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La filiation est directe“ Der Einfluss von Marcel Mauss auf das Werk von Claude Lévi-Strauss

Published online by Cambridge University Press:  18 October 2013

Stephan Moebius
Affiliation:
Karl-Franzens-Universität Graz, Institut für Soziologie [stephan.moebius@uni-graz.at].
Frithjof Nungesser
Affiliation:
Karl-Franzens-Universität Graz, Institut für Soziologie [frithjof.nungesser@uni-graz.at].

Abstract

The paper argues that Claude Lévi-Strauss’ thought was influenced by Marcel Mauss’ works in a much deeper way than has been remarked in the literature. Far from being restricted to Lévi-Strauss’ seminal 1949 work on The Elementary Structures of Kinship Mauss’ constitutive impact can already be found in Lévi-Strauss’ early ethnographic studies (starting in the mid-1930s). Moreover, it can be shown that decisive theses and arguments of Lévi-Strauss’ later thought – ranging from the anthropology of kinship to classification theory and the specifics of the “savage mind” – are clearly prefigured in these early texts. In the end, the arguments presented here do not only call into question the well-known and widespread portrayal of Lévi-Strauss as a solitary scientist and “born structuralist” but also show how the specific interpretation of Mauss by Lévi-Strauss directed and restricted the further reception of Mauss’ works.

Résumé

On avancera que Claude Levi-Strauss a été beaucoup plus influencé par Marcel Mauss que les commentateurs ne l’ont relevé. Loin de se limiter aux formes élémentaires de la parenté, ouvrage pionnier de 1949, l’empreinte marquante de Mauss est visible dès les premiers écrits ethnographiques de Claude Lévi-Strauss (1935 environ). Plus même on peut voir que les points et les arguments qu’il développera plus tard – anthropologie de la parenté, théorie de la classification, caractéristiques de la pensée sauvage–sont déjà comme préfigurés dans ces textes de jeunesse. Tout cela remet en question le portrait largement reçu de Lévi-Strauss, savage “and” sant should look like the one betwen “tand” and “anthroplolgie” savant solitaire, né structuraliste et montre également à quel point sa lecture particulière a orienté et rétréci la réception ultérieure des œuvres de Mauss.

Zusammenfassung

Ziel des Aufsatzes ist es nachzuweisen, dass Marcel Mauss das Denken von Claude Lévi-Strauss sehr viel stärker beeinflusst hat, als dies bisher in der Literatur festgehalten wurde. Keineswegs ist dieser Einfluss auf Lévi-Strauss’ bahnbrechende Studie über Die elementaren Strukturen der Verwandtschaft aus dem Jahr 1949 begrenzt. Vielmehr lässt sich die konstitutive Bedeutung von Mauss bereits in Lévi-Strauss’ frühen ethnographischen Arbeiten ab Mitte der 1930er Jahre deutlich erkennen. Mehr noch: Zentrale Thesen und Argumente aus Lévi-Strauss’ späteren Arbeiten – von der Verwandtschaftsethnologie über die Klassifikationstheorie bis hin zu den Analysen des „wilden Denkens“ – sind in diesen frühen Arbeiten schon angelegt. Die hier vorgebrachte Argumentation stellt mithin die beliebte und weitverbreitete Darstellung von Lévi-Strauss als wissenschaftlichem Einzelgänger und „geborenem Strukturalisten“ infrage und zeigt darüber hinaus, wie Lévi-Strauss’ spezifische Mauss-Interpretation die weitere Rezeption von Mauss’ Werk gelenkt und eingeschränkt hat.

Type
Research Articles
Copyright
Copyright © A.E.S. 2013 

Ein geborener Strukturalist?

In einem Interview aus dem Jahr 1992 hebt Philippe Descola hervor, dass die Entwicklung von Claude Lévi-Strauss’ strukturaler Anthropologie keineswegs nur auf den Einfluss der strukturalistischen Linguistik zurückgeführt werden könne, sondern auch seinen ethnographischen Erfahrungen in Brasilien entscheidende Bedeutung zugesprochen werden müsse:

I’m absolutely convinced that structuralism is not only part of the intellectual insights of Lévi-Strauss. It is also part of his experience as an ethnographer in Brazil among the Bororo and the Nambikwara. Many of his ideas do not stem only from the works of Trubetskoy or Jakobson but from the intellectual endeavour of understanding this sort of society (Knight and Rival 1992: 12).

Die spezifischen Eigenarten der Gesellschaften Amazoniens, so Descola, würden in gewisser Weise eine strukturalistische Betrachtungsweise nahelegen.Footnote 1

Lévi-Strauss’ eigene Darstellung vermittelt dagegen das Bild des geborenen Strukturalisten, der – ohne es zu wissen – seit je her, selbst im zarten Alter von zwei Jahren, strukturalistisch dachte.Footnote 2 Dieser Selbstinterpretation zufolge machte also die von dem strukturalistischen Linguisten Roman Jakobson initiierte „Erleuchtung“ nur explizit und bewusst, was zuvor ein unbewusster und „naiver Strukturalismus“ war (Lévi-Strauss und Eribon 1996 [1988]: 65).

Keine dieser beiden Darstellungen vermag zu überzeugen. Descola unterschätzt die Theoriegeleitetheit der (ethnographischen) Erfahrung zugunsten eines angeblich für sich selbst sprechenden Untersuchungsgegenstandes; Lévi-Strauss projiziert das Ergebnis seiner intellektuellen Entwicklung an deren Anfang. Beide Deutungen stimmen jedoch in spezifischer Hinsicht überein, denn sie fördern und bestätigen ein etabliertes Bild von Claude Lévi-Strauss: das eines einzelgängerischen und genialen Forschers, der weitgehend unabhängig von gesellschaftlichen und ideengeschichtlichen Prägungen und nur seinem „neolithischen Verstand“ (Lévi-Strauss Reference Lévi-Strauss2003 [1955]: 46; Lévi-Strauss und Eribon 1996 [1988]: 8) folgend, durch die Konfrontation mit dem nackten Gegenstand wie von selbst zu seiner strukturalen Anthropologie fand.Footnote 3 Dieses häufig unhinterfragt hingenommene Bild, das insbesondere durch die beachtliche Wirkung von Lévi-Strauss’ Traurigen Tropen (2003 [1955]) weit verbreitet ist, blendet die wissenschaftlichen Einflüsse und den institutionellen Kontext seiner ethnographischen Expeditionen und frühen Schriften weitgehend aus:

[D]espite his attempt to project an image as an alienated outsider, there is ample evidence that Lévi-Strauss himself was already taking part in a corporate existence by the 1930s and 1940s and that he went to rather great lengths in Tristes Tropiques to hide this fact. […] He also chose to minimize his own involvement with other professional anthropologists and often created the false impression that he was working completely on his own. There is only a single rather vague reference to the institutional sources of financial support for his expedition, and, in contrast to the descriptions of his professors at the Sorbonne, there is no real discussion about his contacts to Marcel Mauss, Lévy-Bruhl, and other prominent French anthropologists of the period (Pace Reference Pace1986: 37f).

Will man verstehen, wie Lévi-Strauss von der Ethnographie zur strukturalen Anthropologie gelangte und will man sich dabei von keiner der genannten Interpretationen „narren“ lassen, so muss man insbesondere den intellektuellen und ideengeschichtlichen Kontext in den Blick nehmen, in dem sich der frühe Lévi-Strauss bewegte. Zu fragen ist, mit welchen Leitkonzepten Lévi-Strauss Mitte der 1930er Jahre ins Feld ging, so dass in Auseinandersetzung mit dem amazonischen Material schließlich ab Mitte der 1940er Jahre eine strukturalistische Theorie entstehen konnte.Footnote 4

Im vorliegenden Aufsatz wird an die in der Literatur häufig anzutreffende, aber bislang nicht eingehender untersuchte These angeknüpft, dass das Werk des Soziologen und Ethnologen Marcel Mauss einen wichtigen Einfluss auf das sich formierende Denken von Claude Lévi-Strauss ausgeübt hat.Footnote 5 Entgegen der Tendenz in der Sekundärliteratur, den Einfluss von Mauss (und dann meistens lediglich von dessen Essai sur le don aus dem Jahr 1925Footnote 6) vor allem in Lévi-Strauss’ frühem Hauptwerk Die elementaren Strukturen der Verwandtschaft von 1949 auszumachen (vgl. v. a. Dosse Reference Dosse1999 [1991]: 58 f.; Leach Reference Leach1998 [1970]; Deliège Reference Deliège2004; Keck Reference Keck2005; Kauppert Reference Kauppert2008; Reinhardt Reference Reinhardt2008), soll im Folgenden allerdings gezeigt werden, dass Mauss das Werk von Lévi-Strauss von Beginn an und in seiner ganzen Breite geprägt hat.Footnote 7

Der Fokus der Untersuchung wird auf der „formativen Phase“ zwischen Lévi-Strauss’ erster ethnographischer Veröffentlichung im Jahr 1936 (Lévi-Strauss Reference Lévi-Strauss1936) und dem Jahr 1964 liegen, einem Zeitpunkt, zu dem die Erarbeitung des theoretischen Rahmens der strukturalen Anthropologie weitestgehend abgeschlossen ist und mit der Veröffentlichung des ersten Bandes der Mythologica die Mythenanalyse zum fast ausschließlichen Untersuchungsgegenstand wird.Footnote 8

Diesem Zuschnitt entsprechend, wird es im Folgenden darum gehen, die überaus starke Aneignung von Mauss in Lévi-Strauss’ Arbeiten nicht nur zur Verwandtschaftsethnologie, sondern auch zu „primitiven“ Klassifikationssystemen und den Charakteristika des „wilden Denkens“ generell zu belegen. Nachzuweisen ist zum einen, dass Mauss eine kaum zu überschätzende Wirkung auf Lévi-Strauss’ häufig missachtete ethnographische Arbeiten der 1930er und frühen 1940er Jahre ausübte, zum anderen, dass sich wesentliche argumentative Bestandteile späterer Schriften schon in den ethnographischen Arbeiten erkennen lassen.Footnote 9

Über das im engeren Sinne wissenschaftsgeschichtliche Interesse hinaus kann die Studie auch im Hinblick auf allgemeinere wissenschaftshistorische und -soziologische Fragen von Interesse sein. Zum einen lässt sich anhand der gewählten Thematik exemplarisch zeigen, auf welche Art und Weise ein Autor (hier Lévi-Strauss) versucht, ein bestimmtes Bild von sich zu zeichnen und die Wahrnehmung seines Werks dauerhaft zu prägen (in diesem Fall recht erfolgreich). Diese Selbstkonturierung geht mit Praktiken der Abgrenzung und der Diskursverknappung einher, mittels derer Verbindungen zu wichtigen Referenzdisziplinen, -strömungen oder -autoren gekappt oder auf bestimmte Weise eingefärbt werden.Footnote 10 Diese Darstellungspraktiken (die keineswegs bewusst durchgeführt werden müssen) lassen sich offenlegen, wodurch wichtige Mechanismen der Wissenschaftsentwicklung und -rezeption besser verstanden werden können. Zum anderen kann an unserem Untersuchungsgegenstand deutlich gemacht werden, wie die spezifische Aneignung eines bestimmten Werks (in diesem Fall die von Mauss durch Lévi-Strauss) dessen weitere Rezeption lenkt. Damit ergeben sich Einsichten in die Pfadabhängigkeit der Rezeptionsgeschichte, da erkennbar wird, dass bestimmte Themenbereiche, Kernkonzepte und Leitfragen ins Zentrum der Rezeption rücken, während andere dauerhaft aus dem Blick geraten. Zusammengenommen kann eine detaillierte Analyse von Aneignung, Selbstkonturierung und Rezeptionslenkung vielleicht auch dazu führen, dass ins Abseits gedrängte Wissenschaftspotenziale wieder in den wissenschaftlichen Diskurs zurückgeführt werden können.Footnote 11

Diesen allgemeinen Überlegungen entsprechend darf der Nachweis der enormen Bedeutung des Werkes von Mauss für Lévi-Strauss nicht zu der Einschätzung verleiten, in dessen Arbeiten eine natürliche oder zwangsläufige Transformation bzw. unmittelbare Weiterführung von Mauss’ Denken zu sehen. Stattdessen, so wird im abschließenden Abschnitt zu zeigen sein, handelt es sich bei der strukturalen Anthropologie um eine spezifische und vereinseitigende Mauss-Interpretation, die mit anderen möglichen Deutungen kontrastiert werden kann. Wie die anderen (rivalisierenden) Rezeptionsstränge des Denkens von Mauss verfolgt aber auch Lévi-Strauss eine spezifische „Aneignungspraxis“, indem er Mauss zu einem strukturalistischen Anthropologen avant la lettre erklärt.Footnote 12

Verwandtschaftsethnologie

Bereits dreizehn Jahre vor der Veröffentlichung von Die elementaren Strukturen der Verwandtschaft (Lévi-Strauss Reference Lévi-Strauss2000 [1949]) betont Lévi-Strauss gegenüber Mauss die Bedeutung, die dessen Forschungen über die Gabe und den Austausch in archaischen Gesellschaften für seine ersten Feldforschungen hatten. In einem Brief vom 14. März 1936Footnote 13 berichtet Lévi-Strauss nicht nur, dass er bei seinen Forschungen bei den Caduveo von dessen Ratschlägen inspiriert worden sei, sondern auch, dass er bei den Bororo genau die reziproken und obligatorischen Leistungen von Clan zu Clan gefunden habe, über die Mauss in seinen Arbeiten gesprochen habe.Footnote 14 Mauss hat diese Phänomene bekanntlich in seiner am breitesten rezipierten Arbeit Die Gabe (Mauss Reference Mauss2004 [1925]) anhand fremdkultureller Gabepraktiken in Melanesien und bei den Nordwestküstenindianern sowie im Personen- und Steuerrecht der Römer, in der Gabetheorie der Hindus und in den Pfandpraktiken der Germanen untersucht.

In der Tat sind weite Teile von Lévi-Strauss’ frühen ethnographischen Studien von gabentheoretischen Überlegungen durchsetzt. Lévi-Strauss unterscheidet dabei drei Formen von Reziprozität, was sich an seinen Studien zu den Nambikwara, die den Schwerpunkt seiner zweiten und längeren ethnographischen Expedition, aber auch seines ethnographischen Werkes insgesamt darstellen, am besten demonstrieren lässt.Footnote 15

Neben dem Austausch zwischen Individuen sowie zwischen einer Gruppe und ihrem Anführer entdeckt Lévi-Strauss bei den Nambikwara noch eine dritte Form: den Austausch zwischen Kollektiven (vgl. Lévi-Strauss Reference Lévi-Strauss, Middleton and Cohen1967 [1944]). Diese Form ist nicht nur diejenige, die für den weiteren Verlauf von Lévi-Strauss’ Denkweg die bedeutendste ist, sondern auch jene, die in Mauss’ Gabe-Essay im Zentrum steht (vgl. Mauss Reference Mauss2004 [1925]: 21). Hierbei steht zunächst die Gabe als Frieden stiftende Handlung, also als „außenpolitisches“ Mittel schriftloser Gesellschaften im Mittelpunkt (vgl. Lévi-Strauss Reference Lévi-Strauss1943a; Reference Lévi-Strauss1949). In seinem Aufsatz „Guerre et commerce chez les Indiens de l’Amérique du Sud“ beschreibt Lévi-Strauss (1943a: 132 ff.) anhand eines „Konflikts“ zwischen zwei Nambikwara-Gruppen genau jenes wechselseitige Bedingungsverhältnis von Krieg und Austausch, das schon Mauss eindrücklich beschrieb: „Sich weigern, etwas zu geben, es versäumen, jemand einzuladen, sowie es ablehnen, etwas anzunehmen, kommt einer Kriegserklärung gleich; es bedeutet, die Freundschaft und die Gemeinschaft zu verweigern.“ (Mauss Reference Mauss2004 [1925]: 37) Krieg und Tausch sind demnach untrennbar miteinander verschränkt, sie sind zwei Seiten einer Medaille (vgl. Lévi-Strauss Reference Lévi-Strauss1943a: 136, 138).Footnote 16

Der Austausch ist der zentrale Mechanismus, der die „Außenpolitik“ schriftloser Gesellschaften bestimmt. Sein Gelingen oder Misslingen entscheidet darüber, in welche Richtung der „institutionellen Kette“ indigener Diplomatie sich die Kollektive bewegen. Diese „Kette“ versinnbildlicht hierbei ein Kontinuum, das vom Krieg bis hin zur Vereinigung der Parteien reicht.Footnote 17 Das letztere Ende des Kontinuums konnte Lévi-Strauss selbst beobachten, als er einem Zusammenschluss zweier Nambikwara-Gruppen beiwohnte (vgl. Lévi-Strauss Reference Lévi-Strauss1943a: 137f.). Mit der Fusion ist der Schritt vom Tausch zwischen zwei fremden Kollektiven hin zum internen Tausch zwischen Clans oder Heiratsklassen getan. Indem die beiden Nambikwara-Gruppen die Männer der jeweils anderen Horde als ihre Kreuzvettern anerkennen, sorgen sie dafür, dass „sich alle Kinder der einen Gruppe in der Situation von ‚potentiellen Gatten‘ der Kinder der anderen Gruppe befinden und umgekehrt“ (Lévi-Strauss Reference Lévi-Strauss2003 [1955]: 301). Die „Außenpolitik“ führt hier demnach direkt in die Verwandtschaftsethnologie, Heirat erschließt sich ihm als Tausch (vgl. Paul Reference Paul1996: 65). Während Lévi-Strauss bei den Nambikwara vermittels einer gabentheoretischen Perspektive „die Bedeutung und das Wesen der Kreuzcousinenheirat“ (Paul Reference Paul1996: 65) versteht, ermöglicht sie es ihm bei den Bororo, auch in der Dualorganisation eine der entscheidenden Möglichkeit der Verwandtschaftsorganisation zu erkennen: „Das Grundmerkmal der Heirat als Form des Austausches“, so wird er im Jahr 1949 schreiben, „zeigt sich besonders deutlich bei den dualen Organisationen“ (Lévi-Strauss Reference Lévi-Strauss2000 [1949]: 128).Footnote 18

In den von Mauss’ Gabedenken geprägten ethnographischen Studien stößt Lévi-Strauss demnach auf die grundlegende Verbindung von Reziprozität, Pazifizierung, sozialer Kohäsion und Verwandtschaft im Allgemeinen sowie auf die große Bedeutung von dualer Organisation (vgl. Lévi-Strauss Reference Lévi-Strauss1936, Lévi-Strauss Reference Lévi-Strauss1943a) und Kreuzkusinenheirat (vgl. Lévi-Strauss Reference Lévi-Strauss1943b: 405) für die Lösung verwandtschaftlicher Probleme im Speziellen.Footnote 19 Mehr noch: Schon bei Mauss lässt sich die gesamte „institutionelle Kette“ erkennen. Ein längeres Zitat soll dies unterstreichen:

Zunächst einmal sind es nicht Individuen, sondern Kollektive, die sich gegenseitig verpflichten, die austauschen und kontrahieren; die am Vertrag beteiligten Personen sind moralische Personen: Clans, Stämme, Familien, die einander gegenübertreten […]. Zum anderen ist das, was ausgetauscht wird, nicht ausschließlich Güter und Reichtümer, bewegliche und unbewegliche Habe, wirtschaftlich nützliche Dinge. Es sind vor allem Höflichkeiten, Festessen, Rituale, Militärdienste, Frauen, Kinder, Tänze, Feste, Märkte, bei denen Handel nur ein Moment und der Umlauf der Reichtümer nur eine Seite eines viel allgemeineren Vertrags ist. Schließlich vollziehen sich diese Leistungen und Gegenleistungen in einer eher freiwilligen Form, durch Geschenke, Gaben, obwohl sie im Grunde streng obligatorisch sind, bei Strafe des privaten oder öffentlichen Krieges. Wir haben vorgeschlagen, all dies das System der totalen Leistungen zu nennen. Der reinste Typus dieser Institution scheint uns in dem Bündnis zweier Phratrien in den australischen oder nordamerikanischen Stämmen gegeben zu sein, bei dem alles – Riten, Heiraten, Erbschaft, Rechts- und Interessenbindungen, Militär – und Priesterränge – einander ergänzt und die Zusammenarbeit der beiden Hälften des Stammes voraussetzt (Mauss Reference Mauss2004 [1925]: 21f.; unsere Herv).

Alle Aspekte von Lévi-Strauss’ Argumentation sind hier schon angedeutet – von der Friedensschließung zwischen zwei Gruppen bis hin zur Interpretation dualer Gesellschaftsformen als einer wesentlichen Form der Reziprozitätsorganisation.

Umso erstaunlicher ist es, dass die Bedeutung von Marcel Mauss in den ethnographischen Schriften von Lévi-Strauss kaum Erwähnung findet. Drei besonders auffällige Beispiele seien genannt: Obwohl Lévi-Strauss in seinem oben erwähnten Brief aus dem Jahr 1936 Mauss’ Studien als wesentliche Inspiration für seine ForschungenFootnote 20 bei den Bororo bezeichnet, wird Mauss in dem hieraus resultierenden Aufsatz „Contribution à l’étude de l’organisation sociale des Indiens Bororo“ (Lévi-Strauss Reference Lévi-Strauss1936) aus demselben Jahr – übrigens Lévi-Strauss’ erste ethnographische Arbeit – nicht erwähnt. Ferner wird Mauss auch in den Aufsätzen zur „Außenpolitik“ schriftloser Gesellschaften (Lévi-Strauss Reference Lévi-Strauss1943a; Lévi-Strauss Reference Lévi-Strauss1949), in denen die Bezüge deutlich hervortreten (vgl. auch Johnson Reference Johnson2003: 39), nicht zitiert. Bezeichnend ist schließlich auch, dass man einen Verweis auf Mauss im Kapitel „Männer, Frauen, Häuptlinge“ aus den Traurigen Tropen (2003 [1955]: 300-314), von dem etwa Paul (1996: 22) sagt, es illustriere, dass Lévi-Strauss (2003 [1955]: 53) zurecht von sich sagen kann, dass er „heute wahrscheinlich die Durkheimsche Tradition treuer bewahre als irgendein anderer“, vergeblich sucht, wobei dieser Verweis auf Mauss (wenn auch recht unspezifisch) in Lévi-Strauss’ Aufsatz „The Social and Psychological Aspects of Chieftainship in a Primitive Tribe“, der die fast wortgleiche Grundlage dieses Kapitels bildet, noch zu finden ist (vgl. Lévi-Strauss Reference Lévi-Strauss, Middleton and Cohen1967 [1944]: 59). Diese Einsichten unterstützen folglich die mit David Pace zu Beginn vertretene These, dass hier ein bestimmtes Selbstbild gezeichnet werden soll.Footnote 21

Während sich in den genannten ethnographischen Artikeln, der thèse complémentaire und den später teilweise hieraus erwachsenden Traurigen Tropen, Mauss’ Arbeiten deutlich herauslesen lassen, der Bezug aber fast immer nur implizit hergestellt wird, findet Mauss ab Mitte der vierziger Jahre zunehmend Erwähnung in den Arbeiten von Lévi-Strauss. So rücken Die elementaren Strukturen der Verwandtschaft den Essai sur le don in ihr Zentrum. Diese intensive Bezugnahme scheint die vorgebrachte These einer Konturierung zumindest im Hinblick auf Mauss zunächst zu widerlegen. Daher müssen neben der Mauss’schen Prägung der frühen ethnographischen Arbeiten auch die späteren Mauss-Referenzen hinsichtlich ihrer gabe- und verwandtschaftsethnologischen Implikationen betrachtet werden.

Lévi-Strauss’ Interesse an der Gabestudie deckt sich keineswegs vollständig mit der Zielsetzung des Autors. Während Mauss eine „Genealogie“ oder „Theorie einer allgemeinen Verpflichtung“ (Mauss Reference Mauss2004 [1925]: 35) erarbeiten will, liest Lévi-Strauss Die Gabe vor allem als eine theoretische Analyse des symmetrischen Tausches sowie als wichtigste soziologische und ethnologische Arbeit über das elementare Prinzip der Reziprozität. Nach Lévi-Strauss lasse sich dieses „Prinzip der Reziprozität“ und dessen universelle Gültigkeit am deutlichsten an den Heiratsregeln und damit am Inzestverbot und Exogamiegebot erkennen und verdeutlichen. „Verwandtschaft“ analysiert Lévi-Strauss dabei nicht – wie zuvor meist üblich – in Ableitung von vertikalen Abstammungslinien, sondern ausgehend von horizontalen strukturellen Beziehungen.Footnote 22 Seine zwischen 1943 und 1947 gehaltenen Vorlesungen zur Verwandtschaft verdichtet er auf Anregung Roman Jakobsons zu Die elementaren Strukturen der Verwandtschaft – ein Titel, der nicht zufällig an Durkheims Die elementaren Formen des religiösen Lebens erinnert und ihn direkt in eine Abstammungslinie zur Durkheim-Schule stellen soll; gleichzeitig aber „verdrängt“ hier bereits die Verwandtschaft die Religion als zentralen gesellschaftlichen Integrationsmechanismus – auf diese folgenreiche theoretische Umstellung werden wir noch zurückkommen.Footnote 23

Den engen Zusammenhang zwischen seinem Verständnis des Inzestverbots und dem Mauss’schen Gabetheorem beschreibt Lévi-Strauss folgendermaßen:

Das Inzestverbot ist weniger eine Regel, die es untersagt, die Mutter, Schwester oder Tochter zu heiraten, als vielmehr eine Regel, die dazu zwingt, die Mutter, Schwester oder Tochter anderen zu geben. Es ist die höchste Regel der Gabe, und gerade dieser allzu oft verkannte Aspekt erlaubt es, ihre Natur zu verstehen (Lévi-Strauss Reference Lévi-Strauss2000 [1949]: 643).

Demzufolge erschöpft sich für Lévi-Strauss auch der Inhalt des Verbots nicht in der „Tatsache des Verbots; es wird nur deshalb eingeführt, um direkt oder indirekt, mittelbar oder unmittelbar einen Austausch zu garantieren und zu begründen“ (Lévi-Strauss Reference Lévi-Strauss2000 [1949]: 106). Er begreift (oder reduziert) Gabe dabei als Tausch, der von ihm als ein „Grundkomplex der Kultur“ überhaupt angesehen wird (vgl. 2000 [1949]: 119), weil man ihn beispielsweise sowohl im potlatschartigen Austausch von Weihnachtsgeschenken in westlichen GesellschaftenFootnote 24 als auch im Frauentausch indigener Gesellschaften entdecken könne. Nach Lévi-Strauss ist die Beziehung, die man zwischen der Heirat und dem Mauss’schen Gabe-Theorem herstellen kann, nicht willkürlich (vgl. Lévi-Strauss Reference Lévi-Strauss2000 [1949]: 122). Man habe beispielsweise noch vor einiger Zeit gesagt, der Vater gebe seine Tochter in die Ehe. Der Begriff „gift“ verweise in den germanischen Sprachen noch immer auf Geschenk und Heirat – man denke an die „Mitgift“.Footnote 25

Wie für Mauss die Gabe ist für Lévi-Strauss der Tausch ein „soziales Totalphänomen“, das die gesamte Gesellschaft in ihrer Totalität am Leben erhält, überhistorisch wirksam ist und alle Bereiche des gesellschaftlichen Lebens (rechtliche, religiöse, ökonomische, ästhetische etc.) durchdringt. Mauss, so Lévi-Strauss (und damit auch andere Anhänger der strukturalen Anthropologie), habe dies zwar ganz richtig gesehen, aber an dem entscheidenden Punkt, das Ganze als eine übersubjektive Struktur zu begreifen, sei er stehen geblieben. Lévi-Strauss versteht den Tausch als „totalen Tausch“, der „nicht allein hergestellte Objekte, Naturprodukte, Nahrungsmittel, sondern auch jene Kategorie wertvoller Güter [umfaßt], die aus mehrerlei Gründen als die gesuchtesten gelten: Frauen. Es ist dies genau die Stelle, wo Lévi-Strauss über Mauss hinausgeht und die anthropologische Theorie in einen neuen Raum führt. Denn er war es, der den Tausch und das in ihm umgesetzte Prinzip der Reziprozität auch in den verschiedenen Typen der Heirat wirken sah“ (Oppitz Reference Oppitz1993 [1975]: 103).Footnote 26

Zusammengefasst besteht in den Augen von Lévi-Strauss des vornehmliche (wenn auch unbewusste) Zweck der zwischen den Gruppen getauschten Gaben, denen die gegebenen Frauen als die wertvollsten Güter zuzurechnen sind, in der Schlieβung und Erneuerung sozialer Bindungen.

die Heiraten zwischen den Partnern gegenseitiger Gaben eines der wichtigsten Elemente ihrer Tauschhandlungen bildeten. In der Tat handelte es sich um ein grundlegendes Element. Blieb noch der genaue Nachweis dafür. Und diesen erbringt Claude Lévi-Strauss in Die elementaren Strukturen der Verwandtschaft. Dieses Werk lässt sich als die reichhaltigste und ehrgeizigste Fortsetzung des Essay Die Gabe betrachten (es überrascht, dass so wenige Kommentatoren es bemerkt haben) (Hénaff Reference Hénaff2009 [2002]: 219f.).Footnote 27

Diese Interpretation wird auch dadurch gestützt, dass Lévi-Strauss selbst den Essai als Ausgangspunkt und die Inspirationsquelle seiner eigenen Forschungen betrachtete, wie er in einem (bislang unveröffentlichten) Brief vom 2. Oktober 1944 an Mauss schreibt. Dies betreffe sogar die enge Verbindung der strukturalen Anthropologie mit der Linguistik: Mauss selbst habe die Bedeutung dieser Verbindung deutlich vor Augen gehabt, als er 1924 in einem Vortrag über die Beziehungen zwischen Soziologie und Psychologie das Soziale als eine „Welt symbolischer Bedeutungen“ charakterisierte, so Lévi-Strauss (1974 [1950]: 12). Mauss benutze im Essai eine „Technik des Operierens“, die „sehr nahe mit derjenigen verwandt ist, die Trubetzkoy und Jakobson zur gleichen Zeit, als Mauss Die Gabe schrieb, entwickelten und die es ihnen ermöglichte, die strukturale Linguistik zu begründen. […] Wie die Phonologie für die Linguistik, leitet Die Gabe eine neue Ära der Sozialwissenschaften ein.“ (1974 [1950]: 28).Footnote 28

Mit dieser „neuen Ära“ bezeichnet Levi-Strauss nichts anderes als seine eigenen Forschungen und den Beginn der „strukturalen Anthropologie“. Damit ist der Grundimpuls seiner Mauss-Aneignung bestimmt. Besonders deutlich erkennbar ist dieser in der ebenso berühmten wie umstrittenen Einleitung in das Werk von Marcel Mauss, die der im Jahr 1950 veröffentlichten Textsammlung Soziologie und Anthropologie von Mauss (Mauss Reference Mauss1974 [1950]; 1975 [1950]) vorangestellt ist und die Marcel Hénaff (1998: 249) mit gutem Grund als „Manifest des Strukturalismus“ bezeichnet. Hier präsentiert Lévi-Strauss Mauss als Vordenker des sozialwissenschaftlichen Strukturalismus (vgl. Lévi-Strauss Reference Lévi-Strauss and Mauss1974 [1950]: 28ff.). Er versucht nachzuweisen, dass jener schemenhaft etwas erkannt habe, was er aber noch nicht gänzlich fassen konnte. Mauss habe ganz richtig gesehen, dass in der „totalen sozialen Tatsache“ des Gabentauschs scheinbar sehr heterogene Kulturbereiche zusammenfallen. Anstatt jedoch zu erkennen, dass all diese Kulturbereiche mitsamt dem Gabentausch auf einer transzendental-universalen, alles Kulturelle überhaupt erst konstituierenden geistigen Struktur und damit auch auf einem viel allgemeineren Austauschgesetz beruhen (vgl. Lévi-Strauss Reference Lévi-Strauss and Mauss1974 [1950]: 30), sei Mauss zur Erklärung dieser Phänomene auf der Ebene der Individuen und der Handlungen verblieben. Weil er, anstatt das Ganze und Unbewusste zu erfassen, das Ganze aus den Teilhandlungen erklären wollte – also auf dem „Niveau einer ‚Phänomenologie‘ des Gabentauschs“ (Bourdieu Reference Bourdieu2008 [1980]: 180) verblieb –, gelang Mauss nach Lévi-Strauss (1974 [1950]: 31) letztendlich nicht der alles entscheidende Durchbruch. Trotz seiner genialen Intuition habe sich Mauss letztendlich, anstatt zur universalen Schicht des strukturalen Unbewussten vorzudringen, von den oberflächlichen Rationalisierungen der Eingeborenen „narren“ lassen.Footnote 29 Ferner habe er zwar die bedeutende Rolle des Symbolischen erfasst,Footnote 30 habe aber fälschlicherweise eine soziologische Theorie des Symbolismus erarbeitet, während man aber „offensichtlich einen symbolischen Ursprung der Gesellschaft zu suchen hat“ (Lévi-Strauss Reference Lévi-Strauss and Mauss1974 [1950]: 18).Footnote 31 In Lévi-Strauss’ Narrativ wird Mauss somit zum „proto-structuralist“ (Wilkens 2010: 177), zu einem bedeutenden, aber „unvollendeten“ Zwischenschritt, dessen „eigentliche“ Position und Bedeutung noch nicht zur Gänze entwickelt war, kurz: Zu einem Denker, dem die strukturalistische „Offenbarung“ noch nicht vergönnt war.

Klassifikationssysteme

Die Verschiebung von Lévi-Strauss’ Hauptinteresse weg von der Verwandtschaftsethnologie hin zur Klassifikationstheorie, die im Jahr 1962 zur „Zwillingsveröffentlichung“ von Das Ende des Totemismus (Lévi-Strauss Reference Lévi-Strauss1997 [1962]) und Das wilde Denken (Lévi-Strauss Reference Lévi-Strauss1986 [1962]) führt, ist keineswegs eine willkürliche Entwicklung. Seine Kritik am Totemismus verdeutlicht dies, ist dieser doch notwendigerweise sowohl mit einer wesentlichen Form der Exogamie als auch mit Klassifikationsleistungen verbunden und steht damit zwischen den genannten Hauptuntersuchungsfeldern der strukturalen Anthropologie. Sobald nämlich eine Gesellschaft über eine konstante Anzahl von exogamen Gruppen organisiert ist – wenn sich also bei Bevölkerungszunahme oder -abnahme nicht die Anzahl von Familien, sondern die Anzahl der Angehörigen der einzelnen Gruppen (Clans, Heiratsklassen etc.) verändert –, ergibt sich die Notwendigkeit sowohl einer „unzweideutigen Abstammungsregel“ als auch „einer unterscheidenden Bezeichnung, die durch Abstammung weitergegeben wird und die die Kenntnis der wirklichen Bindung ersetzt“ (Lévi-Strauss Reference Lévi-Strauss1997 [1962]: 21). Mit anderen Worten: Wenn Verwandtschaft über exogame Gruppen organisiert wird, tritt an die Stelle der „wirklichen“ eine „soziale“ Verwandtschaftsstruktur, die nicht mit ersterer übereinstimmt und die folglich ihr eigenes Bezeichnungssystem erfordert. Dieses aber wirft das grundlegende totemistische Rätsel auf. Denn man fragt sich, warum gerade das „Pflanzen- und Tierreich eine bevorrechtigte Nomenklatur zur Bezeichnung des soziologischen Systems bietet, und welche Beziehungen logisch zwischen dem Bezeichnungssystem und dem bezeichneten System existieren“ (Lévi-Strauss Reference Lévi-Strauss1997 [1962]: 22). Warum teilen die australischen Stämme vom Darling Fluss ihre Gesellschaften in Falken und Krähen, die Haida in British Columbia in Raben und Adler, manche südaustralischen Stämme wiederum in Wombats und Kängurus auf (vgl. Lévi-Strauss Reference Lévi-Strauss1997 [1962]: 108ff.)? Warum so häufig Tiernamen? Und: Warum gerade bestimmte Kombinationen von Tiernamen? Trotz seiner Fundamentalkritik am Totemismus erachtet Lévi-Strauss diese Fragen als äußerst relevant. Weder dürfe man – wie er es etwa Franz Boas und Durkheim vorwirft (vgl. Lévi-Strauss Reference Lévi-Strauss1997 [1962]: 22, 79ff., 93f.) – die totemistischen Bezeichnungen als willkürlich abtun, noch – wie es oft implizit geschehe – als quasi-notwendig ansehen, da mit den Tier- und Pflanzeneponymen angeblich stets der Glaube an die Verwandtschaft mit den Totems ausgedrückt würde (vgl. Lévi-Strauss Reference Lévi-Strauss1997 [1962]: 99). Die von Lévi-Strauss angestrebte „Liquidation des totemistischen Problems“ (Lévi-Strauss Reference Lévi-Strauss1997 [1962]: 108) führt mithin gerade nicht zum Verzicht auf die systematische Untersuchung dieser Formen von „primitiver“ Klassifikation, denn dies würde bedeuten, dass „man das Kind mit dem Bade ausschüttet“ (Lévi-Strauss Reference Lévi-Strauss1997 [1962]: 63). Stattdessen, so Lévi-Straus, müsse man genauso wie bei den Heiratsregeln die Suche nach der Logik der „wilden“ Klassifikationen von einem allgemeineren Gesichtspunkt wieder aufnehmen, um hinter ihrer verwirrenden Vielfalt und scheinbaren Absurdität eine einheitliche Struktur zu erkennen (vgl. Lévi-Strauss Reference Lévi-Strauss1997 [1962]: 63f.). Im Totemismusproblem sind demnach Probleme der Verwandtschaftsethnologie und der Klassifikation sowohl substantiell wie methodisch miteinander verflochten und die hierdurch aufgeworfenen Fragen führen mitten hinein in die Eigenarten des „wilden Denkens“, dessen Logik Lévi-Strauss aufdecken will, um ihm damit seine Würde und Gleichwertigkeit wiederzugeben.

In Myth and Meaning weist Lévi-Strauss (1978: 16ff.) darauf hin, dass er Das wilde Denken und Das Ende des Totemismus vor allen Dingen geschrieben hat, um zwei einflussreiche Deutungen des „primitiven“ Denkens zurückzuweisen: Einmal die utilitaristisch-funktionalistische Deutung, wonach das Denken der „Wilden“ vollkommen durch ihre Grundbedürfnisse bestimmt sei, um deren Erfüllung sie stets kämpfen müssten und daher vollständig davon eingenommen seien. Diese Theorie findet er vor allem bei Bronislaw Malinowski und dem frühen Alfred Reginald Radcliffe-Brown ausformuliert. Zum anderen Lucien Lévy-Bruhls einflussreiche These, wonach das Denken schriftloser Völker „affektiv“ abläuft und daher nicht als intellektuell bezeichnet werden kann, da es nicht deutlich differenzieren könne und keine Fähigkeit zur Abstraktion aufweise. All diese Interpretationen hält Lévi-Strauss für grundlegend verfehlt. Er will stattdessen zeigen, dass das „wilde Denken“ in wesentlichem Maße nicht-utilitaristische und intellektuelle Züge trägt.

Ähnlich wie im Bereich der Verwandtschaftsethnologie findet sich Lévi-Strauss’ Position innerhalb dieser Debatte schon in seinen ethnographischen Ausführungen ab den 1930er Jahren – vor allem zu den Bororo – vorgezeichnet. Auch für diesen wesentlichen Teil des Werks lässt sich nachweisen, dass es unmöglich ist, Lévi-Strauss’ ethnographische Ergebnisse und auch seine spätere theoretische Entwicklung zu verstehen, ohne die Arbeiten der Durkheim-Schule – in diesem Fall v. a. die zur sozialen Morphologie und Klassifikationstheorie – zu berücksichtigen. Erneut darf diese These aber nicht so verstanden werden, als ob er diese Positionen der durkheimiens eins zu eins übernehme. Lévi-Strauss’ spätere strukturale Wissensanthropologie stellt vielmehr eine deutliche Veränderung der Wissenssoziologie der Durkheim-Schule dar, das heißt, es findet in der Aneignung eine Verschiebung und Differenzsetzung (différence) statt, die aber zugleich auf das Angeeignete konstitutiv angewiesen ist und dieses noch sichtbar sein lässt. Im Gegensatz zu den utilitaristisch-funktionalen oder affektiven Wissenstheorien steht er mit der Wissenssoziologie der Durkheim-Schule aus diesem Grund trotz allem in einem direkten „Verwandtschaftsverhältnis“.

Am Beispiel der frühen Forschungen über die Bororo lässt sich dies gut veranschaulichen. Das Bororo-Dorf Kejara, so Lévi-Strauss (2003 [1955]: 211), ähnelt „einem Wagenrad, bei dem die Familienhütten den Kreisbogen, die Pfade die Speichen und das Männerhaus die Nabe bilden“. Das Dorf teilt sich nicht nur verwandtschaftlich, sondern auch räumlich in zwei exogame matrilineare Hälften auf. Die Clane nehmen innerhalb der Hälften kleinere Kreissegmente ein, welche wiederum unter je drei Klassen aufgeteilt sind. Die Junggesellen leben (aufgrund der Matrilokalität) im großen Männerhaus in der Mitte des Dorfes. Kurz: „Die morphologische Struktur des Dorfes drückt unmittelbar die soziale Organisation aus“ (Lévi-Strauss Reference Lévi-Strauss1936: 271).Footnote 32 Diese Struktur ist jedoch für die Bororo von noch weitaus größerer Bedeutung, denn sie ist die „Grundlage ihres Wissens“ – würde sie zerstört, würden sie „schnell den Sinn für die Traditionen [verlieren], so als wäre ihr soziales und religiöses System […] zu kompliziert, um des Schemas entraten zu können, das durch den Plan des Dorfs offenbar wird und dessen Umrisse ihre alltäglichen Gesten immer aufs neue auffrischen“ (Lévi-Strauss Reference Lévi-Strauss2003 [1955]: 212).

Schon diese wenigen Zeilen genügen, um die massiven Rückbezüge dieser ethnographischen Studien auf die wissenssoziologischen und sozialmorphologischen Studien der Durkheim-Schule zu erkennen. Was die Verschränkungen zwischen der sozialen Struktur, der Morphologie und der Strukturierung des Wissens (von den alltäglichen Pflichten bis hin zur Kosmologie) betrifft, können Lévi-Strauss’ Studien zu den Bororo geradezu als Anwendung dessen gelten, was Durkheim und Mauss in ihrem „berühmten Essay“ (Lévi-Strauss Reference Lévi-Strauss1986 [1962]: 53) „Über einige primitive Formen von Klassifikation“ (Durkheim und Mauss 1993 [1903]) beschreiben. Denn auch wenn er den radikalen epistemologischen und entwicklungstheoretischen Anspruch dieser beiden nicht erhebt, versucht Lévi-Strauss doch für die Bororo zu belegen, was diese für die australischen Aborigenes oder die Zuñi-Indianer zu zeigen beanspruchen: dass die „Klassifikation der Dinge“ die „Klassifikation der Menschen“ reproduziert (Durkheim und Mauss 1993 [1903]: 179). Seine Analysen der Auswirkungen der dualen sozialen Morphologie auf die Zweiteilung des Tages in eine intensiv-religiöse Phase in der Nacht und eine säkulare Phase am Tag (vgl. Lévi-Strauss Reference Lévi-Strauss2003 [1955]: 209f.),Footnote 33 aber auch der „konkreten Ausdrücke“ (vgl. Lévi-Strauss Reference Lévi-Strauss1936: 288), die diese soziale Struktur in der materiellen Kultur (Waffen, Schmuck etc.), in den Techniken, der geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung oder dem „minutiösen System der Verpflichtungen“ (Lévi-Strauss Reference Lévi-Strauss2003 [1955]: 219) findet, entsprechen wiederum dem, was Mauss in seiner Studie „Über den jahreszeitlichen Wandel der Eskimogesellschaften“ schreibt (vgl. Mauss Reference Mauss1974 [1950]: 181-278).Footnote 34

Auch bei den Bororo „verschmilzt […] die Idee des Lagers mit der Idee der Welt“ (Durkheim und Mauss 1993 [1903]: 235). Auch bei ihnen ist das Lager „der Mittelpunkt des Universums, und das Universum verkürzt sich auf das Lager“ (Durkheim und Mauss 1993 [1903]: 235). Bei dem, was Lévi-Strauss für die Bororo beschreibt, handelt es sich demnach um eine jener „totalen Klassifizierungen“ über die Durkheim und Mauss nachgedacht haben (Lévi-Strauss Reference Lévi-Strauss1986 [1962]: 73). Jeweils geht es den Autoren darum, wie Lévi-Strauss (vgl. Lévi-Strauss Reference Lévi-Strauss1997 [1962]: 101f.) dies später formulieren wird, Ähnlichkeiten oder Entsprechungen zwischen den Systemen von Unterschieden, also Homologien, zu erfassen.

Die Aneignung der Schriften von Durkheim und Mauss lässt sich in der bereits angesprochenen Frontstellung von Lévi-Strauss gegenüber Malinowski und Lévy-Bruhl wiedererkennen. Es überrascht demnach nicht, dass er sich in diesen Kritiken auf wesentliche Punkte von Durkheim und vor allem Mauss stützt.

Malinowski ist für Lévi-Strauss der Repräsentant jener Position, die das „wilde Denken“ auf seinen Nutzen reduzieren will. Ganz allgemein versteht dieser Kultur „als ein Mittel zum Zweck“, das dem Menschen „ermöglicht zu leben, und einen gewissen Standard der Sicherheit, Bequemlichkeit und Wohlfahrt aufrechtzuerhalten.“ Er versteht sie mithin „instrumentell oder funktional“ (Malinowski Reference Malinowski1975 [1944]: 103). Da das Leben der „Primitiven“ sich auf den steten Kampf um die Erfüllung ihrer Grundbedürfnisse reduziere, sei auch ihre Wahrnehmung der Welt entsprechend: „The road from the wilderness to the savage’s belly and consequently to his mind is very short, and for him the world is an indiscriminate background against which there stands out the useful, primarily the edible, species of animals or plants.“ (Malinowski Reference Malinowski1948: 27) Diese Grundüberlegung lässt sich beispielsweise auch auf die Erklärung des Totemismus übertragen: „Since it is the desire to control the species, dangerous, useful, or edible, this desire must lead to a belief in special power over the species, affinity with it, a common essence between man and beast or plant.“ (Malinowski Reference Malinowski1948: 28) Totems werden demnach zu Totems, weil sie für die physische Existenz – als Bedrohung oder Nahrungsgrundlage – von großer Bedeutung sind. Und was für die Totems gilt, gilt für das gesamte Denken – was nützlich ist, wird klassifiziert.

Dieser Einschätzung „primitiver“ Klassifikationssysteme widerspricht Lévi-Strauss mit seiner Darstellung des „wilden Denkens“ als einer „Wissenschaft vom Konkreten“ (Lévi-Strauss Reference Lévi-Strauss1986 [1962]: 29). Seitenlang (vgl. Lévi-Strauss Reference Lévi-Strauss1986 [1962]: 14ff.) führt er in Das wilde Denken Beispiele für den Kategorienreichtum und die Detailliertheit dieser Wissenschaft an – gerade auch in Bezug auf völlig „unnütze“ Dinge: „Man wird einwenden, eine solche Wissenschaft könne in der Praxis kaum wirksam sein. Aber genau genommen zielt sie auch nicht in erster Linie auf das Praktische. Sie genügt intellektuellen Ansprüchen, vor und anstelle der bloßen Befriedigung von Bedürfnissen“ (Lévi-Strauss Reference Lévi-Strauss1986 [1962]: 20). In sehr ähnlichen Worten hatten dies auch schon Durkheim und Mauss (1993 [1903]: 249f.) formuliert: „Überdies haben diese Systeme – wie in der Wissenschaft auch – eine Zweckbestimmung, die sich ausschließlich im Bereich des Spekulativen bewegt. Ihr Zweck besteht nicht darin, das Handeln zu erleichtern, sondern darin, die Beziehungen zwischen den Wesenheiten begreifbar, intelligibel zu machen.“ Die Tendenz der Rückprojizierung rein nutzenorientierten Handels auf schriftlose Kulturen hatte auch schon Mauss kritisiert (z.B. Mauss Reference Mauss2004 [1925]: 173).

Stellvertretend für die „affektive“ Interpretation des „wilden Denkens“ – und damit für die zweite Position, gegen die er mit seinen Schriften opponiert – steht für Lévi-Strauss das Werk Lucien Lévy-Bruhls. Dieser versucht in seinen Schriften zu belegen, dass schriftlose Kulturen über eine „ausgesprochene Abneigung gegen das verstandesgemäße Denken, gegen alles, was die Logiker als diskursive Operationen des Denkens bezeichnen“, verfügen, dass sie „ziemlich unempfindlich für Widersprüche“ sind und ihren Geist selten vom sinnlich Wahrnehmbaren lösen (Lévy-Bruhl Reference Lévy-Bruhl1959 [1922]: 5, 1, 8). Dennoch will er ihr Denken nicht als pathologisch oder kindlich verstehen, sondern als „normal, umfassend und nach ihrer Art entwickelt“ (Lévy-Bruhl Reference Lévy-Bruhl1959 [1922]: 16). Diese Welt des „prälogischen Denkens“ besteht demnach im Gegensatz zu „unserer“ aus einem „Netz von Partizipationen“ (Lévy-Bruhl Reference Lévy-Bruhl1959 [1922]: 37, 17), in dem keine Differenz zwischen dem Eigenen und Fremden, Traum und Realität, Hier und Dort besteht. Die Beziehung von Mensch und Totemtier stellt sich für Lévy-Bruhl entsprechend dar: Zwischen dem Totem, das sich dem Individuum im Traum offenbart und diesem im Traum zu verstehen gibt, was es verlangt, und dem Mensch „gibt es eine Partizipation, die die Beobachter niemals haben klarstellen können und die unzweifelhaft niemals verständlich werden wird“ (Lévy-Bruhl Reference Lévy-Bruhl1959 [1922]: 100).Footnote 35

Diese Darstellung der „primitiven Mentalität“ als prälogisch und undifferenziert steht Lévi-Strauss’ Ansicht diametral entgegen. Das „wilde Denken“, so Lévi-Strauss, arbeitet, „anders als Lévy-Bruhl glaubt, mit den Mitteln der Vernunft und nicht der Affektivität […]; mit Hilfe von Unterscheidungen und Gegensätzen, nicht durch Verschmelzung und Partizipation. Obwohl der Ausdruck damals noch nicht gebräuchlich war, zeigen zahlreiche Texte von Durkheim und Mauss, daß sie das sogenannte primitive Denken als ein quantifiziertes Denken begriffen hatten“ (Lévi-Strauss Reference Lévi-Strauss1986 [1962]: 308; vgl. auch 1974: 24 und 1999: 35ff.).Footnote 36

Lévi-Strauss beruft sich bei seiner Kritik an Lévy-Bruhl also auf Durkheim und Mauss. Zu Recht? Blickt man in deren Klassifikations-Aufsatz, so fällt auf, dass sie gegen Ende ihres Aufsatzes das Klassifizieren aufgrund von „gefühlsmäßige[n] Affinitäten“ dem begrifflichen Klassifizieren entgegensetzen (vgl. Durkheim und Mauss 1993 [1903]: 253ff.). Obgleich dies eine Nähe zur These Lévy-Bruhls nahelegt, ist zu beachten, dass die beiden Autoren hiermit nicht – wie es Lévy-Bruhl tut – zwei prinzipiell verschiedene Denkweisen behaupten. Zwei Sachverhalte sprechen für diese These: Zum einen behaupten Durkheim und Mauss nicht, dass es ein vom klassifizierenden und differenzierenden Denken prinzipiell zu unterscheidendes „primitives“ Denken gebe. Vielmehr vertreten sie die Ansicht, dass es einen Unterschied darin gibt, wie klassifiziert wird: „Wir kommen also zu folgendem Schluß: Es ist möglich, auch anderes als Begriffe zu klassifizieren, und dies auf andere Weise, als es die Gesetze des reinen Verstandes vorschreiben.“ (Durkheim und Mauss 1993 [1903]: 253) An der logischen Notwendigkeit, Kohärenz oder Rigidität dieses Denkens wird nicht gezweifelt und es erscheint den beiden Verfassern betonenswert, dass es sich gerade nicht um „Kuriositäten“ handelt (vgl. Durkheim und Mauss 1993 [1903]: 184f., 211, 246). Zweitens belegt das durchaus vorhandene Fortschrittsnarrativ im Klassifikations-Aufsatz, dass Durkheim und Mauss keineswegs die grundlegende Unvereinbarkeit zweier Denkweisen behaupten:

Die primitiven Klassifikationen stellen also durchaus keine außergewöhnlichen Besonderheiten dar, für die es bei den kulturell höchst entwickelten Völkern keine Parallelen gäbe; vielmehr knüpfen die ersten wissenschaftlichen Klassifikationen offenbar bruchlos daran an, denn obgleich es in gewissen Hinsichten Unterschiede zwischen beiden gibt, weisen die primitiven Klassifikationen dennoch sämtliche wesentliche Merkmale der wissenschaftlichen Klassifikationen auf (Durkheim und Mauss 1993 [1903]: 249).Footnote 37

Trotz der im Klassifikations-Aufsatz anklingenden Bezüge zur Affektivität und Rückständigkeit des „wilden Denkens“, die Lévi-Strauss entschieden kritisiert und zurückweist, kann im Hinblick auf die Charakterisierung des „wilden Denkens“ von einer wesentlichen Übereinstimmung zwischen Durkheim, Mauss und Lévi-Strauss gesprochen werden. Negativ kann diese über die Ablehnung der beiden von Lévy-Bruhl bzw. Malinowski vertretenen Positionen bestimmt werden. Positiv lässt sich die Übereinstimmung anhand der gemeinsamen Annahme einer Totalität des „primitiven“ Denkens formulieren. Wie bereits gesagt, bezieht sich Lévi-Strauss in Das wilde Denken darauf, dass Durkheim und Mauss in ihrem Klassifikations-Aufsatz über „totale Klassifizierungen bestimmter Stämme […] nachgedacht“ hätten (Lévi-Strauss Reference Lévi-Strauss1986 [1962]: 73). Auch er selbst versteht das Denken indigener Gesellschaften als ein „totales Denken“ – an anderer Stelle (1978: 17) behauptet er die „totalitarian ambition of the savage mind“.Footnote 38 Was aber ist damit gemeint? Zum einen, dass die Klassifikationssysteme die „Gesamtheit der Dinge“, „alle Aspekte“ und „sämtliche Lebensbereiche“ aufgliedern (Durkheim und Mauss 1993 [1903: 251, 236, 183), mithin eine „vollständige Ordnung des Universums“ (Durkheim und Mauss 1993 [1903]: 211) bereitstellen. Die Nähe zu Mauss’ zentralem Konzept der totalen sozialen Tatsache ist hier erneut groß. Zum anderen bezieht sich das Konzept der Totalität aber auch auf eine Art „totalen Determinismus“, der diesem Denken eignet, und den Lévi-Strauss unter anderem mit einem Verweis auf Mauss’ und Henri Huberts Magie-Aufsatz (vgl. Mauss Reference Mauss1974 [1950]: 43-179) plausibilisieren will (vgl. Lévi-Strauss Reference Lévi-Strauss1986 [1962]: 22). Das Denken der „Primitiven“ ist demnach „von der Wissenschaft weniger durch die Unkenntnis oder die Geringschätzung des Determinismus als vielmehr durch einen weit gebieterischen und anspruchsvolleren Anspruch auf Determinismus, welchen die Wissenschaft höchstens unvernünftig und übereilt nennen kann“, gekennzeichnet (Lévi-Strauss Reference Lévi-Strauss1986 [1962]: 22). Bildlich kann man sich das „wilde Denken“ demnach als einen von einer Vielzahl von Elementen erfüllten Raum vorstellen, in dem jedes Element mit jedem anderen Element verbunden ist. Die räumliche Veränderung eines Elements würde demnach zu einer vollständigen Umformung des Netzes führen. Aus dem Wirken des totalen Determinismus folgt die Komplexität der Wissenschaft vom Konkreten und ihr Drang zur Homologie-Bildung, aber auch ihre Unfähigkeit dazu, einzelne Kausalwirkungen zu isolieren.Footnote 39

Blickt man auf das Vorangegangene, so lässt sich berechtigterweise behaupten, dass Lévi-Strauss’ klassifikationstheoretische Arbeiten in der Tradition von Durkheim und Mauss stehen. Mehr noch: Es konnte gezeigt werden, dass bereits die klassifikationstheoretischen Beobachtungen in den ethnographischen Arbeiten der 1930er Jahre wesentlich von den im Rahmen der Durkheim-Schule entstandenen Studien zur Klassifikation und sozialen Morphologie geprägt sind, ja ohne die durkheimiens undenkbar gewesen wären. Lévi-Strauss’ Positionierung in der Debatte um den Charakter des „primitiven“ Denkens überrascht vor diesem Hintergrund genauso wenig, wie seine Berufung auf Durkheim und Mauss.Footnote 40

Die Einsicht in die enorme Wirkung der durkheimiens auf dieses bedeutende Untersuchungsfeld der strukturalen Anthropologie darf allerdings nicht die wichtigen Differenzen zwischen Durkheim und Mauss auf der einen und Lévi-Strauss auf der anderen Seite vergessen lassen. Die wichtigsten seien genannt: Erstens formulieren Durkheim und Mauss in ihrem Klassifikations-Aufsatz im Gegensatz zu Lévi-Strauss ein klares Entwicklungs- und Fortschrittsnarrativ, ausgehend von den „rudimentärsten Klassifikationen“, die durch „geistige Verwirrung“ und „Ununterschiedenheit“ gekennzeichnet sind, hin zu immer komplexeren „primitiven“ Klassifikationen, die schließlich „bruchlos“ an das wissenschaftliche Denken anschließen (Durkheim und Mauss 1993 [1903]: 177, 174, 174, 249). Zweitens kritisiert Lévi-Strauss (vgl. v. a. 1997 [1962]: 93f.) vehement die affektivitätstheoretischen Annahmen, die – wie zu sehen war – im Aufsatz zu den „primitiven Klassifikationen“ anklingen, vor allem aber später in Durkheims Die elementaren Formen des religiösen Lebens (2005) eine entscheidende Rolle spielen werden.Footnote 41 Drittens vertritt Lévi-Strauss, anders als Durkheim und Mauss, keine Soziologie der Erkenntnis, sondern eine Wissensanthropologie (vgl. Kauppert Reference Kauppert2008: 8ff., 42). Lévi-Strauss würde nicht mit der radikalen These der beiden übereinstimmen, wonach „die ersten logischen Kategorien […] soziale Kategorien [waren]“ (Durkheim und Mauss 1993 [1903]: 250). Er würde dagegen auf der anthropologischen Universalität der geistigen Tätigkeit beharren, die ihrerseits Grundlage aller sozialer Kategorisierung ist.Footnote 42

Lévi-Strauss und Mauss: Aneignung, Selbstkonturierung und Rezeptionslenkung

Betrachtet man zusammengefasst die methodologische Herangehensweise, die Untersuchungen der sozialen Morphologie, die Analyse der Klassifikationen oder die Studien zur Verwandtschaft, so wird deutlich, dass das ethnographische Werk von Lévi-Strauss, das von der konzeptionellen Substanz her zugleich den Hauptteil des frühen Werks darstelltFootnote 43 und das für die weitere Entwicklung von Lévi-Strauss’ Arbeiten entscheidend war, in seiner ganzen Breite auf zentralen Konzepten von Marcel Mauss aufbaut. Auffällig ist jedoch, dass diese vertiefte Rezeption bis Mitte der vierziger Jahre mit wenigen Ausnahmen unausgesprochen erfolgt. Ab Mitte der vierziger Jahre wird Mauss (mit Ausnahme der Traurigen Tropen) dann hingegen wiederholt als Schlüsselautor angeführt, hierbei jedoch von Lévi-Strauss als der bedeutende Vorreiter der strukturalen Anthropologie in Szene gesetzt. Als ein solcher sei Mauss allerdings auf halber Strecke stecken geblieben. Er habe zwar die Bedeutung der Linguistik für die Sozialwissenschaften erkannt und in seinem Entwurf einer allgemeinen Theorie der Magie den Anstoß für eine strukturale Analyse der Symbole gegeben, aber er sei selbst noch nicht so weit gewesen, diesen Weg konsequent weiter zu verfolgen, so Lévi-Strauss’ wiederholt vertretene Ansicht (vgl. 1974 [1950]: 26ff.; 2002 [1958]: 43). Erst mit dem Strukturalismus konnte – dieser Darstellung zufolge – der von Mauss unbewusst eingeschlagene Weg zu Ende gegangen werden. Unser Interesse galt der Frage, welche Gründe es wohl für diese Umstellung von einer unausgesprochenen auf eine besonders betonte Aneignung gegeben haben könnte.

Fragt man nach der Art und Weise, in der sich Lévi-Strauss das Werk von Mauss angeeignet hat, so fällt zudem auf, dass er sich wiederholt auch dort positiv auf dessen Arbeiten bezieht, wo ihn die Ausformulierung der strukturalen Anthropologie in Gegensatz zu Durkheim bringt. Beispielsweise nimmt er Mauss explizit von seiner Kritik an Durkheims Evolutionismus aus (vgl. Lévi-Strauss Reference Lévi-Strauss, Gurvitch and Moore1945: 516, 525, 527): „When he [Mauss] follows Durkheim in refusing to dissociate sociology from anthropology, it is not because he sees in primitive societies early stages of social evolution. They are needed, not because they are earlier, but because they exhibit social phenomena under simpler forms.“ (Lévi-Strauss Reference Lévi-Strauss, Gurvitch and Moore1945: 527) Auch Lévi-Strauss’ Kritik an der Wissenssoziologie, die eng mit seiner Hinwendung zu linguistischen, psychologischen und naturwissenschaftlichen Fragen zusammenhängt, bezieht sich immer wieder auf Mauss. Im Gegensatz zu Durkheim sieht er dabei in Mauss einen Anthropologen, der Soziologie, Psychologie und Linguistik zusammenführen wollte (vgl. Lévi-Strauss Reference Lévi-Strauss, Gurvitch and Moore1945: 528). So habe dieser zum Beispiel als erster erkannt, dass sich die Soziologie an der Linguistik zu orientieren habe und nicht umgekehrt (vgl. Lévi-Strauss Reference Lévi-Strauss2002 [1958]: 45; vgl. auch 1974 [1950]: 28). Dieser Versuch, Durkheim zu einem bedeutenden, aber problematischen Klassiker zu machen, um umgekehrt die „Modernität“ (Lévi-Strauss Reference Lévi-Strauss and Mauss1974 [1950]: 8) von Mauss zu betonen, ist vor allem in Lévi-Strauss’ Aufsatz „French Sociology“ (1945) deutlich zu erkennen. Unabhängig davon, wie die von Lévi-Strauss behaupteten Unterschiede und Einordnungen im Einzelnen zu bewerten sind, bleibt festzuhalten, dass Lévi-Strauss die Bedeutung von Mauss und Durkheim – zumindest für den wissenschaftlichen Diskurs seiner Zeit und damit wohl auch für ihn selbst – sehr unterschiedlich einschätzt: „Durkheim belongs definitely to the past, while Mauss is, still now, on the level of more modern anthropological thought and research.“ (Lévi-Strauss Reference Lévi-Strauss, Gurvitch and Moore1945: 527)

Diese Einschätzung von 1945 kann als der Beginn der Theoriestrategie angesehen werden, die Bezüge zu Mauss nun weniger zu minimieren, ihn stattdessen aber zu einem Vorreiter des Strukturalismus zu erklären – und damit als Garant für die Bedeutung des eigenen Projekts der strukturalen Anthropologie. Diese Aneignungspraxis bleibt nicht unbemerkt und führt in der Nachkriegszeit im sozialwissenschaftlichen Feld Frankreichs zu einem „Strukturalismusstreit“ und heftigen Auseinandersetzungen um das Erbe von Mauss zwischen Georges Gurvitch einerseits und Lévi-Strauss andererseits (vgl. Farrugia Reference Farrugia, Moebius and Papilloud2006). Dieser Streit ist ein regelrechter „institutioneller Kampf“ (Farrugia Reference Farrugia, Moebius and Papilloud2006: 237) zwischen Anthropologie und Strukturalismus auf der einen Seite und der seit dem Zweiten Weltkrieg sich wieder belebenden Soziologie auf der anderen Seite, in dem es nun in den Augen Lévi-Strauss’ opportun erscheint, Mauss als „Legitimationsfigur“ von der Soziologie zu „befreien“ und ihn als protostrukturalistischen Ethnologen zu positionieren.Footnote 44

Wenn demnach Mauss’ Arbeiten bei Lévi-Strauss als Referenzpunkte auftauchen, dann stets als bestimmte Elemente in der Geschichte der Entstehung der strukturalen Anthropologie, das heißt – wie etwa Die Gabe in Die elementaren Strukturen der Verwandtschaft – lediglich als Elemente, die das strukturalistische Modell unmittelbar ab- und unterstützen. Anders gesagt: Mauss’ Arbeiten werden in der Rezeption von Lévi-Strauss ab 1945 so zurechtgestutzt, dass er als direkter Vorläufer des Strukturalismus gelesen werden kann und muss.Footnote 45

Dass diese Aneignungspraxis jedoch nur gelingen kann, wenn dabei andere zentrale Gesichtspunkte des Mauss’schen Œuvre, insbesondere die religionssoziologischen, „unter den Tisch fallen“ oder als obsolet erklärt werden, liegt auf der Hand. Der Religionssoziologe und Mauss-Experte Camille Tarot beschreibt die Strategie folgendermaßen:

Man sieht infolgedessen die Gründungsstrategie von Lévi-Strauss deutlich ausgearbeitet, spätestens seit 1947 und sich ständig wiederholend während der darauffolgenden dreißig Jahre: das Erbe der Durkheimianer aufzuspalten und Mauss und Durkheim soweit es geht voneinander zu trennen, um Durkheim aus dem strukturalistischen Grundgerüst zu verdrängen und mit ihm die Probleme des Sakralen und der Religion, deren Restbestände in der Analyse der symbolischen Systeme aufgelöst werden. (Tarot Reference Tarot2008c: 6)

Die Konsequenzen dieser „Strategie“ seien, dass aus dieser Perspektive und mit Blick auf das Werk Durkheims lediglich der zusammen mit Mauss verfasste Aufsatz Über einige primitive Formen von Klassifikation aktuell und brauchbar erscheine und mit Blick auf Mauss’ Werk insbesondere dessen Magie- und Gabetheorie – letztere aber nur insoweit, wie sie in das Konzept der strukturalen Anthropologie passen.

Zum Opfer fallen bei dieser Aneignungspraxis mit den religionssoziologischen zugleich auch die erfahrungsorientierten und normativ-politischen Implikationen der Werke der Durkheim-Schule, ohne die aber deren Arbeiten undenkbar sind (zu Durkheim und Mauss vgl. Müller Reference Müller1983; Dzimira Reference Dzimira2007; Moebius Reference Moebius2012).Footnote 46 „Wenn es auch unbestreitbar ist, dass Mauss der Analyse der Symbole neue Wege geöffnet hat, hat er weder jemals gedacht noch gesagt, dass die Analyse der symbolischen Systeme eine Analyse der Fragen des Sakralen zugleich erübrigen könnte.“ (Tarot Reference Tarot2008c: 8) Mauss selbst geht nicht nur von einer engen Verknüpfung der Gabepraktiken mit religiösen Vorstellungen (vgl. Paul Reference Paul1996: 63ff.), sondern auch von einer engen Verbindung zwischen dem Symbolbegriff und Religion aus: „Denn der Begriff des Symbols […] ist uns in seiner Herkunft aus Religion und Recht ganz zu eigen.Footnote 47 Schon lange ist es Durkheims und unsere Lehre, daß Gemeinschaft und Kommunikation zwischen Menschen nur durch Symbole möglich sind […].“ (Mauss Reference Mauss1975 [1950]: 158) Allgemein gesagt, sieht Lévi-Strauss die enge Verbindung zwischen den Analysen des Sakralen und des Symbolischen (Tarot Reference Tarot2008b) innerhalb der Durkheim-Schule, insbesondere bei Marcel Mauss, nicht – oder möchte sie aus theorie- und feldstrategischen Gründen nicht sehen.Footnote 48 Mit der Vernachlässigung des Sakralen geht auch die kognitivistische Verengung des Strukturalismus einher, insofern als die Aspekte der emotionalen, erfahrungsbasierten und performativen Praktiken und Dynamiken in der Mauss’schen Sozialtheorie ausgeblendet werden. Infolge der hieraus resultierenden Rezeptionslenkung und -verengung verdeckt auch nahezu die gesamte Rezeption des Essai sur le don – mit wenigen Ausnahmen wie dem Collège de Sociologie (vgl. Moebius Reference Moebius, Moebius and Papilloud2006c) – die sakralen und religionssoziologischen Aspekte der Gabepraktiken (vgl. Mürmel Reference Mürmel and Flasche2000; Bertholet Reference Bertholet2003: 194). Kurzum: Die für die Durkheim-Schule zentrale Bedeutung der Analysen des Sakralen wird ausgeblendet – und damit ein wesentlicher Aspekt, ohne den die Theorien, Untersuchungen und Erklärungen sozialer Phänomene durch die Durkheim-Schule nicht richtig verstanden werden können. Betrachtet man davon ausgehend insgesamt die Wirkungen von Mauss auf Lévi-Strauss, so lässt sich mit dem Lévi-Strauss-Interpreten Denis Bertholet (2003: 248) sagen, die Abstammung ist zwar direkt („La filiation est directe“), aber der Schüler setzt das Werk seines „Meisters“ (Brief vom 11. August 1939, IMEC, MAS 8.3) nicht einfach unmittelbar fort; im Gegenteil, er nimmt es als Einsatz im Spiel um feldspezifische Anerkennung, was in Lévi-Strauss’ Augen anscheinend nur zu dem Preis einer Verkürzung dieses Werks zu haben ist.

Anmerkungen

Für hilfreiche Hinweise und Anregungen danken wir herzlich Marcel Hénaff, Hans Joas, Michael Kauppert, Axel Paul, den Mitgliedern des Forschungsschwerpunktes „Theorie und Geschichte der Soziologie“ am Institut für Soziologie der Karl-Franzens-Universität Graz sowie den Fellows und den KollegiatInnen des Max-Weber-Kollegs.

SONSTIGE QUELLEN

Arte France, 2008. Claude Lévi-Strauss par lui-même. DVD 1. Frankreich, 2008. 93 Minuten.

Footnotes

1 Zur Ethnographie Amazoniens sagt Descola: „The type of ethnography that was done [in Amazonia] was very down-to-earth – a pity because if this societies appear very simple, they are actually extremely complex. They couldn’t be understood by traditional approaches. Thus, there is no functionalist anthropology of the Amazon! That was twenty years ago. This is not because there were few British in the Amazon. It is because the material doesn’t lend itself to that type of approach. It lends itself more to structuralism.“ (Knight and Rival 1992: 12) Descola ist nicht nur ein Schüler von Lévi-Strauss, sondern als Direktor des Laboratoire d'anthropologie sociale in gewisser Weise auch sein Nachfolger.

2 Das Bild des „unbewussten Strukturalisten“ vermittelt Lévi-Strauss auf verschiedene Weise. Während er in Myth and Meaning die Erzählung seiner Mutter referiert, wonach er, schon bevor er lesen konnte, Wörter anhand ihres graphischen Erscheinungsbildes „strukturalistisch“ analysierte (vgl. Lévi-StraussReference Lévi-Strauss1978: 8, 11), scheint sein Strukturalismus in den Traurigen Tropen durch sein jugendliches Interesse an Geologie, Psychoanalyse und Marxismus bereits präfiguriert (vgl. Lévi-StraussReference Lévi-Strauss2003: 48ff.). In der arte-Dokumentation Claude Lévi-Strauss (arte; F 2008, min 46:30) berichtet er hingegen, dass er beim Anblick einer „Pusteblume“ plötzlich den Strukturalismus verstand.

3 Lévi-Strauss’ gezielte Konturierung eines ganz bestimmten Bildes von seiner Person wird von David Pace (vgl. 1986: 1-40) ausführlich analysiert. Zu dieser Strategie gehören beispielsweise gezielte Auslassungen oder Betonungen, was den eigenen Werdegang betrifft – Pace macht dies insbesondere an Lévi-Strauss’ autobiographischer Schrift Traurige Tropen fest.

4 Lévi-Strauss’ Expeditionen ins zentralbrasilianische Mato Grosso erfolgten in den Jahren 1935/36 und 1938 (vgl. HénaffReference Hénaff1998: 247ff). Sein Kontakt mit Jakobson – und damit die oft zitierte „Offenbarung“ des Strukturalismus – datiert aus dem Jahr 1942 (vgl. HénaffReference Hénaff1998: 251). Der erste genuin strukturalistische Aufsatz „Die Strukturanalyse in der Sprachwissenschaft und in der Anthropologie“ erscheint 1945 in der Zeitschrift Word (vgl. Lévi-StraussReference Lévi-Strauss2002: 43-67).

5 Zu Marcel Mauss siehe in biographischer Hinsicht Fournier (Reference Fournier1994) sowie in ideengeschichtlicher und sozialtheoretischer Hinsicht Moebius (2009). – Durch die Fokussierung auf Mauss und die Durkheim-Schule wollen wir nicht den Einfluss anderer Denkbewegungen auf Lévi-Strauss negieren, etwa den der von Franz Boas ausgehenden Cultural Anthropology. Hier soll es aber lediglich um die zentrale, in verschiedener Hinsicht sogar konstitutive Bedeutung von Mauss’ Arbeiten für Lévi-Strauss’ Werk gehen. Eine breitere und vergleichende Betrachtung der verschiedenen Prägungen würde eine längere und umfangreichere Studie erfordern.

6 Zum Gabe-Theorem von Mauss vgl. u.a. DärmannReference Därmann2005, SchüttpelzReference Schüttpelz2005, Moebius und PapilloudReference Moebius and Papilloud2006, MoebiusReference Moebius2006b, HénaffReference Hénaff2009 [2002].

7 Mauss hat seit Anfang an die Ausbildung und Feldforschungen von Lévi-Strauss beeinflusst. Dies zeigt beispielsweise ein Brief vom 4. Oktober 1931, in dem Lévi-Strauss Mauss um Ratschläge für sein Ethnographiestudium bittet oder ein Brief vom 14. März 1936 aus São Paulo, in dem sich Lévi-Strauss für Mauss’ Ratschläge bedankt. Siehe Fonds Hubert-Mauss, IMEC, Karton MAS 8.3.

8 Den Begriff der „formativen Phase“ übernehmen wir von Johnson (2003: 4). Wie dieser werden wir uns auf die Texte vor Mitte der 1960er Jahre konzentrieren. Anders als Johnson werden wir allerdings Mitte der 1930er und nicht Mitte der 1940er Jahre mit der Analyse einsetzen, da nur so ein angemessenes Bild dieser entscheidenden Werkphase möglich ist. Durch diese Fokussierung bleibt eine ausführlichere Diskussion des mythologischen Werks von Lévi-Strauss aus. Mit dem vierbändigen Zyklus zur Mythologie Amerikas kommt es nochmals zu einer markanten Veränderung des Werkes. Auch wenn das Verhältnis der Mythologica zu Lévi-Strauss’ früheren Schriften in der Literatur durchaus unterschiedlich dargestellt wird, können auch diese Schriften natürlich nicht unabhängig von der „formativen Phase“ verstanden werden. Die hier vorgebrachten Argumente sind daher auch für die späte Werkphase relevant. – Zur Logik von Lévi-Strauss' späterer Entwicklung vgl. v.a. Johnson (2003: Kap. 3), Paul (1996: Kap. 5), Hénaff (1998: Kap. 7) und Kauppert (2008: 46 ff.).

9 Axel Paul ist der einzige Autor, der etwas detaillierter auf den großen Einfluss von Mauss auf Lévi-Strauss’ ethnographische Arbeiten eingeht (vgl. PaulReference Paul1996: 62ff.). Er konzentriert sich hierbei auf Lévi-Strauss’ verwandtschaftsethnologische Beobachtungen in seiner 1948 erschienenen Monographie über die Nambikwara (Lévi-StraussReference Lévi-Strauss1948). Johnsons Ausführungen hierzu beschränken sich auf einen flüchtigen Hinweis und eine Fußnote (vgl. JohnsonReference Johnson2003: 39) – und dies, obwohl seine Studie das Ziel verfolgt, die prägenden Jahre von Lévi-Strauss’ wissenschaftlicher Karriere zu beleuchten. Patrick Wilckens (2010) Biographie geht hier auch nicht ins Detail.

10 Rodolphe Gasché hat bereits 1973 in einer höchst instruktiven vergleichenden Studie zu Durkheim und Lévi-Strauss untersucht, wie beide mit ähnlichen Mitteln versuchen, die Soziologie bzw. die Anthropologie als eigenständige Wissenschaften sowie deren „eigentlichen Forschungsgegenstand“ durch spezifische Differenzmarkierungen und „Transzendentalisierungen“ zu konstituieren (vgl. GaschéReference Gasché1973).

11 Wir vertreten hier demnach auch die These, dass sich Wissenschaftsgeschichte nicht als antiquarisch und selbstgenügsam verstehen sollte. Vielmehr sollte sie (zumindest) auch auf reflektierte Art „präsentistisch“ motiviert sein und sowohl nach den spezifischen inhaltlich-konzeptuellen als auch nach den wissenschaftstheoretischen und -soziologischen Konsequenzen fragen. Vgl. zur Kontroverse zwischen „antiquarischen“ und „präsentistischen“ Positionen der Wissenschaftsgeschichtsschreibung etwa Chapoulie (Reference Chapoulie2009) und Geary (Reference Geary2009).

12 Zu den unterschiedlichen Rezeptionssträngen des Essai sur le don vgl. Moebius (2006b: 129ff.).

13 Vgl. Fonds Hubert-Mauss, IMEC, Karton MAS 8.3. Lévi-Strauss’ erste ethnographischen Reisen (1935/36) führten ihn zu den Kaingang, Caduveo und Bororo (vgl. Lévi-StraussReference Lévi-Strauss1944a, Reference Lévi-Strauss1944b, Reference Lévi-Strauss2003 [1955]: 143-237).

14 Die Korrespondenz der zwei, die sich kaum um die Arbeiten, sondern meistens um persönliche Neuigkeiten oder Treffen dreht, wird bis zum Tod von Mauss im Jahr 1950 dauern. Liest man sie, so deutet alles darauf hin, dass Mauss, der in den dreißiger Jahren Lévi-Strauss und dessen Frau auch finanziell half, den jungen Ethnologen sehr schätzte.

15 Neben den Nambikwara, bei denen Lévi-Strauss ca. drei Monate verbrachte, traf seine zweite Expedition (1938) auch auf eine Gruppe Mundé-Indianer und Tupi-Kawahib (vgl. Lévi-StraussReference Lévi-Strauss2003 [1955]: 326-357), wobei diese Aufenthalte nur sehr kurz andauerten, teilweise nur eine Woche (vgl. HénaffReference Hénaff1998: 248f.). Vgl. zu den Nambikwara Lévi-Strauss (1943b, 1944a, 1967 [1944], 1946, 1948, 1949). Die ethnographischen Artikel zu den Nambikwara (v.a. Lévi-StraussReference Lévi-Strauss1943a und 1967 [1944]) sind in weiten Teilen und teilweise fast unverändert in Lévi-Strauss’Reference Lévi-Strauss1948 erschienener Monographie La vie familiale et sociale des Indiens Nambikwara zu finden, die er für seine Promotion als „thèse complémentaire“ einreichte (Die elementaren Strukturen der Verwandtschaft bildeten die thèse principale) (vgl. Lévi-Strauss und Eribon 1996 [1988]: 79f.). Diese ethnographische Studie entstand jedoch schon im Laufe des Jahres 1941 (vgl. Lévi-Strauss und Eribon 1996 [1988]: 50f.; HénaffReference Hénaff1998: 250), also teilweise sogar vor der Veröffentlichung der Artikel. Teile dieser Monographie (und damit der Aufsätze) wurden dann später wieder in die Traurigen Tropen übernommen (vgl. Lévi-StraussReference Lévi-Strauss2003 [1955]: 297-300; 305-314).

16 Wie Mauss betont übrigens auch Lévi-Strauss (1943a: 134), dass bei den diplomatischen Tauschakten, die einen Konflikt beilegen und deren Ausbleiben bzw. Scheitern einen solchen entfachen können, das Feilschen und Diskutieren unüblich ist und stattdessen auf die Großzügigkeit des Gebers vertraut wird. Beispielsweise zeigt Mauss (2004 [1925]: 54), dass neben dem ritualisierten und ordnungsstiftenden melanesischen Gabentauschsystem des kula eine ganz andere Form von Austausch, der gimwali, besteht. Dieser dient v.a. dem einfachen Austausch nützlicher Dinge und zeichnet sich „durch hartnäckiges Feilschen beider Parteien aus, ein des Kula unwürdiges Verfahren“ (MaussReference Mauss2004 [1925]: 55). Beide betonen auch, dass der Gabentausch „in einer übertriebenen Bescheidenheit“ erfolgt und beide Seiten damit beschäftigt sind, die eigenen Leistungen „unter den Scheffel“ zu stellen (MaussReference Mauss2004 [1925]: 56; Lévi-StraussReference Lévi-Strauss2003 [1955]: 297).

17 „Nous sommes ainsi en présence d’une gamme continue, ou d’une chaîne institutionnelle qui permet de passer de la guerre au commerce, du commerce au mariage, et du mariage à la fusion du groupe“ (Lévi-StraussReference Lévi-Strauss1949: 146).

18 In seinem kurzen frühen Artikel „Reciprocity and Hierarchy“ wird Lévi-Strauss (Reference Lévi-Strauss1944b) auch versuchen, das hierarchische Verhältnis der Hälften bei den Bororo mithilfe von Reziprozitätsmechanismen zu erklären. Die politische Macht der einen Hälfte würde demnach die führende Stellung der anderen Hälfte im Verwandtschaftssystem ausgleichen: „The subordination itself is reciprocal.“ (Lévi-StraussReference Lévi-Strauss1944b: 268)

19 Stellenweise finden sich in den Aufsätzen auch Vergleiche zwischen den „primitiven“ Konzepten der Reziprozität und Großzügigkeit und neuzeitlichen Konzepten der politischen Theorie, wie dem Gesellschaftsvertrag oder der Idee sozialer Sicherungssysteme (wie dem Beveridge-Plan) (vgl. Lévi-StraussReference Lévi-Strauss, Middleton and Cohen1967 [1944]: 59ff.; hierzu auch CharbonnierReference Charbonnier1969 [1959]: 35ff.). Ganz ähnlich findet sich dies auch im letzten Kapitel der Gabe (vgl. MaussReference Mauss2004 [1925]: 157-183). Es war vor allem Marshall Sahlins, Ende der 1960er Mitarbeiter von Lévi-Strauss, der sich den daraus ergebenden Fragen der politischen Anthropologie intensiv widmete (vgl. SahlinsReference Sahlins and Banton1968; Reference Sahlins and Sahlins1995 [1972]).

20 Dies bezieht sich nicht nur auf Die Gabe, sondern auch – etwa wenn es um die doppelte Morphologie der Jahreszeiten geht (Regenzeit vs. Trockenzeit) –, auf die Eskimostudie von Mauss (1974 [1950]: 181-278) und – hinsichtlich der bei den Bororo anzutreffenden Klassifikationsschemata – auf den zusammen mit Durkheim verfassten Aufsatz De quelques formes primitives de classification. Contribution à l’étude des représentations collectives (Durkheim und Mauss 1993 [1903]).

21 Mauss wird übrigens in den gesamten Traurigen Tropen nur ein einziges Mal erwähnt und dies sehr beiläufig (vgl. Lévi-StraussReference Lévi-Strauss2003 [1955]: 238).

22 Zu vorangegangenen ethnologischen Forschungen über Inzesttabu und Verwandtschaftssysteme vgl. u.a. Hénaff (2008: 252f.) und Reinhardt (2008: 63ff.).

23 Zu den „Etappen der strukturalen Anthropologie“ ausgehend von Durkheim vgl. die instruktive Studie FremdWorte von Axel Paul (Reference Paul1996) und den zum hundertsten Geburtstag von Durkheim verfassten Artikel „Was die Ethnologie Durkheim verdankt“ von Lévi-Strauss (1999 [1973]: 57-62).

24 Vgl. dazu auch die interessante Analyse über den Weihnachtsmann und die Gabepraktiken zwischen den Generationen im Rahmen des Weihnachtsfestes, wo Lévi-Strauss sowohl den rhythmischen Charakter des Festes und der damit zusammenhängenden Veränderung der sozialen Morphologie, wie sie Mauss in der Eskimostudie hervorgehoben hat, anspricht als auch anhand historischer, ethnologischer und struktureller Überlegungen zu dem verblüffenden Schluss kommt, dass Weihnachtsgeschenke eine Gabe oder ein Opfer an das Jenseits bzw. an die Toten sind, die durch die Kinder verkörpert werden. „Der Glaube, in dem wir unsere Kinder wiegen, der Glaube, daß ihre Spielsachen aus dem Jenseits kommen, bietet ein Alibi für die uns in Wirklichkeit motivierende geheime Regung, sie unter dem Vorwand eines Geschenks an die Kinder dem Jenseits anzubieten“ (Lévi-StraussReference Lévi-Strauss and Pham1991 [1951]: 188).

25 Das noch im Englischen verwendete Wort gift verweist zudem auf den soziologisch instruktiven Zusammenhang zwischen Gabe und Giftstoff, wie ihn Mauss (Reference Mauss, Moebius and Papilloud2006a) in dem 1924 veröffentlichten Aufsatz Gift, gift erörtert.

26 Natürlich hat Mauss niemals die Gabe auf „hergestellte Objekte, Naturprodukte, Nahrungsmittel“ beschränkt, sondern – wie oben schon zu erkennen war – eine noch breitere Palette an möglichen Gaben gesehen: etwa das Leben, die Liebe, Feste, sakrale Dinge, Personen und auch Heirat.

27 Vgl. zu den Wirkungen des Mauss’schen Gabetheorems auf Lévi-Strauss’ Verwandtschaftsethnologie u.a. auch Oppitz (1993 [1975]: 99f.), Hénaff (1998: 36ff.), PapilloudReference Papilloud2002 und JohnsonReference Johnson2003.

28 In Kapitel 2 der Strukturalen Anthropologie (Lévi-StraussReference Lévi-Strauss2002 [1958]: 43) heißt es dazu auch: „Vor zwanzig Jahren bereits schrieb Mauss: ‚Die Soziologie wäre ganz gewiß weiter, wenn sie überall nach dem Muster der Sprachwissenschaft vorgegangen wäre…‘ Die enge Verwandtschaft der Methode dieser beiden Disziplinen legt ihnen eine besondere Pflicht zur Zusammenarbeit auf.“ Lévi-Strauss bezieht sich auf Mauss’ Vortrag zu „Soziologie und Psychologie“. Dort heißt es: „Unter den Soziologen haben die Linguisten das Glück gehabt, als erste zu wissen, dass die von ihnen erforschten Phänomene, wie alle sozialen Phänomene, zunächst soziale, gleichzeitig und ineins aber physiologische und psychologische waren. Sie haben immer gewusst, dass die Sprachen außer den Gruppen auch deren Geschichte zur Voraussetzung hatten. Die Soziologie hätte gewiß größere Fortschritte gemacht, wenn sie sich überall an das Vorbild der Linguisten gehalten hätte und nicht auf die beiden Irrwege geraten wäre: die Philosophie der Geschichte und die Philosophie der Gesellschaft“ (MaussReference Mauss1975 [1950]: 162).

29 Mauss, so die Kritiker, habe die Erwiderungspflicht der Gabe auf den „Geist der gegebenen Sache“ (das hau) zurückgeführt und nicht auf die den einzelnen Gabepraktiken (geben, nehmen, erwidern) übergeordnete Struktur der Reziprozität (vgl. Lévi-StraussReference Lévi-Strauss and Mauss1974 [1950]; OppitzReference Oppitz1993 [1975]: 102). Diese Kritik war folgenreich, sie wurde in ähnlicher Form weitergetragen – unter anderem von Sahlins (1995 [1972]) und Merleau-Ponty (Reference Merleau-Ponty, Métraux and Waldenfels1986).

30 In einer autobiographischen Notiz Anfang der dreißiger Jahre betont Mauss: „Zum Beispiel ist die klassische Doktrin von Mead über die symbolische Aktivität des Geistes völlig im Einklang mit der von mir und Durkheim aufgestellten Theorie der Bedeutung des rituellen, mythischen, linguistischen etc. Symbols“ (MaussReference Mauss, Moebius and Papilloud2006b: 357f.). Zum Symbolismus bei Mauss siehe Karsenti (Reference Karsenti1997), Moebius (2006b: 95 ff.), Tarot (Reference Tarot2008a) sowie die Beiträge in La Revue du M.A.U.S.S., Plus réel que le réel, le symbolisme, Nr. 12, 1998.

31 Trotz Kritik an Mauss bekräftigt der ehemalige Lévi-Strauss-Schüler Maurice Godelier in Das Rätsel der Gabe (1999: 38) in diesem Punkt die Position von Mauss. Wie dieser verknüpft er die Gabe mit dem Sakralen; zwar nicht hinsichtlich des allgemein religiösen Charakters der Gabe, wohl aber dahingehend, dass er auf die sakralen Objekte aufmerksam macht, die niemals zu Medien des Gabentauschs avancieren.

32 Im Hinblick auf die spätere Entwicklung ist interessant, dass Lévi-Strauss schon hier Zweifel am Totemismus-Konzept hegt (vgl. Lévi-StraussReference Lévi-Strauss1936: 298).

33 „Wenn dieser große jahreszeitliche Rhythmus“, so Mauss zum Ende seiner Eskimo-Studie (1974 [1950]: 275), „der hervorstechendste ist, kann man darüber hinaus vermuten, daß es nicht nur ihn, sondern auch noch andere gibt, deren Schwingungen innerhalb jeder Jahreszeit, jedes Monats, jeder Woche und jedes Tages einen geringeren Ausschlag haben. Wahrscheinlich hat jede soziale Funktion ihren eigenen Rhythmus“.

34 Dass die beiden genannten Aufsätze besondere Bedeutung für Lévi-Strauss haben, kann an seinem Artikel „French Sociology“ gezeigt werden. Hier lobt Lévi-Strauss (1945: 512) die „Pionierleistung“ von Durkheim und Mauss. Der Klassifikations-Aufsatz „though suffering from over-simplification, makes one regret that others did not follow the same direction“. Mauss’ 1906 erschienene Studie zu den Inuit bezeichnet Lévi-Strauss auf derselben Seite als „Kleinod“ der französischen Sozialanthropologie.

35 Malinowskis und Lévy-Bruhls Beschreibungen des Denkens indigener Völker – dies lässt sich an der jeweiligen Erklärung des Totemismus gut ablesen – unterscheidet sich demnach dadurch, so Lévi-Strauss, dass ersterer dieses Denken im Vergleich zu „unserem Denken“ als „gröber“ und rein instrumentell, letzterer hingegen als „grundlegend anders“ konzeptualisiert (vgl. Lévi-StraussReference Lévi-Strauss1978: 15f.). Angemerkt sei auch, dass es sich bei Lévy-Bruhls Analyse um einen Individualtotemismus, bei Malinowski dagegen um einen Kollektivtotemismus handelt. Diese Vermischung von logisch gleichwertigen, aber unterschiedlichen „Totemismen“ ist eines der grundlegenden Probleme der „totemistischen Illusion“, die Lévi-Strauss beenden will (vgl. Lévi-StraussReference Lévi-Strauss1997 [1962]: 25ff.)

36 Die Position von Lévy-Bruhl hatte auch zu Kontroversen mit der Durkheim-Schule geführt. Durkheim, Mauss, Robert Hertz, Henri Hubert und Lévy-Bruhl trafen sich regelmäßig am 1911 gegründeten Institut d’anthropologie. 1925 gründete Mauss zusammen mit Lévy-Bruhl und Paul Rivet das Institut d’ethnologie de l'université de Paris. Zu Lévy-Bruhl vgl. Cazeneuve (Reference Cazeneuve1972) und Moebius (2006a: 81-84).

37 Vgl. dazu auch die Kritik an Lévy-Bruhl in Durkheims Die elementaren Formen des religiösen Lebens (2005 [1912]: 326).

38 Lévi-Strauss bezieht sich wiederholt auf das zentrale Mauss’sche Konzept der „Totalität“ bzw. der „totalen sozialen Tatsache“. In einem Überblicksartikel aus dem Jahr 1953 behauptet er sogar, dieses Konzept sei das „Credo“ aller zeitgenössischen Ethnologie (Lévi-StraussReference Lévi-Strauss1953: 85).

39 Lévi-Strauss (1986 [1962]: 22) macht dies an einem Beispiel schön deutlich: „Die Sorge um eine erschöpfende Beobachtung und eine systematische Bestandsaufnahme der Bezüge und Verbindungen kann zuweilen zu guten wissenschaftlichen Ergebnissen führen: das ist der Fall bei den Schwarzfuß-Indianern, die die Ankunft des Frühlings nach dem Entwicklungsstand des Fötus des Wisent diagnostizieren, den sie aus dem Bauch der auf der Jagd getöteten weiblichen Tiere herausgenommen hatten. Diese erfolgreichen Diagnosen sind jedoch von den vielen anderen Bezügen gleicher Art, die die Wissenschaft für illusorisch erklärt, nicht zu trennen.“

40 Die hier präsentierte Argumentation kann auch anhand von Lévi-Strauss’ Studien zur Kunstethnologie bestätigt werden. Seit Anfang an haben die Künste einen besonderen Stellenwert in Lévi-Strauss’ anthropologischen Reflexionen eingenommen – teils als Analyseobjekt, teils, wie in den Mythologica, auch als methodologisches Modell. Lévi-Strauss selbst berichtet (1977 [1975]: 14) von der „fast körperliche[n] Beziehung“ zur indigenen Kunst, insbesondere zu jener der Nordwestküstenindianer, wie er sie im Exil in New York am „magical place“ (Lévi-StraussReference Lévi-Strauss1943c: 175) des American Museum of Natural History kennenlernte. Aufgrund dieser frühen und kontinuierlichen Beschäftigung mit der Kunst – vor, während und nach der „strukturalistischen Offenbarung“ – kann die Prägung durch Mauss und die Durkheim-Schule auch an diesen Studien nachvollzogen werden. Manche der frühen kunstethnologisch relevanten Artikel bringen in erster Linie Lévi-Strauss’ Bewunderung zum Ausdruck (vgl. Lévi-StraussReference Lévi-Strauss1942, Reference Lévi-Strauss1943c). Andere sind nüchterner im Tonfall, aber systematisch gehaltvoller – so Teile des Bororo-Aufsatzes (1936) oder der Aufsatz zur „Zweiteilung der Darstellung in der Kunst Asiens und Amerikas“, der 1945 erschien und später Eingang in die Strukturale Anthropologie I fand (2002 [1958]: 267-291). Ein genauer Blick auf die kunstethnologischen Argumente belegt die Beziehung zwischen Mauss’ Wirkung und der Zurückweisung einer utilitaristischen oder irrationalistischen Deutung „primitiver“ Kunst (Mauss wird auch schon früh in einem der Artikel als Stichwortgeber erwähnt (Lévi-StraussReference Lévi-Strauss1943c: 178)). Die Analyse der künstlerischen Gestaltung der Bororo-Objekte in seinem ersten Aufsatz entspricht bis ins Detail der sozialmorphologischen Argumentation in Durkheims und Mauss’ Klassifikations-Aufsatz. Und auch die schon früh beginnende und länger anhaltende Beschäftigung mit der Gesichtsbemalung der Caduveo zielt aus verschiedenen Richtungen auf die Homologien zwischen künstlerisch gestalteter Körperbemalung, Verwandtschaftssystemen, religiösen Tabus und der sozialstrukturellen und räumlichen Ordnung der Gesellschaften (1942; 2002 [1945]: 267-291; 2003 [1955]: 188ff.). Wichtiger sind diese Überlegungen aber aufgrund der allgemeinen Schlussfolgerungen, die sich aus ihnen ziehen lassen. Weil sie sich den praktischen Zwecken und Nützlichkeitserwägungen in besonderem Maße entziehen, stellen Kunstwerke für die strukturale Analyse einen privilegierten Gegenstand dar. Denn das Denken – ob „wild“ oder „domestiziert“ – zeigt sich in ihnen gleichsam in reiner Form (da sich die Musik selbst von den Zwängen eines physischen Trägers weitestgehend lösen kann, ist sie in dieser Hinsicht die „reinste“ Form der Kunst, was für Lévi-Strauss ihre Ausnahmestellung begründet) (vgl. Lévi-StraussReference Lévi-Strauss1986 [1962]: 41; 1976 [1964]: 35ff). Für diese theoretischen Folgerungen waren die frühen, von Mauss angeleiteten ethnographischen Erkenntnisse von unverzichtbarer Bedeutung. – Diese kunstethnologischen Überlegungen finden sich detaillierter ausgeführt in Moebius und Nungesser 2013.

41 Zu Durkheims Argumentation in den Elementaren Formen schreibt Lévi-Strauss (1997 [1962]: 93f.): „Durkheim leitet letzten Endes auch die sozialen Erscheinungen aus der Affektivität ab. Seine Theorie des Totemismus geht vom Bedürfnis aus und endet bei einem Rückgriff auf das Gefühl. […] Doch die Theorie Durkheims vom kollektiven Ursprung des Sakralen beruht […] auf einer petitio principii: nicht die augenblicklichen Emotionen, die anläßlich der Vereinigungen und Zeremonien empfunden werden, zeugen Riten und verleihen ihnen Dauer, sondern die rituelle Tätigkeit läßt Emotionen entstehen.“ Eine vergleichbare Kritik hat fast zeitgleich Rodney Needham in seiner wichtigen Einleitung zu der von ihm besorgten englischen Übersetzung des Klassifikations-Aufsatzes gegen die Argumentation von Durkheim und Mauss in eben diesem Aufsatz vorgebracht (vgl. NeedhamReference Needham, Durkheim and Mauss1963). Vgl. kritisch zu diesem Zirkularitätseinwand Joas (1993: 269f.).

42 Als hätte er Lévi-Strauss vor Augen formuliert Durkheim (1998: 320) diesen Unterschied in einem Brief an Mauss aus dem Frühjahr 1902: „L’opération mentale appellée classification ne s’est pas formée d’une pièce dans le cerveau humain. Quelque chose a dû amener les hommes à classer les êtres ainsi. Les genres ne sont pas donnés dans les choses. Ils sont créés. […] D’où la conclusion que, sans vouloir, il reste bien que la hiérarchie logique soit un reflet d’une hiérarchie sociale.”

43 Neben den hier untersuchten ethnographischen Arbeiten existieren aus der Zeit bis zum Jahr 1949 ansonsten zwei sehr frühe politische Schriften, Mitte der 1930er Jahre dann einige kurze Aufsätze in der Zeitschrift der Universität São Paulo, etwa zum Thema Kultursoziologie und ihre Lehre, ein Nachruf auf Malinowski, ein Aufsatz zum Werk Westermarcks sowie beginnend im Jahr 1945 theoretische Aufsätze zur Anthropologie, die dann auch später Eingang in Strukturale Anthropologie I fanden. Für eine umfangreiche (allerdings nicht vollständige) Bibliographie der Arbeiten Lévi-Strauss’ siehe folgende Seite des Laboratoire d'anthropologie sociale: http://las.ehess.fr/document.php?id=490 (letzter Zugriff 08.07.2013).

44 Es ist hier insbesondere Mauss’ Theorem des „sozialen Totalphänomens“, für das die Gabe steht, das zwischen Soziologie und strukturaler Anthropologie zum umkämpften Konzept wird. Zu den institutionellen Hintergründen dieser Kämpfe um Mauss als „totemistische Figur“ insgesamt siehe Farrugia (Reference Farrugia2000).

45 Dabei möchten wir hier nicht behaupten, dass diese Strategie durchweg bewusst abläuft, sondern verstehen sie eher im feldsoziologischen Sinne Bourdieus als einen auch unbewusst ablaufenden Spieleinsatz im feldspezifischen Kampf um Anerkennung.

46 Eine weitere Vermutung, die noch zu prüfen ist, wäre, inwiefern auch die Bedeutung des Werks des Durkheim-Schülers Marcel Granet, auf das Lévi-Strauss in Die elementaren Strukturen der Verwandtschaft eingeht, ebenfalls „zurechtgestutzt“ wird, obwohl (oder gerade weil) es anhand soziologischer Daten der Verwandtschaftsethnologie von Lévi-Strauss sehr nahe kommt (vgl. HéranReference Héran2009). Tarot (2008c: 9), für den jeder Gründungsakt mit einer symbolischen Gewalttat einhergeht, vermutet gar, dass die beständige Betonung von Lévi-Strauss, Mauss sei der Vorreiter des Strukturalismus, und die Hypostasierung der Linguistik dazu dienen, die Anleihen, die er für seine Verwandtschaftsethnologie bei Granet entnimmt, zu kaschieren.

47 Mauss’ erster wissenschaftlicher (und religionssoziologischer) Aufsatz beschäftigt sich gerade mit der Verbindung zwischen Recht und Religion (vgl. MaussReference Mauss, von Moebius, Nungesser and Papilloud2012: 36-90).

48 Zum Begriff des Sakralen bei Mauss siehe Moebius (Reference Moebius2012) und insbesondere Tarot (2008b: 289 ff.). Johnson (1995: 249) schreibt: „Un aspect intéressant de l’œuvre lévi-straussienne pendant cette première période, et surtout à partir de 1950 lorsqu’il commence à se spécialiser plus étroitement dans l’anthroplogie des religions, est l’absence de ce qui était devenu l’idée maîtresse, le concept-clé de la sociologie durkheimienne : le sacré.“

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