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Leben allein aus Gnade. Eph 2.1-10 und die paulinische Rechtfertigungsbotschaft*

Published online by Cambridge University Press:  08 June 2011

Christine Gerber
Affiliation:
Institut für Neues Testament, Fachbereich Theologie der Universität Hamburg, Sedanstraße 19, D-20146 Hamburg, Germany email: christine.gerber@uni-hamburg.de
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Abstract

In view of some ‘Pauline’ sounding phrases, Eph 2.8-9 is held to be one of the most adequate receptions of the theologoumenon of justification by faith, not works. So could the text be an indicator in the discussion about the right ‘Perspective on Paul’? This paper argues instead that we should read Eph 2.8-9 in its own context and that means first of all that we should follow the flow of the dominant metaphor of ‘dead and alive’. While some phrases might be a Pauline reminiscence, the text as a whole deals with the grace of God in order to substantiate the demand for a life lived according to God's will, as described in greater detail in Ephesians 4–6. Nevertheless Eph 2.1-10 is broadly coherent with Paul's theology.

German abstract: Eph 2.1-10 wird in der Auslegung vor allem an der paulinischen Tradition gemessen. Irritiert die scheinbar ‘realisierte Eschatologie’ in V.6, so gilt andererseits V.8f als einer der wenigen nachpaulinischen Reflexe der Rechtfertigungslehre im Neuen Testament. Allerdings fehlt die spezifische Terminologie, und was überhaupt die Rechtfertigungsbotschaft des Paulus ausmacht, ist heute umstritten. Die vorliegende Auslegung fordert daher, den Text in seinem eigenen Duktus und in Wahrnehmung seiner besonderen Tot-lebendig-Metaphorik zu lesen: Jüdische wie nichtjüdische Menschen waren ‘tot in Sünden’ (V.1-3, 5). Ihre Rettung verdankt sich allein der Gnade Gottes, der die Menschen mit Christus ‘lebendig macht’. So begründet der Text, ohne die Endzeiterwartung zu dispensieren, die Aufgabe zu einem Leben gemäß dem Willen Gottes (V.10).

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Copyright © Cambridge University Press 2011

Für die Diskussion über die angemessene Paulusauslegung, die seit gut 30 Jahren die Theologie bewegt,Footnote 1 können die Briefe der paulinischen Tradition ein Lackmustest sein. Bezeugen sie, dass die sog. Lehre von der Rechtfertigung des sündigen Individuums allein aus Glauben als Herzstück der Theologie des Paulus gesehen wurde? Oder reflektieren sie vielmehr, dass es Paulus um die Frage der Inklusion der nichtjüdischen Menschen in das Gottesvolk ging, und dabei speziell um die Kritik einer Gesetzespraxis, welche die Heiden ausschloss, bzw. um die Abwehr der Forderung, dass nichtjüdische Menschen sich dem Gesetz unterstellen müssen, um Teil der Gemeinde Gottes sein zu können? Oder sind sie gar nicht aussagekräftig für die Intention der paulinischen Theologie, da sie eine veränderte missionarische und theologische Situation spiegeln, in der das, was zu Zeiten des Paulus noch umstritten war, sich durchgesetzt hatte—oder unerheblich geworden war?

Unter den doch verhältnismäßig mageren Spuren der paulinischen Rechtfertigungslehre in den nachpaulinischen SchriftenFootnote 2 kommt dem pseudopaulinischenFootnote 3 Epheserbrief Signifikanz zu, inszeniert er doch sein Schreiben nicht einfach als Fixierung der apostolischen Paratheke, sondern als Schreiben an Neubekehrte aus den Völkern, hält also die Erinnerung an das Christentum als ‘Bekehrungsreligion’ wachFootnote 4 und verwendet hierbei die reformatorischen Schlüsselworte von der Rettung aus Gnade und Glaube (Eph 2.8-10). Im Folgenden skizziere ich die Diskussion über die theologiegeschichtliche Einordnung dieser Bemerkung (1.1). Daraus folgt die Forderung, die Verse Eph 2.8-10 zunächst in ihrem eigenen Kontext auszulegen (1.2). Eine solche Exegese wird anschließend entwickelt (2), um dann die Frage nach dem Verhältnis zur Theologie des Apostels Paulus noch einmal aufzunehmen (3). Nicht die große Frage, was Anlass und Zweck der Abfassung des Epheserbriefes war,Footnote 5 aber doch das Anliegen einer Briefpassage mittels und jenseits des Traditionsbezugs möge so deutlich werden.

1. Ein Reflex der paulinischen Rechtfertigungslehre im Epheserbrief?

1.1. Zur Diskussion

In Eph 2.8f finden sich deutliche Anklänge an Formulierungen der als authentisch geltenden Paulusbriefe:Footnote 6

8 Τῇ γὰρ χάριτί ϵ̓στϵ σϵσῳσμϵ́νοι διὰ πίστϵως·

καὶ τοῦτο οὐκ ϵ̓ξ ὑμῶν,

θϵοῦ τὸ δῶρον·

9 οὐκ ϵ̓ξ ϵ῎ργων,

ἵνα μή τις καυχήσηται·

Nun ist freilich schon auf den ersten Blick zu erkennen, dass der Eph hier nicht einfach unverändert paulinische Aussagen redupliziert. Das Wortfeld von Gerechtigkeit und νόμος fehlt gänzlich.Footnote 7 Der Brief spricht im Unterschied zu Formulierungen der Homologumena von der Rettung als schon geschehener, wie auch die Aussagen über bereits gegenwärtige Heilsteilhabe (bes. 2.6) den eschatologischen Vorbehalt der Protopaulinen mindestens verbal ausblenden.Footnote 8 Hier fällt besonders ins Auge, dass σῴζϵιν in Eph 2.5, 8 im Perfekt steht und von der Rettung der Glaubenden als einem zurückliegenden Geschehen spricht, während Paulus in Röm 5.8-10 die geschehene Rechtfertigung (δικαιωθῆναι) und Versöhnung (καταλλαγῆναι) von der noch ausstehenden Rettung (σωθήσϵσθαι) temporal abhebt.Footnote 9 Dennoch scheinen die Alternative von πίστις und ϵ῎ργα, die Rede von Gottes χάρις und seinem Geschenk sowie der Ausschluss vom Rühmen Niederschlag der paulinischen Rechtfertigungsbotschaft zu sein.Footnote 10 Umstritten ist freilich, ob der Brief damit dem theologischen Anliegen des Paulus gerecht wird. Mit beispielhaften Diskussionsbeiträgen sei der Charakter der Debatte verdeutlicht.Footnote 11

Nach Ulrich Luz,Footnote 12 der die Wirkungsgeschichte der Rechtfertigungslehre recht nüchtern als spärlich summiert, kommt die Thematik im Epheserbrief nicht aus direkter Benutzung der Homologumena, sondern aus vorpaulinischer Tauftradition, wie sie sich auch in der verwandten Passage in Tit 3.4-7 erhalten habe. Generell sei der apokalyptische Horizont der paulinischen Theologie und mit ihm auch das apokalyptische Konzept der δικαιοσύνη θϵοῦ aufgegeben, aber eine gewisse Universalität in der Ekklesiologie und das Gewicht der Paränese erhalten. Eigentlich problematisch sei, dass ‘Rechtfertigung zu einem Ausdruck der Begründung des christlichen Heilsstandes in der Taufe reduziert wird’. Zwar sei von der Rechtfertigungslehre, die für Paulus kritische Mitte der Theologie gewesen sei, das sola gratia deutlich tradiert, doch die ‘polemische Funktion der Rechtfertigungslehre, die kritisch gegen jede Form menschlicher Selbstverabsolutierung sich wendet, tritt zurück’. Dies liege nicht nur daran, ‘daß der Brief an Heidenchristen gerichtet ist, denen das konkrete Gegenüber jüdischer Religion fehlt’, denn auch Paulus habe hier bereits verallgemeinert.Footnote 13 Für Luz geht es also in der paulinischen Rechtfertigungslehre zentral nicht nur um ‘die Bewertung des Menschen vor Gott’, sondern auch um die Kritik der menschlichen Selbstüberhebung.Footnote 14

Zwanzig Jahre später, aber noch als Auseinandersetzung mit diesen kritischen Thesen kommt Michael Gese hingegen zu der Bewertung, dass in V.8a, 9 auf paulinische Sätze angespielt bzw. diese zitiert werden, in V.8b.10 dieses kommentiert werde und dabei ‘das Anliegen des Paulus zwar in veränderter, aber dennoch in adäquater Weise weitergeführt wird’.Footnote 15 Nach Gese ist Grundanliegen von Eph 2.1-10, die Heilsaussagen zu ‘objektivieren’, weshalb die Präsenz des Heils in Veränderung der Verbformen in 2.5f betont wird, ohne dass der eschatische Vorbehalt aufgegeben sei.Footnote 16 Der Verfasser des Eph rede daher in V.5, 8a, 9 abweichend von Röm 5.9f nicht mehr von zukünftiger, sondern von geschehener Rettung, um seinem Anliegen, der Objektivität des Heils, Ausdruck zu verleihen. Der Zusammenhang von Gnade und Glaube sei ganz im Sinne des Paulus dargestellt.Footnote 17 Was Rechtfertigung bei Paulus selbst bedeutet, wird von Gese als bekannt vorausgesetzt; er versteht darunter offenbar die Zueignung des Heils an die Glaubenden allein aus Gnade. Dass das juridische Konzept der δικαιοσύνη im Eph nicht begegnet, ist für Gese irrelevant. Wenn Eph 2 nicht von ϵ῎ργα νόμου spreche, indiziere dies nur, dass die Gesetzesobservanz keine Rolle mehr spiele.Footnote 18 Die Paulus-Zitate des Eph hätten nicht ‘Alibifunktion’,Footnote 19 sondern würden zeigen, dass der Eph mit der paulinischen Tradition vertraut sei und diese weiterführe.Footnote 20

Es fällt auf, dass in diesem Disput die Aussage des Eph selbst unumstritten zu sein scheint und deren Bedeutung kaum diskutiert wird, sondern Widersprüche davon abhängen, wie der Kern der Rechtfertigungslehre bestimmt wird, woran also die Aussage des Eph zu messen sei (Gese vs. Luz). Dies änderte sich auch nicht, als mit der sog. New Perspective on Paul die (von Gese nicht berücksichtigte) Diskussion um die Rechtfertigungslehre des Paulus entbrannte. Hier spielt insbesondere die These eine Rolle, dass Paulus selbst mit der Rede von den ϵ῎ργα νόμου nicht den Wunsch nach Aufrichtung einer Gerechtigkeit aus eigenen Werken kritisiere, sondern die Praxis des Gesetzes, die nichtjüdische Menschen ausschließt, namentlich Beschneidung und Speisegebote. Damit stellt sich die Frage, wie die Wendung οὐκ ϵ̓ξ ϵ῎ργων in Eph 2.9 gemeint sei.

I. H. Marshall hat diese Diskussion für die Frage nach der Verhältnisbestimmung von Eph und paulinischer Theologie aufgegriffen.Footnote 21 Vor allem in Auseinandersetzung mit der These Luz' betont er die Gemeinsamkeiten von Eph und den paulinischen Hauptbriefen. Auch diese würden durchaus nicht allein Rechtfertigungsterminologie verwenden, und auch für Paulus seien Rechtfertigung und Versöhnung bereits geschehen. Und beiden, paulinischen Hauptbriefen wie Epheserbrief, gehe es schließlich um Gottes Tat in Christus. Die im Eph erwähnten Werke seien zwar von den Werken des Gesetzes in spezifischer Weise zu unterscheiden. Aber nicht nur der Eph, sondern auch die Homologumena würden sich gegen den Versuch wenden, mit menschlichen Werken—und seien es die des Gesetzes—Gottes Gunst zu sichern.Footnote 22 Der Eph wird (neben den Pastoralbriefen) damit zum Kronzeugen, dass Paulus sich nicht nur mit Werken des Gesetzes auseinandergesetzt habe: ‘Paul was opposed to any view that regards works as something on which people may depend for salvation rather than purely upon divine grace’.Footnote 23

Anders beschreibt James Dunn, der Altmeister der New Perspective on Paul, die Verhältnisse: Die Formulierung οὐκ ϵ̓ξ ϵ῎ργων statt der paulinischen οὐκ ϵ̓ξ ϵ῎ργων νόμου (Gal 2.16 u.ö.) zeige, dass der Eph über Paulus hinaus den Schritt zur Verallgemeinerung der Einsicht des Paulus gemacht habe. Ihm gehe es nicht mehr wie Paulus um die Problematisierung der Praxis trennender Gesetze, sondern um die universale Beschreibung des geschenkhaften Charakters des Heils. ‘… by universalizing the particular concerns of the earlier Paul (2.1-10), and by separating them from these particular concerns (2.11-22), the writer provides one of the classic statements of justification by faith as a universal and fundamental principle which should underlie any realistic religion’.Footnote 24

1.2. Metaphorik als Zugang zur Auslegung des Textes

Diese Diskussion zeigt, dass es heuristisch nicht mehr hilfreich ist, die paulinische ‘Rechtfertigungslehre’ an den Epheserbrief als Kanon anzulegen, da diese selbst in ihrer Rekonstruktion umstritten ist.Footnote 25 Dies belegen auch die sich widersprechenden Rückschlüsse vom Epheserbrief auf die Theologie des Paulus, sehen sich doch die einen darin bestätigt, dass Paulus bereits diese allgemeine Rechtfertigungskonzeption vertreten habe, die anderen darin, dass Paulus das Thema spezifisch auf die Situation von Juden und Heiden bezogen habe. Ich möchte daher hier einen anderen Weg einschlagen, nämlich die Sätze Eph 2.8-10 in ihrem Wortlaut und Kontext auszulegen, also zunächst im Rahmen von 2.1-10 und dem Briefganzen. Es wird hier nicht bezweifelt, dass Eph 2.1-10 in Redeweise und Wahl der Metaphorik von dem Text Kol 2 angeregt wurde, der seinereits auf Röm 6 rekurriert, bzw. dass Eph 2 direkt von Röm 6 beeinflusst wurde.Footnote 26 Bestritten ist aber, dass die aufgenommene Tradition auch die intendierte Lektüre determiniert.Footnote 27 Diese ergibt sich vielmehr durch die kontextuelle Rezeption, und deshalb ist hier konkret gefordert, die Metaphorik von Eph 2.1-10 als solche, d.h. als MetaphorikFootnote 28 und in ihrer Eigenständigkeit zu würdigen. In der skizzierten Diskussion wird die Differenz der Metaphorik zur paulinischen Rechtfertigungsmetapher ignoriert und die bildliche Aussage des Eph vom Kolosserbrief her verstanden. Doch sind Metaphern im Sinne der modernen Würdigung dieser Sprachform nicht nur didaktische oder rhetorische Einkleidungen, die auswechselbar wären durch Wahl eines anderen Bildspendebereichs oder gar ‘eigentliche Sprache’,Footnote 29 noch sind sie durch die Metapherntradition im Verständnis festgelegt, sondern primär durch den Aussagekontext bestimmt. Metaphern sind in der Interaktion von Bildspender und Bildempfänger unhintergehbar als Sprachform zur Beschreibung des Neuen, und sie wirken zugleich selbst auf die Konzeption, indem sie das Besprochene erst begreifbar machen.Footnote 30

Erst wenn Eph 2.8-10 in seinem Kontext interpretiert ist, lässt sich diskutieren, ob die so vermittelte Intention in den Homologumena des Paulus in anderer Form begegnet und wie sich die Rezeption der paulinischen Theologie im Epheserbrief daher skizzieren lässt. Dieser Weg führt die vorliegende Exegese zu der These, dass der Eph zwar paulinische Formulierungen aufnimmt und Aussagen des Kol verarbeitet, aber nicht, um diese zu repetieren oder sich ein paulinisches Aussehen zu geben, sondern im Interesse einer eigenständigen Argumentation: Es gilt ihm, nachdrücklich zu betonen, dass die Menschen jüdischer wie nichtjüdischer Herkunft von sich aus nicht in der Lage sind zu einem gottgefälligen Leben, sondern Gott sie mit der Auferweckung Jesu Christi gerettet und zu einem neuen Leben befähigt hat. Die Größe der Gnade Gottes steht im Zentrum der Argumentation; Ziel der Argumentation ist es aber zu begründen, warum die so Geretteten gute Werke tun können und sollen.

2. Eph 2.8-10 im Kontext von 2.1-10

Der zur Diskussion stehende Abschnitt des Epheserbriefes folgt der großen Eingangseulogie (1.3-14) und Danksagung (1.15-23), welche bereits die Erwählung und Erlösung der jüdischen und dann auch nichtjüdischen Menschen durch Gott in Christus in der dem Brief eigenen plerophoren Weise beschrieben. Bevor der Brief in 2.11-22 sein Anliegen, das ‘Zusammenwachsen’ der Gemeinschaft aus dem Judentum und aus den Völkern, anspricht, wendet er sich in 2.1-10 an die Adressatinnen und Adressaten, um ihnen ihre individuelle Rettung in Erinnerung zu rufen. Auch diese Vergegenwärtigung der Rettung aus Gottes Gnade trägt, wie die folgende Auslegung zeigen wird, zu den Briefanliegen bei: der Einheit der jüdischen und nichtjüdischen Menschen in Christus und der Ermahnung zu einem Leben entsprechend dem Willen Gottes.

2.1. Vorher—nachher: Zum Ziel der Verse (V.1-3.10)

V.1-3 blickt zurück auf die Zeit vor der Bekehrung und stellt mit V.10 zusammen eine große inclusio dar.Footnote 31 Diese macht in einer rhetorischen Klimax den großen Unterschied zwischen Einst und Jetzt sichtbar und damit die Bedeutung der Bekehrung: In Erinnerung gerufen wird in V.1-3 das einstige Leben (ποτϵ)Footnote 32, und es wird rhetorisch wirkungsvoll in seiner Hoffnungslosigkeit präsentiert: Als Anakoluth, als Satz ohne Subjekt im HauptsatzFootnote 33 und als einer der wenigen Sätze des Briefes, in denen weder Gott, Christus noch heiliger Geist erwähnt werden. Ganz anders wird dann der Schlusssatz 2.10 ‘uns’, Gott, Christus und die guten Werke syntaktisch durchkonstruiert korrelieren. Eph 2.1-10 beschreibt so die Wende vom Wandel (πϵριπατῆσαι) in den Sünden und Übertretungen bzw. vom Leben (ἀναστραϕῆναι) in den Begierden des Fleisches (V.3) zu dem Ziel (V.10), nun als Gerettete, als Geschöpf Gottes (Präs. ϵ̓σμϵν) in den guten Werken zu wandeln (ἵνα πϵριπατήσωμϵν), die Gott bereitet hat und zu denen die Bekehrten geschaffen wurden.

Damit ist bereits das Grundanliegen beschrieben: Nicht die Frage des Heils an sich, sondern die tätige Konsequenz der Rettung aus ethischer Hoffnungslosigkeit stellt das Ziel der Aussage dar. Die im Mittelpunkt dieser Untersuchung stehenden Äußerungen V.8f dienen diesem Ziel, denn sie begründen, warum eine Gottes Forderungen entsprechende vita activa nun möglich ist.

2.2. Ihr und wir alle: Zur Unterscheidung von Nichtjuden und Juden (V.1-3)

Hier ist freilich noch etwas zu präzisieren, was die Beschreibung der Vergangenheit angeht und damit den Auftakt der Verse: Das Gegenüber von betonter Anrede ὑμᾶς (V.1) und dem emphatischen ἡμϵῖς πάντϵς (V.3) deutet auf eine Differenz der Extension zwischen der 2. Pers. Pl. und der 1. Pers. Pl. hin. Es ist—anders als von vielen Auslegern unterstelltFootnote 34—zu unterscheiden zwischen einem inklusiven ‘wir alle’, in das sich der fiktive Adressant, der Judenchrist Paulus, einschließt,Footnote 35 und der exklusiven Adresse an die Angeredeten, die als nichtjüdische Christusgläubige entworfen werden (3.1) und auch im vorausgehenden Briefsegment (1.15ff) bereits spezifisch angesprochen wurden.

Die Frage, ob der Brief Christusgläubige jüdischer Herkunft (‘wir’) von solchen heidnischer Herkunft (‘ihr’) unterscheidet, stellt sich bereits bei der Eulogie, die nach Ausführungen in der 1. Pers. Pl. in 1.13 zur Anrede ‘auch ihr’ wechselt.Footnote 36 In 2.1-3 ist aber auch unabhängig von der Entscheidung über die Eulogie der Referenzwechsel durch den deutlichen Wechsel zum alle inkludierenden ἡμϵῖς πάντϵς indiziert, und so präludiert der Auftakt zu 2.1-10 die Thematik von 2.11-22, wo der Unterschied zwischen Christusgläubigen jüdischer und nichtjüdischer Herkunft und deren Aufhebung heilsgeschichtlich-kollektiv entfaltet wird.

Zwar wird die Differenz zwischen Nichtjuden und Juden im nächsten Satz nivelliert. Denn das, was in V.1 zunächst über die Adressatinnen und Adressaten gesagt ist (καὶ ὑμᾶς ὄντας νϵκροὺς τοῖς παραπτώμασιν καὶ ταῖς ἁμαρτίαις ὑμῶν), wird in V.5 analeptisch und konzessivFootnote 37 wiederholt in der 1. Pers. Pl. (καὶ ὄντας ἡμᾶς νϵκροὺς τοῖς παραπτώμασιν). So wird im Fortgang des Textes deutlich, dass die Beschreibung als ‘tot in Sünden’ schließlich unterschiedslos für die Vergangenheit aller Christusgläubigen gilt. Doch zeigt sich die Pointe der Verse gerade, wenn man V.1f als Aussage über die spezifisch nichtjüdische Fehlorientierung liest. Denn der Autor beschreibt in V.2 die Größen, an denen sich die nichtjüdischen Adressatinnen und Adressaten in der Vergangenheit orientierten, als Weltmacht, welche die ‘Kinder des Ungehorsams’ auch ‘jetzt’ noch beherrscht.Footnote 38 Jüdischen Menschen hingegen wird diese Orientierung an dieser Welt und ihrem Beherrscher nicht unterstellt.Footnote 39 Ihnen wird nur in der Subsumption unter das ‘Wir alle’ in V.3 vorgeworfen, den Begierden der σάρξFootnote 40 zu folgen, den Willen des Fleisches zu tun—sc. statt den Willen Gottes, der ihnen aus dem Gesetz bekannt war.

Im Duktus der Briefargumentation hat der erste Satz V.1-3 damit die Funktion darzustellen, dass zwar die nichtjüdischen Adressatinnen und Adressaten in ihrer Vergangenheit den Gottesglauben verfehlten, aber die jüdischen Menschen de facto ihnen im ethischen Leben nichts voraushatten. Ohne erkennbar zwischen jüdischen und nichtjüdischen Menschen zu unterscheiden, schließt er: ‘Wir waren von Natur aus Kinder des Zorngerichts wie auch die Übrigen’ (V.3fin). Das erinnert an die Analyse des Paulus in Röm 1-3, die zu dem Schluss kommt, dass alle unterschiedslos sündigten (3.22f). Hier wird freilich anders als in Röm 2f keine Kraft darauf verwendet, das ethische Defizit der jüdischen Menschen zu belegen, sondern dieses schlicht konstatiert, um etwas anderes herauszuarbeiten: Wie nötig die Rettung aller war und dass sie diese doch nicht aus eigenem Vermögen erwirken konnten.

2.3. Tot und lebendig gemacht: Zur Metaphorik

In der Analyse wurde die Metaphorik des Textes bislang nur nachgesprochen: ‘Tot durch Übertretungen’ verbildlicht die Situation der jüdischen wie nichtjüdischen Menschen ante Christum. Doch die Metaphorik dient nicht nur dazu, die Situation von jüdischen wie nichtjüdischen Menschen hyperbolisch zu egalisieren, sondern sie wird weitergeführt in der Beschreibung der christologischen ‘Wende’ in 2.5f, der Bedingung der Möglichkeit zu dem ethischen Handeln, auf das der Text zielt. Der Epheserbrief nimmt hier eine Formulierung von Kol 2.13 auf, die aber ihrerseits zu einem Bildfeld gehört, einer geprägten Metaphorik: Es ist die metaphorischen Zeichnung der sündigen Existenz als Totsein und der Rettung aus diesem Zustand als Weg vom Tod zum Leben.Footnote 41 Dieses Bildfeld und seine spezifische Aneignung in Eph 2 wurden m.E. in der Auslegung zu wenig beachtet.

‘Totsein’ wird in V.1-3 zum Bildspender,Footnote 42 um die Situation der sündigen Menschen zu beschreiben. ‘Tot durch Übertretungen’ lässt den biblischen Gedanken anklingen, dass der Tod der Sünde folgt.Footnote 43 Anders als wir assoziieren mögen, ist Totsein für die Antike nicht vor allem Passivität, sondern Getrenntsein vom Leben. Der tote Leichnam gilt den Kulturen der Antike als unrein. Und die Unterwelt, Scheol oder Hades, lässt die Toten von dort nicht mehr entkommen. Die Beschreibung als ‘Tote’ verdeutlicht, dass die sündigen Menschen in einer vom Leben und von Gott getrennten Welt wandeln:Footnote 44 Sagt V.2, dass die nichtjüdischen Menschen dem Äon dieser Welt folgen, so verallgemeinert V.3, dass alle, auch die jüdischen Menschen, ihrem eigenen Willen verhaftet sind. Sie sind Kinder des Ungehorsams, natürlich gegenüber Gott, und insofern tot.

Rettung kann es nur durch Gott geben: Er wird schon in den Psalmen als der angerufen, der vom Tode errettet bzw. aus dem Hades herausführt,Footnote 45 und in neutestamentlicher Zeit wird Gott immer öfter apostrophiert als der, der die Toten lebendig macht.Footnote 46 Und so wird die Rettung aus dem Tod zum Leben zur Metapher für den Weg aus der Gottferne zu Gott. Der Vater des verlorenen Sohnes, der ausruft: ‘Dieser mein Sohn war tot und ist wieder lebendig geworden’ (Lk 15.24), nimmt diese Tradition auf. Und der Beter der Hodayot schildert seinen Weg in die Gemeinschaft als Weg von der Totenwelt, dem Staub, in ewige Höhen (1QHa XI,19-21).Footnote 47 Auch die Erzählung von Josef und Aseneth verwendet unter anderen Metaphern die Tot-lebendig-Metapher. Im ‘Todesbereich’ ist hier der Götzenkult, ‘stumme und tote Götzenbilder habe ich verehrt’ (11.8), sagt Aseneth rückblickend. Joseph bittet für Aseneth mit Worten, die die Schöpfungsmetaphorik mit der Tod-lebendig-Metapher mischen, dass Gott sie wieder lebendig mache.Footnote 48 Während hier nur die Nichtjüdin dem Todesbereich entnommen werden muss, sind für den Epheserbrief jüdische wie nichtjüdische Menschen ‘tot durch Sünden’. Und anders als diese Texte nimmt Eph 2.5 die Erwartung der endzeitlichen ‘Totenauferweckung’Footnote 49 auf.

Diese Hoffnung auf ein postmortales Leben ist in vielen Schriften des Frühjudentums bezeugt und findet in der Zeit der Religionsverfolgung unter den Seleukiden klare Konturen, wenn auch keine konsistente Ausformulierung (Dan 12.1-3; 2 Makk 7). Deutlich ist aber, dass die Hoffnung auf Auferweckung individueller Toter sich verbindet mit der Erwartung einer Kompensation von Unrecht: Menschen, die für ihre Gesetzestreue sterben, werden von Gott wieder mit Leben beschenkt werden. Auferstehung zum Leben ist also eigentlich Hoffnungsgut nur für die Gerechten,Footnote 50 nicht für ‘durch Sünden Tote’. Wider alle Logik ist es, dass Gott sie auferweckt—darin liegt also die Pointe des Textes. Und so wird, wenn endlich in V.4 Gott als handelndes Subjekt auftritt, sogleich in plerophoren Worten herausgestellt, dass sein Eingreifen allein aus Erbarmen und seiner Liebe zu ‘uns’ geschieht, ‘durch die Güte zu uns in Christus Jesus’ (V.7fin).

Hier findet die jüdisch belegte Hoffnung auf Gott, der den sündigen Menschen aufgrund seiner erbarmenden Gnade rettet, eine spezifisch christliche Begründung. Jesu Restitution, das geschichtliche Heilsdatum, wird zum Bildspender für die Gnadentat Gottes an den Glaubenden. Denn die Beschreibung der Auferweckungstat Gottes spielt auf das Geschick Jesu an, wie es in Eph 1.20f erzählt wurde. So wird der Weg aus dem Totsein durch Sünden interpretiert als Teilhabe an der Erweckung und Einsetzung Christi in den Überhimmeln.

Die Differenz zur Metaphorik in Röm 6 und Kol 2 ist deshalb nicht zu nivellieren. Im Blick ist nicht das Sterben als Akt, der vom Alten befreit und insofern positiv ist (Röm 6.6f; vgl. 7.1-6; 2 Kor 5.14ff), sondern negativ gedeutetes Totsein. Und aus Kol 2.12f übernimmt der Eph zwar die Rede vom Totsein, nicht aber die Beschreibung der Taufe als BeschneidungFootnote 51 und Teilhabe am Begrabenwerden (2.13). Daher ist auch nicht aus der literarischen Abhängigkeit von Kol 2 und Röm 6 zu folgern, dass die Lesenden hier an die Taufe denken sollen.Footnote 52 Denn weder fällt das Stichwort βαπτίζϵιν κτλ. wie in Röm 6.3-11 und Kol 2.12, noch begegnet die dortige Metaphorisierung des Taufritus.Footnote 53 Im Zentrum der Metaphorik des Eph steht vielmehr die ausweglose Situation des Menschen ante Christum: Tot in Sünden lag es nicht in seiner Hand, gottgemäß zu leben, woraus folgt, dass nur Gottes Eingreifen eine Änderung ermöglichte. Dieses Handeln Gottes wird in Anspielungen auf das Christusgeschick beschrieben und so in intratextuellem Bezug auf Eph 1.20f interpretiert als Teilhabe an der Wiedererweckung und Einsetzung Christi in den Himmeln. Das geschichtliche Ereignis der Auferweckung Jesu durch Gott ist damit der Angelpunkt der Erneuerung. Wie und in welcher Weise die Adressatinnen und Adressaten dieses ‘Mitlebendigmachen, Miterwecken, Miteinsetzen in den Überhimmeln’Footnote 54 durch Gott im eigenen Leben erfahren, lässt der Text offen; hingewiesen wird nur mit διὰ πίστϵως V.8a auf den Glauben.

2.4. ‘Aus Gnade gerettet’: Teil der Tot-lebendig-Metaphorik (2.5, 8f)

Der Zweifel daran, ob der Epheserbrief der paulinischen Theologie entspricht, regt sich nicht nur angesichts der Vergangenheitstempora συνήγϵιρϵν und συνϵκάθισϵν:Footnote 55 Während Paulus in Röm 6.5 sagt, dass die getauften Menschen, die der Sünde gestorben sind, an der Auferstehung zukünftig teilhaben werden, spricht Eph 2.5f mit Kol 2.12f von der Auferweckung und Gottes Mitlebendigmachen im Aorist. Eph 2,5f geht sogar über Kol 2 hinaus mit der Aussage ‘miteingesetzt in den Überhimmeln’. Auch der bereits erwähnte Widerspruch zum Tempusgebrauch des Paulus in Röm 5.8-10 irritiert, heißt es doch in Eph 2.5, 8 perfektisch und in betonender Wiederholung τῇ γὰρ χάριτί ϵ̓στϵ σϵσῳσμϵ́νοι.Footnote 56 Die als parenthetischer ‘Zwischenruf’Footnote 57 bereits auffallende Formulierung V.5 wird anaphorischFootnote 58 mit der Ergänzung διὰ πίστϵως wieder aufgenommen in V.8.

Lesen wir diesen Satz jedoch im vorliegenden semantischen Kontext statt nur als Niederschlag paulinischer Redeweise, dann stellt sich ein anderer Zusammenhang ein als die Rechtfertigungsbotschaft.Footnote 59 Die juridische Metaphorik spricht von Gerechtigkeit, von Anklage, Gericht, von Verfehlung, Straferlass (Röm 2.1-16; 3.25b)—um nur einige Begriffe des semantischen Feldes zu nennen—;Footnote 60 σῴζϵιν hingegenFootnote 61 weist auf die Rettung aus Lebensgefahr, vor dem Tod oder aus Krankheit, die in der biblischen Überlieferung von Gott erwartet wird.Footnote 62 Der Zusammenhang von Glaube und Rettung ist vielfach (und auch bei Paulus) belegt, ist es doch ‘…ein allgemeiner frühchristlicher Sprachgebrauch, der “Glaube” (πίστις/πιστϵύϵιν) und “Rettung” (σωτηρία/σῴζϵιν) in einen unmittelbaren Tat-Folge-Zusammenhang bringt’.Footnote 63 Die perfektische Aussage σϵσῳσμϵ́νοι und die Verbindung mit πίστις ohne Objekt hat ihre nächste Parallele gar nicht in den Paulusbriefen, sondern in Heilungserzählungen der Evangelien. Hier wird mit eben diesen Worten davon gesprochen, dass sich die Heilung dem Vertrauen der Heilungssuchenden in Jesus oder Gott verdankt.Footnote 64 Diese sprachliche Verwandtschaft legt nahe, σϵσῳσμϵ́νοι in Eph 2.5, 8 nicht vom paulinischen Sprachgebrauch her, sondern zunächst als Teil des Bildspendebereichs der Tot-lebendig-Metaphorik zu lesen: Ihr seid durch euren Glauben gerettet, d.h. ins Leben zurückgebracht.Footnote 65 So fügt sich σϵσῳσμϵ́νοι in V.5 zwischen συνϵζωοποίησϵν und συνήγϵιρϵν, die den Weg der Rettung als Partizipation am Jesusgeschick interpretieren. Die einstmals Toten hat Gott mit Christus lebendig gemacht, zum Leben erweckt, aus dem Tod gerettet. Diese Metaphorik legt kein Augenmerk auf die Differenzierung zwischen Rechtfertigung und noch ausstehender, aber bereits verbürgter endzeitlicher Rettung vor dem Zorngericht wie Röm 5.8-10. Sie beschreibt auch nicht eine Befreiung, einen Herrschaftswechsel wie Röm 6.1-11.Footnote 66 Sie verbildlicht vielmehr die von Gott geschenkte Möglichkeit zum Neubeginn, die nicht aus eigenen Kräften zu erreichen wäre, so wenig, wie ein toter Mensch sich selbst zum Leben erwecken kann.

διὰ πίστϵως weist darauf hin, dass der Mensch aufgrund seines Vertrauens gerettet wurde.Footnote 67 Diese Wendung erinnert zwar an paulinische Terminologie,Footnote 68 doch bleibt sie ohne Prägnanz. Es fehlt das Objekt der πίστις, es bleibt aber vor allem offen, wie sich χάρις und πίστις, Gnade Gottes und Glaube oder Vertrauen des Menschen, ursächlich und zeitlich zueinander verhalten.Footnote 69 Im Bildspendebereich der übergreifenden Metaphorik ist beides nicht vermittelt, da den ‘in Übertretungen Toten’ kein Glaube eignen kann. Die metaphorische Redeweise lenkt also das Augenmerk nicht auf das Vertrauen der Menschen, sondern auf die Gnade Gottes, wie V.8b-10 zeigt;Footnote 70 dies ist nun genauer zu betrachten.

2.5. Gottes Gnadenhandeln: Das Zentrum des Textes

V.8a unterstreicht durch die Analepse mit Determination, dass die Glaubenden eben durch diese χάρις, die in der Beschreibung des göttlichen Wirkens ansichtig wurde, gerettet sind. V.8b-9 entfalten, was χάρις und die Metaphorik implizieren:Footnote 71 Dass es allein Gottes Initiative ist, Ausdruck seines reichen Erbarmens, seiner sich in Taten niederschlagenden Liebe (V.4). Diese auch den herankommenden Zeiten zu demonstrieren,Footnote 72 ist eine Wirkung dieses Handelns Gottes, das auch als Milde (χρηστότης, 2.7) beschrieben wird. Hier wird implizit hörbar, dass sich die Gnade Gottes in der Vergebung des sündigen Lebens äußert (vgl. so explizit 1.7). Doch die Vorstellung, neu zum Leben erweckt zu sein und mit Christus zur Herrschaft eingesetzt zu sein (V.6b),Footnote 73 will mehr als die Vergebung der Sünden beschreiben: Die auf das Sein zielenden Metaphern beschreiben die Chance dieses Lebens, zu handeln im Sinne Gottes.

V.8b unterstreicht, dass sich kein Mensch diese Rettung selbst zuschreiben kann. ‘Nicht aus euch’, ‘nicht aufgrund von Taten’,Footnote 74 ‘Gottes Geschenk’Footnote 75 ist dies—und so kann sich keiner rühmen. Deutlich wird zwar, dass die πίστις kein ϵ῎ργον ist, aber zur Rettung hinzugehört. Doch der Ton liegt nicht auf der Gegenüberstellung von ϵ῎ργα und πίστις,Footnote 76 sondern von ϵ῎ργα und χάριςFootnote 77 (vgl. so Röm 11.6). Die ϵ῎ργα, parallel zu ὑμϵῖς,Footnote 78 sind nicht nomologisch qualifiziert,Footnote 79 sondern beschreiben menschliche Taten, eine Wirksamkeit überhaupt:Footnote 80 Die Rettung verdankt sich keinem menschlichen Tun, sondern allein der Gnade Gottes, seinem Geschenk.

Selbstruhm ist daher ausgeschlossen (V.9b). Die Schlussfolgerung ἵνα μή τις καυχήσηται greift gewiss paulinische Formulierungen auf.Footnote 81 Sie erinnert vor allem an 1 Kor 1.29-31 und in der Sache an 1 Kor 4.7, ist jedoch nicht mehr als eine knappe Anspielung.Footnote 82 Denn es fehlt der Adressat des Rühmens—Gott oder die Mitmenschen—, und das Objekt des Rühmens, an dem sich im paulinischen Sprachgebrauch entscheidet, ob es positiv oder negativ zu bewerten ist, bleibt ebenfalls indifferent. Als Fortsetzung von V.9a ist zu hören, dass sich niemand irgendwelcher Taten rühmen kann. Doch im Vorlauf zu dem begründend angeschlossenen V.10a geht es darum, jeglichen Selbstruhm auszuschließen, verdankt sich doch der Mensch mit seiner Fähigkeit zu guten Taten allein der Schöpferkraft Gottes. V.9b lässt in dieser Kürze keinen polemischen Ton wahrnehmen, als gelte es, eine aktuelle Neigung zu Selbstruhm aufgrund von irgendwelchen Werken zu kritisieren.Footnote 83

Das ‘sola gratia’ ist implizit in der Tot-lebendig-Metaphorik begründet, wonach alle Menschen ‘tot in Übertretungen’ (V.3, 5) sind, sich folglich nicht selbst retten können. Die mit der Eingangsmetapher gesetzte Behauptung, dass der Mensch unfähig ist, etwas zu seiner Rettung zu tun, wird ihrerseits aber nicht anthropologisch hergeleitet. Es fehlt jeder Versuch der Begründung, wie ihn Paulus in Gal 2.16-21 oder Röm 1.18-3.20 oder 7.7ff entwirft im Blick auf die Rolle des Gesetzes, aber auch eine mythologische Deutung wie in Röm 5.12-21; 1 Kor 15.21f. Darum ist dem Brief nicht zu unterstellen, dass er hier im Gefolge des Paulus, aber abstrahierend von dessen konkreter Auseinandersetzung um die Geltung des Gesetzes in einer aktuellen Diskussion das Wort ergreift, um die Meinung zu bekämpfen, dass der Mensch durch ein Werk sich seiner Rettung vergewissern könnte.Footnote 84 Es sei einmal dahingestellt, ob es Paulus darum ging—das Ziel der Argumentation des Eph liegt jedenfalls nicht im Abweis einer ‘Werkgerechtigkeit’, sondern mit V.10 in der Konsequenz, gute Taten zu tun.

In V.10 nimmt der Brief eine andere Metaphorik auf, indem er die Geretteten als Gottes Geschöpf bezeichnet. Der Singular weist voraus auf die Vorstellung vom einem neuen Menschen aus jüdischen und nichtjüdischen Menschen (2.15), knüpft aber auch an die Rede vom ϵ῎ργον an: Nicht ein eigenes Produkt, sondern Gottes Werk sind die Geretteten.Footnote 85 Hier wird nicht einfach die Metaphorik der neuen Schöpfung nachgesprochen (2 Kor 5.17; Gal 6.15),Footnote 86 die eine alte Schöpfung voraussetzt, sondern mit der metaphorischen Anspielung auf die erste Schöpfung impliziert, dass Gott allein einen Anfang gemacht hat, vor dem Nichts war. Das Bild blendet mehr noch als die Eingangsmetapher vom Totsein alles Vorangehende aus. Vor allem aber wird in der ungewöhnlichen Rede von den Werken, die Gott vor den Menschen in Christus erschaffen hat,Footnote 87 damit die Glaubenden in ihnen, statt wie einst in den Übertretungen wandeln, noch einmal die Größe der göttlichen Gnade sichtbar: Gott selbst hat nicht nur den Menschen als handlungsfähiges Geschöpf in Christus erschaffen, sondern auch noch das, was die Menschen tun sollen!Footnote 88

Gemäß der ‘Logik der Gabe’ muss der Mensch auf das Geschenk Gottes, die Erweckung zum Leben und die Schöpfung zu guten Werken, antworten, indem er in diesen wandelt. Damit wird noch einmal deutlich, dass es dem Eph nicht um eine Kritik menschlicher Hybris geht, sondern um die auf Gottes Gnade antwortende Ethik.

3. Rückblick: Die Aussagen und das Anliegen des Paulus

Fassen wir die Ergebnisse der Interpretation zusammen, um dann zur Frage zurückzukehren, wie sich Eph 2.8-10 zur Theologie der authentischen Paulusbriefe verhält. Für das Verständnis zentral ist einerseits der Aufbau des Textes, d.h. die bestimmende Inklusion V.1-3, 10, andererseits die dominante Metaphorik von Totsein und Errettung zum Leben. Die Analyse zeigt, dass der Text auf die Grundlegung der Ethik zielt, den Lebenswandel ‘in den guten Taten, die Gott bereitet hat’ (V.10), der hier wie in der ausführlichen Paränese Kap.4-6 mit dem Stichwort πϵριπατϵῖν entfaltet wird.Footnote 89 Im Mittelpunkt der Inklusion steht die auch theologisch zentrale Begründung dafür, wie die in dem ‘Wir’ zusammengeschlossenen Christusglaubenden nun zu einem solchen Leben fähig sind. Das Argument ist bereits implizit mit der Metapher gesetzt, durch das wiederholte ‘durch Gnade seid ihr gerettet’ aber auch expliziert: Aus der metaphorischen Beschreibung aller Menschen, jüdischer wie nichtjüdischer gleichermaßen, als ehedem ‘tot’ in den Sünden folgt, dass die Menschen unfähig sind, von sich aus Leben zu finden. Dieses neue Leben wird via negativa, durch die Gegenüberstellung zum ‘Totsein in Sünden’, ethisch qualifiziert. Wer tot durch Sünden ist, ist unfähig zu einem wahren Leben vor Gott, aber auch dazu, dieses Leben von sich aus, ‘aus euch’ (ϵ̓ξ ὑμῶν) oder ‘aus eigenem Tun’ (ϵ̓ξ ϵ῎ργων) zu erreichen. Rettung aus dem Tod kommt von Gott durch sein Handeln in Christus, ist Geschenk aus dem Reichtum seines Erbarmens, seiner Liebe (V.4), aus der überfließenden Fülle der Gnade (V.7). Diese Errettung wird metaphorisch dargestellt als Weg vom Tod zum Leben durch Partizipation an diesem Weg Jesu Christi (V.5f). Dies ist bildlich zu verstehen, weshalb nicht bedeutet ist, dass es keinen physischen Tod mehr gibt oder die Hoffnung auf eine endzeitliche Auferweckung der Toten obsolet ist. Angesichts der Metaphorizität der Sprache verbieten sich Rückschlüsse auf eine angeblich fehlende Endzeiterwartung: Sie steht hier nicht zur Debatte.

Im Mittelpunkt des Textes steht die Gnade Gottes; ihre Überfülle zeigt sich gerade darin, dass die Menschen von sich aus nichts zu tun vermögen, und auch darin, dass Gott selbst die Werke, die ihm entsprechen, erschuf (V.10). Ein polemischer Unterton gegen eine Geringschätzung der Gnade oder ‘Werkgerechtigkeit’ ist m.E. jedoch nicht zu vernehmen. Denn schließen wir vom argumentativen Aufwand zurück auf das, was zu beweisen war, so zeigt sich, dass weder das frühere ethische Defizit der jüdischen Menschen als strittig unterstellt wird noch die Frage, ob eine Mitwirkung des Menschen zu seinem Heil oder Ruhm möglich sind. Beides wird mit der Metaphorik gesetzt und betont, aber nicht eigens begründet.

Welches individuelle Erleben des Menschen so beschrieben wird, d.h. wie der Mensch seine Errettung selbst erlebte, wird in der Metaphorik nicht sichtbar. Der Glaube wird nur am Rande dem Bild hinzugefügt, und Taufanspielungen fehlen. Die Metaphorik impliziert vielmehr die Rettungsbedürftigkeit des Menschen und zugleich seine Unfähigkeit, von sich aus etwas zu seiner notwendigen Rettung zu tun. Überdies impliziert sie in der Beschreibung der Rettung als Erweckung und Lebensgabe, dass dieses neue Leben in guten Werken nun möglich ist.

Blicken wir von hier aus zurück auf die Schriften, die uns als echte Briefe des Paulus gelten, so bleibt festzuhalten, dass sich im Blick auf die Textgenese Formulierungen in Eph 2.1-10 der Fortwirkung paulinischer Briefe einschließlich des Kol verdanken. Doch daraus folgt nicht, dass die ‘Paulinismen’ 2.8-10 den Zweck hätten, dem Brief ein paulinisches Mäntelchen umzuhängen. Das könnte nur gelten, wenn das, was später als Rechtfertigungslehre des Paulus zum Herzstück der paulinischen Theologie erklärt wurde, bereits für den Eph diese prinzipielle Rolle gehabt hätte. Der Text lässt diese Einschätzung nicht erkennen, und den ‘Mantel’ des Paulus verschafft sich der Brief bereits durch die Absenderfiktion und vor allem die Charakterisierung des Paulus als Völkerapostel (1.1; 3.1-13). Nur διὰ πίστϵως V.8 steht unverbunden im Text und könnte sich einer additiven ‘Paulinisierung’ verdanken. Aber selbst dann bleibt zu konstatieren, dass das Konzept des Glaubens nicht im Sinne der paulinischen Glaubensgerechtigkeit entfaltet wird.

Eph 2.1-10 vertritt auch in Aufnahme von Tradition sein eigenes theologisches Anliegen, wie sich bereits in der Wahl einer in paulinischer Tradition nur angedeuteten Metaphorik abzeichnet. Diese ist nicht von der Sterbemetaphorik von Röm 6 und Kol 2 her zu interpretieren. Auch ist bedeutsam, dass der Brief die juridische Sprache, die Paulus in Gal und vor allem Röm wählt, um die Situation des Menschen coram Deo und den Weg des Heils zu schildern, nicht übernimmt. Wir vernehmen darin unterschiedliche Möglichkeiten, Wirklichkeit zu entwerfen, in einer jeweils unhintergehbaren und damit nicht abstrahierbaren Bildlichkeit.

Unbenommen dessen kann gefragt werden, ob die Sicht auf Gottes gnädige Rettungstat in Jesus Christus sich theologisch mit Anliegen der Paulusbriefe trifft. Dass es problematisch ist, Eph 2.8-10 an der paulinischen Rechtfertigungslehre zu messen, war bereits eingangs angesichts der Forschungsthesen festgestellt worden.Footnote 90 Im Rückblick auf die Analyse lässt sich unterstreichen, dass der Text nicht als Beleg dafür angeführt werden kann, dass die Rechtfertigungslehre im Sinne lutherischer Tradition als Kritik an Werkgerechtigkeit unter Gegenüberstellung von Glauben und Werken rezipiert wurde. Ob der Epheserbrief die Soteriologie des Paulus im Sinne der New Perspective verstand, bleibt offen. Er richtet sich an nichtjüdische Menschen, für die die Frage nach der Gesetzeseinhaltung offensichtlich nicht problematisch war. Und wenn 2.11-22 die Rolle des Gesetzes im Sinne von ‘boundary markers’ reflektiert, so geschieht das heilsgeschichtlich, nicht individual-soteriologisch.

Mit dem Paulus der Homologumena in Übereinstimmung findet sich Eph 2.1-10 jedoch in seiner großen theologischen Linie, der anthropologischen Bewertung des Menschen, der christozentrischen Begründung des Heils und der Forderung eines Gott gemäßen Leben. Dass jüdische wie nichtjüdische Menschen gleichermaßen an Gottes Willen scheitern, hat Paulus in Röm 1-3 ausführlich dargelegt; Eph 2.1-3 setzt das einfach voraus. Dass die Befreiung von der Herrschaft der Sünde und Vergebung der Sünden dem Menschen nicht aufgrund eigener Taten, sondern aus Gnade, als Geschenk Gottes zuteil wird, entfaltet z.B. Röm 3.24f wie Röm 5.8-10. Ruhm ist daher ausgeschlossen (Röm 3.27; vgl. 1 Kor 1.29-31). Eine partizipative Christologie steht auch hinter Röm 6.3-5 oder Gal 2.19f. Dabei spielt freilich in Eph 2.1-10 der Tod Jesu keine Rolle, sondern nur die Erweckung zum Leben.Footnote 91 Und so verdeutlicht Paulus in Röm 6.4, 12-14 in anderer Metaphorik, die eine andere Logik impliziert, aber eine Eph 2.10 analoge Konsequenz hat, dass mit der Partizipation an Gottes Heilshandeln in Jesus die Bedingung zur Möglichkeit gottgemäßen Lebens gegeben und ein solches Leben aufgegeben ist.

Fundamentale Überzeugungen sind dem Epheserbrief mit den Homologumena gemeinsam. Doch unter der Maßgabe, dass die jeweilige Metaphorik irreduzibel ist, sind die Briefe in ihrer Eigenwürdigkeit zu lesen. Der Epheserbrief hat seinen Platz im Corpus Paulinum verdient, aber er verdient es auch, als eigener theologischer Entwurf gelesen zu werden.

Anhang

Nach Sellin, Epheser, 163, 166f, zeigt sich, dass Eph 2.1 auch Röm 6.11 direkt verarbeitet habe, da hier anders als Kol 2.13 ἁμαρτίαι und die Dative ohne ϵ̓ν stehen.

References

1 Vgl. zum Überblick über die Diskussion und den aktuellen Stand Stephen Westerholm, Perspectives Old and New on Paul: The ‘Lutheran’ Paul and his Critics (Grand Rapids: Eerdmans, 2004)Google Scholar; Dunn, James D. G., ‘The New Perspective: Whence, What and Wither’, The New Perspective on Paul: Collected Essays (WUNT 185; Tübingen: Mohr Siebeck, 2005) 188Google Scholar.

2 Neben Eph 2.8f werden als Niederschlag der paulinischen Rechtfertigungslehre diskutiert 2 Tim 1.9; Tit 3.4–7; 1 Clem 32.2–4; Polyk, Phil 1.3 sowie Apg 13.38f; 15.11 und via negativa Jak 2.14. Vgl. insgesamt Theobald, Michael, ‘Der Kanon der Rechtfertigung (Gal 2,16; Röm 3,28). Eigentum des Paulus oder Gemeingut der Kirche?’, Worum geht es in der Rechtfertigungslehre? Das biblische Fundament der ‘Gemeinsamen Erklärung’ von Katholischer Kirche und Lutherischem Weltbund (Hg. Thomas Söding; QD; Freiburg/Basel/Wien: Herder, 1999) 131–92Google Scholar, hier zitiert nach: ders., Studien zum Römerbrief (WUNT 136; Tübingen: Mohr Siebeck, 2001) 164–225Google Scholar; Kertelge, Karl, ‘Rechtfertigung II. Neues Testament’, TRE 28 (1997) 286307Google Scholar, besonders 297ff; sowie Avemarie, Friedrich, ‘Die Werke des Gesetzes im Spiegel des Jakobusbriefs: A Very Old Perspective on Paul’, ZThK 98 (2001) 282309Google Scholar. Zur Rezeption der paulinischen Briefe im Eph sonst vgl. Gese, Michael, Das Vermächtnis des Apostels. Die Rezeption der paulinischen Theologie im Epheserbrief (WUNT 2/99; Tübingen: Mohr Siebeck, 1997)Google Scholar.

3 Ich unterstelle hier mit der Mehrheit der Forschung, dass Paulus selbst nicht Verfasser des Briefes ist—die vorliegende Untersuchung wird den Sinn dieser Annahme bestätigen—und dass die Adresse ν Ἐϕσῳ in Eph 1.1 sekundär ist; vgl. zur genauen Begründung Gerhard Sellin, , Der Brief an die Epheser (KEK 8; Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 2008)Google Scholar 57f, 66–70.

4 Vgl. Wolter, Michael, ‘Die Entwicklung des paulinischen Christentums von einer Bekehrungsreligion zu einer Traditionsreligion’, Early Christianity 1 (2010) 1540CrossRefGoogle Scholar, hier: 31–4.

5 Vgl. beispielhaft die Diskussion unterschiedlicher Thesen durch Gerhard Sellin, Konsolidierungs- und Differenzierungsprozesse im Paulinismus, Bekenntnis und Erinnerung (Hg. Klaus-Michael Bull u.a.; FS Hans-Friedrich Weiß; Rostocker Theologische Studien 16; Münster: Lit, 2004) 258–70Google Scholar, hier: 263–8.

6 Typisch für viele spricht Sellin, Epheser, 161, in Bezug auf Eph 2.7-10 vom ‘ungefähren Inhalt der Rechtfertigungsbotschaft (obwohl die δίκαιος-Terminologie fehlt)’.

7 δικαιοσύνη wird in auffallender Differenz zu den Homologumena im Eph nur in ethischem Sinne verwendet, vgl. 4.24; 5.9; 6.14, ebenso δίκαιος (6.1); andere Derivate der Wurzel fehlen. νόμος begegnet nur in Eph 2.15.

8 Zur Diskussion um die Eschatologie vgl. Witulski, Thomas, ‘Gegenwart und Zukunft in den eschatologischen Konzeptionen des Kolosser- und des Epheserbriefes’, ZNW 96 (2005) 211–42CrossRefGoogle Scholar; vgl. unten Anm.56.

9 Im Unterschied zu σϵσῳσμνοι in Eph 2.5, 8 steht in den Homologumena das Präsens (1 Kor 1.18 [vgl. 2 Kor 2.15]; 15.2) oder Futur (Röm 5.9f; vgl. 1 Kor 3.15). Der Aorist in Röm 8.24 wird durch ein τῇ λπίδι relativiert. Vgl. genauer Lincoln, Andrew T., Ephesians (WBC 42; Dallas: Word, 1990) 104Google Scholar.

10 Vgl. in pointierter Mitton, Weise C. Leslie, The Epistle to the Ephesians: Its Authorship, Origin, and Purpose (Oxford: Clarendon, 1951) 155Google Scholar: Eph 2.8-10 sei ‘the most effective summary we have of the Pauline doctrine of salvation by grace through faith’. Als Aufnahme der paulinischen Rechtfertigungslehre liest den Text neben den hier Genannten z.B. auch Mußner, Franz, Der Brief an die Epheser (ÖTK 10; Gütersloh: Mohn, 1982)Google Scholar 67f. Bei Unterstellung paulinischer Abfassung ist die Kohärenz zur paulinischen Theologie eindeutig für Barth, Markus, Ephesians (AB 34/34A; Garden City, NY: Doubleday, 1974) 244Google Scholar; vgl. Schlier, ähnlich Heinrich, Der Brief an die Epheser. Ein Kommentar (Düsseldorf: Patmos, 1957/71971) 116Google Scholar; Hoehner, Harold W., Ephesians: An Exegetical Commentary (Grand Rapids: Baker Academic, 2002) 339–42Google Scholar. Abgewogen urteilt hingegen Gnilka, Joachim, Der Epheserbrief (HThK 10; Freiburg: Herder, 1971)Google Scholar 129f: ‘Wenn irgendwo in unserem Brief, wäre die Rechtfertigung vom Verf. an dieser Stelle zu erwähnen gewesen. Daß er es nicht tut, zeigt, daß er zwar paulinische Begriffe gebrauchen kann, aber nicht in gleichen theologischen Kategorien denkt. Die Nähe zu Paulus besteht in der Wahrung des Primates der Gnade’.

11 Dies geschieht nur exemplarisch ohne jeden Anspruch auf Vollständigkeit. Vgl. zur Frage der ersten Wirkungsgeschichte der paulinischen Rechtfertigungslehre die in Anm.2 genannte Literatur.

12 Vgl. Luz, Ulrich, ‘Rechtfertigung bei den Paulusschülern’, Rechtfertigung (Hg. Johannes Friedrich; FS Ernst Käsemann; Tübingen: Mohr Siebeck, 1976) 365-83Google Scholar, bes. 369-75.

13 Luz, ‘Rechtfertigung’, 374f, Zitat 375.

14 Luz, ‘Rechtfertigung’, 375.—Auch Ferdinand Hahn, ‘Taufe und Rechtfertigung. Ein Beitrag zur paulinischen Theologie in ihrer Vor-und Nachgeschichte’, Rechtfertigung (Hg. Friedrich) 95-124; hier zitiert nach: ders., Studien zum Neuen Testament Bd. 2 (WUNT 192; Tübingen: Mohr Siebeck, 2006) 241–70Google Scholar, sieht den Eph hinter der paulinischen Theologie zurückbleiben. Der Epheserbrief rekurriere in 2.4-10 mit einer vorpaulinischen Tradition auf die Taufe und verbinde die Rechtfertigung mit der Taufe, habe dafür aber den genuin paulinischen Gedanken aufgegeben, dass die Rechtfertigung verbunden sei mit dem Glauben als der Haltung, in der der Mensch seine Rechtfertigung erfährt (247). Der Glaube, von dem der Eph rede, bezeichne nicht die Existenzhaltung des Christen, sondern das Gläubigwerden (248f mit Bezug auf 1.13f). Auch wenn der Eph durch die Antithese von Glauben und Werken Paulus näher stehe als der Kol, so fehle ‘die für Paulus so charakteristische Korrelation zwischen Rechtfertigung und Glaube, während umgekehrt die Verbindung von Glaube und Taufe eine konstitutive Bedeutung erhält, und gerade dadurch trägt auch die Stelle Eph 2,4-10 trotz aller Paulinismen ein so unpaulinisches Gepräge’ (249).

15 Gese, Vermächtnis, 167f.

16 Gese, Vermächtnis, 147ff.

17 So Gese, Vermächtnis, 163, gegen Hahn, ‘Taufe’ (vgl. Anm.14).

18 Gese, Vermächtnis, 168. Deshalb kann Gese V.9 so deuten, dass der Eph ‘scharf abgelehnt [hat], daß menschliche Werke zur Rechtfertigung dienen können’ (165).

19 Hier wendet sich Gese gegen eine Formulierung von Andreas Lindemann, Die Aufhebung der Zeit. Geschichtsverständnis und Eschatologie im Epheserbrief (Gütersloh: Mohn, 1975) 135–7Google Scholar, Zitat 136, der meint, der Verf. des Eph habe mit einer Zusammenstellung paulinischer Kernbegriffe die Vereinbarkeit seiner undialektischen, da von der geschehenen Rettung ausgehenden Theologie mit der paulinischen Theologie belegen wollen (vgl. insgesamt 106–44 zu Eph 2.1-10). Dabei ist freilich vorausgesetzt, dass der Verf. des Briefes überhaupt eine Differenz zur paulinischen Theologie gesehen hat—was erst zu beweisen wäre. Dass sich der Eph hier paulinisches Gepräge gebe, um ein Manko des Kol auszugleichen, vertritt Pokorný, Petr, Der Brief des Paulus an die Epheser (ThHK 10/2; Leipzig: Evangelische Verlagsanstalt, 1992) 104Google Scholar, 110.

20 Gese, Vermächtnis, 168. Lincoln, Andrew T., ‘Ephesians 2:8-10: A Summary of Paul's Gospel?’, CBQ 45/4 (1983) 617–30Google Scholar (vgl. auch Lincoln, Ephesians, den Kommentar z.St.) bestimmt das Verhältnis formal ähnlich wie Gese, aber inhaltlich different: Es werde deutlich auf soteriologische Schlüsselkonzepte von Paulus zurückgegriffen, doch in kreativer Aneignung für das eigene Interesse. Die Rettung wird als abgeschlossenes Ereignis dargestellt, Gnade wird betont, die Reaktion des Glaubenden im Vergleich zu Paulus geringer gewichtet. Er fragt, ob nicht Eph schon den Wechsel vom ‘Bundesnomismus’ des Paulus zu einem mehr prädestinatianischen Konzept der unwiderstehlichen Gnade, wie es später Augustin oder Calvin entfalten, vollzogen habe (Lincoln, ‘Summary’, 630).

21 Marshall, Ian Howard, ‘Salvation, Grace and the Works in the Later Writings in the Pauline Corpus’, NTS 42 (1996) 339–58CrossRefGoogle Scholar. Vgl. auch schon Lincoln, ‘Summary’, 626–9, der Eph als Beleg dafür anführt, dass die Verallgemeinerung der polemischen Rechtfertigungslehre zur Gnadentheologie bereits hier vollzogen ist.—Yee, Tet-Lim N., Jews, Gentiles and Ethnic Reconciliation: Paul's Jewish Identity and Ephesians (Cambridge: Cambridge University, 2005)CrossRefGoogle Scholar, stellt sich in seiner Analyse dezidiert zur Aufgabe, den Eph, dessen nichtpaulinische Verfasserschaft er nicht voraussetzt, mit den Einsichten der ‘New Perspective on Paul’ zu lesen. Yee geht auf die Frage nach dem Verhältnis zur paulinischen Rechtfertigungslehre nur en passant ein. Er will vielmehr nachweisen, dass der Eph aus einer jüdischen Perspektive auf heidnische Menschen blickt, aber den jüdischen Ethnozentrismus sub Christo kritisiere.

22 Marshall, ‘Salvation’, 356f, mit Bezug auf Röm 11.6.

23 Marshall, ‘Salvation’, 358. Ihm schließt sich Westerholm an, wiewohl er in der Redeweise von zukünftiger (Röm 5.9) bzw. geschehener Rettung Unterschiede konzediert: ‘Variations in detail there are; but [Eph] 2:8-10 remains as fine a statement as any of Paul's “Lutheranism”’ (Perspectives, 405). Eph wie Tit einerseits, der Jakobusbrief andererseits würden zeigen, dass der Ausschluss menschlicher Werke von der Gnade nicht erst im 16.Jh. zu einem paulinischen Anliegen erklärt wurde, sondern bereits in der frühesten Rezeption—und auch schon für Paulus Diskussionsgegenstand war (406f).

24 James D. G. Dunn, ‘Whatever Happened to “Works of the Law”?’ (1998), New Perspective on Paul, 375–88, hier: 383–5, Zitat 385. Vgl. auch Wolter, ‘Entwicklung’, 34–7, nach welchem die Veränderungen einer Neukontextualisierung der paulinischen Rechtfertigungslehre dienen.

25 Vgl. Lincoln, ‘Summary’, 627f, zum prinzipiellen Problem der Bestimmung einer ‘paulinischen Essenz’ beim Vergleich von Paulus und Epheserbrief.

26 Dass Eph 2 Kol 2.12f verwendet (s. dazu detailliert Ernest Best, ‘Dead in Tresspasses and Sins [Eph 2.1]’, Essays on Ephesians [Edinburgh: T. & T. Clark, 1997] 6985Google Scholar) und mittelbar oder direkt auf Röm 6.4f rekurriert, ist durch die wörtlichen Berührungen gesichert, wie die Synopse im Anhang zeigt (fettgedruckt sind Parallelen zwischen Eph und Kol, unterstrichen Parallelen zwischen Kol und Röm).

27 So ersetzt etwa die literarkritische Herleitung die kontextuelle Auslegung, wenn καί in Eph 2.1, 5 nur als Reflex von Kol 2.13 erklärt, aber nicht gedeutet wird (so z.B. Best, ‘Dead’, 72, 77; Lincoln, Ephesians, 90).

28 Der Metaphernbegriff impliziert, dass eine Beziehung zwischen zwei semantisch üblicherweise nicht korrelierten Bereichen hergestellt wird, d.h. dass von einem Bildspendebereich (hier: tot versus lebendig) auf einen anderen Bereich (ethisches Verhalten und Gottesbeziehung) übertragen wird. Das ist nicht unerheblich für das Textverständnis, denn mit dieser Beschreibung ist impliziert, dass über den Bildspendebereich an sich keine Aussage gemacht ist. Konkret: Versteht man die Formulierung vom Mitauferwecken als metaphorische Redeweise, dann ist über die Realisierung der Auferweckung der Glaubenden keine Feststellung getroffen, d.h. auch nicht zu folgern, dass hier die Erwartung einer endzeitlichen Auferweckung suspendiert sei. Anders votiert etwa Lindemann, der einen Unterschied markieren will zwischen der metaphorisch–symbolischen Rede von der Auferweckung in JosAs und dem Eph, in dem die Auferstehung ‘ganz konkret gefasst’ sei (Aufhebung, 141f, Zitat 141). Auch die Rede von einer Spiritualisierung (so Sellin, Epheser, 162, mit Bezug auf συνϵγϵίρϵιν) nivelliert die semantische Spannung und blendet den Zusammenhang aus, der zwischen der Rede von ‘tot durch Sünden’ (2.1-5) und lebendig gemacht werden etc. (2.5) besteht.

29 Dies sei ausdrücklich festgehalten gegen platonisierende Sprachvorstellungen wie die von Marshall, ‘Salvation’, 343, der meint ‘we can draw a distinction between the concept and the vocabulary of justification’.

30 Zu der hier vorausgesetzten Metapherntheorie und ihrer Begründung vgl. Zimmermann, Ruben, ‘Metapherntheorie und biblische Bildersprache. Ein methodologischer Versuch’, ThZ 56 (2000) 108–33Google Scholar; Gerber, Christine, Paulus und seine ‘Kinder’. Studien zur Beziehungsmetaphorik in den paulinischen Briefen (BZNW 136; Berlin/New York: de Gruyter, 2005) 81111CrossRefGoogle Scholar mit weiterer Diskussion der Literatur, , und Sophie Rantzow, , Christus Victor Temporis. Zeitkonzeptionen im Epheserbrief (WMANT 123; Neukirchen–Vluyn: Neukirchener, 2008)Google Scholar, prinzipiell zur Bedeutung der kognitivistischen Metapherntheorie und deren Anwendung in der Deutung des Zeitverständnisses des Eph.

31 Die Struktur ist so aufgefasst, dass V.1-3 und V.8-10 ringförmig um ‘die Achse’ V.4-7 stehen, welche das rettende Eingreifen Gottes beschreibt (vgl. so Sellin, Epheser, 161, der allerdings V.7 zum dritten Teil zählt). V.8f führt die Begründung für V.7 an, indem es den ‘überfließenden Reichtum der Gnade Gottes’ (s.V.7b) erläutert, V.10 begründet V.8f mit einer metaphorischen Variation zu V.4-7 und führt mit dem ἵνα-Satz den Gedankengang wieder auf das Thema der Ethik zurück.

32 Zur Gegenüberstellung vgl. Tachau, Peter, ‘Einst und Jetzt’ im Neuen Testament. Beobachtungen zu einem urchristlichen Predigtschema in der neutestamentlichen Briefliteratur und zu seiner Vorgeschichte (FRLANT 105; Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 1972)CrossRefGoogle Scholar. Er will freilich in Eph 2 dieses Schema, das z.B. in 1 Kor 6.9-11; Kol 1.21f; und 1 Petr 2.9f begegnet, aber bereits vorchristlich belegt ist, nur zerdehnt erkennen, insofern das νῦν erst in 2.13 falle. Doch bereits 2.4-10 beschreibt eine zum in V.1-3 charakterisieren ‘Einst’ konträre Situation, die auf eine Differenz der Gegenwart zur negativen Vergangenheit schließen lässt (mit Lincoln, Ephesians, 86–7; anders freilich Rantzow, Christus, 157f, die unterstreicht, dass 2.4-6 keine Gegenwart als solche beschreibe).

33 Das Subjekt fällt erst in V.4 (vgl. zur Syntax Lincoln, Ephesians, 84f).

34 Ohne Unterschied der Referenz etwa deuten die Pronomina Lindemann, Aufhebung, 108; Schnackenburg, Rudolf, Der Brief an die Epheser (EKK 10; Düsseldorf u.a.: Benziger, 2 2003) 87–9Google Scholar, 92; Best, ‘Dead’, 76–8; Lincoln, Ephesians, 88; u.a. Sellin, Epheser, 163 sieht eine Differenz, aber ohne inhaltliche Relevanz.

35 Vgl. für ein betontes ἡμϵῖς πάντϵς Apg 2.32; 1 Kor 12.13; 2 Kor 3.18; 5.10; Röm 4.16.—Gegen M. Barth, Ephesians, 211f; Pokorný, Epheser, 100, die zwar eine Differenz unterstellen, aber ἡμϵῖς πάντϵς V.3 nur auf Judenchristen beziehen, das πάντϵς ignorierend.

36 Dass die Eulogie 1.3-14 programmatisch unterscheidet zwischen einer judenchristlichen ‘Wir-Gruppe’ (1.3-12) und den heidenchristlichen Adressaten (1.13-14) vertritt bes. Faust, Eberhard, Pax Christi et pax Caesaris. Religionsgeschichtliche, traditionsgeschichtliche und sozialgeschichtliche Studien zum Epheserbrief (NTOA 24; Freiburg, Schweiz: Universitätsverlag, 1993) 214–17CrossRefGoogle Scholar.

37 Das καί ist konzessiv zu verstehen: ‘obwohl durch Sünden tot’, d.h. der Gottesbegegnung nicht würdig (vgl. BDR § 425,1).

38 αἰών ist kein Gott (so viele ältere Kommentare und jüngst wieder Yee, Jews, 49f, vgl. dagegen Rantzow, Christus, 120–41, die zeigt, dass der Gott Aion nur als religionsgeschichtliches Konstrukt existiert), sondern zeitlich zu verstehen (mit Sellin, Epheser, 167–70; Lincoln, Ephesians, 94f, s. dort zur Diskussion). Gleichwohl ist, wie Rantzow, Christus, 141f, zeigt, die Zeit dämonisch verstanden und personal-destruktiv metaphorisiert.

39 Wie hier vorgeschlagen deutet auch Yee, Jews, 46–56, die Referenz der Personen, allerdings mit anderer Pointe: Der jüdische Autor entspreche der jüdischen Perspektive, indem er die Nichtjuden als die Anderen darstelle und wegen ihres Götzendienstes kritisiere (mit Bezug auf αἰών in V.2 als Götzenbezeichnung—s. dagegen Anm.38). V.3 sei dann ein Zugeständnis vor dem Hintergrund jüdischer Kritik an falschen Begierden. M.E. geht es nicht um Konzilianz gegenüber den Heiden, sondern darum, dass jüdische wie nichtjüdische Menschen trotz der unterschiedlichen Voraussetzungen alle gleichermaßen ‘tot durch Übertretungen’ (V.5) und vollkommen auf die Gnade Gottes angewiesen sind.

40 σάρξ ist sonst im Eph (2.11, 14; 5.29, 31; 6.5, 12) neutral verwendet und sollte nicht vom paulinischen Sprachgebrauch her überinterpretiert werden (so aber Lincoln, Ephesians, 97f, vgl. zur Differenz zum paulinischen Verständnis bereits Lindemann, Aufhebung, 112f). Die Differenz zum paulinischen Verständnis wird auch durch die unpaulinische Gegenüberstellung von σάρξ und διάνοιαι in V.3b indiziert. σάρξ ist nicht identisch mit dem in V.2 genannten widergöttlichen Archonten, sondern hier insofern negativ, als sie den Willen regiert (πιθυμία, θλημα), mithin zu einer Selbstbezüglichkeit führt, die nicht an Gott orientiert ist. Das macht alle zu Kindern des Ungehorsams, auch die jüdischen Menschen (aber nicht allein diese—gegen Schweizer, Eduard, ‘σάρξ κτλ. E: Neues Testament’, ThWNT 7 [1964] 123–51Google Scholar, der meint: ‘was bei den Heiden der Äon dieser Welt und der Fürst der Luftmacht war, das war die σάρξ bei den Juden’ [138]).

41 Vgl. zum Bildfeld genauer Konradt, Matthias, Christliche Existenz nach dem Jakobusbrief. Eine Studie zu seiner soteriologischen und ethischen Konzeption (StUNT 22; Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 1998) 4759Google Scholar, der freilich Geburtsmetaphorik und Tot-lebendig-Metaphorik zu wenig unterscheidet; Best, ‘Dead’, 78–83; Lincoln, Ephesians, 92f; Sellin, Epheser, 165f, der allerdings den atl. Hintergrund nicht berücksichtigt und diese auch in der Stoa belegte Metaphorik auf die hellenistische Beeinflussung des Frühjudentums zurückführt.

42 Für das Verständnis der Metaphorik ist nicht nur das Bildfeld wichtig, sondern auch die zeitgenössische Auffassung des Bildspenders. Vgl. zur Konzeption des Todes im biblischen Zusammenhang Walter Dietrich/Vollenweider, Samuel, ‘Tod II: Altes und Neues Testament’, TRE 33 (2002) 579600Google Scholar; Zangenberg, Jürgen, ‘Trockene Knochen, himmlische Seligkeit. Todes- und Jenseitsvorstellungen im Judentum der hellenistisch-frührömischen Zeit’, Tod und Jenseits im alten Israel und in seiner Umwelt (Hg. Angelika Berlejung; FAT 64; Tübingen: Mohr Siebeck, 2009) 655–89Google Scholar.

43 Vgl. genauer Best, ‘Dead’, 78f.

44 Vgl. besonders Ps 31.13; 143.3 und zur hier vorausgesetzten Auffassung vom Tod Christoph Barth, Die Errettung vom Tode in den individuellen Klage- and Dankliedern des Alten Testaments. Mit zwei Anhängen, einer Bibliographie und Registern neu herausgegeben von Bernd Janowski (Zürich: Theologischer Verlag Zürich, 2 1987)Google Scholar 53ff. Vgl. weiter PsSal 16.1-4.

45 Vgl. z.B. auch Ps 29.4lxx; 55.14lxx; 114.8lxx. ‘Ist die Bedrängnis eine Art von Tod, so die Befreiung von ihr eine Errettung vom Tode’ (Barth, Errettung, 11).

46 ζωοποιϵῖν bezeichnet nicht nur Erweckung von Toten, sondern auch Heilung Kranker, vgl. so 2 Kön 5.7lxx (μὴ θϵὸς γὼ τοῦ θανατῶσαι καὶ ζωοποιῆσαι) und Ps 70.20lxx. In JosAs 20.7 rekurriert das Syntagma ζωοποιῶν τοὺς νϵκρούς auf Gottes Schöpferhandeln. Im christlichen Kontext gewinnt es jedoch eine eschatologische Nuance (s. Röm 4.17; 8.11; Joh 5.21 etc.). Vgl. zu dieser Prädikation im Kontext antiker Zimmermann, Gottesrede Christiane, Die Namen des Vaters. Studien zu ausgewählten neutestamentlichen Gottesbezeichnungen vor ihrem frühjüdischen und paganen Sprachhorizont (Ancient Judaism and Early Christianity 69; Leiden u.a.: Brill, 2007) 427–65CrossRefGoogle Scholar.

47 ‘(19) Ich preise dich, Adonaj, denn du hast meine Seele befreit aus dem Grab, und aus der Scheol des Totenreichs (20) hast du mich heraufgeführt zu ewiger Höhe. Und so wandele ich umher auf einer Ebene ohne Grenze. Und ich weiß, dass es eine Hoffnung gibt für den, (21) den du aus dem heraus geschaffen hast für die ewige Ratsversammlung. Und den verkehrten Geist hast du gereinigt von großer Sünde, damit er seinen Platz nehme (22) mit dem Heer der Heiligen und eintrete in die Gemeinschaft mit der Versammlung der Kinder des Himmels’.

48 ‘Herr, Gott…, der du das All lebendig machst (ὁ ζωοποιῶν τὰ πάντα) und aus der Dunkelheit in das Licht rufst und aus dem Irrtum in die Wahrheit und vom Tod in das Leben (ἀπὸ τοῦ θανάτου ϵἰς τὴν ζωήν), du Herr, segne diese Jungfrau und erneuere sie durch deinen Geist und erschaffe sie wieder durch deine Hand und mache sie wieder lebendig (ἀναζωοποίησϵν αὐτήν)!’ (JosAs 8.9); vgl. auch Philo, Migr 122.

49 Auch die Vorstellung der ‘Totenerweckung’ ist ‘nur’ eine Metapher für postmortale Existenz; vgl. Zangenberg, ‘Knochen’, 677f.

50 Vgl. Zangenberg, ‘Knochen’, 673–82; Stemberger, Günter, ‘Auferstehung I/2: Judentum’, TRE 4 (1979) 443–50Google Scholar.

51 Tertium comparationis zwischen Taufe und Beschneidung ist der Initiationsritus, weiter ausgedeutet auf das Ablegen von Fleisch; vgl. Wolter, Michael, Der Brief an die Kolosser (ÖTK 12; Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus, 1993) 128Google Scholar.

52 Vgl. so auch Rantzow, Christus, 250f. Dass Eph sich auf die Taufe bezieht, wird in der Auslegung meist unterstellt, auch wo man sich nicht mehr zu der formgeschichtlichen These erkühnt, dass Eph 2.1-10 ein Tauflied sei (so Gottfried Schille, Frühchristliche Hymnen [Berlin: Evangelische Verlagsanstalt, 1965] 53–60). Ein Taufbezug wird nun aus der in Eph 2 aufgenommenen Tradition abgeleitet. Nach Lincoln etwa stammen die Motive vermutlich aus der Taufinstruktion, insbes. 2.5f, was aus der Verwandtschaft zu Kol 2.12; Röm 6.1-4 geschlossen wird (Ephesians, 90; dort auch weitere Vertreter dieses Konnexes, z.B. Pokorný, Epheser, 96, 102; Gese, Vermächtnis, 147–57). Gegen einen Taufbezug votieren aber z.B. M. Barth, Ephesians, 234; Lindemann, Aufhebung, 116–22; auch Sellin, Epheser, 164, ist skeptisch.

53 Auch aus der sprachlichen Verwandtschaft zu Tit 3.4-7 (auch dort χάριτι, σῴζϵιν [Aor.], οὐκ ξ ργων, freilich mit δικαιοσύνη [V.5] und δικαιωθῆναι [V.7]) ist gleichfalls nicht zurückzuschließen auf Eph 2. Denn abgesehen davon, dass auch dort nicht explizit von der Taufe die Rede ist und noch zu prüfen wäre, ob die Taufe hier metaphorisch versinnbildlicht wird, ist im Titusbrief nicht das Gegenüber von Tod und Auferweckung grundlegend, und es wird nicht christologisch, sondern pneumatologisch argumentiert. Wenn überhaupt ein Bildfeld zu unterstellen wäre, dann wäre es Taufe als Auferweckung (so nur, sehr divergent ausgeführt, in Kol 2.12; 1 Petr 3.21).

54 Zur Bedeutung von ν τοῖς πουρανίοις (Eph 1.3, 20; 2.6; 3.10; 6.12) als ‘metaphorische Konzeptualisierung von Unverfügbarkeit’, die von den Himmeln (οὐρανοί) wie der Erde unterschieden ist und weder für einen Heilsraum noch für einen Unheilsraum steht, vgl. Rantzow, Christus, 84–105 (Zitat 102).

55 Mit Christoph Burchard (‘Fußnoten zum neutestamentlichen Griechisch’, ZNW 61 [1970] 157–71, hier: 169) ist es sinnvoll, das wiederholte καί in 2.5 epexegetisch zu deuten, also so, dass συνϵζωοποίησϵν durch συνήγϵιρϵν und συνϵκάθισϵν interpretiert wird: ‘er (Gott) hat uns … mit Christus lebendig gemacht …, das heißt, uns mit ihm auferweckt und uns mit in den Himmel versetzt in Christus Jesus’ (so ebd.).

56 Die Frage der präsentischen Eschatologie kann hier nicht eigens diskutiert werden; vgl. zur Diskussion und typischen Antworten Witulski, ‘Gegenwart’. Die Differenz zu Paulus betont etwa Lindemann, Aufhebung, 118–25; relativiert wird sie etwa von Lincoln, Ephesians, 105f, unter Verweis darauf, dass auch Röm 6.4, 10f ein bereits gegenwärtig neues Leben perspektiviert, und von Wolter, ‘Entwicklung’, 27–31, mit der Begründung, dass die deuteropaulinischen Briefe die eschatologische Erwartung als Wissensbestand voraussetzen und darum nicht ausführen. Noch anders argumentiert Rantzow, Christus, 248–55, auf Basis einer umfassenden Analyse der Zeitmetaphorik, nach welcher Eph 2.5f gar keine Aussage zu Zeitverhältnissen macht, sondern von einem überzeitlichen Geschehen spricht. Hier ist allerdings das Perfekt σϵσῳσμνοι 2.5, 8 nicht erklärt. M.E. zeigt V.10 sowie die Paränese des Briefes, dass die Rettung, die Bedingung des gottgemäßen Leben ist, für die Gegenwart vorausgesetzt ist, aber in V.5f von Auferweckung und Einsetzung in den Himmeln mit Christus metaphorice gesprochen wird. Die Bilder zur Beschreibung der Heilszueignung negieren keine endzeitliche Auferweckungshoffnung; vgl. bereits oben Anm.28.

57 So Mußner, Franz, ‘Eph 2 als ökumenisches Modell’, Neues Testament und Kirche (Hg. Joachim Gnilka; FS Rudolf Schnackenburg; Freiburg u.a.: Herder, 1974) 325–36Google Scholar, hier: 326. Die Anrede in der 2. Pers. Pl. ist jetzt tatsächlich als rhetorisch zu verstehen, da sie die 1. Pers. Pl. inkludiert, und so fehlt auch ein emphatisches Pronomen ὑμϵῖς, das in V.11 dann die Differenz wieder deutlich markieren wird.

58 Der Artikel bei τῇ γὰρ χάριτι ist kataphorisch (BDR § 2582): ‘Durch diese Gnade, die beschrieben wurde, seid ihr gerettet’.

59 Die Differenz zwischen beiden Sprachspielen wird oft nivelliert, wie etwa durch Gese, Vermächtnis, 161f mit Anm.179, nach welchem τῇ γὰρ χάριτί στϵ σϵσῳσμνοι auf Röm 3.24 (δικαιούμϵνοι δωρϵὰν τῇ αὐτοῦ χάριτι διὰ τῆς ἀπολυτρώσϵως τῆς ν Χριστῷ Ἰησοῦ) zurückzuführen sei; es gehe dem Autor bei der Veränderung darum, die Objektivität des Heils zu betonen. Anders argumentiert Sellin, Epheser, 186, für die geringe Differenz beider Sprachspiele damit, dass der Ersatz von δικαιοῦσθαι durch den Aor. σωθῆναι hellenistischer Mentalität entspreche. Lincoln, Ephesians, notiert zwar ein ‘break’ mit dem paulinischen Sprachgebrauch, zugleich aber Anschluss an paulinisches Denken bei Verwendung allgemeinerer Terminologie.

60 Vgl. zur breiten forensischen Metaphorik im Röm genauer Andrie du Toit, , ‘Forensic Metaphors in Romans and their Soteriological Significance’, Focusing on Paul: Persuasion and Theological Design in Romans and Galatians (ed. Breytenbach, Cilliers and du Toit, David S.; BZNW 151; Berlin: de Gruyter, 2007) 249–80Google Scholar.

61 Das Verb fällt im Eph nur in 2.5, 8, σωτηρία noch in 1.13 (τὸ ϵὐαγγλιον τῆς σωτηρίας ὑμῶν); in Kol begegnet beides nicht. σῴζϵιν hat zunächst keine exklusiv religiös-eschatologische Konnotation, sondern beschreibt die Rettung aus Todesgefahr oder Krankheit, vgl. Foerster, E., ‘σῴζω κτλ.’, ThWNT 7 (1964) 966–70Google Scholar. Pagan können Ärzte oder Götter oder Menschen sich oder andere retten, biblisch rettet vor allem Gott, vgl. Ps 36.40lxx; 2 Makk 1.11; Mk 15.30f; Mt 8.25 u.ö. Auf diesen semantischen Kontext von Rettung verweist auch die Parallele von σῴζϵιν zu συζωοποιϵῖν in Eph 2.5, denn ζωοποιϵῖν beschreibt zunächst das Retten aus Todesgefahr (s. z.B. 2 Kön 5.7lxx, s. Anm.46). Auch Paulus setzt mit der Opposition von σῴζϵσθαι und ἀπόλλυσθαι in 1 Kor 1.18; 2 Kor 2.15 diese Bedeutung von σῴζϵιν voraus.

62 Auch in Röm 5.9f ist σῴζϵιν nicht spezifisch juridisch, sondern bezeichnet die ‘Rettung’ der bereits zu Gerechten Erklärten vor dem drohenden Gericht; vgl. auch 1 Kor 3.15; 5.5 (jeweils mit σῴζϵιν) sowie 1 Thess 1.9f (mit ῥύϵσθαι).—Gerade Röm 5.9 indiziert einen Unterschied zwischen δικαιοῦσθαι und σῴζϵσθαι, und so sollte man nicht unterstellen, dass der Verfasser des Eph diese Differenz nicht bemerkt hat.

63 Wolter, Michael, Das Lukasevangelium (HNT 5; Tübingen: Mohr Siebeck, 2008) 297Google Scholar, zu Lk 7.50; vgl. u.a. Apg 15.11; Röm 1.16; 10.10; 1 Kor 1.21; 2 Tim 3.15; 1 Petr 1.5, 9 und via negativa Jak 2.14.

64 Das Perf. begegnet in den Heilungserzählungen Mk 5.34parr; 10.52parr; Lk 17.19; Apg 4.9, vgl. auch Lk 7.50 (hier im Zusammenhang von Sündenvergebung, nicht Heilung).

65 Bezeichnend ist, dass das Motiv vom Vertrauen als Grund der Rettung in den Erzählungen von Totenerweckungen fehlt. Denn einem Toten (abgesehen von Jesus) kann seine Auferweckung nicht aufgrund seines Vertrauens in diese zuteil werden. Die Erweckungen gehen auch über das von den Angehörigen Erhoffte hinaus (vgl. Mk 5.36: Hier wird der Vater zum Glauben aufgefordert, vgl. ähnlich auch Joh 11.40; das Unerwartete der Auferstehung verdeutlicht Mk 9.10: τί στιν τὸ κ νϵκρῶν ἀναστῆναι, vgl. 16.8 sowie 1 Kor 15.12).

66 So aber z.B. Petrus J. Gräbe (‘Salvation in Colossians and Ephesians’, Salvation in the New Testament: Perspectives on Soteriology [ed. van der Watt, J. G.; NovTSup 121; Atlanta: Society of Biblical Literature, 2008] 287304Google Scholar): ‘The perfect tense (στϵ σϵσῳσμνοι) accurately depicts the significance of the transfer of dominions procured for the believer by the word of God through Christ’ (294–303, insbes. 300f, Zitat 301; er bezieht sich dabei auch auf J. T. Sanders und Arnold). Die Formulierung in V.2 mit doppeltem κατά stellt jedoch den ‘Zeitgeist’ und den Herrscher der Luft nicht als überwältigende Mächte in den Mittelpunkt, sondern vielmehr die Menschen als solche, die sich in ihrem Wandel an diesen orientieren. Und in V.3 geht es nicht um die beherrschenden Mächte, sondern um die Fehlorientierung an der eigenwilligen σάρξ.

67 Der Präpositionalausdruck διὰ πίστϵως gibt die Wirkursache an, nicht die Antwort auf die erfahrene Gnade (so Yee, Jews, 64f) oder das Medium der Gnadenerfahrung (so aber Sellin, Epheser, 185, nach dem διά c. gen. den Vermittler, nicht die Ursache einer Handlung bezeichne, und auch Lincoln, Ephesians, 111, der meint, Glaube sei das Mittel, durch das die Gnade effektiv wird im Leben eines Menschen). Das ergibt sich nicht nur aus der Präposition (BAA s.v. III 1d), sondern entspricht auch der Tradition von dem rettenden Glauben (s.o. bei Anm.63).

68 Siehe Röm 3.22; Gal 2.16; Phil 3.9, wo πίστις aber durch einen Genetiv (Ἰησοῦ) Χριστοῦ spezifiziert wird, vgl. auch διὰ τῆς πίστϵως in Röm 3.25, 30f; Gal 3.14, 26 u.ö. ‘Typisch paulinisch’ ist auch κ πίστϵως (vgl. Röm 1.17; 3.26; 4.16; Gal 2.16 etc.) wie bereits in Hab 2.4lxx (s. Röm 1.17).

69 Der Gebrauch von πίστις κτλ. im Eph sonst lässt keine vertiefte Reflexion über den nicht habitualisierbaren Glauben als besonderes Vertrauen in Gottes rechtfertigendes oder ex nihilo schöpferisches Handeln (Röm 4.17) erkennen und wird außer in 1.15 (πίστις ν τῷ κυρίῳ Ἰησοῦ) und 3.12 ohne Angabe des Inhalts erwähnt: Der Glaube zeichnet die Adressatinnen und Adressaten neben ihrer Liebe evident aus (1.15, vgl. 3.12; 6.23), er kann zwischen Kyrios und Taufe als Signum der Einheit stehen (4.5, vgl. 4.13), er schützt den Menschen wie ein Schutzschild (6.16). Dem entspricht, dass das Verb πιστϵύϵιν (nur 1.13, 19) keine Rolle spielt und ohne Objekt zur Beschreibung der Adressaten bzw. von ‘uns’ dienen kann.

70 Die Verknüpfung von σῴζϵιν und χάρις ist m.W. nicht idiomatisch. χάρις spielt in der lxx keine Rolle (s. Hans Conzelmann/Zimmerli, Walther, ‘χάρις κτλ.’, ThWNT 9 [1973] 350405Google Scholar, hier: 379), ist aber ein Lieblingswort des Eph, wiewohl es im Kol fehlt. Die Verbindung von σῴζϵιν und χάρις wie in Eph 2.5, 8 ist jedenfalls nicht paulinisch und begegnet im NT nur noch (weitläufig verbunden) in 2 Tim 1.9 und in Apg 15.11. Petrus spricht dort von der Errettung nichtjüdischer Menschen ohne das Joch des Gesetzes durch die χάρις Jesu Christi; wann diese Rettung stattfindet (endzeitlich oder durch die Reinigung des Herzens durch den Glauben), bleibt unklar. In biblischen Aussagen über die Rettung (σῴζϵιν) aus Gnade bzw. Erbarmen steht λϵος κτλ., vgl. σῶσόν μϵ ν τῷ λϵι σου, Ps 30.17lxx; 108.26lxx u.ö.

71 τοῦτο bezieht sich entsprechend dem Genus nicht auf πίστις zurück, sondern auf dieses Rettungsgeschehen (s. Lincoln, Ephesians, 111f).

72 Die Bedeutung von ἵνα νδϵίξηται ν τοῖς αἰῶσιν τοῖς πϵρχομνοις (2.7) ist umstritten, hängt doch u.a. daran die Frage einer zukünftigen Eschatologie. Rantzow, Christus, 106–55, zeigt, dass αἰῶνϵς πϵρχόμϵνοι wie αἰών in 2.2 als temporale Bezeichnung (‘herankommende Zeiten’), nicht als personale (‘herankommende Mächte’) zu verstehen ist, die Zeit aber metaphorisch als ‘eine sich [feindlich] auf die Menschen zu bewegende Entität konzeptualisiert’ wird (ebd., 145).

73 Vgl. zu der Vorstellung, dass die Gerechten herrschen werden, die hier christologisch metaphorisiert und in die Gegenwart gezogen ist, Lincoln, Ephesians, 107. Yee, Jews, 60, weist darauf hin, dass die Besonderheit hier nicht in der präsentischen Eschatologie liegt, sondern darin, dass der himmlische Ehrenplatz nicht nur den jüdischen Gerechten zuteil wird, sondern auch den nichtjüdischen Menschen.

74 κ ist hier kausal, vgl. BDR § 212,2. Das Syntagma (οὐκ) ξ ργων ohne das Attribut νόμου fällt noch in Röm 4.2; 9.12, 32; 11.6; Tit 3.5; Jak 2.21, 25, abgesehen von Röm 9.12; 11.6 aber stets mit δικαιοῦσθαι κτλ. In den besagten Stellen im Römerbrief geht es um die Erwählung durch Gott, die nicht aufgrund von Werken geschieht.

75 δῶρον begegnet in den Briefen der Paulustradition nur hier (sonst δωρϵά, s. Röm 5.15, 17; 2 Kor 9.15, vgl. Eph 3.7; 4.7), ist aber in lxx zahlreich belegt.

76 Wie bei Paulus Gal 2.16; 3.2, 5; Röm 3.27; 4.5f und öfter (mehrfach spezifiziert als ργα νόμου).

77 Vgl. so auch Marshall, ‘Salvation’, 347, der hier allerdings eine polemische Note unterstellt, s. Anm. 84.

78 Die Phrase οὐκ ξ ὑμῶν im vorliegenden Sinne fehlt in den paulinischen Briefen, nur 2 Kor 4.7 (ἵνα ἡ ὑπϵρβολὴ τῆς δυνάμϵως ᾖ τοῦ θϵοῦ καὶ μὴ ξ ἡμῶν) könnte entfernt als Analogie gelten.

79 Gegen Schlier, Epheser, 116; Mußner, Epheser, 67, nach welchen ργα hier wie bei Paulus die Werke des Gesetzes meine.—Ob zwischen ργα im vorliegenden Kontext und ργα νόμου im paulinischen Sinne (Gal 2.16; Röm 3.28) ein nur gradueller oder ein qualitativer Unterschied besteht, kann hier nicht ausdiskutiert werden, entscheidet es sich doch am Verständnis des paulinischen Sprachgebrauchs—und an der hermeneutischen Frage, was in der Rede von der Rechtfertigung Substanz, was Akzidenz ist. M.E. ist es sachgerecht, eine qualitative Differenz zu markieren, da der Tora-Bezug die paulinische Wendung determiniert (wie sich etwa an der Äquivalenz von κ νόμου [Röm 4.14 u.ö.] bzw. ν νόμῳ [Gal 3.11 u.ö.] zeigt) und mithin sein Fehlen in Eph 2 signifikant ist (s. auch Anm.74). Unter der Vielzahl der Literatur zu den ‘Werken des Gesetzes’ sei nur verwiesen auf Burchard, Christoph, ‘Nicht aus Werken des Gesetzes gerecht, sondern aus Glauben an Jesus Christus—seit wann?’, Geschichte—Tradition—Reflexion (Hg. Hubert Cancik u.a.; FS Martin Hengel; Tübingen: Mohr Siebeck, 1996) 405–15Google Scholar. Anders aber argumentiert z.B. Theobald, ‘Kanon’, der hier wie in den anderen zur Diskussion stehenden Texten (s. Anm.2) jeweils eine ‘stets … situationsgemäße Fortschreibung’ sieht.

80 ργον wird im Eph neutral verwendet, es wird stets qualifiziert durch Zusätze (positiv in 2.10; 4.12, negativ in 5.11). Eine Paraphrase wie die von Lincoln: ‘ “Works” now [d.h. in diesem Brief an Heidenchristen] stands for human effort in general. Salvation is not achieved by human performance or any attempt to earn God’s approval' (Ephesians, 112) überschreibt die Formulierung des Eph mit der reformatorischen Applikation der paulinischen Thematik, die sich ihrerseits um die Rolle des Gesetzes dreht. Von dem Versuch, bei Gott Anerkennung zu ‘verdienen’, ist im Kontext nicht die Rede. Dass Gott Adressat des ausgeschlossenen Rühmens wäre, ist nicht gesagt.

81 Die Rede vom Ruhm ist im NT charakteristisch für Paulus, fehlt aber im Kol. Im paulinischen Schrifttum gibt es allerdings verschiedene Kontexte. Die Redeweise ist mitnichten spezifisch für die Rechtfertigungstheologie (so nur in Röm 3.27ff; 4.2), und sie betrifft auch bei Paulus selbst nicht notwendig das verfehlte, da selbstgewisse Gottesverhältnis. Vgl. dazu und zum Sprachgebrauch insgesamt Wilk, Florian, ‘Ruhm coram Deo bei Paulus?’, ZNW 101 (2010) 5577CrossRefGoogle Scholar.

82 ἵνα ist m.E. hier nicht final zu verstehen (so Sellin, Epheser, 186; Lincoln, Ephesians, 113), als sei es der Zweck des göttlichen Gnadenhandelns, Rühmen auszuschließen, sondern konsekutiv (s. BAA s.v. II.2) oder im Sinne eines verneinten Imperativs der 3. Pers. (s. BAA s.v. III.2), der in V.10 begründet wird.

83 So aber Theobald, ‘Kanon’, 208–10, der meint, dass hier der von Paulus gegen Judenchristen eingebrachte ‘Kanon von der Rechtfertigung’ nun gegen Heidenchristen aktualisiert werde. Das ἵνα μή τις καυχήσηται V.9b habe als Ziel der Aussage ‘heidenchristlichen Dünkel gegenüber der judenchristlichen Minorität in der Kirche seiner Zeit im Blick’ (a.a.O., 209).—Zur exegetischen Diskussion über die Kritik am Rühmen im Kontext der Rechtfertigungslehre bei Paulus vgl. Wilk, ‘Ruhm’, 55f.

84 So Marshall, ‘Salvation’, 347, indem er unterstellt, dass Werke und Gnade als ‘an alternative way of salvation’ angesehen würden: Werke, egal ob im Sinne der New Perspective Forderungen des Gesetzes oder gute Taten, ‘are what a person relies on for a right relationship with God’ (346). ‘Thus Ephesians is attacking a view which sees human works of any kind as a basis for God’s saving action and regards this view as standing in conflict with salvation by grace. People must respond to grace with faith' (ebd.). Zu beachten ist auch, dass die New Perspective on Paul fraglich werden lässt, wer eine solches Vertrauen in eigene ‘Werke’ überhaupt vertreten haben sollte.

85 ποίημα wird in der lxx von Gottes Schöpfung gebraucht; vgl. so Lincoln, Ephesians, 113f, und Yee, Jews, 66f, zu diesem impliziten Spiel mit ργα und ποίημα.

86 So aber z.B. Lincoln, Ephesians, 114; Sellin, Epheser, 186f.

87 Vgl. Lincoln, Ephesians, 115f. Sellin beschreibt dies als ‘nicht mehr steigerbare Radikalisierung der paulinischen Rechtfertigungslehre’ (Epheser, 188), doch m.E. geht es hier um eine implizite Paränese zum Tun, denn nicht die Taten liegen bereit, sondern das, was zu tun ist.

88 Verstehen wir auch die Rede von der Schöpfung metaphorisch, so besagt V.10 nicht, dass die guten Werken bei der creatio originalis präexistent sind als ‘protologische Verankerung auch der Ethik (wie schon der Eschatologie: V.7)’ (so Sellin, Epheser, 188), sondern dass die Taten vor der innergeschichtlichen Errettung der Menschen durch das Christusgeschehen bereits gegeben waren.

89 πϵριπατϵῖν begegnet gewiss nicht zufällig nur hier (2.2, 10) und dann in den prinzipiellen ethischen Forderungen 4.1, 17; 5.2, 8, 15.

90 Vgl. auch oben Anm.79.

91 Gleichwohl setzt der Epheserbrief den Tod Jesu nicht nur voraus, sondern schreibt ihm auch—aber in anderen argumentativen Kontexten—soteriologische Bedeutung zu; vgl. 1.7; 2.13, 16; 5.2.