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Persönliche Korrespondenz des Paulus: Zur Strategie der Pastoralbriefe als Pseudepigrapha*

Published online by Cambridge University Press:  04 March 2010

Manabu Tsuji
Affiliation:
Graduate School of Integrated Arts and Sciences, Hiroshima UniversityKagamiyama 1–7–1, 739–8521 Higashi-Hiroshima, Japan. email: tsujim@hiroshima-u.ac.jp
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Abstract

The three Pastoral letters present themselves as Paul's personal correspondence, but their contents would fit better the genre of a community letter. The pseudonymous author has forged them as personal letters from ‘Paul’, because he had to reckon with his readers' critique concerning their authenticity, above all with critical scrutiny directed at possible contradictions in their circumstances of origin. Through the genre of a private letter he has attempted to concoct previously unknown letter-situations, and to make understandable the late discovery of the letters. At the same time, through the construction of three letters he has made a claim for general validity in respect of geography and time, so as to spread the ‘right meaning’ of the statements in the Corpus Paulinum.

German abstract: Die drei Pastoralbriefe präsentieren sich als persönliche Korrespondenz des Paulus, ihrem Inhalt hätte aber die Gattung des Gemeindebriefes besser entsprochen. Der pseudonyme Verfasser hat sie als persönliche Briefe des ‘Paulus’ fingiert, weil er mit einer Echtheitskritik seiner Leser, allem voran mit einem auf allfällige Widersprüche in den Entstehungsverhältnissen gerichteten kritischen Blick rechnen musste. Durch die Gattung des Privatbriefes hat er versucht, bisher unbekannte Briefsituationen vorzugeben und die späte Entdeckung der Briefe verständlich zu machen. Zugleich hat er durch die Dreizahl der Briefe den Anspruch auf Allgemeingültigkeit in geographischer und zeitlicher Hinsicht erhoben, um ‘die richtige Deutung’ der Aussagen des Corpus Paulinum zu verbreiten.

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Copyright © Cambridge University Press 2010

In den drei Pastoralbriefen (hiernach: Past) geht es um persönliche Korrespondenz des Paulus, deren Inhalt aber die Gattung des Gemeindebriefes besser entsprochen hätte. Dennoch hat der pseudonyme Verfasser der Past persönliche Briefe des ‘Paulus’ fingiert, und zwar weil er, wie die Autoren der anderen deuteropaulinischen Briefe, mit einer Echtheitskritik seiner Leser, allem voran mit einem auf allfällige Widersprüche in den Entstehungsverhältnissen gerichteten kritischen Blick rechnen musste. Durch die Gattung des Privatbriefes hat er versucht, neue, bisher unbekannte Briefsituationen zu schaffen und die späte Entdeckung der Briefe verständlich zu machen. Zugleich hat er durch die Dreizahl den Aussagen seiner Briefe Allgemeingültigkeit verliehen, wobei das Corpus Pastorale als Interpretament ‘die richtige Deutung’ der Aussagen des Corpus Paulinum bieten soll.

1. Einführung: Warum persönliche Briefe an Timotheus und Titus?

Die PastFootnote 1 stellen einen neuen Typ des ‘paulinischen’ Briefes dar: Sie sind persönliche Briefe, die Paulus an seine Mitarbeiter gesandt haben will. Für diesen Brieftyp gibt es keine echte Parallele in den Protopaulinen.Footnote 2 Der Verfasser der Past hat die in der griechisch-römischen Antike bekannte Gattung des persönlichen BriefesFootnote 3 zum ersten Mal in die paulinische Brieftradition eingeführt.

Für die Past charakteristisch ist weiter, dass sie im Plural, und zwar als Corpus aus drei Briefen, auftauchen. Diese Besonderheiten fallen besonders ins Gewicht, wenn man die Past mit den übrigen Deuteropaulinen vergleicht. Unter Annahme ihrer Pseudonymität ist eine Erklärung bezüglich ihrer Absicht gefordert, zumal die Besonderheiten immer wieder als Argument gegen die Pseudepigraphie vorgebracht werden: Eine Absicht sei unter der pseudepigraphischen Hypothese schwer anzugeben, denn, wie Frederik Torm bereits 1932 bemerkte: ‘Schon die gewählte, ganz neue Form, die Adresse an einen einzelnen Mann, […] mußte den Zeitgenossen sehr auffallend sein und konnte dem Verfasser die Anerkennung der Briefe nur erschweren’.Footnote 4

Warum also nicht Gemeindebriefe, sondern persönliche Briefe? Diese Frage stellt sich auch gegenüber der Echtheitshypothese. Und in diesem Falle ist noch schwieriger zu beantworten, warum Paulus nicht direkt an die Gemeinden in Ephesus und Kreta geschrieben hat. Offensichtlich hat der Verfasser mit Absicht persönliche Briefe gestaltet, deren Inhalt der historische Paulus direkt an die Gemeinden gerichtet hätte.

In formaler Hinsicht stellen die Past echte persönliche Korrespondenz dar, die in einer spezifischen Kommunikationssituation wurzelt (vgl. 1 Tim 1.3; 2 Tim 4.9–15.21; Tit 1.5). Trotzdem geht es in den Briefen, insbesondere in 1 Tim und Tit, aber auch in 2 Tim, nicht nur um persönliche Angelegenheiten zwischen Absender und Adressaten, sondern um Anordnungen an eine Gesamtgemeinde.Footnote 5 Für die wichtigsten Inhalte der Briefe, die Gemeindeordnung (z.B. 1 Tim 2.8–15; 3.1–13; 5.3–15, 17–25; Tit 1.5–9; 2.1–10; vgl. Did 15.1–2; 1 Klem 44.1–6; Pol 5.2–3) und die Bekämpfung der Irrlehre (1 Tim 1.3–7, 18–20; 4.1–11; 2 Tim 2.18; 3.1–9; 4.3; Tit 1.10–16; 3.9–11 u.a.; vgl. Did 11.1–2; 16.3–4) hätte sich die Gattung des Gemeindebriefes eher geeignet als die eines persönlichen Briefes.

Der Sachverhalt ist umso merkwürdiger, als ‘Paulus’ seinen interimistischen Vertretern sehr spezifische Anweisungen gibt im Blick auf seine vorläufige Abwesenheit (1 Tim 1.3; 3.14: Paulus hofft, bald zu Timotheus zu kommen) oder das rasche Ausrichten dessen, ‘was noch fehlt’ (Tit 1.5; 3.12: Titus muss eilends zu Paulus nach Nikopolis kommen).Footnote 6

Aus diesen Beobachtungen lässt sich folgern, dass die Gattung des persönlichen Briefes für die Past nicht konstitutiv ist; dem Inhalt der Briefe hätte ein Gemeindebrief als Rahmen besser entsprochen. Warum aber hat der pseudonyme Verfasser die Briefe dennoch als persönliche Korrespondenz gestaltet? Das ist unsere erste Frage.

Im Blick auf den zweiten Punkt, nämlich die Dreizahl der Briefe, kann vor allem der Bezug auf das Corpus Paulinum geltend gemacht werden.Footnote 7 Peter Trummer hat darin Recht, die Entstehung der Past ‘im Zuge einer Neuedition des bisherigen Corpus [Paulinum]’Footnote 8 zu begreifen. Es bleibt dann aber noch zu fragen, welche Funktion sie in dieser Neuedition haben sollen. Ferner ist auch zu erklären, warum das Corpus Pastorale zwei Briefe an Timotheus und einen an Titus umfasst.

Im Folgenden werden wir auf diese Fragen eingehen, und zwar behandeln wir zuerst die Gattung des persönlichen Briefes (2) und anschliessend die Dreizahl der Past (3).

2. Persönliche Korrespondenz und Echtheitskritik

2.1. Die Echtheitskritik als Hintergrund

Warum hat der pseudonyme Verfasser die persönlichen Briefe des ‘Paulus’ konstruiert, um das zu übermitteln, was der historische Paulus wahrscheinlich eher durch Gemeindebriefe mitgeteilt hätte? Unsere These lautet, dass der Verfasser mit der Echtheitskritik seiner Leserschaft gerechnet hat. Durch diese Briefgattung hat er nämlich versucht, ein Aufdecken seiner Fälschung zu vermeiden.

In seiner rezeptionsgeschichtlichen Analyse der Pseudepigrapha hat Armin Daniel Baum überzeugend nachgewiesen, dass im Frühchristentum wie im nichtchristlichen Altertum literarische Fälschungen unabhängig von ihrem Inhalt negativ beurteilt wurden.Footnote 9 Das lässt sich durch die seit der ausführlichen Studie von Wolfgang Speyer feststehende Tatsache unterstützen, dass es im Umfeld des Neuen Testaments die Idee des geistigen EigentumsFootnote 10 und dementsprechend auch eine EchtheitskritikFootnote 11 gab. Die letztere setzt ja eine negative Einstellung zur literarischen Fälschung voraus.

Diese Sicht wird bestätigt durch jene bekannte Episode, nach der ein Presbyter in Kleinasien im zweiten Jahrhundert wegen Fälschung der Paulusakten seines kirchlichen Amtes enthoben wurde, obwohl er es ‘aus Liebe zu Paulus’ (amore Pauli) getan habe.Footnote 12 Trotz seiner guten Absicht hat der Tatbestand der Fälschung ihn sein Amt gekostet.Footnote 13 Daraus wird ersichtlich: Die literarische Fälschung wurde, aus welchem Motiv sie auch vorgenommen worden sein mag, im Prinzip abgelehnt.Footnote 14

Eine besonders wichtige Rolle spielte die Echtheitskritik dort, wo ein Streit um theologische LehrmeinungenFootnote 15 zur Fälschung motiviert hatte. Denn dabei war strittig, welche Ansicht auf die große Vergangenheit zurückzuführen sei. Das eben ist nun auch der Fall bei den Deuteropaulinen, die gegen die ‘Irrlehre’ ihre eigene Position als ‘richtigen’ Paulinismus Paulus in den Mund legen wollen.Footnote 16

Wenn man mit diesem literaturgeschichtlichen Hintergrund rechnet, dann liegt die Annahme nahe, dass ein Verfasser, der seinen Standpunkt durch literarische Fälschung rechtfertigen wollte, sein Werk so gestalten musste, dass es ohne Verdacht als echte Schrift eines angeblichen Autors akzeptiert werden konnte. Darin kann der Verfasser der Pastoralbriefe keine Ausnahme sein.

2.2. Die Entstehungsverhältnisse als wichtigstes Kriterium der Echtheit

Was hat der Verfasser der Past beachten müssen, um die Echtheit seiner Schriften glaubhaft zu machen? Als Kriterien der Echtheitskritik galten in der christlichen Antike folgende Gesichtspunkte: (1) Stil/Wortschatz, (2) Inhalt, (3) Entstehungsverhältnisse und (4) externe Zeugnisse zur betreffenden Schrift.Footnote 17

Dafür fehlen leider zeitgenössische Belege, aber Eusebius stützt sich bei seiner Dreiteilung der christlichen Bücher in anerkannte, angezweifelte und gefälschte Schriften auf diese Argumente: ‘Kein in der Überlieferung anerkannter kirchlicher Schriftsteller hat diese letzteren Schriften irgendwo der Erwähnung gewürdigt. Überdies weicht auch die Art ihrer Darstellung von der der Apostel ab. Auch ihre Gedanken und das in ihnen zum Ausdruck kommende Streben stehen im stärksten Gegensatz zu der wahren, echten Lehre und geben dadurch deutlich zu erkennen, daß sie Fiktionen von Häretikern sind’. (HE III 25.6–7)Footnote 18 Er verneint ferner anderswo die Echtheit der Pilatusakten aufgrund der falschen chronologischen Angaben (HE I 9.3–4). Man wird m.E. die gleichen Beurteilungskriterien auch für die Zeit der Past voraussetzen dürfen.

Welches Kriterium der Echtheitskritik war bei der Neuschöpfung eines persönlichen Briefes von ‘Paulus’ besonders wichtig? Da persönliche Briefe ein andersartiges Verhältnis zwischen Absender und Empfänger voraussetzen als Gemeindebriefe, legt sich die Annahme nahe, dass der Verfasser der Past vor allem mit der Überprüfung der Entstehungsverhältnisse rechnen musste.

Der Verfasser der Past unterlässt es zwar nicht, Stil und Inhalt der Protopaulinen zu imitieren,Footnote 19 scheint aber keinen großen Wert darauf zu legen, beides genau und ohne Abweichung zu übernehmen. Der Schein der Echtheit wird seines Erachtens durch die Anzeichen stilistischer, sprachlicher und theologischer Besonderheit nicht beeinträchtigt. Darin unterscheiden sich die Past nicht von den anderen Deuteropaulinen.Footnote 20

Dagegen muss es für den Verfasser der Past wie für die Verfasser der anderen Deuteropaulinen eine ernstzunehmende Aufgabe gewesen sein, glaubhafte Entstehungsverhältnisse zu konstruieren. Eine Briefsituation, die sich in die Biographie des PaulusFootnote 21 nicht widerspruchsfrei einordnen ließe, würde den Verdacht auf Fälschung auf sich ziehen.

Wenn dem aber so ist, dann dürfte das Bestreben, widerspruchsfreie Entstehungsverhältnisse zu fingieren, nicht nur in den Past, sondern in allen Deuteropaulinen wirksam sein. Bevor wir uns der Analyse der Past zuwenden, werfen wir daher einen Blick darauf, wie die Verfasser der deuteropaulinischen Gemeindebriefe die fiktiven Entstehungsverhältnisse konstruiert haben.

2.3. Zur fiktiven Briefsituation der deuteropaulinischen Gemeindebriefe

Den Verfassern der Deuteropaulinen geht es, wie wir vermuten, vor allem um die Darstellung einer Briefsituation, die sich in die Biographie des Paulus einordnen lässt. Zu diesem Zweck haben diese Verfasser zu einem gemeinsamen Mittel gegriffen, nämlich zur Darstellung einer undeutlichen Briefsituation. Sie versuchten je auf ihre Weise, die Abfassungsverhältnisse undeutlich zu halten, um eine eindringliche Echtheitsprüfung zu verunmöglichen.

2.3.1. Der Kolosserbrief

Im Kolosserbrief ist diese Technik der undeutlichen Briefsituation in Bezug auf die Abfassungssituation und die Lage der Adressaten durchaus sichtbar.

Der Verfasser des Kol schließt sein Schreiben an die Situation der Gefangenschaft des Paulus an, indem er diese aus Phlm übernimmt.Footnote 22 Diese Abfassungssituation war für eine Fälschung sehr nützlich, denn die Vorstellung, dass Paulus während seiner Gefangenschaft außer Phil und Phlm noch andere und bisher unbekannte Briefe geschrieben hat, lässt keine Widersprüche aufkommen. Für den pseudonymen Verfasser günstig war ferner die Tatsache, dass Paulus mehrmals im Gefängnis war (2 Kor 11.23). Das macht im Falle einer Nachfrage schwer identifizierbar, wann und wo ‘Paulus’ diese Briefe geschrieben hat.

Damit verbunden ist die Charakterisierung der Adressaten: Der Kol will an eine Gemeinde gerichtet sein, die Paulus nie besucht hat (Kol 1.7; 2.1). Damit unternimmt es der Verfasser, eine bisher unbekannte Briefsituation im Rahmen der Missionstätigkeit des Paulus zu verorten.

Weiter dürfte die Stadt Kolossä deshalb als fiktive Adresse gewählt worden sein, weil nicht mehr feststellbar war, ob dieser Brief vor dem Tod des Paulus tatsächlich die Adressatengemeinde erreicht hat und dort gelesen wurde. Im Jahre 61 n.Chr. hat ein Erdbeben zusammen mit Laodizea und Hierapolis wahrscheinlich auch Kolossä zerstört.Footnote 23 Diese Tatsache dürfte der Abfassung des pseudopaulinischen Briefes entgegengekommen sein, denn unabhängig davon, ob die Stadt Kolossä wieder aufgebaut wurde oder nicht, muss die Zerstörung die frühere Situation der Gemeinde verwischt und damit die Gefahr einer Entdeckung der Pseudonymität des Kol verringert haben.Footnote 24 In dieser Weise hat der Verfasser eine Nachprüfung darüber erschwert, ob Paulus tatsächlich diesen Brief geschrieben hat, und wenn ja, wann und wo.

2.3.2. Der Epheserbrief

Bei der vieldiskutierten adscriptio des Epheserbriefes (1.1) ist davon auszugehen, dass ursprünglich nach τοῖς οὖσιν kein Ortsname angegeben war. Eine sekundäre Streichung von ϵ̓ν Ἐϕϵ́σῳ (oder Laodizea, aufgrund der Aussage von MarcionFootnote 25) ist völlig undenkbar, denn dafür lässt sich kein plausibler Grund nennen.Footnote 26

Auf der anderen Seite ist aber auch wenig wahrscheinlich, dass sich der Eph hier als ‘katholisch’, nämlich als Brief an alle Christen, darstellen will. In fiktiver Weise setzt der Brief eine Verbindung zwischen Absender (Paulus) und Rezipienten voraus (vgl. Eph 3.3; 6.21–22). Das macht die Auskunft fraglich, dass die ‘Lücke’ in der adscrptio die Allgemeinheit des Briefinhalts anzeigen soll.Footnote 27

Die Anschrift des Eph (τοῖς ἁγίοις τοῖς οὖσιν) erinnert an diejenige des Römer- (1.7), des 2. Korinther- (1.1) und des Philipperbriefes (1.1). Die Leser, die mit diesen Paulusbriefen vertraut waren, werden also nach τοῖς οὖσιν einen Ortsnamen erwartet haben, was dann zur Ergänzung von ϵ̓ν Ἐϕϵ́σῳ geführt hat. Der Verfasser des Eph hat m.E. mit dieser intertextuellen Wirkung der ‘Lücke’ gerechnet: Er hat die Anschrift absichtlich unvollständig gelassen, um eine sekundäre Auslassung der Ortsangabe vorzutäuschen.Footnote 28 Damit blieb unbekannt, wohin dieser Brief ursprünglich gerichtet war. Auch das gehört zur Technik der undeutlichen Briefsituation.

2.3.3. Der 2. Thessalonicherbrief

Auch im zweiten Thessalonicherbrief Footnote 29 ist die erwähnte Technik sichtbar. Die Beziehung des 2 Thess zu 1 Thess ist immer noch umstritten. Auf der einen Seite steht die literarische Abhängigkeit außer Zweifel;Footnote 30 auf der anderen Seite besteht Uneinigkeit unter den Exegeten, ob und wie der Ausdruck δι’ ϵ̓πιστολῆς ὡς δι’ ἡμῶνFootnote 31 in 2 Thess 2.2 sich auf 1 Thess beziehtFootnote 32.

Der griechische Text lässt sich übersetzen sowohl mit: ‘durch einen—angeblich oder fälschlich—von uns (sc. stammenden oder geschriebenenFootnote 33) Brief’ als auch mit: ‘… als—tatsächlich—von uns (stammend oder geschrieben)’.Footnote 34 Diese Unklarheit lässt sich wohl auf die Absicht des Verfassers zurückführen, das Verhältnis zwischen 1 Thess und 2 Thess bewusst offenzulassen.Footnote 35 Diese Annahme wird dadurch verstärkt, dass sich in 2 Thess kein expliziter Hinweis auf 1 Thess findet.Footnote 36

2 Thess 2.2 spielt implizit auf 1 Thess an, aber durch die vage Bezugnahme wird auch der Interpretation Raum gegeben, hier sei ein anderer pseudopaulinischer Brief gemeint. Die Entstehungsverhältnisse des 2 Thess, vor allem der zeitliche Abstand zu 1 Thess, werden im Unklaren gelassen. Sogar die von einigen modernen Exegeten vertretene Vermutung ist daher möglich (aber m.E. unhaltbar), dass der 2 Thess dem 1 Thess zeitlich vorausgeht.Footnote 37 Dies alles dürfte eine Wirkung der Strategie des Verfassers sein, das Verhältnis der beiden Thessalonicherbriefe undeutlich zu halten, damit die Briefsituation verschiedenen Deutungsmöglichkeiten offensteht.

2.3.4. Fazit

Der Überblick über die Angaben in Kol, Eph und 2 Thess zeigt, dass die Verfasser der deuteropaulinischen Gemeindebriefe sich bemühen, eine Briefsituation zu fingieren, die der paulinischen Biographie nicht zuwiderläuft. Dabei präzisieren sie die konstruierten Entstehungsverhältnisse nicht näher, sondern lassen sie eher undeutlich, damit sie nicht falsifizierbar sind.

2.4. Persönliche Korrespondenz als Fälschungsstrategie der Pastoralbriefe

Hinsichtlich der undeutlichen Entstehungsverhältnisse, die wir eben im Blick auf die deuteropaulinischen Gemeindebriefe nachgezeichnet haben, bilden die Past keine Ausnahme. Ihr Verfasser greift aber zu einer neuen Strategie, nämlich zur Fälschung der persönlichen Briefe des Paulus.

Für die Vortäuschung von Entstehungsverhältnissen bietet die Gattung des persönlichen Briefes zwei Vorteile: Sie ermöglicht eine solche grundsätzlich leichter als ein Gemeindebrief und lässt andererseits Raum für Erklärungen, warum der persönliche Brief bisher unbekannt und ohne externe Zeugnisse geblieben ist.

Anders als der Gemeindebrief ist ein persönlicher Brief schwer zu falsifizieren, zumal wenn Absender und Empfänger schon gestorben sind und nicht mehr bezeugen können, ob der Brief eine Fälschung ist oder nicht.Footnote 38

Ferner passt es zu einem persönlichen Schreiben, dass es zunächst der Öffentlichkeit unbekannt bleibt und plötzlich irgendwo ‘auftaucht’. Von daher lässt sich auch das Fehlen von externen Zeugnissen über diese Briefe erklären.

Der Verfasser der Past, der zeitlich wahrscheinlich an der Wende vom ersten zum zweiten JahrhundertFootnote 39 (oder etwas später?) schrieb, hielt es für gefährlich, weitere Gemeindebriefe des ‘Paulus’ plötzlich ans Licht treten zu lassen, für die sich (nach dem lange zurückliegenden Tod des Paulus) sonst keine Bezeugungen finden liessen. Diese würden einen zu starken Fälschungsverdacht auf sich ziehen. Für ein solches Unternehmen war es wohl zu spät.Footnote 40 Wahrscheinlich hat diese Sachlage den pseudonymen Verfasser dazu geführt, persönliche Briefe des Paulus zu erfinden.

Wenn aber Anordnungen über die Gemeindeverwaltung in Form eines persönlichen Briefes des Paulus gegeben werden sollten, dann war dazu die Konstruktion einer Situation nötig, die Paulus aus der Ferne an seinen weiterhin in der Gemeinde tätigen Mitarbeiter schreiben liess. Im nächsten Abschnitt werden wir sehen, wie der Verfasser der Past eine solche Situation für seine drei Briefe konstruiert.

2.5. Fiktive Entstehungsverhältnisse der Pastoralbriefe

Wiederholt ist darauf hingewiesen worden, dass die Abfassungssituationen der Past, insbesondere des 1 Tim und Tit, nicht mit der aus Apg und Protopaulinen rekonstruierbaren Biographie des Paulus in Übereinstimmung gebracht werden können.Footnote 41 Es stellt sich dann aber die Frage, warum und wie der Verfasser zu einer solchen Darstellung gekommen ist. Auch wenn ihm die Apostelgeschichte wahrscheinlich nicht bekannt war,Footnote 42 wäre es ihm zumindest möglich gewesen, sich an die Angaben der Protopaulinen zu halten und so den Echtheitsanspruch zu stützen.

Die Abfassungssituation des 1 Tim, in der es um die zeitweilige Trennung von Paulus und Timotheus und die Reise nach Mazedonien geht (1 Tim 1.3; 3.14–15), hat allerdings einen Anhaltspunkt im ersten Korintherbrief: Der Verfasser hat diese Situation wahrscheinlich mittels der Darstellung in 1 Kor 16.5–11 gestaltet.Footnote 43 Zwar stimmt es nicht mit der Situation des 1 Tim überein, dass nicht Timotheus, sondern Paulus (1 Kor 16.8,10) in Ephesus ist. Aber dort wartet Paulus auf die Rückkehr des Timotheus mit der Erwartung, selber durch Mazedonien nach Korinth zu reisen (16.5). Die beiden Korintherbriefe schweigen darüber, ob er später tatsächlich von Ephesus ausgegangen ist. Hier dürfte der Verfasser der Past eine Lücke gefunden haben, an die er 1 Tim angeschlossen hat.Footnote 44 Dabei spielt es keine Rolle, dass dieser Reiseplan in der Tat nicht realisiert wurde (2 Kor 1.15–16), denn es wird nichts darüber gesagt, wo genau ‘Paulus’ diesen Brief geschrieben haben will (undeutliche Abfassungssituation!).

Die Situation des Tit (Tit 1.5) ist schwieriger im Lebenslauf des Paulus unterzubringen, lässt sich doch weder für die paulinische Missionstätigkeit auf Kreta noch für die Verbindung des Titus zu dieser Insel ein Anhaltspunkt in den neutestamentlichen Überlieferungen finden. Über die Mission auf Kreta kann man nur spekulieren. Dass es zur Zeit der Past ‘eine von Ephesus ausgehende Mission auf Kreta’ gegeben hat,Footnote 45 bleibt auch reine Vermutung. Bezüglich einer paulinischen Missionswirksamkeit auf Kreta liegt also alles im Dunkeln.

Daraus lässt sich zumindest schließen, dass sich der Verfasser der Past für den 1 Tim und Tit je eine den Lesern vorstellbare, aber nicht näher bekannte Situation in der Biographie des Paulus ausgedacht hat. Dies hängt mit der fingierten Kommunikationssituation zusammen, die es nötig machte, dass der abwesende Paulus aus der Ferne an seinen Mitarbeiter vor Ort Anordnungen über die Gemeindeverwaltung gibt. Diese in den Protopaulinen nicht vorausgesetzte Situation hat der Verfasser selber konstruiert.

Die Briefsituation des 2 Tim ist zwar deutlicher als diejenigen des 1 Tim und Tit: Paulus befindet sich im römischen Gefängnis (2 Tim 1.8, 16–17) und steht kurz vor seinem Tod (4.6–8). Über die Zeit seiner römischen Gefangenschaft gibt es allerdings nur sehr wenig Informationen (vgl. Apg 28).Footnote 46 Hier hat der Verfasser also an eine Lücke in der Biographie des Paulus angeknüpft.

2.6. Fazit

Die Wahl der Gattung des persönlichen Briefes, die dem Inhalt der Past nicht entspricht, lässt sich durch den Sachverhalt erklären, dass der Verfasser mit der Echtheitskritik, vor allem mit der Überprüfung der Entstehungsverhältnisse gerechnet hat und versucht, sie zu zerstreuen. Wichtig war ihm dabei, bei den Lesern nicht den Eindruck zu erwecken, die vorgetäuschte Briefsituation widerspreche der bekannten Biographie des Paulus. Die Verfasser der deuteropaulinischen Gemeindebriefe haben diese Aufgabe dadurch gelöst, dass sie die Entstehungsverhältnisse der Briefe irgendwie undeutlich liessen. Der Verfasser der Past hingegen hat die Form eines Gemeindebriefes aufgegeben und stattdessen persönliche Briefe konstruiert. Bei dieser Gattung verursachen die späte Entdeckung der Briefe und der Sachverhalt, dass die Korrespondenz zwischen Absender und Empfänger bisher unbekannt war, keine weiteren Probleme.

3. Die Briefe an Timotheus und Titus

Wir wenden uns nun der zweiten Frage zu: Warum hat der Verfasser nicht einen einzigen, sondern drei Briefe geschrieben, und zwar zwei an Timotheus und einen an Titus? Im Folgenden sollen zuerst Timotheus und Titus als Adressaten und dann der Inhalt der drei Briefe verglichen werden.

3.1. Das Corpus Pastorale als Interpretament des Corpus Paulinum

Die Past stellen sich dar als eine Sammlung von drei persönlichen Briefen, deren jeweilige Abfassungssituation miteinander in keinem Zusammenhang steht. Worin besteht der Vorteil dieses Arrangements gegenüber der Fingierung eines einzigen Briefes?

Wie anfangs bemerkt wurde, legt die Gestalt der Briefsammlung den Zusammenhang mit dem Corpus Paulinum nahe.Footnote 47 Von daher lässt sich m.E. folgendes sagen:

(1) Hinsichtlich der literarischen Fälschung dürfte die Form einer Briefsammlung dazu beigetragen haben, die Entdeckungsumstände dieser persönlichen Briefe verständlich zu machen.Footnote 48 Die Briefe erwecken den Anschein, als seien sie ohne Beziehung zueinander entstandenFootnote 49 und später sozusagen zufällig gesammelt und entdeckt worden, wie es beim Corpus Paulinum der Fall war. Durch diese Form der Briefsammlung soll also verständlich werden, wie die bisher unbekannten persönlichen Briefe des Paulus ans Licht gekommen sind.

Die Gestalt der Briefsammlung macht ferner glaubhaft, dass Paulus neben den Gemeindebriefen auch persönliche Briefe zu schreiben pflegte. Dies trägt zum Schein der Echtheit dieser Briefe bei. Auch in dieser Hinsicht will das Corpus Pastorale im Seitenblick auf das Corpus Paulinum akzeptiert werden.

(2) Das Corpus Pastorale stellt aber nicht eine neue Briefsammlung des Paulus dar, sondern versteht sich als Teil, m.a.W. als Ergänzung und Abschluss ‘eines in einer langen Entwicklung stehenden und durch sie (sc. Past) abzuschließenden Corpus Paulinum’, wenn auch nicht einfach als ‘Schlußpunkt oder “Ausrufezeichen” ’, wie es Peter Trummer formuliert.Footnote 50 Es hat m.E. eine wichtigere Funktion innerhalb des solcherweise erweiterten Corpus Paulinum.

Die Past fungieren in dieser Neuedition des Corpus Paulinum ja als Interpretament der Gemeindebriefe; d.h. sie weisen die richtige Interpretation der Aussagen des Paulus auf, die wohl in den nachpaulinischen Gemeinden Dissens verursachten. Dies legt sich durch die Beobachtung nahe, dass der Verfasser der Past durchaus die Themen behandelt, die sich auf Aussagen in den Protopaulinen zurückführen lassen, z.B. über das Gesetz (1 Tim 1.6–11), den Gehorsam gegenüber Machthabern und Obrigkeit (1 Tim 2.1–3; Tit 3.1–2),Footnote 51 das Verhalten der Frauen (1 Tim 2.8–15; 5.3–16Footnote 52), die Reinheitsgebote (1 Tim 4.1–5; Tit 1.15), das Verhältnis zwischen Sklaven und Herren (1 Tim 6.1–2) und die Deutung der Auferstehung (2 Tim 2.8–13,18). Zu diesen Problembereichen versucht der Verfasser also das letzte Wort zu haben, indem er ‘Paulus’ auf seine früheren Äußerungen zurückkommen, sie erläutern oder sogar korrigieren lässt.Footnote 53

Diese Wirkung haben die Past allerdings erst dann, wenn die in ihnen enthaltenen Aussagen Allgemeingültigkeit erlangen. Tatsächlich beanspruchen diese Aussagen sogar eine höhere Gültigkeit gegenüber denen des Paulus zum gleichen Thema, indem sie diese modifizieren oder redigieren wollen.Footnote 54

Jeder Brief des Corpus Pastorale kann aber an sich noch keinen allgemeingültigen Anspruch erheben, da der Gültigkeitsbereich seines Inhalts auf das persönliche Verhältnis zwischen Paulus und Timotheus/Titus begrenzt ist, während die Gemeindebriefe davon sprechen, was für jede paulinische Gemeinde mehr oder weniger allgemeingültig ist. In dieser Hinsicht steht der persönliche Brief gegenüber dem Gemeindebrief im Nachteil. Dieser Schwierigkeit begegnet der Verfasser der Past, indem er nicht einen einzigen Brief, sondern deren drei vorlegt.

3.2. Timotheus und Titus: ihre Gemeinsamkeiten und Unterschiede

Wenn die Dreizahl der Briefe des Corpus Pastorale die obengenannte Absicht des Verfassers im Hintergrund hat, muss die Adressatenwahl in diesem Zusammenhang eine wichtige Rolle spielen.

Zwischen den beiden Adressaten gibt es Gemeinsamkeiten. Aus den Protopaulinen und (nur zu Timotheus) aus der Apg ist zu erkennen, dass beide zu Paulus in einem sehr nahen Verhältnis stehen. Timotheus wurde wahrscheinlich von Paulus selber bekehrt (Apg 16.1–3).Footnote 55 Das spiegelt sich wohl in der Anrede an Timotheus als ‘mein liebes und getreues Kind’ (1 Kor 4.17; vgl. ferner Phlm 10, wo Onesimus als ‘mein Kind’ angesprochen wird). Ähnliches gilt für die Bezeichnung des Titus als ‘mein Gefährte und mein Mitarbeiter’ (2 Kor 8.23). Titus zog mit Paulus (und Barnabas) zum Apostelkonzil nach Jerusalem als Frucht und Zeuge der paulinischen Heidenmission (Gal 2.3).

Beiden ist ferner in der Missionstätigkeit des Paulus eine gemeinsame Funktion eigen: Sie werden von Paulus an seine Gemeinden gesandt, um dort den Willen des Paulus zu erläutern und dadurch das Verhältnis zwischen Paulus und der Gemeinde zu stärken (zu Timotheus vgl. 1 Thess 3.2–3; Phil 2.19–23; 1 Kor 4.17; 16.10; zu Titus 2 Kor 2.13; 7.6–7, 13–14). Ihre Funktion bestand also darin, die Botschaft des Paulus an die Gemeinde zu vermitteln. Wie wichtig ihre Bedeutung war, wird durch die Anrede ‘rechtmäßiges (γνήσιος) Kind’ (1 Tim 1.2; Tit 1.4) zum Ausdruck gebracht. Sie unterstreicht die Legitimität und Vorzüglichkeit der AngesprochenenFootnote 56 und damit der ihnen anvertrauten Anordnungen (= Inhalt der Past) gegenüber anderen, ‘von der Wahrheit abgeirrten’ (2 Tim 2.18) Interpretationen des Paulus (vgl. ferner 1 Tim 1.18–20; 4.1–5; 2 Tim 1.15; 4.14–15; Tit 3.10–11).

Allerdings ist zugleich auch ein wichtiger Unterschied zwischen Timotheus und Titus nicht zu übersehen. Dem Verfasser und den Lesern der Past war wahrscheinlich Timotheus viel bekannter als Titus. Dies spiegelt sich in den Darstellungen der beiden Briefe wider: Während die Abfassungssituation des 1 Tim durch Daten gekennzeichnet wird, die den Lesern vertraut waren, ist diejenige des Tit völlig unbekannt.

In 1 Tim begegnen mehr vertraute Personen- und Ortsnamen. Überhaupt ist Timotheus als Mitarbeiter des Paulus viel bekannter als Titus, oft wird er als Mitabsender der Protopaulinen genannt (1 Thess, 2 Kor, Phil und Phlm, vgl. ferner 2 Thess 1.1 und Kol 1.1). Zusammen mit Paulus war er in der Mission tätig (Phil 2.22) und wurde oft, wie oben erwähnt, als Vertreter von Paulus entsandt. Die Annahme liegt daher sehr nahe, dass er im paulinischen Missionsgebiet weithin bekannt war.Footnote 57 Auch dürfte Ephesus deswegen als Adresse des Timotheus gewählt worden sein, weil die Stadt ein bekannter Wirkungsort des Paulus war (vgl. Apg 19.10; 20.31).Footnote 58

Titus spielte eine entscheidende Rolle bei der Überwindung des Konfliktes zwischen Paulus und der korinthischen Gemeinde (2 Kor 7.6, 13–15) und bei der Kollektensammlung (2 Kor 8.6,16–24). Auch beim Apostelkonzil begleitete er Paulus und Barnabas nach Jerusalem (Gal 2.1–3). Er war also für Paulus eine starke Stütze in kritischen Situationen. Eine weitere Spur des Titus findet sich aber weder in den Protopaulinen noch in der Apostelgeschichte. Offensichtlich hatte man über ihn weniger Information zur Hand als über Timotheus. Dies legt sich besonders durch das Schweigen der Apg nahe.

Diese Sachlage hat es dem Verfasser erleichtert, eine briefliche Kommunikation zwischen ihm und Paulus zu erfinden.Footnote 59 Auch der Aufenthalt auf Kreta gehört zu den ‘verborgenen’ Nachrichten über Paulus, weil niemand sicher wissen konnte, ob Paulus dort eine Gemeinde gegründet hat.

In Tit finden sich noch andere Mitarbeiter des Paulus, deren Namen aber nicht weiter bekannt sind: Artemas (3.12) und Zenas der Rechtsgelehrte (3.13).Footnote 60 Sie verstärken den Eindruck, dass es in Tit um anderswo nicht bezeugte Verhältnisse geht.

Der Unterschied zwischen 1 Tim und Tit ist damit deutlich. 1 Tim wird an den bekannten Timotheus adressiert, der in Ephesus, einem der bekanntesten paulinischen Missionsorte, weilt. Dagegen hatten die Leser relativ wenig Kenntnis von Titus als einem Mitarbeiter des Paulus und von Kreta als seiner Wirkungsstätte.

Dieser Unterschied lässt sich m.E. am besten deuten, wenn Tit als Ergänzung und Erweiterung des 1 Tim gelesen wird. Durch Tit will der Verfasser den Lesern zu verstehen geben, dass die Anweisungen des Paulus für die ephesische Gemeinde (= Inhalt des 1 Tim) als allgemeingültige Lehre mutatis mutandis auch für unbekannte Gemeinden in Kreta gegeben wurden. Dieser Sachverhalt lässt sich auch so formulieren, dass Timotheus der ‘Hauptadressat’ des Corpus Pastorale ist, während Titus den ‘zweiten Adressaten’ darstellt.

3.3. Räumliche und zeitliche Ausdehnung durch die Dreizahl der Briefe

Dieses Verhältnis von Timotheus und Titus entspricht dem Verhältnis der drei Briefe innerhalb des Corpus Pastorale: Dem Inhalt des Corpus Pastorale wird Allgemeingültigkeit dadurch verliehen, dass der Gültigkeitsbereich des 1 Tim räumlich durch den des Tit und zeitlich durch den des 2 Tim ausgedehnt wird.

3.3.1. 1 Tim und Tit: Räumlich-geographische Ausdehnung des Gültigkeitsbereichs

Für die räumliche Ausdehnung des Gültigkeitsbereichs spielt die Verwandtschaft von 1 Tim und Tit eine sehr wichtige Rolle.

Sowohl thematisch als auch strukturell haben 1 Tim und Tit Gemeinsamkeiten. In beiden Briefen, die je an einen jungen ‘Nachfolger’ des Paulus (1 Tim 1.3; Tit 1.5) adressiert sind,Footnote 61 geht es um ‘Gemeindeleitung’, nämlich ‘um Probleme der Ordnung der Gemeinden und um ihre Verwaltung (vgl. 1 Tim 3,15; 5,17–22; 2 Tim 2,2; Tit 3,10f) und in Konsequenz davon um die Anforderungen an Leute in verantwortlichen Positionen (1 Tim 3,1–7.8–13; Tit 1,5.9)’.Footnote 62

Dem entspricht auch ihre Gliederung. Beide Briefe bestehen aus folgenden drei Teilen: (a) Kritik an der Irrlehre, (b) Anweisungen zum Kampf für den rechten Glauben und (c) konkrete Ermahnungen. Dabei fällt auf, dass Tit wie eine verkürzte Fassung des 1 Tim wirkt:

  1. (1) Tit 1.5–9//1 Tim 3.1–13 (Voraussetzungen für das Bischofs- und Presbyteramt)

  2. (2) Tit 1.14–16//1 Tim 1.4–11; 4.1–5 (jüdische Fabeln und Gebote, rein/ unrein)

  3. (3) Tit 2.1–10//1 Tim 5.1–6.2b (rechtes Verhalten gegenüber Männern und Frauen verschiedenen Alters und gegenüber Sklaven)

  4. (4) Tit 3.1–2//1 Tim 2.1–3 (Gehorsam gegenüber Machhabern und Obrigkeit)Footnote 63

All dies lässt sich als Strategie des Verfassers deuten, den Gültigkeitsbereich des Inhalts von 1 Tim geographisch auszudehnen: Was Paulus Timotheus gegenüber anordnet, wird nicht auf Ephesus (1 Tim 1.3) begrenzt, denn er gibt auch dem in Kreta tätigen Titus (Tit 1.5) Anweisungen parallelen Inhalts.Footnote 64 Die Anweisungen, die Paulus seinen Mitarbeitern für die Zeit seiner Abwesenheit gegeben hat, gelten über das ursprüngliche Gebiet hinaus für weitere paulinische Gemeinden.

3.3.2. 1 Tim und 2 Tim: Zeitliche Ausdehnung des Gültigkeitsbereichs

Für die zeitliche Ausdehnung ist das Verhältnis der beiden Timotheusbriefe zueinander wichtig. 2 Tim stellt sich ausdrücklich als letzten GefangenschaftsbriefFootnote 65 des Paulus dar, den dieser bei seinem Aufenthalt in Rom (Apg 28) abgefasst hat.Footnote 66 Paulus ist nun als Gefangener in Rom (1.8,17); ihm steht offenbar der Tod bevor (vgl. 4.6–18). Dass dies der letzte ‘Paulusbrief’ sei, soll den Lesern durch intertextuelle Anspielung auf die anderen Gefangenschaftsbriefe, vor allem auf Phil, bewusst gemacht werden.Footnote 67

Diese Situierung des 2 Tim lässt die Leser erkennen, was Paulus bis zuletzt in Sorgen hielt: die Irrlehrer, die von der Wahrheit, vom richtigen Verständnis des paulinischen Evangeliums, abgeirrt sind (vgl. 2 Tim 2.18; 4.4). Da es auch in 1 Tim und Tit um dieses Thema geht, weist das Problem der Irrlehre über jede konkrete Briefsituation hinaus und bildet eine Herausforderung für das paulinische Christentum auch in der Situation nach dem Tod des Paulus.Footnote 68

4. Schlussfolgerungen

Unsere Beobachtungen lassen sich wie folgt zusammenfassen:

  1. (1) Die Past sind trotz ihres Inhalts, zu dem eher die Gattung eines Gemeindebriefes passen würde, als persönliche Briefe des Paulus formuliert. Dies hängt mit der antiken Echtheitskritik zusammen, deren zentrales Anliegen die Prüfung der Entstehungsverhältnisse war. Im Falle von persönlicher Korrespondenz kann die Briefsituation leichter fingiert werden als bei einem Gemeindebrief, und ausserdem lässt sich leichter erklären, warum der Brief bisher unbekannt war.

  2. (2) Die Dreizahl der Past macht durch die Form einer Briefsammlung die Entdeckungsumstände dieser persönlichen Briefe verständlich und gibt den Lesern einen Hinweis auf die Gewohnheit des Paulus, neben Gemeindebriefen auch persönliche Briefe zu schreiben. Das Corpus Pastorale hat aber zugleich die Funktion, als Interpretament des Corpus Paulinum seine ‘richtige’ Interpretation vorzulegen.

  3. (3) Das Corpus Pastorale verleiht seinen Äußerungen Allgemeingültigkeit dadurch, dass der Gültigkeitsbereich des Inhalts von 1 Tim räumlich durch Tit und zeitlich durch 2 Tim ausgedehnt wird.

References

1 Wir gehen davon aus, dass die Past pseudo-paulinisch sind und als ein Corpus aus drei Briefen von ein und demselben Autor verfasst worden sind (so mit Recht etwa Trummer, P., ‘Corpus Paulinum—Corpus Pastorale. Zur Ortung der Paulustradition in den Pastoralbriefen’, Paulus in den neutestamentlichen Spätschriften [Hg. K. Kertelge; QD 89; Freiburg et al.: Herder, 1981] 122–45: 125Google Scholar; Roloff, J., Der erste Brief an Timotheus [EKK XV; Zürich: Benziger; Neukirchen-Vluyn: Neukirchener, 1988] 43Google Scholar; Weiser, A., Der zweite Brief an Timotheus [EKK XVI/1; Düsseldorf/ Zürich: Benziger; Neukirchen-Vluyn: Neukirchener, 2003] 53Google Scholar; Marshall, I. H., The Pastoral Epistles [ICC; Edinburgh: T&T Clark, 1999] 86Google Scholar). Die Versuche, die Pastoralbriefe als ganze bzw. teilweise (vor allem 2 Tim) dem historischen Paulus zuzuschreiben, sind zwar nicht überzeugend, zeigen aber zugleich, wie geschickt die Autorfiktion der Past konstruiert ist. Zur Kritik an diesen Versuchen vgl. vor allem Häfner, G., ‘Das Corpus Pastorale als literarisches Konstrukt’, ThQ 187 (2007) 258–73Google Scholar: 259–65.

2 Der Philemonbrief ist kein persönlicher Brief, denn er richtet sich nicht nur an Philemon, sondern auch an die Mitglieder seiner Hausgemeinde (Phlm 2: ‘und an Aphia, die Schwester, und Archippus, unsern Mitstreiter, und an die Gemeinde in deinem Hause’).

3 Vgl. die Beispiele der pseudepigraphischen Briefe an Einzelpersonen mit paränetischem Inhalt in: Wilder, T. L., Pseudonymity, the New Testament, and Deception. An Inquiry into Intention and Reception (Lanham, MD: University Press of America, 2004) 82111Google Scholar. Seine Ansicht, dass die fraglichen paulinischen Briefe ohne Täuschungsabsicht sein könnten, weil sie an griechisch-römische pseudepigraphische Briefe erinnern, die keine Täuschungsabsicht zu haben scheinen (a.a.O. 111), ist aber nicht überzeugend, sofern es bei der ‘Täuschungsabsicht’ hier um den Versuch geht, den Lesern die falsche Verfasserangabe zu verbergen. Briefe paränetischen Inhalts können in diesem Falle auch mit Täuschungsabsicht der Verfasserschaft abgefasst sein (vgl. den pseudepigrapischen Brief des Jeremia).

4 Torm, F., Die Psychologie der Pseudonymität im Hinblick auf die Literatur des Urchristentums (SLA 2; Gütersloh: Bertelsmann, 1932) 50Google Scholar. Zur Dreizahl ferner vgl. Johnson, L. T., Letters to Paul's Delegates (New Testament in Context; Valley Forge, PA: Trinity, 1996) 25Google Scholar; Mounce, W. D., Pastoral Epistles (WBC 46; Nashville, TN: Thomas Nelson, 2000) lxxxiiiGoogle Scholar; Fee, G. D., 1 and 2 Timothy, Titus (NIBC; Peabody, MA: Hendrickson, 1988)Google Scholar 6 und 28 (Anm. 14).

5 Darauf weist auch Schnelle, U., Einleitung in das Neue Testament (UTB1830; Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 4th ed. 2002) 383Google Scholar, hin.

6 Vgl. auch Schnelle, Einleitung (s. Anm. 5) 383.

7 So bereits Barnett, A. E., Paul Becomes Literary Influence (Chicago: University of Chicago, 1941) 251Google Scholar: ‘The suggestion for the writing of a letter collection in the name of Paul would naturally come through acquaintance with an existing Pauline letter collection’.

8 Trummer, ‘Corpus Paulinum’ (s. Anm. 1) 133 (Kursiv im Original, Ergänzung von Tsuji).

9 Vgl. Baum, A. D., Pseudepigraphie und literarische Fälschung im frühen Christentum (WUNT II/138; Tübingen: Mohr Siebeck, 2001) 100112Google Scholar (112: ‘Altkirchliche Leser [lehnten] keineswegs nur pseudepigraphische Schriften ketzerischen Inhalts, sondern auch solche rechtgläubigen Inhalts ab’; kursiv im Original). Daher kann man trotz U. Schnelles Kritik (Einleitung [s. Anm. 5], 329 Anm. 12) Frenschkowski, M. recht geben (Ders., ‘Pseudepigraphie und Paulusschule. Gedanken zur Verfasserschaft der Deuteropaulinen, insbesondere der Pastoralbriefe’, Das Ende des Paulus. Historische, theologische und literaturgeschichtliche Aspekte [Hg. F. W. Horn; BZNW 106; Berlin/New York: de Gruyter, 2001] 239–72, hier 251)Google Scholar, der meint: ‘Es bleibt dabei, daß Pseudepigraphie eine bewußte und planmäßig durchgeführte Täuschung ist, welche—wenn sie erkannt worden wäre—damalige Leser im allgemeinen ebenso vor den Kopf gestoßen hätte wie heutige’. So bereits auch Bassler, J. M., 1 Timothy, 2 Timothy, Titus (Abingdon New Testament Commentaries; Nashville, TN: Abingdon, 1996)Google Scholar 21: ‘Evidence from later Christian circles shows that vigorous efforts were made at that time to identify documents written pseudonymously in an apostle's name and that such documents, once identified, were invariably rejected’. Vgl. auch Wilder, Pseudonymity (s. Anm. 3) 128–48.

10 Speyer, W., Die literarische Fälschung im Altertum (HAW I/2; München: C. H. Beck, 1971) 1516Google Scholar; ferner Brox, N., Falsche Verfasserangaben. Zur Erklärung der frühchristlichen Pseudepigraphie (SBS 79; Stuttgart: KBW, 1975) 6870Google Scholar; Frenschkowski, ‘Pseudepigraphie’ (s. Anm. 9) 251.

11 Vgl. Speyer, Fälschung (s. Anm. 10) 112–28, 152–5, 179–218; Brox, Verfasserangaben (s. Anm. 10) 75; Laub, F., ‘Falsche Verfasserangaben in neutestamentlichen Schriften. Aspekte der gegenwärtigen Diskussion um die neutestamentliche Pseudepigraphie’, TThZ 89 (1980) 228–42Google Scholar: 231 Anm. 6.

12 Tertullian, De baptismo 17.5.

13 Vgl. Baum, Pseudepigraphie (s. Anm. 9) 103–5. Der Presbyter wurde verworfen nicht wegen des häretischen Inhalts seines Werkes, sondern weil er den pseudonymen 3. Korintherbrief als Teil der Paulusakten ausgab; vgl. dazu Wilder, Pseudonymity (s. Anm. 3) 128–32.

14 Merz, A., ‘Amore Pauli: Das Corpus Pastorale und das Ringen um die Interpretationshoheit bezüglich des paulinischen Erbes’, ThQ 187 (2007) 274–94Google Scholar: 277 mit Anm. 10, führt den Fall der Paulusakten und ‘die Nachrichten über die für einige Paulinen (bes. den Hebräerbrief) intensiv geführte Echtheitsdiskussion’ (a.a.O. Anm. 10) als Beweis für die Täuschungsabsicht der Pseudepigraphen an. Durch diese Beispiele wird aber nicht die Absicht des pseudonymen Verfassers, sondern die der Pseudepigraphie gegenüber ablehnende Einstellung der Rezipienten aufzeigt.

15 Speyer, Fälschung (s. Anm. 10) 139–42, nennt Beispiele von Philosophen, unter deren Namen verschiedene unechte Schreiben entstanden waren, um die Gedanken der Fälscher zu verbreiten oder den Gegner zu verunglimpfen. Dies lässt sich auf jene christlichen Fälschungen anwenden, die Speyer unter den Bezeichnungen ‘Fälschungen der Häretiker und Schismatiker’ und ‘Fälschungen der Rechtgläubigen’ darstellt (a.a.O. 260–303).

16 Bei Kol, 2 Thess und Past liegt dies auf der Hand (vgl. Kol 2.16–23; 2 Thess 2.1–12; 1 Tim 1.3–4 u.a.m). In Eph handelt es sich zwar nicht um eine Irrlehre, aber um die Spannung zwischen Juden- und Heidenchristen, wobei der Verfasser seine judenchristliche Position auf Paulus selbst zurückzuführen versucht (vgl. Eph 2.11–22). Vgl. hierzu Fischer, K. M., Tendenz und Absicht des Epheserbriefes (Berlin: Evangelische Verlagsanstalt, 1973) 8394CrossRefGoogle Scholar, wonach Eph versucht, ‘eine Entscheidung zu verhindern, die dem Juden als Juden das Christsein unmöglich machte’. (93)

17 Baum, Pseudepigraphie (s. Anm. 9) 24–30: ‘Die Methoden, deren man sich bediente, waren in der heidnischen und christlichen Echtheitskritik weitgehend identisch’ (23). Vgl. auch Speyer, Fälschung (s. Anm. 10) 124–6, 181–92, der als Methoden der Echtheitskritik den Vergleich des Stils, des Wortschatzes, des Lehrinhalts sowie der chronologischen Entstehungsverhältnisse nennt. Er erwähnt auch die äußere Bezeugung als Echtheitskriterium (126).

18 Deutsche Übersetzung von Kraft, H. (Eusebius von Caesarea. Kirchengeschichte [Darmstadt: WBG, 3d ed. 1989], z.St.)Google Scholar.

19 In den Past fehlen zwar einige typisch ‘paulinische’ Stichwörter wie σταυρός, λϵυθϵρία, σῶμα und υἱός; andererseits werden aber auch andere für Paulus wichtige Termini verwendet, z.B. δίκαιος/ δικαιοσύνη/ δικαιόω (1 Tim 1.9; 3.16; 6.11; 2 Tim 2.22; 3.16; 4.8; Tit 1.8; 2.12; 3.5, 7) und ἅγιος/ ἁγιάζω/ ἁγιασμός (1 Tim 2.15; 4.5; 5.10; 2 Tim 1.9, 14; 2.21; Tit 3.5). Ferner finden sich Formulierungen, die die Protopaulinen assoziieren lassen: ‘das Gesetz ist gut’ (1 Tim 1.8; vgl. Röm 7.12, 16); ‘dem Satan übergeben’ (1 Tim 1.20; vgl. 1 Kor 5.5); ‘Gott hat uns nicht gegeben den Geist der Furcht, sondern der Kraft und der Liebe und der Besonnenheit’ (2 Tim 1.7; vgl. Röm 8.15); ‘schäme dich nicht des Zeugnisses von unserm Herrn noch meiner, der ich sein Gefangener bin’ (2 Tim 1.8; vgl. Röm 1.16) sowie die Metapher der (irdenen) Gefäße (2 Tim 2.20; vgl. 2 Kor 4.7; Röm 9.21). Diese Stellen evozieren offenbar eine intertextuelle Assoziation der Leser.

20 Alle Deuteropaulinen beziehen sich auf Themen und Ausdrücke, die sich in den Protopaulinen finden, bemühen sich aber scheinbar nicht darum, ganz im Rahmen des ‘paulinischen’ Sprachgebrauchs zu bleiben. Bei 2 Thess liegt dies auf der Hand. Zu Kol und Eph ist etwa auf die Metapher von der Gemeinde als Leib Christi (Kol 1.18, 24; Eph 1.22–23; 5.23; vgl. Röm 12; 1 Kor 12. Vgl. hierzu Roose, H., ‘Die Hierarchisierung der Leib-Metapher im Kolosser- und Epheserbrief als ‘Paulinisierung’: Ein Beitrag zur Rezeption paulinischer Tradition in pseudo-paulinischen Briefen’, NT 47 [2005] 117–41Google Scholar) und auf das Taufverständnis als Anteil an Kreuz und Auferstehung Christi hinzuweisen (Kol 2.12; Eph 2.6; vgl. Röm 6.4).

21 ‘Die Biographie des Paulus’ bedeutet nicht unbedingt die (zweite Hälfte der) Apostelgeschichte. Es dürfte weitere Überlieferungen zur Aktivität des Paulus gegeben haben, wie die Paulusakten bezeugen. Für den Verfasser eines pseudopaulinischen Briefes war es also entscheidend, dass die vorausgesetzten Entstehungsverhältnisse in seinen Lesern keine Widersprüche weckten, wenn sie diese mit den ihnen bekannten Geschichten des Paulus in Verbindung brachten.

22 Zur literarischen Abhängigkeit des Kol von Phlm vgl. Standhartinger, A., Studien zur Entstehungsgeschichte und Intention des Kolosserbriefs (NT.S 94; Leiden: Brill, 1999) 81–5Google Scholar; ferner Hübner, H., An Philemon. An die Kolosser. An die Epheser (HNT12; Tübingen: Mohr, 1997) 10Google Scholar.

23 Tacitus Annal. XIV 27; Euseb Chron. 183,21–22. Vgl. auch Orosius, hist. adv. pag. VII 7.12; Sib IV 106–7; III 471–73; V 318–20. Anders aber Schmeller, Th., Schulen im Neuen Testament? (HBS 30; Freiburg et al.: Herder, 2001)Google Scholar 194 Anm. 51: ‘Wir wissen nicht, ob es [sc. das Erdbeben] neben Laodizea tatsächlich auch Kolossä betraf, und falls ja, ob Kolossä tatsächlich eine Zeitlang nicht mehr besiedelt war’. Vgl. ferner Broer, I., Einleitung in das Neue Testament, II (NEB Ergänzungsband 2/II; Würzburg: Echter, 2001) 492Google Scholar, der auf zwei Inschriften aus den ersten Jahrzehnten des zweiten Jahrhunderts und auf einige wenige Münzen aus dem zweiten und dritten Jahrhundert hinweist und meint: ‘Es ist durchaus möglich, daß Kolossä erst durch ein späteres Erdbeben endgültig zerstört und erst dann aufgegeben worden ist’.

24 Lindemann, Mit A., ‘Die Gemeinde von “Kolossä”’, Paulus, Apostel und Lehrer der Kirche (Tübingen: Mohr Siebeck, 1999) 187210Google Scholar: 204–5. Leppä, Nach O., The Making of Colossians (Publications of the Finnish Exegetical Society 86; Helsinki: The Finnish Exegetical Society; Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 2003) 13Google Scholar, wäre die Gemeinde, auch wenn sie das Erdbeben überlebt hätte, zur Entstehungszeit des Kol sehr klein gewesen, weswegen der Verfasser seine fiktive Schrift an diese kleine (oder vielleicht inexistente) Gemeinde gerichtet habe: ‘Had he addressed his letter to Ephesus, there would have been more people noticing that the letter is not genuine’ (13–14).

25 Vgl. Tertullian, Adv. Marc V 11.12.

26 Die subscriptiones des Röm und des Hebr zeigen, dass Abschreiber eher die Anschrift mit zusätzlichen Informationen detaillieren als streichen. Die Streichung von ν ʿPώμῃ in Röm 1.7,15 ist bloß eine kleine Ausnahme (G pc), die nicht als Parallele zu Eph 1.1 gelten kann (gegen van Kooten, G. H., Cosmic Christology in Paul and the Pauline School [WUNT II/171; Tübingen: Mohr Siebeck, 2003] 197201Google Scholar, wonach der Brief ursprünglich an Laodizea adressiert gewesen sei).

27 Zu den syntaktischen Schwierigkeiten der Lesart ohne ν Ἐϕσῳ vgl. vor allem Sellin, G., Der Brief an die Epheser (KEK 8; Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 2008) 6870Google Scholar. Für einen Rundbrief wäre ferner eine Anschrift wie diejenige des Gal (‘an die Gemeinden in Galatien’) oder des 1 Petr (‘an die Fremdlinge in der Zerstreuung in Pontus, Galatien, Kappadozien, Asia und Bithynien’) möglich gewesen.

28 Die Erklärung von U. Luz (‘Der Brief an die Epheser’, Becker, J./Luz, U., Die Briefe an die Galater, Epheser und Kolosser [NTD 8/1; Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 18 ed. 1998] 105–80CrossRefGoogle Scholar: 108, 115), nach der in der Lücke ‘der Ort der jeweiligen Empfängergemeinde dieses Zirkularbriefes eingefügt wurde’ (115), lässt sich textkritisch nicht stützen (es finden sich keine Handschriften mit anderen Ortsangaben). Man hat dort ‘Ephesus’ eingefügt, nicht weil es eine der Empfängergemeinden gewesen wäre, sondern weil Ephesus für die ursprüngliche (und aus irgendwelchen Gründen ausgelassene) Zielangabe dieses Briefes gehalten wurde.

29 Unten wird die Pseudonymität des 2 Thess vorausgesetzt, ohne auf die Echtheitsdiskussion ausführlich einzugehen; vgl. dazu z.B. Trilling, W., Der zweite Brief an die Thessalonicher (EKK XIV; Zürich: Benziger; Neukirchen-Vluyn: Neukirchener, 1980) 22–6Google Scholar.

30 Vgl. zu den Übereinstimmungen zwischen beiden Briefen sowohl im Aufbau als auch im Wortlaut: Schnelle, Einleitung (s. Anm. 5) 368–9.

31 Dabei bezieht sich das ὡς δι’ ἡμῶν nur auf δι’ πιστολῆς, nicht auf die vorangehenden Ausdrücke διὰ πνϵύματος und διὰ λόγου (gegen Malherbe, A. J., The Letters to the Thessalonians [AB 32B; New York et al.: Doubleday, 2000] 417Google Scholar); wie wäre sonst der Ausdruck διὰ πνϵύματος ὡς δι’ ἡμῶν zu verstehen?

32 Bejahend z.B. Collins, R. F., Letters That Paul Did Not Write. The Epistle to the Hebrews and the Pauline Pseudepigrapha (Good New Studies 28; Wilmington, DE: Michael Glazier, 1988) 224Google Scholar; E. Reinmuth, ‘Die Briefe an die Thessalonicher’, N. Walter/E. Reinmuth/P. Lampe, Die Briefe an die Philipper, Thessalonicher und an Philemon (NTD 8/2; Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 18[=1]1998) 103–202: 162; Trilling, 2 Thess (s. Anm. 29) 77. Verneinend: Best, E., A Commentary on the First and Second Epistles to the Thessalonians (BNTC; London: A&C Black, 1972) 279Google Scholar; Schmeller, Schulen (s. Anm. 23) 249–50 u.a.

33 Blass, Nach F./Debrunner, A./Rehkopf, F., Grammatik des neutestamentlichen Griechisch (GTL; Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 17 ed. 1990)Google Scholar §4256 ist nach ἡμῶν ein γϵγραμμνης zu ergänzen.

34 Trilling, 2 Thess (s. Anm. 29) 75–6.

35 Roose, Mit H., ‘ “A Letter as by Us”: Intentional Ambiguity in 2 Thessalonians 2.2’, JSNT 29 (2006) 107–24Google Scholar.

36 Zur Deutung von 2 Thess 2.15, wo einige Exegeten einen Hinweis auf 1 Thess zu finden meinen, vgl. Roose, ‘Letter’ (s. Anm. 35) 113 Anm. 17.

37 Z.B. Wanamaker, C. A., The Epistles to the Thessalonians (NIGTC; Grand Rapids, MI: Eerdmans, 1990) 3745Google Scholar; dagegen vgl. Malherbe, Thess (s. Anm. 31) 361–4. Weitere Anhänger der Priorität des 2 Thess bei Roose, ‘Letter’ (s. Anm. 35) 116 Anm. 23.

38 Gegen Broer, Einleitung (s. Anm. 23) 545, der meint, dass ‘die pseudepigraphische Abfassung von Pastoralbriefen an Einzelpersonen für die Akzeptanz dieser Briefe eher gefählich war’.

39 Mit Schnelle, Einleitung (s. Anm. 5) 380 und den ebd. Anm. 193 genannten Autoren.

40 Bauckham, R., ‘Pseudo-Apostolic Letters’, JBL 107 (1988) 469–94: 487Google Scholar, schreibt m.R. die Seltenheit pseudepigraphischer Briefe im 2. und 3. Jahrhundert der ‘sheer difficulty of using a pseudepigraphical letter to perform the same functions as an authentic letter’ zu.

41 Vgl. z.B. Kümmel, W. G., Einleitung in das Neue Testament (Heidelberg: Quelle & Meyer, 21 1983) 330332Google Scholar; Schnelle, Einleitung (s. Anm. 5) 376.

42 So Schenke, H.-M./Fischer, K. M., Einleitung in die Schriften des Neuen Testaments, I: Die Briefe des Paulus und Schriften des Paulinismus (Gütersloh: Gerd Mohn, 1978) 226Google Scholar. Vgl. auch Schnelle, Einleitung (s. Anm. 5) 387 und Roloff, 1 Tim (s. Anm. 1) 40, wonach sich die Benutzung der Apg ‘nicht nachweisen’ lässt.

43 Der Verfasser kennt ohne Zweifel 1 Kor neben 2 Kor und Röm, ferner Phil und Phlm, wohl auch Kol. Dazu vgl. Schnelle, Einleitung (s. Anm. 5) 387 und meinen Aufsatz, ‘Der zweite Timotheus als letzter Gefangenschaftsbrief’, Kwansei Gakuin University Humanities Review 11 (2007) 1–11: 6.

44 Speyer, Fälschung (s. Anm. 10) 226: ‘Die Lücken in der geschichtlichen und literarischen Überlieferung waren für die Fälscher ein guter Anknüpfungspunkt, ihren Erzeugnissen den Schein des Echten zu verleihen und Zweifel an der Echtheit ihrer neuen Erzeugnisse zu zerstreuen’.

45 Thiessen, W., Christen in Ephesus (TANZ 12; Tübingen/Basel: Francke, 1995) 251Google Scholar. Thiessen bemerkt dazu: ‘Der Name Titus scheint mit dieser Mission fest verbunden zu sein’ (ebd.).

46 Die kleinen Unterschiede zur Darstellung der Apg—z.B. der Aufenthalt des Paulus in Troas (2 Tim 4.13) und jener des Timotheus in Ephesus zu diesem Zeitpunkt (vgl. 1.18; 4.19)—sind dadurch zu erklären, dass der Verfasser die Apg nicht kannte.

47 Vgl. oben Anm. 7 und 8. Zur Kenntnis des Verfassers der Past vom Corpus Paulinum, vgl. oben Anm. 43. Dass dem Verfasser des Kol schon mehrere Paulusbriefe zugänglich waren, legt Leppä, Making (s. Anm. 24) bes. 218–23 nahe. Daraus kann man schließen, dass die Zusammenstellung der Paulusbriefe relativ früh begonnen hat.

48 So richtig Trummer, ‘Corpus Paulinum’ (s. Anm. 1) 133: ‘Die Past konnten als pln Pseudepigrapha nur geschrieben und verbreitet werden im Zuge einer Neuedition des bisherigen Corpus. Eine andere Entstehung hätte bei aller vorhandenen Leichtgläubigkeit und dem teilweise unkritischen Verhalten frühchristlicher Kreise doch auch auf eine sehr empfindliche Kritik und Abwehr stoßen müssen’ (Kursiv im Original).

49 Besonders auffällig ist, dass sich in 2 Tim keine Bezugnahme auf 1 Tim finden lässt.

50 Trummer, ‘Corpus Paulinum’ (s. Anm. 1) 133 (beide Zitate).

51 Hierzu vgl. meinen Aufsatz, , ‘Die Intertextualität von 1Tim 2,1–3/Tit 3,1–2’, Neutestamentliche Exegese im Dialog: Hermeneutik—Wirkungsgeschichte—Matthäusevangelium (FS U. Luz; Hg. P. Lampe/M. Mayordomo/M. Sato; Neukirchen-Vluyn: Neukirchener, 2008) 99110Google Scholar.

52 Zu dieser Stelle vgl. meinen Aufsatz, , ‘Zwischen Ideal und Realität: Zu den Witwen in 1 Tim 5.3–16’, NTS 47 (2001) 92104Google Scholar.

53 Mit Merz, ‘Amore Pauli’ (s. Anm. 14) 283, wonach es in der pseudepigraphischen Literatur durch die fingierte Eigentextreferenz ‘jede Möglichkeit der Veränderung des einmal Gesagten’ gibt, ‘etwa einseitige Verstärkung, anknüpfende Zuspitzung, eindeutige Interpretation mehrdeutiger Formulierungen, Korrektur von “Missverständnissen”; Modifikation bis hin zum Widerruf’.

54 Vgl. Merz, ‘Amore Pauli’ (s. Anm. 14) 285.

55 Roloff, 1 Tim (s. Anm. 1) 21; Brox, N., Die Pastoralbriefe (RNT; Regensburg: Pustet, 5 1989) 17Google Scholar (‘vermutlich’); Merkel, H., Die Pasoralbriefe (NTD 9/1; Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 13=1 1991) 6CrossRefGoogle Scholar; Borse, U., 1. und 2. Timotheusbrief/ Titusbrief (SKK.NT 13; Stuttgart: Katholisches Bibelwerk, 1985) 22Google Scholar (‘anscheinend’). Dagegen aber Oberlinner, L., Die Pastoralbriefe, erste Folge: Kommentar zum ersten Timotheusbrief (HThK IX/2/1; Freiburg u.a.: Herder, 1994) 5Google Scholar: ‘Die These einer von Paulus bewirkten Bekehrung des Timotheus zum christlichen Glauben ist weder aus der Apg zu erschließen, noch läßt sie sich aus den Paulusbriefen ableiten’.

56 Mit Oberlinner, 1 Tim (s. Anm. 55) 5; Marshall, Pastoral Epistles (s. Anm. 1) 357; Hasler, V., Die Briefe an Timotheus und Titus (ZBKNT 12; Zürich: TVZ, 1978)Google Scholar 11 u.a.

57 Die Bemerkung in Hebr 13.23 (‘Wisst, dass unser Bruder Timotheus wieder frei ist; mit ihm will ich euch, wenn er bald kommt, besuchen’) spiegelt wohl diesen Sachverhalt wider.

58 Deswegen müssen Abschreiber des Eph in 1.1 diesen Ortsnamen eingesetzt haben. Vgl. Luz, ‘Epheser’ (s. Anm. 28) 108; Broer, Einleitung (s. Anm. 21) 512, u.a.m.

59 Man könnte zwar auch behaupten, diese Kommunikation sei nicht fiktiv, sondern bloss nirgendwo anders bezeugt. Dann müsste man sich aber der Frage stellen, wie die Abfassungssituationen des 1 Tim und Tit im Lebenslauf des Paulus zu verorten sind.

60 Zusammen mit den unbekannten Namen werden auch bekannte Personen wie Tychikus (vgl. Apg 20.4; Kol 4.7; Eph 6.21–22; ferner 2 Tim 4.12) und Apollos (vgl. Apg 18.24; 19.1; 1 Kor 1.12; 3.4–6, 22; 4.6; 16.12) erwähnt, um diese Namensliste historisch wahrscheinlich zu machen.

61 Timotheus und Titus werden parallel dargestellt: Sie sind jung, sollen aber den Gläubigen ein Vorbild sein (1 Tim 4.12; Tit 2.6–7) und von niemandem verachtet werden (1 Tim 4.12; Tit 2.15).

62 Oberlinner, 1 Tim (s. Anm. 55) XXIII.

63 Die Mahnung ‘erinnere sie’ (Tit 3.1) muss sich auf Röm 13.1–7 beziehen, wobei die Leser sich zugleich daran erinnern sollen, dass ‘Paulus’ schon in 1 Tim 2.1–3 davon geredet hat. Vgl. dazu Tsuji, ‘Intertextualität’ (s. Anm. 51) 108.

64 Deswegen will 1 Tim m.E. vor Tit gelesen werden. Die umgekehrte Reihenfolge ist wenig wahrscheinlich, denn dabei lässt sich nicht erklären, warum der ausführlichere 1 Tim erst nach dem kürzeren Tit zu lesen wäre. Das heißt aber nicht unbedingt, dass 1 Tim früher als Tit entstanden ist. Die zeitliche Reihenfolge bleibt absichtlich offen (vgl. oben).

65 Die Gattung des 2 Tim ist eher als Gefangenschaftsbrief zu bezeichnen denn als Testament (gegen Weiser, 2 Tim [s. Anm. 1] 35; Collins, R. F., I & II Timothy and Titus [New Testament Library; Louisville/London: Westminster John Knox, 2002]Google ScholarPubMed 7 u.ö.). Gegen die Gattungsbestimmung als Testament spricht vor allem, dass Paulus noch ein Wiedersehen des Timotheus erwartet (4.9, 13).

66 Oft wird ‘mein erstes Verhör’ (4.16) auf Apg 28 bezogen, in Verbindung mit der Hypothese, dass Paulus nach dem Ereignis von Apg 28 einmal freigelassen, dann aber wieder nach Rom ins Gefängnis gebracht worden sei (= Situation des 2 Tim). Dagegen aber m.R. Brox, Past (s. Anm. 55) 28–31.275 sowie Weiser, 2 Tim (s. Anm. 1) 57–8, 323.

67 In 4.6–8 verwendet der Verfasser Ausdrücke, die die Leser intertextuell an diejenigen in Phil erinnern und zugleich zu erkennen geben, dass Paulus nun seinem Tod näher steht als zur Abfassungszeit des Phil: Vgl. Phil 2.17 (‘Wenn ich auch geopfert werde [ϵἰ καὶ σπνδομαι]’) mit 2 Tim 4.6a (‘Ich werde schon geopfert [ἤδη σπνδομαι]’); Phil 1.23 (‘Ich habe Lust, aus der Welt zu scheiden [τὴν πιθυμίαν χων ϵἰς τὸ ἀναλῦσαι]’: Hoffnung) mit 2 Tim 4.6b (‘Die Zeit meines Hinscheidens ist gekommen [ὁ καιρὸς τῆς ἀναλύσϵώς μου ϕστηκϵν]’: baldige Verwirklichung); Phil 3.12 (‘Nicht, dass ich's schon ergriffen habe oder schon vollkommen sei [τϵτϵλϵίωμαι]’) mit 2 Tim 4.7 (‘Ich habe den Lauf vollendet [τϵτλϵκα]’). Dazu kommt, dass Paulus in Phil 1.25–26; 2.24 (sowie Phlm 22) seine Hoffnung noch auf Freilassung und ein Wiedersehen der Briefempfänger setzen konnte, während er das in 2 Tim offensichtlich aufgegeben hat (vgl. 4.9–15; Timotheus soll ihn im Gefängnis besuchen). Dies alles lässt die Leser begreifen, dass Paulus sich nun in seiner letzten Phase der Gefangenschaft befindet und ihm der Tod nahe bevorsteht. Dazu vgl. Tsuji, ‘Der zweite Timotheus’ (s. Anm. 43) 6–10.

68 Auf die Verbindungsfunktion des Gegnerthemas im Corpus Pastorale weist auch Häfner, ‘Das Corpus Pastorale’ (s. Anm. 1) 263 und 267 hin.