Hauptbriefe (Römerbrief, Galaterbrief, 1. und 2. Korintherbrief) verdankt.

Die Wirkung Holtzmanns auf die nachfolgende Forschung über die Pastoralbriefe kann nicht hoch genug veranschlagt werden.Footnote 20 Das gilt in positiver wie negativer Hinsicht. Einerseits hat er mit seinem Kommentar den Weg gebahnt zu einer primär literarischen Sichtweise der Pastoralbriefe, die dann im 20. Jahrhundert mit der Theorie eines Corpus Pastorale einen weiteren Höhepunkt finden sollte. Zudem hat Holtzmann die Gnosis- bzw. Markionthese Baurs deutlich relativiert, damit aber zugleich die Problematik der Frage nach den sogenannten Gegnern verschärft. Deren Profilierung wird schwierig, will man alle Aspekte aus den drei Briefen zu ihrer Beschreibung heranziehen.Footnote 21 Andererseits aber hat es die nachfolgende Forschung viel Mühe gekostet, das bei Holtzmann offenkundige Negativimage der Pastoralbriefe zu überwinden und ihnen gewissermaßen ihre Daseinsberechtigung innerhalb des Corpus Paulinum und ihre Bedeutung für die Kirche zurückzugeben.

Die Sensibilität im Hinblick auf die notwendige Differenzierung innerhalb der Pastoralbriefe, wie sie noch Baur bewusst war, ist der Forschung seit Holtzmann weitgehend verloren gegangen.Footnote 22 Man könne sogar etwas zugespitzt behaupten, dass ein großer Teil der Forschung zu den Pastoralbriefen seit Baur den Versuch darstellt, die von ihm behauptete engste Zusammengehörigkeit der Pastoralbriefe formal und inhaltlich zu begründen. Dabei sind zweifellos viele wichtige und weiterführende Einsichten gewonnen worden. Doch wie schwierig eine solche Begründung im Einzelnen ist, zeigen die disparaten Ergebnisse dieser Versuche, angefangen von der eher schlichten Metapher Holtzmanns, die Pastoralbriefe seien ‘unzertrennlichere Drillinge, als Epheser- und Kolosserbrief Zwillinge sind’,Footnote 23 über die enorm einflussreiche Erklärung des Corpus Pastorale durch Peter Trummer als literarisches ‘Triptychon’ zum Abschluss der Sammlung der Paulusbriefe,Footnote 24 über Martin Dibelius’ ‘Vademecum für alle möglichen antignostischen Kämpfe’Footnote 25 bis hin zum Vorschlag von Richard I. Pervo, den jüngst Timo Glaser in einer Marburger Dissertation expliziert hat, die Pastoralbriefe seien als Briefroman zu verstehen, der als narrativer Entwurf die Geschichte des Paulus gleichsam zu Ende schreiben wolle.Footnote 26 Allen Erklärungsversuchen gemeinsam ist die Voraussetzung, dass die Pastoralbriefe literarisch so eng zusammengehören, dass man sie faktisch als ein Werk in drei Teilen verstehen müsse. Michaela Engelmann hat demgegenüber auf der Grundlage einer eingehenden Analyse der Forschungslage und der Pastoralbriefe mit hinreichender Plausibilität nachweisen können, dass die drei Briefe erst in der Rezeption zu einem Corpus Pastorale werden und dies nicht bereits in der Konzeption eines einzelnen Autors angelegt ist.Footnote 27

Da die Erklärungen der Pastoralbriefe unter der Voraussetzung ihrer Pseudonymität im Detail so disparat sind, dass sie oft einander ausschließen, verwundert es nicht, dass es seit den heftigen konservativen Protesten gegen den ‘Donnerschlag’ Schleiermachers bis heute eine hartnäckige Verteidigung der Echtheit aller Pastoralbriefe durch ‘Kritiker und Fanatiker’ gibt, wie Baur diejenigen nannte, die ihn so heftig angriffen.Footnote 28 Doch auch in der Verteidigung der Echtheit müssen die Begründungsversuche nicht nur mit einem erheblichen hypothetischen Aufwand versehen werden, sondern geraten ebenfalls oft erstaunlich gegensätzlich und setzen zudem auch einen einzigen Autor – nämlich Paulus selbst – voraus. Meistens geschieht die Verteidigung der Echtheit unter der – ausgesprochenen oder unausgesprochenen – Prämisse, dass es Pseudepigraphie im Neuen Testament aus theologischen und moralischen Gründen nicht geben könne. Es dürfte außer Frage stehen, dass auch eine solche Auffassung den Realitäten nicht gerecht wird.Footnote 29

Als Resümee dieses allzu knappen Blickes in die Forschungsgeschichte wird man das Gefühl nicht los, dass angesichts der enormen Disparatheit der Forschung beide der klassischen Alternativen – dass nämlich entweder alle drei Pastoralbriefe echt oder alle drei unecht seien – diesen Schriften weder historisch noch inhaltlich gerecht werden. Dieses ‘zwiespältige Gefühl’ (Lorenz Oberlinner)Footnote 30 nimmt Gestalt an in der m.E. begründeten Vermutung, dass die Lösung des ‘Rätsels’ der Pastoralbriefe auf einer anderen Ebene zu suchen ist als auf den eingefahrenen und nur scheinbar sicheren Gleisen eines magnus consensus.

2. Methodische Perspektiven

2.1 ‘Leeres Stroh’ oder geniale Fälschung? – Sprache, Stil und ‘die ganze Denkart’Footnote 31

‘Eigentlich’, so hatte Albert Schweitzer das Problem Schleiermachers mit dem 1. Timotheusbrief auf den Punkt gebracht, ‘ist nicht der Kritiker, sondern der Aesthetiker Schleiermacher an I Tim. irre geworden.’Footnote 32 Methodisch setzte Schleiermacher bei den sprachlichen Besonderheiten des 1. Timotheusbriefs an, und zwar im Hinblick auf spezifische Wendungen und Hapaxlegomena, die bei Paulus nicht oder – wenn es um eine ähnliche Sache geht – mit anderer Terminologie zu finden sind. Ausweislich der einschlägigen Kommentar- und Einleitungswerke sind für die deutero- oder tritopaulinische Einstufung der Pastoralbriefe ihre stilistischen und sprachlichen Besonderheiten im Vergleich zu den anerkannten Paulusbriefen nach wie vor eines der Hauptargumente,Footnote 33 auch wenn inzwischen größere Vorsicht in dieser Hinsicht erkennbar wird.

Nun ist eine detaillierte Beschäftigung mit wortstatistischen und stilistischen Fragen zugegebener Maßen ausgesprochen mühsam. Wer einmal versucht hat, sich durch das alte, aber immer noch verwendete Tabellenwerk MorgenthalersFootnote 34 zu arbeiten, der mag einen Eindruck von dieser Mühe haben. Neuere digitale Methoden mögen uns auch auf diesem Gebiet in Zukunft weiterhelfen können. Wichtig ist mir an dieser Stelle zunächst nur, deutlich zu machen, woher die Skepsis den Pastoralbriefen gegenüber kommt und in welchem Maße diese Skepsis die Versuche bestimmt hat, Harnacks ‘Rätsel’ zu lösen. In methodischer Hinsicht ist nämlich sofort einsichtig, dass wortstatistische und stilanalytische Vergleiche stets gewisse Koordinaten voraussetzen, die das Ergebnis und damit auch die daraus zu ziehenden Schlussfolgerungen bestimmen. Werden diese Koordinaten (z.B. Textumfang, Genre, Abfassungssituation und die darin zu erwartende Wortsemantik) verändert, ändert sich auch das argumentative Gefüge. Eine entscheidende Koordinate ist dabei, ob die drei Pastoralbriefe in ihrem Gesamtumfang als ein literarisch zusammengehörendes Briefkorpus der statistischen Erhebung zugrunde gelegt oder ob sie als Einzelschriften behandelt und separat verglichen werden. Gerd Häfner hat auf dieses Problem ausdrücklich und zu Recht hingewiesen: ‘Mit rein statistischen Mitteln ist der unpaulinische Charakter der Sprache also nicht zu erweisen.’Footnote 35 Wichtig sei vielmehr, diese wortstatistischen Beobachtungen mit den ‘inhaltlichen Eigentümlichkeiten’Footnote 36 der jeweiligen Briefe zu verbinden, die eindeutiger gegen eine paulinische Verfasserschaft sprechen. Hier freilich beginnt das Problem, denn methodisch bemerkenswert ist die Unschärfe dieses Arguments, das letztlich einen zirkulären Anschein hat: Der Ausgangspunkt sind stilistische und statistische Auffälligkeiten, die als Hinweis auf sachliche Unterschiede gewertet werden, welche ‘eine Rückführung auf Paulus ausschließen’Footnote 37 und auf diese Weise wiederum die Signifikanz der abweichenden Stilistik bestätigen. Das Problem ist die Auswertung der Befunde unter den jeweils als gegeben angenommenen Voraussetzungen – oder anders formuliert: unter den vorgegebenen Koordinaten, innerhalb derer die Befunde erhoben und interpretiert werden.

Daher ist stets methodische Vorsicht geboten: Man darf nicht erwarten, dass alle Spannungen in der Frage nach pseudepigraphischer oder authentischer Abfassung neutestamentlicher Schriften aufzulösen sind. Das eingangs zitierte Diktum Harnacks über den ‘kritischen Gewaltstreich’ gilt nach wie vor. Selbst in anerkanntermaßen echten Paulusbriefen gibt es zahlreiche umstrittene Passagen, Begriffe und Vorstellungen, die nicht ohne Schwierigkeit zu dem passen, was man sonst von Paulus weiß oder meint, als ‘typisch paulinisch’ identifizieren zu können; Röm 13 etwa ist hier ein notorisches Beispiel.Footnote 38 Ähnliches gilt auch hinsichtlich des Problems einer plausiblen historischen Darstellung der Geschichte der paulinischen Mission bzw. Literatur und ihrer Nachgeschichte sowie das ausgesprochen schwierige Verhältnis der paulinischen Briefe und insbesondere der Pastoralbriefe zur Apostelgeschichte.Footnote 39 Das gilt umso mehr, wenn man eine fiktive und pseudepigraphische Konstruktion von Geschichte voraussetzt, wie dies z.B. in der Briefromanthese eine entscheidende Rolle spielt. Allzu spannungsfreie Konstruktionen jenseits der vorliegenden Texte stehen dabei immer im Verdacht, zu viel selbst aufzufüllen, wo Informationslücken offenkundig sind. Vorsicht ist auch geboten bei den häufigen Harmonisierungsversuchen bestimmter historisch anmutender Angaben, die in verschiedenen Schriften in eine nicht aufzulösende Spannung treten. Solche Spannungen verdanken sich oft eher der konkreten literarischen Kontextualisierung und Geschichtskonstruktion, als dass sie einen realen historischen Widerspruch dokumentieren.Footnote 40

Im Blick auf das sprachlich-stilistische Verhältnis der Pastoralbriefe zu anderen Paulusbriefen und auch untereinander muss zudem ernst genommen werden, dass die Briefe mit der Nennung zweier unterschiedlicher Adressaten in drei Briefen eine komplexe Abfassungssituation zumindest konstruieren. Darüber hinaus setzen sie explizit unterschiedliche Situationen voraus und weisen zudem unterschiedliche Genremerkmale auf.Footnote 41 Die Notwendigkeit der Berücksichtigung dieser Aspekte gilt auch – und erst recht – unter pseudepigraphischen Vorzeichen. Beide Adressaten der Briefe stehen zudem in einem unterschiedlichen Verhältnis zu Paulus, was unter pseudepigraphischer Voraussetzung sowohl dem Autor als auch den (realen) Adressaten vor Augen steht und die Weise der Rezeption mit bestimmt. Das ist umso mehr ein Problem, wenn man etwa in den fiktiven Adressaten die realen Autoren sieht,Footnote 42 wobei die Unterscheidung zwischen ‘fiktiv’ und ‘authentisch’ zu verschwimmen beginnt. Die Frage nach den unterschiedlichen Entstehungsbedingungen hinsichtlich der fiktiv vorausgesetzten Adressaten in ihrem Verhältnis zu den realen Adressaten oder die vielen persönlichen Notizen im Detail können auch unter pseudepigraphischen Vorzeichen nicht einfach ignoriert oder zu geläufigen Stilmitteln erklärt werden, die lediglich in ihrer ‘Genialität’ nicht durchschaut werden konnten. Um die negativen Implikationen des Begriffes Fälschung zu vermeiden, wurden gerade die persönlichen Notizen oft mit einem tieferen theologischen Sinn belegt.Footnote 43 Mit solchen Interpretationen hatte die Forschung beherzt und entschieden einen Holzweg beschritten.Footnote 44 Der entgegengesetzte Ansatz einer pauschalen Einstufung pseudepigraphischer Briefe als Fälschungen, wie sie derzeit von Bart D. Ehrman wieder vertreten wird, wonach persönliche und biographische Notizen grundsätzlich eine Täuschungsabsicht implizieren,Footnote 45 wird dem komplexen Phänomen der Pseudepigraphie zwar auch nicht gerecht, macht aber immerhin auf das Problem aufmerksam.

2.2 ‘Lukas ist allein bei mir’ – Die Pastoralbriefe und die Paulusbiographie

Bevor Schleiermacher seine philologischen Bedenken im Blick auf den 1. Timotheusbrief äußerte, hatte – wie bereits erwähnt – Schmidt in seiner ‘Historisch-kritischen Einleitung in das Neue Testament’ von 1804 Zweifel an der Echtheit des 1. Timotheusbriefs geäußert, und zwar in historischer Hinsicht: Der Brief war nicht mit den bekannten Daten der Paulusmission in Einklang zu bringen.Footnote 46

In der Tat war es stets der 1. Timotheusbrief, der den Verteidigern der Echtheit Schwierigkeiten bereitet hat und zu weitreichenden Hypothesen nötigte. Im Unterschied zu den beiden anderen Briefen bietet er keine konkreten historisch auswertbaren Daten.Footnote 47 Für den Titusbrief und den 2. Timotheusbrief sind die Dinge klarer, und unter einem pseudepigraphischen Vorzeichen würde sich dadurch auch eine andere Art der Fiktion als im 1. Timotheusbrief ergeben. Nach Tit 1.5 war Paulus auf Kreta; zudem macht der Brief konkrete Angaben über die Situation des Paulus und anderer Personen; der 2. Timotheusbrief setzt eine römische Gefangenschaft voraus und gibt Einblick in ein ganzes Netzwerk von Mitarbeitern vor dem Hintergrund einer besonderen testamentarischen Situation. Um aber den 1. Timotheusbrief historisch in der Paulusbiographie und vor allem in Relation zu Titusbrief und 2. Timotheusbrief zu verankern, müsste Paulus nach der auch in Apg 28 erwähnten Gefangenschaft in Rom frei gekommen und noch einmal in der östlichen Mittelmeerregion einschließlich Ephesus tätig gewesen sein, bevor er dann in einer zweiten römischen Gefangenschaft den Tod fand. Manche meinen sogar, Paulus hätte in dieser Phase dann auch auf Kreta noch missioniert.Footnote 48 Diese Vermutung versucht zugleich ein Problem der Verortung des Titusbriefs zu lösen, da dessen fiktiver Charakter u.a. mit dem Argument begründet wird, dass von Paulus keine Kretamission bekannt sei (s.u.). Oft wird auch die Hypothese einer zweiten römischen Gefangenschaft mit der Realisierung der Spanienmission verbunden, die Paulus im Römerbrief in Aussicht genommen hatte. Doch derartige Szenarien beruhen lediglich auf Vermutungen, die mit den vorhandenen Quellen nur schwer begründbar sind. Ausgangspunkt ist dabei der Wunsch, alle drei Pastoralbriefe in der Paulusbiographie zu verorten. Das aber ist offenkundig nicht ohne die hypothetische Annahme von historisch nicht belegbaren Daten möglich.Footnote 49 Weder die Spanienmission noch eine weitere Tätigkeit im Osten des Imperiums noch eine zweite römische Gefangenschaft sind aus den uns bekannten Quellen auch nur ansatzweise wahrscheinlich zu machen.Footnote 50

Macht man sich die historische Problematik des 1. Timotheusbriefes hinsichtlich der Paulusbiographie klar und sieht man zudem, dass die im Vergleich zum 1. Timotheusbrief ungleich umfangreicheren persönlichen und biographischen Notizen des 2. Timotheusbriefs und des Titusbriefs für eine pseudepigraphische Deutung stets problematisch waren, so wird man zumindest in methodischer Hinsicht fragen dürfen, ob die Unterschiede zwischen 1. Timotheusbrief einerseits und Titus-/2. Timotheusbrief andererseits nicht darauf hinweisen, dass diese beiden Briefe historisch anders zu beurteilen sind als der 1. Timotheusbrief. So ist etwa die Ortsangabe Ephesus in 1 Tim 1.3 historisch unauffällig, weil Ephesus oder eine ephesinische Kontextualisierung für das Anliegen des Briefes keine historische, sondern eine literarische bzw. traditionsgeschichtliche Bedeutung hat. Der Ortsname Ephesus ist als Zentrum der Paulustradition bekannt und plausibel und kann daher sogar für einen ansonsten fiktiven Brief einen authentischen Kontext benennen. Zudem lässt der Brief offen, wo konkret sich Paulus selbst befindet. Die beiläufige Notiz, Paulus sei nach Mazedonien gereist, nimmt ebenfalls nicht mehr als eine typische Ausrichtung der Paulusreisen auf. Auch personell gibt es im 1. Timotheusbrief keine Hinweise auf die Situation des Paulus. In der Fiktion wird mit alldem der Topos der Abwesenheit des Apostels aufgenommen, woran auch die Bemerkung in 3.14 über seine eventuelle Rückkehr (nach Ephesus) nichts ändert, da diese Option sogleich relativiert wird. Es wird auch kein Wunsch geäußert, Timotheus solle bald zu Paulus kommen, wie das für die anderen beiden Briefe geradezu konstitutiv ist. Im Gegenteil: 1 Tim 3.14 (vgl. 4.13) macht vor diesem Hintergrund explizit, dass Paulus nicht mehr kommen wird und Timotheus – exemplarisch für die im Brief angesprochenen Verantwortungsträger – dauerhaft für die Belange der paulinischen Gemeinde bzw. der paulinischen Tradition verantwortlich ist.

Im Unterschied zum 1. Timotheusbrief sind die Lokal- und Personalnotizen im 2. Timotheusbrief sehr konkret. Hervor sticht insbesondere die Feststellung: ‘Lukas ist allein bei mir’ (4.11). Das ist sehr wahrscheinlich auf den Autor der Apostelgeschichte bezogen, der ausweislich der ‘Wir’-Passagen Paulus auf der Romreise begleitet hat.Footnote 51 Dies wiederum korrespondiert mit der Situation des Titusbriefes. Die Erwähnung Kretas in Tit 1.5 ist dabei insofern von Bedeutung, als der Brief nicht nur am Schluss diesen geographischen Rahmen mit der Erwähnung der sonst ganz unbekannten Stadt Nikopolis explizit aufnimmt (3.12), sondern auch in einer sehr polemischen Weise gegen ‘die aus der Beschneidung’ als Kreter polemisiert und dafür ein kretisches Klischee verwendet (1.10–12).Footnote 52 Hinzu kommt, dass Kreta für einen pseudonymen Autor als Fiktion keine geschickte Lokalisierung darstellt, weil über die Gründung paulinischer Gemeinden auf Kreta nichts bekannt ist. Selbst der Titusbrief gibt keinen Hinweis darauf, dass die dortigen Gemeinden paulinische Gründungen seien. Paulus erwähnt Kreta nie und auch bei Lukas spielt diese Insel nur am Rande eine Rolle, aber immerhin im Zusammenhang der Romreise. In noch höherem Maße als der 2. Timotheusbrief lässt der Titusbrief auch eine Bewegung von Mitarbeitern von und zu Paulus erkennen, die Rückschlüsse auf die Situation des Apostels erlaubt.Footnote 53

3. Kreta – Rom – Ephesus: Von der Paulusbiographie zur Paulushagiographie

Weil dies in besonderer Weise heikel ist und gleichsam eine Probe aufs Exempel darstellt, soll an dieser Stelle anhand einer historischen Argumentation exemplarisch ausgeführt werden, wie eine Verortung des Titusbriefs in der Paulusbiographie möglich ist und wie sich von daher das Verhältnis der drei Briefe zueinander beschreiben lässt. Die Voraussetzung ist dabei, den Brief ohne eine literarhistorische Bindung an die beiden anderen Briefe zu beurteilen. Für den 2. Timotheusbrief – so viel sei hier dazu gesagt – ist das deutlich einfacher, wenn man ihn unabhängig vom 1. Timotheusbrief behandelt und daher nicht mit einer zweiten römischen Gefangenschaft rechnen muss. Das ist mehrfach in der Forschung bereits diskutiert und vorgeschlagen worden.Footnote 54

Für sich genommen ist der 2. Timotheusbrief in seinem testamentarischen CharakterFootnote 55 als Vorbereitung für Timotheus zur Übernahme der Verantwortung für das Evangelium des Paulus im Sinne einer παραθήκη ohne weiteres verstehbar, zumal auch ein pseudepigraphischer Autor dieses Ziel intendierte. Selbst der Begriff παραθήκη, der zumeist als ein spezifischer Marker für eine nachpaulinische Zeit angesehen wird, markiert hier keine überlieferungsgeschichtliche Differenz zu Paulus, sondern ergibt sich geradezu zwangsläufig aus der testamentarischen Absicht und damit aus der Spezifik des Genres: Der Inhalt der Paratheke ist folgerichtig das Evangelium des Paulus, für dessen Bewahrung der Apostel angesichts seines Todes seinen engsten Mitarbeiter Timotheus in die Pflicht nimmt: Nur in Röm 2.16; 16.25 und 2 Tim 2.8 findet sich die Formulierung ‘mein Evangelium’. Mit diesem konkreten Bezug auf das Evangelium unterscheidet sich die Verwendung des Paratheke-Begriffs im 2. Timotheusbrief vom 1. Timotheusbrief, der ihn nur an einer Stelle in 1 Tim 6.20 in einer bereits transformierten und vor allem nicht genregemäßen Bedeutung verwendet: Dort ist die παραθήκη nicht mehr das Evangelium des Paulus, sondern das ‘anerkannte Bekenntnis’, das als ‘Geheimnis der Frömmigkeit’ beschrieben wird und in der Gemeinde als einer ‘Festung der Wahrheit’ (3.15–16) gegen die ‘Antithesen der fälschlich so genannten Gnosis’ (6.20) zu schützen ist. Dementsprechend fehlt der Begriff der παραθήκη auch im Titusbrief, der im Genre des MandatsschreibensFootnote 56 zwar dem 1. Timotheusbrief vergleichbar ist, aber eine ganz eigene Situation beschreibt oder – wenn man an einer pseudepigraphischen Fiktion festhalten will – konstruiert.

Was den 1. Timotheusbrief betrifft, so wurde bereits angedeutet, dass er unter pseudepigraphischem Vorzeichen die Stadt Ephesus gleichsam als Chiffre für die Paulustradition verwendet: Timotheus wird dort als eine bleibende Autorität bzw. auf seine stabilitas loci angesprochen. Die vagen Hinweise auf Mazedonien (1.3) und auf die mögliche, aber unwahrscheinliche Rückkehr des Paulus (3.14; 4.13) unterstreichen dies zusätzlich. An die Stelle des dauerhaft abwesenden Apostels tritt sehr prominent im ersten Kapitel (1.12–17), was die Forschung durchaus angemessen mit dem Begriff ‘Paulushagiographie’ beschrieben hat, nämlich dass Paulus auf eine einzigartige und geradezu hymnische Weise (vgl. den Lobpreis in 1.17) zum Prototypen des Christusgläubigen stilisiert wird.Footnote 57 Dieser den Apostel überhöhende Abschnitt steht briefrhetorisch an der Stelle, an der man eher die Danksagung oder den Lobpreis für die Gemeinde oder auch den Mitarbeiter Timotheus erwartet (vgl. etwa in 2 Tim 1.3–5). Damit ist zugleich der Mandatscharakter des Briefes, wie er in 1 Tim 1.3–11 erkennbar wird, als ein literarisches Stilmittel relativiert – ein im Vergleich zum Titusbrief markantes Genremerkmal.

Demgegenüber beschreibt der Titusbrief eine erstaunlich nüchterne räumliche und personelle Dynamik. Wie bereits erwähnt, macht sich die räumliche Dimension fest an den Ortsnamen Kreta am Beginn (1.5) und Nikopolis am Schluss des Briefes (3.12). Diese haben die Forschung seit jeher ebenso interessiert wie irritiert. Präzision und Umfang des Schlusses im Titusbrief lassen die Absicht nicht allein in der Beschreibung des Mandats des Titus bzw. der in Ansätzen haustafelartigen Paränese aufgehen. Selbst die theologischen ‘Glanzstellen’ (Holtzmann) in Tit 2.11–14 und 3.4–7 gewinnen dadurch eine auf diese Situation bezogene Funktion, indem sie die Vergewisserung der Erwartung und der Hoffnung des Paulus in seiner Lage dokumentieren. Irritierend an Kreta und Nikopolis ist jedoch die Frage, wie diese Namen mit Paulus verbunden werden können. Den einzigen Ansatzpunkt dazu liefert die Tatsache, dass Kreta nur im Titusbrief (1.3) und in der Apostelgeschichte (27.7, 12–13, 21) erwähnt wird. In der Apostelgeschichte ist die Insel eine Station der Romreise des Paulus im Gewahrsam einer römischen Schutztruppe. In keinem anderen Brief des Corpus Paulinum ist von Kreta die Rede. Nikopolis kommt umgekehrt in der Apostelgeschichte nicht vor, was vor allem unter pseudepigraphischer Perspektive eine weitere Komplikation darstellt.Footnote 58

Ist aber der Kreta-Aufenthalt des Paulus nach der Apostelgeschichte mit der kretischen Situation des Titusbriefes kompatibel?Footnote 59 Nach Tit 1.5 war Paulus nur kurze Zeit mit Titus auf Kreta und konnte nicht alles Notwendige in seinem Sinne selbst regeln. Deshalb lässt er bei seiner Abreise Titus zurück, um Presbyter mit episkopalen Aufgaben einzusetzen. Damit trägt der Brief klare Züge eines Mandatsschreibens, das Titus für seine Aufgabe legitimiert und autorisiert.Footnote 60 Wichtig ist hierbei die bereits erwähnte Feststellung, dass der Titusbrief weder explizit noch implizit eine Missionsarbeit des Paulus auf Kreta voraussetzt. Dies entspricht dem, was wir sonst über die paulinische Mission wissen. Aufgrund von Apg 2.11 wird jedoch aus der Anwesenheit von (jüdischen) Kretern beim Pfingstereignis plausibel, dass es auf Kreta bereits vor der paulinischen Mission Judenchristen bzw. judenchristliche Gemeinden gegeben hat oder gegeben haben könnte.Footnote 61 Vielleicht ist aufgrund dieser Relation von kretischen Juden zu jenem Ereignis am Wochenfest in Jerusalem mit einer Prägung durch das Jerusalemer Judenchristentum zu rechnen, mit dem Paulus wahrscheinlich bis zuletzt im Konflikt stand. Dem korrespondiert die harte Polemik des ausdrücklich unverrichteter Dinge (1.5) von Kreta wieder abreisenden Paulus im Titusbrief, die explizit gegen Widersacher ‘aus der Beschneidung’ (μάλιστα οἱ ἐκ τῆς περιτομῆς) gerichtet ist und an den im Galaterbrief erkennbaren Konflikt erinnert.Footnote 62

Hinzu tritt die personelle Dimension. Während Kreta die Situation des Briefempfängers benennt, markiert die Ortsangabe Nikopolis in 3.12 diejenige des Absenders: Paulus werde dort den Winter verbringen.Footnote 63 Paulus kündigt die Sendung eines unbekannten Artemas oder des Tychikos (vgl. 2 Tim 4.12; Kol 4.7–8; Eph 6.21–22; Apg 20.4) an, damit Titus so bald wie möglich nach Nikopolis nachkommen könne, und zwar vor dem Winter – d.h. selbst dann, wenn sein Auftrag (vgl. 1.5) noch nicht vollständig ausgerichtet sein sollte.Footnote 64 Das Nachkommen des Titus vor dem Winter ist wichtiger als dessen dauerhafte persönliche Präsenz im Namen des Apostels auf Kreta.Footnote 65 Die Reisebewegung von Kreta nach Nikopolis im Titusbrief ist zudem insofern ein realistisches Szenario, als nur das Nicopolis apud Actium in Epirus (Westgriechenland) gemeint sein kann. Aus antiken Quellen ist diese Stadt als Winterhafen auf der Reise nach Rom auch von Kreta aus für die Schifffahrt bekannt.Footnote 66

Vor dem Hintergrund dieser Überlegungen lässt sich die Konsequenz formulieren, dass die im Titusbrief vorausgesetzte Situation (ob fiktiv oder realiter) mit derjenigen vergleichbar ist, die Lukas als letzte Reise des Paulus nach Rom erzählt.Footnote 67 Dabei muss freilich erklärt werden, warum der Titusbrief weder einen Schiffbruch (Apg 27.13–44) noch die Insel Melite (Apg 28.1) erwähnt, Lukas wiederum weder Nikopolis noch den Paulusmitarbeiter Titus. Das nötigt zu der begründeten Annahme, dass der Titusbrief im Detail einen anderen Verlauf der Romreise des Paulus voraussetzt, als sie Lukas unter seiner literarischen Absicht in der Apostelgeschichte konstruiert. Das betrifft insbesondere den Schifffahrtsbericht im engeren Sinn, der bei Lukas erkennbar theologisch aufgeladen wird.Footnote 68 Der Titusbrief setzt voraus, dass Paulus von Kreta in Richtung des Winterhafens Nikopolis gereist ist, erwähnt die Umstände aber nicht im Einzelnen.Footnote 69 Dabei wird deutlich, dass zwischen Apostelgeschichte und Titusbrief keine literarischen Abhängigkeiten erkennbar sind. Immerhin ist aber auffällig, dass Lukas mit der Lokalisierung der Insel der Strandung Melite ‘in der Adria’ (Apg 27.27) durchaus eine geographische Nähe zu Nikopolis herstellt, wobei zugleich auffällt, dass die übliche Identifikation der Insel mit Malta problematisch ist, da Malta nicht in der Adria liegt. Generell ist also festzustellen, dass das Itinerar des Titusbriefes dem der Apostelgeschichte zumindest nicht widerspricht und die Differenzen durch die jeweiligen literarischen Bedingungen hinreichend erklärbar sind;Footnote 70 und zwar selbst dann, wenn man in Lukas den Reisebegleiter des Paulus sieht. Ähnliches ließe sich z.B. auch im Hinblick auf die Erwähnung des bevorstehenden Winters in Apg 27 und Tit 3 erwägen. In Tit 3.12 erwähnt Paulus die Überzeugung, in Nikopolis überwintern zu müssen;Footnote 71 nach Apg 27.9–10 warnt er vor einer Weiterfahrt aufgrund des hereinbrechenden Winters. In der Zusammenschau ergibt sich auch hier die wahrscheinliche Vermutung, dass Lukas diesen Aspekt literarisch ausgebaut und mit dem Schiffbruch für den Zweck seiner Darstellung dramatisiert hat. Folgt man dem in Tit 3 impliziten Szenario, dann war die Abreise von Kreta und die Überfahrt (nach Nikopolis) vielleicht nicht einfach, aber kaum so spektakulär, wie sie Lukas ausmalt. Seine Augenzeugenschaft in dieser Wir-Passage ist damit keineswegs ausgeschlossen; sie legitimiert vielmehr im Gegenteil seine literarische Freiheit.

4. Schlussbemerkung: Die Pastoralbriefe zwischen ‘Mythos und Wahrheit’

In einem solchen Vortrag ist es nicht möglich, ein komplettes Bild der Pastoralbriefe zu zeichnen und die Konsequenzen ausführlich und vor allem auch in einer inhaltlich notwendigen Detailargumentation zu begründen. Mir ging es lediglich um die Plausibilisierung einer neuen Perspektive, die nicht mehr davon ausgeht, dass diese Briefe als ein literarisches Corpus Pastorale entstanden sind. Diese Theorie hat sich aus meiner Sicht als Holzweg, um nicht zu sagen als Mythos erwiesen; und dies ist inzwischen vielfach akzeptiert worden. Doch darüber hinausgehend darf man m.E. nicht mit einem einzigen Autor rechnen – sei es ein pseudonymer Autor oder Paulus selbst. Die Unterschiede zwischen den Briefen sind bei allen Gemeinsamkeiten zu groß, als dass diese Konsequenz möglich wäre.

Ich will daher meine Sicht am Schluss in Thesenform zusammenfassen, die zum Teil auch etwas über das Vorgetragene hinausgreifen, und dabei erneut an ein Zitat von Adolf von Harnack von 1926 anknüpfen:

Als ich vor 57 Jahren das theologische Studium begann, galt nur der Theologe als ein kritischer Kopf, der nicht mehr als vier Paulusbriefe als echt bestehen ließ. Seitdem ist es anders geworden. Neben I. und II. Kor., Galat., Röm. ist jetzt auch die Echtheit von I. Thess., Koloss., Philipp., Philem. so gut wie allgemein anerkannt. Kontrovers sind noch von den Gemeindebriefen – von den Pastoralbriefen wird später kurz zu reden sein – II. Thess. und Ephes. Ich verkenne nicht, daß hier Schwierigkeiten bestehen, besonders in Hinsicht auf Ephes.; allein sie sind m. E. nicht unüberwindlich, und die inneren Momente, die für die Echtheit sprechen, geben den Ausschlag. Dazu kommt, daß die Sammlung so alt ist, daß die Annahme, einer der Briefe sei eine Fälschung, große Bedenken erregen muß. Nicht, als ob nicht bereits falsche Briefe im Umlauf gewesen sein können …, aber daß falsche Briefe von Gemeinden in ältester Zeit widerspruchslos hingenommen worden sind, darin liegt die Schwierigkeit.Footnote 72

Nur etwa fünfzig Jahre nach Holtzmanns Kommentar weist Harnack zu Recht darauf hin, dass die Forschungsgeschichte mitunter Wendungen vollzieht, die sich aus veränderten Perspektiven und Voraussetzungen ergeben. Wir waren in unserem Gang von Beobachtungen aus der Forschungsgeschichte ausgegangen, die bereits wichtige Indizien für eine differenziertere Sicht auf die Pastoralbriefe liefert. Darüber hinaus haben auch die exemplarischen methodischen Überlegungen zu der Vermutung geführt, dass nur vom 1. Timotheusbrief überzeugend gesagt werden kann, was man gemeinhin inhaltlich, formal und historisch mit allen drei Pastoralbriefen in ihrer Unterscheidung und Absetzung von den anerkannten Paulusbriefen verbindet. In der Konsequenz ergeben sich folgende Thesen:

  1. (1) Verbunden mit der eingangs formulierten Notwendigkeit, die Corpus-Pastorale-Theorie aufzugeben, ist eine weitere wichtige Voraussetzung für eine neue Perspektive auf die Pastoralbriefe, dass wir uns von den alten Grabenkämpfen zwischen dem Pseudonymitäts- und Echtheitsparadigma in Bezug auf diese Schriften verabschieden. Zugleich muss das Phänomen der Pseudepigraphie differenzierter beurteilt und spezifischer an den jeweiligen Texten überprüft und plausibilisiert werden.

  2. (2) Der 1. Timotheusbrief hebt sich sehr deutlich von den beiden anderen Briefen ab und lässt erkennen, dass für ihn der 2. Timotheusbrief und der Titusbrief in Form, sprachlicher Semantik und Inhalt bereits zur rezipierten Paulustradition gehören.Footnote 73 Dadurch kommt umso mehr zur Geltung, was in der Forschung immer schon gesehen wurde: Aus der Paulusbiographie wird im 1. Timotheusbrief eine Paulushagiographie als eine Voraussetzung für die Konsolidierung bereits gewachsener Leitungsstrukturen und der institutionalisierten Positionierung des Bekenntnisses gegen die ‘Mythen und Genealogien’ der Gnosis, wie es in der späten ersten Hälfte des 2. Jh. angesetzt werden kann. Zugleich begründet sich darin auch die Legitimität der pseudonymen Abfassung.

  3. (3) Charakteristisch für den 1. Timotheusbrief ist insbesondere, dass ein festes Bekenntnis in den Mittelpunkt der Gemeinde rückt und auch ausdrücklich als solches benannt wird (καλὴ ὁμολογία, 6.12–13). Die drei als zusammenhängendes Bekenntnis lesbaren Abschnitte (2.5–6; 3.16; 6.15b–16) sind jedoch gerade nicht als paulinische Tradition identifizierbar.Footnote 74 Das Bekenntnis nimmt vielmehr johanneische und antignostische Elemente sowie synoptische Evangelientradition auf und wird gleichsam gegen das ‘abscheuliche Geschwätz und die Widersprüche der fälschlich so genannten Gnosis’ (6.20) in Stellung gebracht.

  4. (4) Mit diesen Überlegungen zum 1. Timotheusbrief ist über die Pseudonymität des 2. Timotheusbriefs und des Titusbriefs a priori noch nichts gesagt. Auch diese könnten unter der Voraussetzung einer je verschiedenen Verfasserschaft pseudonym sein (Richards; Engelmann).Footnote 75 Dann aber wären sie es wegen ihrer literarischen Charakteristik auf eine grundsätzlich andere Weise als der 1. Timotheusbrief und entsprechend zu interpretieren.

  5. (5) Die Unterscheidung der Briefe und ein differenzierter Blick auf ihre inhaltlichen Aspekte eröffnet demgegenüber die Möglichkeit, den 2. Timotheusbrief und den Titusbrief unabhängig vom 1. Timotheusbrief zu bewerten. Dabei ist vor allem bei spezifischen Begriffen wie παραθήκη, ἐπιφάνεια, σωτήρ, μῦθος oder auch der οἰκονομία/οἶκος-Terminologie usw. festzustellen, dass deren Prägung im 1. Timotheusbrief nicht nur die anderen Briefe voraussetzt, sondern vor dem Hintergrund der weiteren Paulustradition spezifische Transformationen erkennen lässt.

  6. (6) Durch eine differenzierte Betrachtung der Briefe wird zudem auch ein erneutes Nachdenken über eine Verortung des 2. Timotheusbriefs und des Titusbriefs in der Missionsbiographie des Paulus nahegelegt. Die Loslösung vom 1. Timotheusbrief macht es möglich, sie als authentische Briefe verstehen, die biographisch jeweils von einer besonderen Situation des Apostels geprägt sind. Dies ist nicht mehr die Auseinandersetzung mit seinen Missionsgemeinden. Es ist vielmehr die Situation eines Apostels, der in Jerusalem mit der Kollekte sehr wahrscheinlich gescheitert ist und der dadurch auch seiner eigenen jüdischen Tradition sowie auch der judenchristlichen Gemeinde von Jerusalem gegenüber noch einmal in eine deutliche Distanz gerät.

    1. (a) Der Titusbrief repräsentiert eine Momentaufnahme auf der Reise nach Rom, in der die Auseinandersetzung mit den Juden und Judenchristen in Jerusalem noch vor Augen steht und die kretische Erfahrung sowie die harsche Polemik im Brief prägt. Mit Blick auf die in Christus bereits erschienene Gnade Gottes hofft Paulus jedoch auf das erneute rettende Eingreifen des epiphanen Gottes in seiner misslichen und unsicheren Lage (2.13–14).

    2. (b) Im 2. Timotheusbrief hingegen steht dem Apostel bereits jenseits aller Hoffnung auf den glimpflichen Ausgang der Auseinandersetzung mit den Jerusalemern sein Tod vor Augen, angesichts dessen er seinem Mitarbeiter Timotheus sein Vermächtnis (‘mein Evangelium’, 2.8; vgl. Röm 2.16) anvertraut. Weil sie zum Genre des Briefes gehört, ist vor diesem Hintergrund auch die Paratheke-Terminologie unverdächtig, die im Titusbrief konsequenter Weise fehlt und im 2. Timotheusbrief einen anderen Bezug hat als in 1 Tim 6.20.

Ein positiver Beweis der hier vorgetragenen Perspektive auf die Pastoralbriefe ist freilich kaum zu führen. Das haben Baur, Holtzmann und vor allem Harnack immerhin noch gewusst. Zu vieles an historischem Detail ist uns nicht mehr verfügbar und der Grat zwischen ‘Wahrheit und Mythos’ bleibt schmal. Insofern ist das Rätsel, von dem Harnack sprach, vermutlich wirklich nicht endgültig lösbar. Aber so wie jeder Mythos auch Wahrheit enthält und das Verstehen von Wahrheit nicht ohne Mythos auskommt, so lassen sich viele Probleme, welche die klassischen Theorien aufwerfen, tatsächlich lösen, wenn man die Perspektive verändert. Nicht selten kommen viele Beobachtungen der Forschung mitunter sogar zu ihrem eigenen Recht, wenn man sie nicht auf alle drei Briefe gleichermaßen beziehen muss.

Footnotes

*

Main Paper gehalten auf dem 71. General Meeting der SNTS 2016 in Montreal. Die Vortragsform ist weitgehend beibehalten und um Anmerkungen ergänzt.

References

1 Vgl. dazu von Lips, H., ‘Von den “Pastoralbriefen” zum “Corpus Pastorale”: Eine Hallische Sprachschöpfung und ihr modernes Pendant als Funktionsbestimmung dreier neutestamentlicher Briefe’, Reformation und Neuzeit: 300 Jahre Theologie in Halle (hg. v. U. Schnelle; Berlin/New York: de Gruyter, 1994) 4971 Google Scholar.

2 Vgl. Herzer, J., ‘Abschied vom Konsens? Die Pseudepigraphie der Pastoralbriefe als Herausforderung an die neutestamentliche Wissenschaft’, ThLZ 129 (2004) 1267–82Google Scholar.

3 Vgl. immer noch grundlegend Trummer, P., Die Paulustradition der Pastoralbriefe (BET 8; Frankfurt/Bern: Peter Lang, 1978)Google Scholar; ders., Corpus Paulinum – Corpus Pastorale: Zur Ortung der Paulustradition in den Pastoralbriefen’, Paulus in den neutestamentlichen Spätschriften: Zur Paulusrezeption im Neuen Testament (hg. v. K. Kertelge; QD 89; Freiburg/Basel/Wien: Herder, 1981) 122–45Google Scholar.

4 Vgl. Richards, W. A., Difference and Distance in Post-Pauline Christianity: An Epistolary Analysis of the Pastorals (Studies in Biblical Literature 44; New York: Peter Lang, 2002)Google Scholar; und bes. Engelmann, M., Unzertrennliche Drillinge? Motivsemantische Untersuchungen zum literarischen Verhältnis der Pastoralbriefe (BZNW 192; Berlin: de Gruyter, 2012)CrossRefGoogle Scholar.

5 von Harnack, A., Die Briefsammlung des Apostels Paulus und die anderen vorkonstantinischen christlichen Briefsammlungen: Sechs Vorlesungen aus der altkirchlichen Literaturgeschichte (Leipzig: J. C. Hinrichs, 1926) 14Google Scholar.

6 Schmidt, J. E. C., Historisch-kritische Einleitung in's Neue Testament (Gießen: Tasché und Müller, 1804)Google Scholar.

7 Schleiermacher, F. D. E., Ueber den sogenannten ersten Brief des Paulos an den Timotheos: Ein kritisches Sendschreiben an J. C. Gass (Berlin: Realschulbuchhandlung, 1807)Google Scholar.

8 Baur, F. C., Die sogenannten Pastoralbriefe des Apostels Paulus aufs neue kritisch untersucht (Stuttgart/Tübingen: Cotta'sche Verlagshandlung, 1835)Google Scholar.

9 Holtzmann, H. J., Die Pastoralbriefe, kritisch und exegetisch behandelt (Leipzig: Engelmann, 1880)Google Scholar.

10 Harnack, Briefsammlung (s. Anm. 5), 14–15.

11 Harnack, Briefsammlung (s. Anm. 5), 15.

12 Harnack, Briefsammlung (s. Anm. 5), 15.

13 So ein unbekannter Rezensent des Sendschreibens in den Neuen Theologischen Annalen 1809, zitiert bei Patsch, H., ‘Die Angst vor dem Deuteropaulinismus: Die Rezeption des “kritischen Sendschreibens” Friedrich Schleiermachers über den 1. Timotheusbrief im ersten Jahrfünft’, ZThK 88 (1991) 451–77, hier 467Google Scholar.

14 Vgl. Bauer, W., Rechtgläubigkeit und Ketzerei im ältesten Christentum (Tübingen: J. C. B. Mohr (Paul Siebeck), 1934)Google Scholar.

15 Für Baur war die ausschließlich auf den 1 Tim bezogene Argumentation Schleiermachers ohne ‘Haltpunkt’, denn ‘wir bleiben mit dem Briefe, wie er ist, doch immer mehr oder minder in der Nähe des Apostels’ (Baur, Pastoralbriefe (s. Anm. 8), 3–4).

16 Baur, Pastoralbriefe (s. Anm. 8), 4.

17 Baur, Pastoralbriefe (s. Anm. 8), 5.

18 Baur, Pastoralbriefe (s. Anm. 8), 5, vgl. auch 54.

19 Holtzmann, Pastoralbriefe (s. Anm. 9), 60–1.

20 Vgl. Merk, O., ‘Art. Holtzmann, Heinrich Julius (1832–1910)’, TRE XV (1986) 519–22Google Scholar, bes. 521.

21 Vgl. dazu Herzer, J., ‘Juden – Christen – Gnostiker: Zur Gegnerproblematik der Pastoralbriefe’, BThZ 25 (2008) 143–68Google Scholar.

22 Vgl. dazu bes. die in Anm. 4 Genannten; darüber hinaus auch Fuchs, R., Unerwartete Unterschiede: Müssen wir unsere Ansichten über ‘die’ Pastoralbriefe revidieren? (Wuppertal: Brockhaus, 2003)Google Scholar, allerdings unter der Voraussetzung, dass alle drei Pastoralbriefe von Paulus selbst geschrieben seien. Damit werden jedoch neue Probleme aufgeworfen, die schon die Debatten des 19. Jahrhunderts bestimmten, hier aber nicht zu diskutieren sind; vgl. dazu z. Herzer, B. J., ‘Die Kommentierung der Pastoralbriefe in der Reihe “Kritisch Exegetischer Kommentar” durch Johannes Eduard Huther und Bernhard Weiß’, Die Geschichte des ‘Kritisch-exegetischen Kommentars über das Neue Testament’ (hg. v. Becker, E.-M./Horn, F. W./Koch, D.-A.; FRLANT; Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 2017; im Druck)Google Scholar.

23 Holtzmann, Pastoralbriefe (s. Anm. 9), 7.

24 Trummer, Paulustradition (s. Anm. 3), 74; vgl. auch Houlden, J. L., The Pastoral Epistles. I and II Timothy, Titus (The Pelican New Testament Commentaries; Harmondsworth: SCM, 1976) 19Google Scholar.

25 M. Dibelius/H. Conzelmann, Die Pastoralbriefe (HNT 13; Tübingen: Mohr Siebeck, 1966 4) 54Google Scholar.

26 Pervo, R. I., ‘Romancing an Oft-Neglected Stone: The Pastoral Epistles and the Epistolary Novel’, JHC 1 (1994) 2547 Google Scholar; Glaser, T., Paulus als Briefroman erzählt: Studien zum antiken Briefroman und seiner christlichen Rezeption in den Pastoralbriefen (NTOA 76; Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 2009)CrossRefGoogle Scholar.

27 Engelmann, Unzertrennliche Drillinge? (s. Anm. 4), passim, bes. 598–601.

28 Baur, F. C., Der Kritiker und der Fanatiker, in der Person des Herrn Heinrich W. J. Thiersch: Zur Charakteristik der neuesten Theologie (Stuttgart: A. Becher Verlag, 1846)Google Scholar.

29 Vgl. dazu Herzer, J., ‘Fiktion oder Täuschung? Zur Diskussion über die Pseudepigraphie der Pastoralbriefe’, Pseudepigraphie und Verfasserfiktion in frühchristlichen Briefen – Pseudepigraphy and Author Fiction in Early Christian Letters (hg. v. Frey, J./Herzer, J./Janßen, M./Rothschild, C. K., unter Mitarbeit von Engelmann, M.; WUNT 246; Tübingen: Mohr Siebeck, 2009) 489536 Google Scholar.

30 Oberlinner, L., Die Pastoralbriefe: Kommentar zum Ersten Timotheusbrief (HThK xi/1; Freiburg/Basel/Wien: Herder, 1994) viiGoogle Scholar.

31 Holtzmann, Pastoralbriefe (s. Anm. 9), 60.

32 Vgl. Schweitzer, A., Geschichte der Paulinischen Forschung von der Reformation bis auf die Gegenwart (Tübingen: Mohr Siebeck, 1911) 6Google Scholar.

33 Vgl. z. Broer, B. I., Einleitung in das Neue Testament (NEB EB 2/ii; Würzburg: Echter, 1998) 534–5Google Scholar, der das Problem der Vergleichbarkeit erwähnt, allerdings nicht methodisch integriert; Pokorný, P./Heckel, U., Einleitung in das Neue Testament: Seine Literatur und Theologie im Überblick (UTB 2798; Tübingen: Mohr Siebeck, 2007) 661Google Scholar; Schnelle, U., Einleitung in das Neue Testament (UTB 1830; Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 2013 8) 407Google Scholar.

34 Morgenthaler, R., Statistik des neutestamentlichen Wortschatzes (Zürich/Frankfurt a. M.: Gotthelf, 1983 3)Google Scholar.

35 Häfner, G., ‘Die Pastoralbriefe’, Einleitung in das Neue Testament (hg. v. Ebner, M./Schreiber, S.; Studienbücher Theologie 6; Stuttgart: Kohlhammer, 2008) 450–73Google Scholar, hier 459.

36 Häfner, ‘Pastoralbriefe’ (s. Anm. 35), 460.

37 Häfner, ‘Pastoralbriefe’ (s. Anm. 35), 460.

38 Vgl. Hüneburg, M., ‘“Jedermann sei untertan …” Röm 13,1–7: Zur Relevanz einer problematischen Paränese’, Im Klang der Wirklichkeit: Musik und Theologie (hg. v. Bolin, N./Franz, M.; Martin Petzoldt, FS; Leipzig: Evangelische Verlagsanstalt, 2011) 240–60Google Scholar; dazu Krauter, S., ‘Auf dem Weg zu einer theologischen Würdigung von Röm 13,1–7’, ZThK 109 (2012) 287306 Google Scholar, bes. 289–93.

39 Vgl. exemplarisch die Sammelbände Moessner, D. P./Marguerat, D./Parsons, M. C./Wolter, M., Hg., Paul and the Heritage of Israel: Paul's Claim upon Israel's Legacy in Luke and Acts in the Light of the Pauline Letters (LNTS 452; London/New York: T&T Clark, 2012) 195219 Google Scholar, darin bes. 195–219: J. Schröter, ‘Paul the Founder of the Church: Reflections on the Reception of Paul in the Acts of the Apostles and the Pastoral Epistles’ (deutsch: Kirche im Anschluss an Paulus: Aspekte der Paulusrezeption in der Apostelgeschichte und in den Pastoralbriefen’, ZNW 98 (2007) 77104)Google Scholar; Kloppenborg, J. S./Verheyden, J., Hg., Luke on Jesus, Paul and Christianity: What Did He Really Know? (Biblical Tools and Studies 20; Leuven: Peeters 2017)Google Scholar.

40 Vgl. etwa die Rekonstruktionen bei Bruggen, J. van, Die geschichtliche Einordnung der Pastoralbriefe (Wuppertal: Brockhaus, 1981)Google Scholar, sowie im Anschluss daran Fuchs, Unterschiede (s. Anm. 22).

41 Vgl. grundlegend Wolter, M., Die Pastoralbriefe als Paulustradition (FRLANT 146; Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 1988) 156241 CrossRefGoogle Scholar.

42 Vgl. Frenschkowski, M., ‘Pseudepigraphie und Paulusschule: Gedanken zur Verfasserschaft der Deuteropaulinen, insbesondere der Pastoralbriefe’, Das Ende des Paulus: Historische, theologische und literaturgeschichtliche Aspekte (hg. v. Horn, F. W.; BZNW 106; Berlin/New York: de Gruyter, 2001) 239–72Google Scholar.

43 Vgl. die Interpretationen von ‘Mantel und Schriften’ (2 Tim 4.13) bei Brox, N., ‘Zu den persönlichen Notizen der Pastoralbriefe’, Pseudepigraphie in der heidnischen und jüdisch-christlichen Antike (hg. v. Brox, N.; WdF 484; Darmstadt: WBG, 1977) 272–94Google Scholar; oder auch Trummer, P., ‘“Mantel und Schriften” (2 Tim 4,13): Zur Interpretation einer persönlichen Notiz in den Pastoralbriefen’, BZ 18 (1974) 193207 Google Scholar.

44 Frenschkowski, ‘Pseudepigraphie’ (s. Anm. 42), 242; zur Sache vgl. Luttenberger, J., Prophetenmantel oder Bücherfutteral? Die persönlichen Notizen in den Pastoralbriefen im Licht antiker Epistolographie und literarischer Pseudepigraphie (ABG 40; Leipzig: Evangelische Verlagsanstalt, 2012)Google Scholar.

45 Ehrman, B. D., Forgery and Counterforgery: The Use of Literary Deceit in Early Christian Polemics (Oxford: Oxford University Press, 2013)Google Scholar.

46 S.o. Anm. 6.

47 Eine gewisse Ausnahme stellt die Erwähnung von Ephesus und Mazedonien in 1 Tim 1.3 dar (s.u.).

48 Vgl. z. Neudorfer, B. H.-W., Der Brief des Paulus an Titus (HTA NT; Witten: Brockhaus/Brunnen, 2012) 2830 Google Scholar.

49 Vgl. z. Neudorfer, B. H.-W., Der erste Brief des Paulus an Timotheus (HTA NT; Wuppertal: Brockhaus/Brunnen, 2004)Google Scholar bes. 25–32 (1 Tim und Tit nach einer ersten römischen Gefangenschaft); Thiessen, J., Die umstrittenen Paulusbriefe – Abschriften und Fälschungen? Intertextuelle, literarkritische und theologische Studien. Mit zwei Ergänzungen von Rüdiger Fuchs (Studien zur Bibel 19; Zürich: LIT, 2016) 400–1Google Scholar (Abfassung des 1 Tim Mitte der 60er Jahre, zwischen der ersten und zweiten römischen Gefangenschaft); anders R. Fuchs, ‘Frühe Datierung der Briefe an Timotheus und Titus’, in Thiessen, Paulusbriefe 373–87 (Datierung von 1 Tim Mitte der 50er Jahre vor der in Apg 28 erwähnten römischen Gefangenschaft).

50 Vgl. z. die Sammelbände, B. Gavaldà Ribot, J. M./Muñoz Melgar, A./Puig i Tàrrech, A., Hg., Pau, Fructuós i el christianisme primitiu a Tarragona (Segles iviii): Actes del Congrés de Tarragona (19–21 de Juny de 2008) (Biblioteca Tàrraco d'Arqueologia 6; Tarragona: Institut Superior de Ciències Religioses Sant Fructuós, 2010) bes. 47–190Google Scholar; sowie Puig i Tàrrech, A./Barclay, J. M. G./Frey, J., Hg. (with the assistance of O. McFarland), The Last Years of Paul: Essays from the Tarragona Conference, June 2013 (WUNT 352; Tübingen: Mohr Siebeck, 2015)Google Scholar. Zum Problem vgl. Herzer, J., ‘Den guten Kampf gekämpft: Das Ende des Paulus im Spiegel des Zweiten Timotheusbriefes und der frühchristlichen Überlieferung’, Lukas – Paulus – Pastoralbriefe (hg. v. Hoppe, R./Reichardt, M.; Alfons Weiser, FS; SBS 230; Stuttgart: Katholisches Bibelwerk, 2014) 339–69Google Scholar.

51 Zur Problematik vgl. J. Herzer, ‘“Lukas ist allein bei mir” (2Tim 4,11): Lukas, die Pastoralbriefe und die Konstruktion von Geschichte’, Kloppenborg/Verheyden, Hg., Luke on Jesus, Paul and Christianity (s. Anm. 39), 27–58 (Lit.).

52 Vgl. Vogel, M., ‘Die Kreterpolemik des Titusbriefes und die antike Ethnographie’, ZNW 101 (2010) 252–66CrossRefGoogle Scholar.

53 Dazu s.u. Abschnitt 3. Die damit gestellte Frage nach dem historischen Wert der Apg im Vergleich etwa zu den Angaben in Paulusbriefen wird in der neueren Actaforschung intensiv diskutiert, vgl. exemplarisch Frey, J./Rothschild, C. K./Schröter, J., Hg., Die Apostelgeschichte im Kontext antiker und frühchristlicher Historiographie (BZNW 162; Berlin: de Gruyter, 2009)Google Scholar.

54 Vgl. z. Prior, B. M., Paul the Letter-Writer and the Second Letter to Timothy (JSNTS 23; Sheffield: Sheffield Academic, 1989)Google Scholar; Murphy-O'Connor, J., ‘2 Timothy Contrasted with 1 Timothy and Titus’, RB 98 (1991) 403–18Google Scholar; Murphy-O'Connor, J., Paul: A Critical Life (Oxford/New York: Oxford University Press, 1996) 356–59Google Scholar; vgl. dazu M. Engelmann, Unzertrennliche Drillinge? (s. Anm. 4), 90–4.

55 Vgl. Weiser, A., ‘Freundschaftsbrief und Testament: Zur literarischen Gattung des Zweiten Briefes an Timotheus’, Zeit-Geschichte und Begegnungen (hg. v. Riße, G.; Neumann, FS B.; Paderborn: Bonifatius Verlag, 1998) 158–70Google Scholar.

56 Vgl. Wolter, Pastoralbriefe (s. Anm. 41), 164–5; Johnson, L. T., The First and Second Letters to Timothy: A New Translation with Introduction and Commentary (AB 35A; New York: Doubleday, 2001) 139–40Google Scholar; Herzer, J., ‘Die Pastoralbriefe im Licht der dokumentarischen Papyri des hellenistischen Judentums’, Neues Testament und hellenistisch-jüdische Alltagskultur: Wechselseitige Wahrnehmungen. 3. Internationales Symposium zum Corpus Judaeo-Hellenisticum Novi Testamenti (Leipzig, Mai 2009) (hg. v. Deines, R./Herzer, J./Niebuhr, K.-W.; WUNT 274; Tübingen: Mohr Siebeck, 2011) 319–46Google Scholar.

57 Vgl. Collins, R. F., ‘The Image of Paul in the Pastorals’, LTP 35 (1971) 147–73Google Scholar, hier 147: ‘traces of an emerging Pauline hagiography’; im Anschluss daran hat Dassmann, E., Der Stachel im Fleisch: Paulus in der frühchristlichen Literatur bis Irenäus (Münster: Aschendorff, 1979) 166Google Scholar, den Begriff der ‘Paulushagiographie’ prägt. Vgl. auch Engelmann, M., ‘“Ich, Paulus”: Die Paulusbilder der Pastoralbriefe’, Paulus und Paulusbilder: Konstruktion – Reflexion – Transformation (hg. v. Lang, M.; ABG 31; Leipzig: Evangelische Verlagsanstalt, 2013) 221–76Google Scholar, bes. 236–44, die den Begriff selbst nicht programmatisch aufgreift, jedoch die Bedeutung des Apostels im 1 Tim deutlich von dem Profil des Paulusbildes im 2 Tim und im Tit abhebt und Paulus als ‘Personifikation des Heilshandelns Christi’ (243) verstanden sieht.

58 Auch bei einem pseudonymen Autor muss man daher eine Beziehung zur Kreta-Tradition vermuten, wie sie auch in der Apg bezeugt wird. Daher nimmt z.B. die Theorie der Pastoralbriefe als eines Briefromans gerade solche Elemente als Bausteine für eine Paulusgeschichte ernst, die insgesamt den Leserinnen und Lesern plausibel sein muss, vgl. Glaser, Briefroman (s. Anm. 26), bes. 16–23.

59 Vgl. Glaser, Briefroman (s. Anm. 26), 224–37.

60 Vgl. Wolter, Pastoralbriefe (s. Anm. 41), 183–4: Vor dem Hintergrund der mandata principis sind die Begriffe ἀπολείπειν und καταλείπειν ‘Termini technici, die den Vorgang der Einsetzung von Stellvertretern beschreiben’ (183).

61 Vgl. Pervo, R. I., Acts: A Commentary (Hermeneia; Minneapolis: Fortress, 2009) 68Google Scholar: ‘“Cretans and Arabs” must then be left dangling, but they are difficult to fit in by any measure.’ Zur jüdischen Bevölkerung Kretas vgl. van der Horst, P. W., ‘The Jews of Ancient Crete’, JJS 39 (1988) 183200 CrossRefGoogle Scholar; vgl. insbesondere Philo, LegGai 282, der in der Beschreibung der Ausbreitung der jüdischen Diaspora explizit auch die Insel Kreta nennt, allerdings nicht die Arabia. Das ist bei van der Horst, ‘Jews’, 195, nicht berücksichtigt. Immerhin nennt Paulus die Arabia in Gal 1.17; 4.25.

62 Was Theobald, M., ‘Israel- und Jerusalem-Vergessenheit im Corpus Pastorale? Zur Rezeption des Römerbriefs im Titus- sowie im 1. und 2. Timotheusbrief’, Ancient Perspectives on Paul (hg. v. Niklas, T./Merkt, A./Verheyden, J.; NTOA/StUNT 102; Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 2013) 317412 Google Scholar, m.E. zu Recht als ‘Israelvergessenheit’ in den Pastoralbriefen herausgearbeitet hat, kann in dieser markanten Weise nur vom 1. Timotheusbrief her begründet werden. Spätestens mit Blick auf den Titusbrief und seine Polemik gegen ‘die aus der Beschneidung’ wird die Vorstellung einer Israelvergessenheit durchaus problematisch.

63 Vgl. dazu Engelmann, Unzertrennliche Drillinge? (s. Anm. 4), 463–4.

64 Die Notiz in 2 Tim 4.12, Paulus habe Tychikus nach Ephesus gesandt, steht dazu nur dann in einem gewissen Spannungsverhältnis, wenn man es auf einer fiktiven Ebene unter der Voraussetzung eines Corpus Pastorale liest, so zu Recht Engelmann, Unzertrennliche Drillinge? (s. Anm. 4), 462. Vordergründig lässt 2 Tim 4.12 nur erkennen, dass Paulus Tychikus nicht nach Kreta geschickt hat, wie er es im Titusbrief alternativ zu Artemas als Möglichkeit angekündigt hatte, sondern nach Ephesus, wo ihn dann auch der pseudepigraphische Eph voraussetzt (Eph 6.21), vgl. Sellin, G., ‘Adresse und Intention des Epheserbriefes’, Paulus, Apostel Jesu Christi (hg. v. Trowitzsch, M.; Günter Klein, FS; Tübingen: Mohr Siebeck, 1998) 171–86Google Scholar.

65 Auch die Dringlichkeit, mit der Apollos und Zenas vorausgeschickt werden sollen, sowie die Tatsache, dass Zenas als νομικός wahrscheinlich als Jurist bzw. Anwalt bezeichnet wird (vgl. z. Niederwimmer, B. K., ‘Zenas, der Jurist (Tit. 3,13)’, Quaestiones theologicae: Gesammelte Aufsätze (hg. v. Pratscher, W./Öhler, M.; BZWN 90; Berlin: de Gruyter, 1998) 267–80)CrossRefGoogle Scholar, kann auf eine Situation bezogen werden, in der Paulus einen Anwalt zu seiner Verteidigung nötig hat.

66 Vgl. auch Glaser, Briefroman (s. Anm. 26), 233–7. Die Subscriptio in Majuskel H und im sog. Mehrheitstext liest ἐγράφη ἀπὸ Νικοπόλεως τῆς Μακεδονίας (ca. 50 km nördlich von Philippi; vgl. 945: ἀπὸ Μακεδονίας) wohl aufgrund einer Verwechselung oder einer geographischen Desorientierung hinsichtlich der Ausdehnung der makedonischen Provinz. Minuskel 81 verortet Nikopolis ἐν Κρήτη.

67 Vgl. auch Schröter, ‘Kirche im Anschluss an Paulus’ (s. Anm. 39), 86, in Bezug auf die Anknüpfung des Tit an die Erwähnung Kretas in Apg 27.

68 Diese Problematik kann hier nicht erörtert werden; vgl. dazu näher Herzer, ‘Lukas ist allein bei mir’ (s. Anm. 51), 52–4.

69 Aufgrund der Schifffahrtsrouten ist dabei die Absicht impliziert, von dort nach Italien und Rom weiter zu reisen, vgl. Glaser, Briefroman (s. Anm. 26), 236.

70 Zur literarischen Gestaltung von Apg 27 vgl. Reiser, M., ‘Apostelgeschichte 27 – Bericht oder Roman?’, Die Apostelgeschichte des Lukas in ihrem historischen Kontext – drei Fallstudien (hg. v. Thiessen, J.; STB 10; Zürich/Berlin: LIT, 2013) 131–49Google Scholar; Neumann, N., ‘Rhetorik des Schiffbruchs: Apg 27 als ἔκφρασις zwischen Fakt und Fiktion’, Wie Geschichten Geschichte schreiben: Frühchristliche Literatur zwischen Faktualität und Fiktionalität (hg. v. Luther, S./Röder, J./Schmidt, E. D.; WUNT ii/395; Tübingen: Mohr Siebeck, 2015) 273–94Google Scholar. Vgl. weiterhin Marguerat, D., Lukas, der erste christliche Historiker: Eine Studie zur Apostelgeschichte (ATANT 92; Zürich: TVZ, 2011 Google Scholar; Übersetzung der 2. Aufl. Paris 2003, zuerst 1999) bes. 44–6; Rothschild, C. K., Luke-Acts and the Rhetoric of History: An Investigation of Early Christian Historiography (WUNT 2/175; Tübingen: Mohr Siebeck, 2004) 264–67Google Scholar. Zur Forschung vgl. Börstinghaus, J., Sturmfahrt und Schiffbruch: Zur lukanischen Verwendung eines literarischen Topos in Apostelgeschichte 27,1–28,6 (WUNT ii/274; Tübingen: Mohr Siebeck, 2010) 281–336Google Scholar.

71 Aufgrund der Perfektform κέκρικα in Tit 3.12 wird oft bestritten, dass sich Paulus hier auf der in Gefangenschaft stattfindenden Reise nach Rom befunden haben könne, da Paulus offenbar ‘völlig in Freiheit’ (Neudorfer, Titus (s. Anm. 48), 229) selbstbestimmt Beschlüsse habe fassen können. Doch sagt die Perfektform lediglich aus, dass Paulus zu der Überzeugung gelangt sei, in Nikopolis überwintern zu müssen. In einem vergleichbaren Sinn vgl. Apg 16.15; vgl. auch LXX Dan 4.26. Vgl. Blass, F./Debrunner, A./Rehkopf, F., Grammatik des neutestamentlichen Griechisch (Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 1990 17) § 397 Anm. 5Google Scholar. Zudem setzt selbst Lukas recht moderate Haftbedingungen voraus (vgl. Apg 27.3, 9).

72 Harnack, Briefsammlung (s. Anm. 5), 11.

73 Vgl. dazu bes. Engelmann, Unzertrennliche Drillinge? (s. Anm. 4).

74 Vgl. dazu z. Herzer, B. J., ‘Tradition und Bekenntnis: Die Theologie des Paulus im Spiegel ihrer Rezeption im Ersten Timotheusbrief’, Petrus und Paulus: Geschichte – Theologie – Rezeption (hg. v. Omerzu, H./Schmidt, E. D.; ABG 48; Leipzig: Evangelische Verlagsanstalt, 2016) 247–71Google Scholar, bes. 264–70.

75 S.o. Anm. 4.