„(Das) ,totemistisch‘ integrierte Feld der Sektenkonkurrenz“ ist Andreas Pettenkofer zufolge „die typische Sozialform radikaler Protestbewegungen“ (S. 260). Sein Beitrag zur Theorie politischer Bewegungen besteht in einer konstruktiven ebenso wie instruktiven Verbindung soziologischer Theoriebausteine, die von Durkheims und Webers Religionssoziologie, über Bourdieus Feld- und Honneths Annerkennungstheorie bis zum pragmatistischen Konzept der Karriere reichen. Entfaltet wird dieses Programm im zweiten Teil des Buches (S. 131-269), dem ein nur etwas kürzerer erster Teil (S. 19-127) vorangeht, in dem der Autor sein Argument negativ vorbereitet: Er kritisiert darin gängige theoretische Ansätze zur Analyse von Protestbewegungen, denen allesamt eine problematische Fixierung auf strategische Handlungsrationalität gemeinsam sei. Ich stelle im Folgenden den Argumentationsgang dieser beiden Teile kurz vor, bevor ich einige kritische Nachfragen formuliere, die sich vor allem auf zwei Punkte konzentrieren: Der eine betrifft die empirische Reichweite der These; der andere fragt nach den Möglichkeiten der öffentlichen Verankerung sachrationaler Lernprozesse, die mit Pettenkofers Argumentation noch denkbar bleiben. Für die übergreifende Fragestellung (S. 7), welchen Beitrag Theorien des radikalen Protests zur Erklärung sozialen Wandels leisten, scheinen mir diese Nachfragen angebracht und hilfreich zu sein.
In der Forschung zu sozialen Bewegungen haben sich verschiedene Theorieansätze herausgebildet, deren GegenüberstellungFootnote 1 zunächst den Eindruck großer Vielfalt und Breite vermittelt. „Structural Strains“, „Collective Identity“, „Framing“, „Resource Mobilization“ oder „Political Opportunity Structure“ stehen nach Pettenkofer aber keinesfalls für verschiedene Paradigmen. Sie folgen vielmehr einem einzigen, dem „rationalistischen Paradigma“, dessen Grenzen und Widersprüche aufzuzeigen Ziel des ersten Teiles ist. Dabei überrascht es wenig, dass dem Ansatz der Ressourcenmobilisierung und jenem der politischen Gelegenheitsstrukturen ein Modell zweckrationalen Handelns gemeinsam ist, an dem sich – ganz gleich, ob es nun egoistisch oder altruistisch motiviert ist – mit den bekannten Argumenten von Mancur Olson und daran anschließenden Diskussionsbeiträgen (insbesondere von Jon Elster und Mark Granovetter) Probleme der Erklärung von kollektivem Handeln und radikalem Engagement festmachen lassen (S. 24-66). Viel bemerkenswerter ist es, dass sich die Aporien eines solchen Modells auch in Theorien manifestieren, die eigentlich als Ausgleich oder Überwindung dieser Schwächen gedacht sind oder als theoretisches Gegenmodell fungieren.
So greift der Autor die Anomietheorie von Parsons gleich zweimal auf, der zufolge Spannungen, die im Prozess der Modernisierung zwischen kulturellen Erwartungshorizonten und strukturellen Erfordernissen entstehen, zu irrationalem, weil dysfunktionalem, die politischen Institutionen umgehenden Protest führen. Zunächst dient sie als Abgrenzungsfolie für die neuere Protestforschung (S. 21-23), die aber, indem sie die Anomiethese zurückweist, zugleich Rationalitätsunterstellungen als deren Gegenstück auf politische Bewegungen überträgt. Sodann kommt die Theorie am Ende des ersten Teils zum Zuge (S. 107-127), wo Pettenkofer zeigt, dass selbst die Korrekturen durch den Neofunktionalismus, der die kultursoziologischen Schwächen der Theorie von Parsons gerade überwinden will, nicht aus dem Dilemma herausführen, in das sich die Soziologie des Protests mit der Gegenüberstellung von Kulturalismus und Utilitarismus begeben hat. Jeffrey Alexanders kulturtheoretische Ausarbeitung des Konzepts der Civil Society greift zwar auf den französischen Strukturalismus sowie Durkheims und Eisenstadts religionssoziologische Thesen zurück, um die Autonomie der gesellschaftlichen Gemeinschaft gegenüber dem politischen System zu betonen. Letztlich kommt der Protest darin aber wiederum nur entweder integrierend zur Geltung, weil er wie im Fall des Watergate-Skandals bereits geteilte Werte sichern hilft, oder aber als hoffnungslos unterkomplexe Störgröße, wie Alexander am Konflikt um die Gefahren technischer Artefakte demonstrieren zu können meint.
Aber auch Ansätze, Prozesse der kollektiven Identitätsbildung sowie die kognitiven Filterwirkungen von Deutungsrahmen oder -mustern stärker zu berücksichtigen, werden bislang nur inkonsequent in die Protestforschung integriert. So behandelt der Framing-Ansatz die kulturellen Rahmungen ihrerseits als strategisch verfügbares oder reflektierbares Mittel von Protesteliten, um eine möglichst breite Anhängerschaft zu mobilisieren (S. 67-74). Diese Eliten betreiben in dieser Sichtweise gewissermaßen Protest-Marketing. Und auch die kollektiven Identitäten bleiben überwiegend von der politischen Dimension des Protesthandelns getrennt, insofern sie als Ziele (z.B. in ethnischen Konflikten oder im Kampf der Homosexuellen um gleiche Rechte) oder als milieuspezifische Vorwegnahme von angestrebten Veränderungen aufgefasst werden, nicht aber als derart mit dem kollektiven Protesthandeln verwoben, wie es Albert O. HirschmanFootnote 2 einst als „Shifting Involvement“ beschrieben hat: Hirschmans Argumentation hat Pettenkofer, dessen Arbeit ansonsten auf einer breiten, guten Literaturgrundlage beruht, leider nicht berücksichtigt. Eine Auseinandersetzung damit hätte manche Kritikpunkte am Mainstream der Protestforschung noch klarer machen können. Denn Hirschmans These besteht gerade darin, dass der Wechsel von der auf das Privatwohl ausgerichteten Lebensführung hin zum politischen Engagement – etwa im Rahmen einer radikalen Protestbewegung – eine weitreichende Umorganisation im Wertehaushalt und Identitätsbestand der Personen voraussetzt, wobei die politische Beteiligung als solche zu einem maßgeblichen, im Vergleich zu den konkreten politischen Zielen gewichtigeren Moment dieser neu bewerteten und politisch umstrukturierten Lebensführung wird. Die vorliegende Arbeit kann als das Bemühen verstanden werden, diesen ,Shift‘ theoretisch sorgfältig auszudeuten. In den Ansätzen der Protestforschung, die Pettenkofer analysiert und kritisiert, kommt eine dazu verwandte Theoriefigur lediglich in einigen Arbeiten zu den „neuen sozialen Bewegungen“ vor, in denen Protest jedoch wiederum nicht grundlegend als expressives Handeln betrachtet wird (81). Vielmehr stellen auch sie nur einen expressiven Handlungstyp in Rechnung, der vom instrumentellen Handlungstyp als dazu alternative Protestform weiterhin getrennt bleibe.
Aufgrund solcher Schwächen, die auch mit der Verstrickung der sozialwissenschaftlichen Protestforschung in die analysierten Bewegungen zusammenhängen könnten, wie der Autor in einem längeren Exkurs zur „Protestforschung als Normalisierungsunternehmen“ darlegt (S. 86-106), bleibt ihm letztlich nichts anderes übrig, als im zweiten Teil nach ungenutzten theoretischen Quellen zu fahnden, mit denen sich das radikale Engagement in einer Protestbewegung plausibler erklären lässt. Fündig wird er zunächst beim amerikanischen Pragmatismus, allerdings nicht in der von Robert E. Park und Herbert Blumer ausgehenden Forschung zum kollektiven Verhalten, weil die Erklärungen zur spontanen Entstehung von Konventionen, die etwa Turner und Killian anbieten, wiederum die schlechte Alternative von Irrationalitätsannahmen der Massenpsychologie oder rational kalkulierender Distanz reproduzieren (S. 136-145). Anders dagegen das Konzept der Karriere, welches über die Untersuchung von religiösen Konversionsereignissen bei William James und die interaktionistische Theorie der Identitätsbildung George Herbert Meads bis hin zu Ausarbeitungen bei Erving Goffman, Anselm Strauss und Fritz Schütze verfolgt wird. Daran interessiert Pettenkofer nicht nur der Identitätswandel, der durch Situationen der Leiderfahrung ausgelöst seine Eigendynamik entwickelt, sondern insbesondere auch die damit einhergehende Selbstverstärkung und Abkopplung des Handelns von der Orientierung an politischen Gelegenheitsstrukturen (S. 160f.). Ob die Erfahrung von Missachtung ein Schlüssel ist, um die Hintergründe solcher Protestkarrieren theoretisch aufzuhellen, wird anschließend in Auseinandersetzung mit Honneth geprüft, dem der Autor letztlich nur eingeschränkt zustimmt: Als eine plausible, wenn auch nicht notwendige Bedingung von Prozessen reflexiver Neubestimmung der eigenen Identität kommen Situationen, in denen das eigene Selbstverhältnis durch die Erfahrung sozialer Missachtung erschüttert wird, gewiss infrage. Weniger plausibel findet der Autor allerdings die Annahme, der Protest würde sich damit im Sinne eines „Kampfes um Anerkennung“ typischerweise auf die Wiedererlangung der Anerkennung seitens jener Protestgegner richten, von denen die erfahrene Missachtung ausgehe.
An diesem Punkt finde ich allerdings auch die Kritik von Pettenkofer nicht sehr schlüssig, da sich ein Kampf um Anerkennung auch gegen die institutionalisierten Rechtfertigungsordnungen der Gesellschaft und die als ungerecht erfahrenen Prüfungsformen – im Sinne der in den Fußnoten oft erwähnten, aber kaum systematisch aufgegriffenen Arbeit von Luc Boltanski und Laurent ThévenotFootnote 3 – richten kann und dann ohnehin nicht in erster Linie von der Anerkennung durch personifizierbare Andere abhängt, seien dies nun Mitprotestierende oder Gegner (oder die Meinung der Mehrheit). Die Betonung der Unterschiede von triadischer vs. dyadischer Konstellation (S. 171-180) gibt insgesamt eine Fixierung auf die Sozialdimension des Protestgeschehens zu erkennen, die mir damit zusammenzuhängen scheint, dass hier die politische Bewegung als eine Schicksalsgemeinschaft interpretiert werden soll, die sich intern über die Gewährleistung wechselseitiger Anerkennung stabilisiert. Gewiss passt eine solche Lesart dann unmittelbar zu jenen religionssoziologischen Thesen, die der Autor im weiteren Argumentationsgang mit Max Weber und Emile Durkheim entfaltet. Ob damit die Erklärungspotentiale, die der amerikanische Pragmatismus für die Entstehung radikalen Protests bereithält, in theoretisch und empirisch angemessener Weise gehoben worden sind, scheint mir aber fraglich zu sein. Jedenfalls sehe ich in diesen Passagen gute Möglichkeiten, über andere Argumentationspfade nachzudenken, die auf die sachliche Problemdimension jener Konstellationen abstellen, welche die vormals bestehende Selbstachtung und die Handlungsroutinen der Protestierenden aus dem Lot gebracht haben. Dieser Gedanke ist ja maßgeblich für die soziologischen Erklärungsansätze von Offe, Habermas, Luhmann u.a., die vor allem in den neuen sozialen Protestbewegungen Reaktionen der Lebenswelt gegen überkomplexe Systeme oder gegen die funktionale Differenzierung selbst sehen, ohne damit eindeutig zur Frage der Rationalität oder Irrationalität dieser Phänomene Stellung zu nehmen. Allein mit der handlungs- oder interaktionstheoretischen Perspektive, d.h. ohne eine materiale gesellschaftstheoretische Unterfütterung, sind diese Zusammenhänge aber wohl nicht einzuholen.
In den drei letzten Kapiteln wird folglich der eingeschlagene Pfad ausgebaut. Zunächst werden aus Max Webers Religionssoziologie die Momente des Charismas, der Weltablehnung und der Sektenbildung aufgegriffen, um die radikalen Protestbewegungen als einen sozialen Zusammenhalt begreiflich zu machen, in dem die problematisch gewordene Selbstvergewisserung durch die interne Verankerung von normativen Bewährungsproben neue Stabilität in Form einer sozialen Gruppe (oder Sekte) gewinnt, die sich ihrerseits nur durch Abgrenzung und Selbstexklusion von anderen Gruppen oder dem Rest der Gesellschaft (Kirche) stabilisieren kann. Darin sieht Pettenkofer die maßgebliche Quelle kultureller Innovation, die den Beitrag politischer Bewegungen zum gesellschaftlichen Wandel erklären könne (vgl. 194f.). Noch weiter abgelöst von der Sachdimension – die mit Weber immerhin noch denkbar bleibt, insofern Charisma aus deutungsbedürftigen gesellschaftlichen Problemkonstellationen heraus entstehen kann – wird die Theorie politischer Bewegungen mit Durkheims ritualtheoretischer Auffassung von Religiosität, wonach das Heilige aus eigendynamischen Prozessen kollektiver Efferveszenz heraus entsteht, also aus einer starken emotionalen Erfahrung unmittelbarer Sozialität. Dessen Gegenstände oder Objekte sind im Grunde völlig austauschbar: Alles kann zum ,Totem‘ werden (S. 215). Das wiederum ist zwar auch Andreas Pettenkofer zu unspezifisch, der deshalb die Entstehung von religiösen Deutungsmustern oder charismatischen Ideen, denen sich die Gruppe der Protestierenden radikal verschreibt, von sinnstrukturellen Konstellationen abhängig machen will (S. 221, 230ff.). Aber diese Konstellationen werden dann – unter Rückgriff auf Durkheims ältere Theorie des Strafens – ihrerseits wieder auf Abgrenzungs- und Klassifikationskämpfe reduziert, ähnlich wie in der Cultural Theory von Mary Douglas. So sei der „positive Bezugspunkt […] in Protestbewegungen regelmäßig nachträglich; und er kann, wie sich empirisch immer wieder beobachten lässt, viel weniger bestimmt bleiben als der negative Bezugspunkt. Durkheims Analyse kollektiver Riten zeigt, wie die Unterbestimmtheit dieses positiven Werts durch die Sinnfälligkeit des Protestkollektivs kompensiert werden kann, das – weil es sich dem Abgelehnten entgegensetzt – diesen Wert zu repräsentieren scheint.“ (236f.)
Die weitreichende Kontingenz der Sachprobleme kommt schließlich auch in der Art und Weise zum Ausdruck, wie das Konzept historischer Ereignisse – welches von den Geschichtstheoretikern, auf die sich Pettenkofer bezieht, nicht mehr als Gegensatz zu strukturellen Erklärungen, sondern auf strukturelle Konstellationen bezogen verwendet wirdFootnote 4 – zur Erklärung der Gründung eines neuen Deutungsmusters durch radikalen Protest und der Stiftungswirkung der darin vollzogenen Gewalt aufgegriffen wird: Obgleich der historische DeutungswandelFootnote 5 nicht auf ein performatives Muster allein zurückgeführt werden kann, werden die Pfadabhängigkeiten, die der Autor hier durchaus in Rechnung stellt (S. 240, 243-248), letztlich doch zugunsten eines allgemeinen Schemas der Sektenkonkurrenz als typische soziale Konstellation vernachlässigt, das dann mit Bourdieus Feldtheorie theoretisch näher bestimmt wird: Die sozial- und sinnstrukturelle Grundlage, die hier für die Initialzündungen des sich selbst verstärkenden Protestgeschehens verantwortlich gemacht wird, besteht dann nur noch in den Auslegungsdifferenzen verschiedener sozialer Positionen in einem Feld, dessen Grenze durch gemeinsame, auslegungsbedürftige Wert- und Deutungshorizonte bestimmt wird (S. 254-260). Aber warum kann diese Konkurrenz nicht marktförmig, d.h. durch Segmentation nebeneinander bestehender Fraktionen ausgetragen werden? Ist die Dynamik wechselseitiger Überbietung – im Extremfall bis hin zur Eskalation von Gewalt (S. 255f., 259f.) – wirklich typisch für Deutungskonflikte oder handelt es sich nur um eine mögliche Verlaufsform, deren Vorkommen – wie im Falle unteilbarerFootnote 6 oder ideologischerFootnote 7 Konflikte – von weiteren, spezifischen Bedingungen abhängt? Und was genau meint in diesem Zusammenhang eigentlich „radikal“? Sind damit nur die Konfliktverläufe und starken Selbstbindungen gemeint, die auf solcher wertbezogener Sektenkonkurrenz basieren?
Solche Fragen dienen nicht dazu, die theoretische Qualität der vorliegenden Arbeit in Zweifel zu ziehen, sondern treten nur deshalb klarer vor Augen, weil diese ihr Argument sorgfältig entwickelt. Sie betreffen letztlich vor allem die theoretische und empirische Reichweite jener These, die Andreas Pettenkofer hier entfaltet. Angesichts des „Arabischen Frühlings“, der gegenwärtig die Weltlage dramatisch verändert, ist eine gute Theorie zur Erklärung des Aufkommens und der Selbststabilisierung radikalen Protests sicherlich mehr denn je gefragt. Und gewiss spielen die Momente der kollektiven Efferveszenz sowie der radikalen Selbstbindung an die im Protest artikulierten Werte auch unter den restriktiven Bedingungen dieser Fälle, die zunächst alles andere als günstige Gelegenheiten boten, eine wichtige Rolle. Aber können die sozialen und kulturellen Wandlungsprozesse, die dort gegenwärtig ablaufen, mit einer solchen Theorie wirklich zureichend erklärt werden? Und wie ist es mit den anderen empirischen Protestphänomenen, von den sogenannten neuen sozialen Bewegungen der 1970er Jahre bis zu den Internetpiraten unserer Tage? Fallen sie alle komplett unter dieses Theorieschema? Skepsis bleibt in dieser Hinsicht nicht zuletzt deshalb angebracht, weil es sich beim vorliegenden Buch um eine Theoriearbeit handelt, deren Geltungsansprüche – abgesehen von einigen Fußnoten – nicht durch eine methodisch ernsthafte Konfrontation mit empirischen Fällen getestet werden. Zwar wird im Vorwort (S. 14) darauf hingewiesen, dass die Dissertation, deren Theorieteil hier verarbeitet worden ist, mit der westdeutschen Umweltbewegung einen solchen empirischen Fallbezug aufweist. Ob und wie gut Theorie und empirischer Fall zusammengehen, lässt sich aber erst beurteilen, wenn auch das angekündigte Buch zur „Entstehung der grünen Politik“ (Campus, November 2011) erschienen ist. Wünschenswert und angebracht wäre es so oder so gewesen, in das vorliegende Buch zumindest eine Schlussbetrachtung zur Frage der empirischen Reichweite der Theorie aufzunehmen.
Aber auch in theoretischer Hinsicht kann über die Reichweite kritisch nachgedacht werden. Dieser Kritikpunkt betrifft die Sachprobleme und ihre gesellschaftlichen Hintergründe, um die es in den radikalen Protestartikulationen geht. Meine Vermutung, die konstruktiv an die Bemerkungen zur Pfadabhängigkeit des Deutungswandels (S. 247f.) anknüpfen kann, lautet hier, dass sich jene sozialen Mechanismen des Protests, die Pettenkofer identifiziert und theoretisch elaboriert, als Phase in einem übergreifenden Modell experimenteller politischer Prozesse und sozialer Bewegungen begreifen lässt. Dabei handelt es sich um jene Phase der politischen Problembewältigung, in der überhaupt erst innovative welterschließende Deutungen hervorgebracht werden. Diese stehen gleichwohl in einer gesellschaftlichen Bewährungskonstellation, welche allein durch die soziale Logik der Anerkennung und der daraus resultierenden Sektenkonkurrenz nicht zureichend erfasst werden kann. Im Sinne eines erweiterten pragmatistischen Theoriemodells wäre der Protest vielmehr als ein Moment der öffentlichen Artikulation von Problemdeutungen und Lösungsvorschlägen aufzufassen, die trotz sozialer Abschließung und Radikalisierung den kollektiven, übergreifenden Rahmen einer sachrationalen Prüfung und Ausarbeitung ihrer Geltungsbedingungen noch keineswegs verlassen. Radikal können sie dann auch in jenem anderen Sinne eines Protestes bleiben, der die Probleme bei ihren Wurzeln packen will.