1. Einführung
Die Studiorum Novi Testamenti Societas (SNTS) wurde auf der Tagung vom 14. bis 16. September 1938 in Birmingham gegründet.Footnote 1 Die Gründungsmitglieder vereinbarten den lateinischen Namen der Gesellschaft, wählten ein provisorisches Komitee und der erste Sekretär der Gesellschaft George H. Boobyer erstellte einen Briefkopf, der ab diesem Zeitpunkt für die Korrespondenz der SNTS genutzt wurde.Footnote 2 Schließlich wurden das erste General Meeting auf den 20. bis 22. September 1939 im College of the Ascension, Selly Oak Birmingham terminiert und die Vortragenden für die Hauptvorträge bestimmt. Die Einladung zu dieser ersten Tagung enthielt eine Liste der Mitglieder, in der insgesamt 91 Neutestamentler angeführt wurden.Footnote 3 Aufgrund des Ausbruchs des Krieges am 1. September 1939 wurde diese Zusammenkunft abgesagt.Footnote 4 Die erste Jahresversammlung der Gesellschaft fand daher erst am 28. März 1947 in Oxford statt.
Über die Entstehungsgeschichte der Zeitschrift New Testament Studies (NTS), deren erstes Heft 1954 erschien und deren Vorläufer die Jahresbände des Bulletin of the Studiorum Novi Testamenti Societas (Jg. 1,1950 bis 3,1952) waren, berichteten einige der Protagonisten des Geschehens wie Boobyer und Matthew Black aus Großbritannien sowie Jan Willem Doeve und Willem Cornelis van Unnik aus den Niederlanden in den fünfziger Jahren.Footnote 5 Der von diesen übereinstimmend als zentraler Ideengeber genannte niederländische Neutestamentler Johannes de Zwaan hat sich öffentlich nur knapp in den einleitenden Bemerkungen zum ersten Heft der von ihm ein Jahr nach NTS gegründeten Zeitschrift Novum Testamentum geäußert.Footnote 6
Die Entstehungsgeschichte der NTS ist bisher kein Gegenstand kritischer Forschung gewesen. Der folgende Beitrag macht es sich zur Aufgabe, diese Geschichte unabhängig aus den Quellen zu entwickeln, und greift dabei vor allem auf den bisher unbearbeiteten Briefwechsel über „Quarterly NTSociety“ (30 Briefe vom 31. Mai 1936 bis 25. März 1957), den de Zwaan der Leidener Universitätsbibliothek übergeben hatte, sowie den umfangreichen Nachlass von Thomas Walter Manson, der in der John Rylands Library zugänglich ist, zurück und ergänzt das aus diesen gewonnene Bild um einzelne aussagekräftige Quellen, die im Archiv der SNTS sowie in weiteren Nachlässen von Neutestamentlern dieser Zeit enthalten sind.Footnote 7 Hier sind zu nennen Rudolf Bultmann, Anton Fridrichsen und Eelis Gideon Gulin.Footnote 8
Aus diesen Quellen geht hervor, dass die Bestrebungen zur Gründung einer internationalen wissenschaftlichen Gesellschaft für neutestamentliche Forschung von Anfang an auch von der Idee begleitet waren, eine neue wissenschaftliche Vierteljahresschrift ins Leben zu rufen. Insbesondere de Zwaan und Manson setzten sich für die Gründung der Zeitschrift ein. Es war aber lange nicht ganz klar, wie der Wunsch nach einer exklusiven wissenschaftlichen Gesellschaft, die ihre Mitglieder ausschließlich per Kooptation bestimmt („experts“), mit einer auf eine größere Fachleserschaft („more popular and less exacting in its qualification for membership“) zielenden Zeitschrift vereinbart werden könnte.Footnote 9 Diese widerstreitenden Orientierungen bestimmten die Diskussionen in der Aufbauphase der Gesellschaft und der Zeitschrift. Zugleich wirkte auch die Weltgeschichte auf die Gründungsphase der Gesellschaft und der Zeitschrift ein: die aggressive Expansionspolitik des Deutschen Reiches gegenüber Österreich („Anschluss“ am 12. März 1938), die Münchener Konferenz als Höhepunkt der Politik des „Appeasement“ (30. September 1938), in deren Folge die Besetzung der Tschechoslowakei (15. März 1939) und schließlich der Ausbruch des Zweiten Weltkriegs (1. September 1939).Footnote 10
2. Die neutestamentliche Wissenschaft nach dem 1. Weltkrieg
Die protestantischen Kirchen in Europa unternahmen nach der Katastrophe des Ersten Weltkriegs und der damit verbundenen fundamentalen Glaubwürdigkeitskrise der christlichen Kirchen zahlreiche Anstrengungen, um die internationale ökumenische Zusammenarbeit, die vor dem Krieg einen ihrer Höhepunkte in der Missionskonferenz von 1910 in Edinburgh hatte, wiederaufzunehmen, zu vertiefen und so zur Sicherung des Friedens beizutragen.Footnote 11 Es waren nicht zuletzt diese ökumenischen Bestrebungen der Zwischenkriegszeit um die Bewahrung des Friedens und die Einheit des christlichen Zeugnisses, aus denen die SNTS hervorgegangen ist.
Der Erste Weltkrieg wurde von den christlichen Mehrheiten in Deutschland als traumatisierende Niederlage empfunden, in Frankreich als ein großer Sieg, der aber keine Früchte trug, und im Vereinigten Königreich vor allem als ein sinnloses und unnötiges Massenmorden. In beiden letztgenannten Ländern galt Deutschland als der Verursacher dieser Katastrophe, der nun zu bestrafen sei.Footnote 12 Die christlichen wie jüdischen Gemeinschaften dieser Länder waren während des Ersten Weltkriegs durch komplexe Loyalitätskonflikte belastet: Ist es dem katholischen Deutschen erlaubt seinen französischen Glaubensbruder, der doch die Sakramente der gleichen Kirche empfängt, zu töten?Footnote 13 Wie reagiert der jüdische Soldat, wenn er im feindlichen Schützengraben das Kaddisch oder das Schema Israel hört?Footnote 14 Auch von einigen evangelischen Studenten in Deutschland wird berichtet, sie hätten ihre Theologieprofessoren zu Beginn des Krieges um Rat gefragt, wie das Liebesgebot des Neuen Testaments mit dem von ihnen nun geforderten Töten zu vereinbaren sei und ob man sich nicht eher totschießen lassen solle als selbst zu töten.Footnote 15
Diese ethischen Dilemmata und die schrecklichen Erfahrungen des Ersten Weltkriegs waren wichtige Beweggründe für die internationale Zusammenarbeit der Christen, etwa in der Young Men's Christian Association (YMCA) und in der World Student Christian Federation (WSCF).Footnote 16 In vielen Ländern wurde die ökumenische Bewegung von der Mehrheit der christlichen Kirche getragen, in Deutschland hingegen lehnten viele diese ab oder stellten für ihre Mitwirkung unannehmbare Bedingungen wie die Absage an den Artikel 231 des Versailler Vertrags, in dem die Kriegsschuld alleine Deutschland und seinen Verbündeten zugewiesen wurde.Footnote 17
Die Stockholmer Kirchenkonferenz von 1925 führte unter der Leitung des schwedischen Erzbischofs Nathan Söderblom (1866–1931) diejenigen Vertreter der christlichen Kirchen zusammen, die eine grundsätzliche Bereitschaft dazu mitbrachten, die weltweite Gemeinschaft der Christen über nationale Interessen zu stellen.Footnote 18 Schon in Stockholm war das Bemühen zu erkennen, diese Gemeinsamkeiten auf die Aussagen des Neuen Testaments zu gründen. An die akademische Theologie und insbesondere an die Gelehrten des Neuen Testaments wurde die Erwartung gerichtet, dazu einen Beitrag zu leisten. Das führte zu weiteren internationalen Zusammenkünften und Kooperationen.
Zu nennen sind hier die Tagungen britischer und deutscher Neutestamentler in der Mysterium Christi-Gruppe, die im Mai 1927 und Oktober 1928 auf der Wartburg stattfanden.Footnote 19 Der Bischof von Chichester George K. Bell (1883–1958) und der Berliner Neutestamentler und führende deutsche Ökumeniker Adolf Deißmann (1866–1937) leiteten eine britisch-deutsche Forschergruppe zur Christologie.Footnote 20 Von britischer Seite nahmen die späteren SNTS-Mitglieder John Martin Creed (1889–1940) und Charles Harold Dodd (1884–1973) teil.Footnote 21 Zu den deutschen Teilnehmern gehörte das spätere Gründungsmitglied der SNTS Gerhard Kittel.Footnote 22
Die lutherischen Kirchen von Schweden und Finnland, die an der apostolischen Sukzession festgehalten hatten, führten zudem in diesen Jahren intensive Gespräche mit der Anglican Communion, an denen für Schweden die Neutestamentler Erling Eidem (1880–1972), Gustaf Aulén (1879–1977) und Anders Nygren (1890–1978) sowie für Finnland Rafael Gyllenberg (1893–1982) und das spätere SNTS-Gründungsmitglied Gulin beteiligt waren.Footnote 23
Fridrichsen hat in diesen Jahren ebenfalls zahlreiche Aktivitäten zur Vernetzung von Neutestamentlern und zur Schaffung von fachdisziplinären Publikationsmöglichkeiten entfaltet. Im Jahr 1936 gründete er die Exegetiska Sällskapet, die ein Zusammenschluss akademischer Lehrer und Studenten mit Interesse an der Bibelwissenschaft ist und jährlich das Svensk Exegetisk Årsbok herausgibt.Footnote 24 In der Zwischenkriegszeit muss dieser ebenfalls das Sodalicium Neotestamenticum Upsaliense (SNU) gegründet haben, um neutestamentliche Wissenschaftler aus dem Ausland, deren Arbeit durch den Krieg verunmöglicht wurde, zu unterstützen.Footnote 25
Selbst während des Krieges arbeiteten viele Neutestamentler an dieser theologischen Aufgabe weiter, z. B. in der ebenfalls durch die Edinburgher Konferenz angeregten Zusammenkunft schwedischer Theologen in Nyköping vom 19. bis 21. Februar 1942, deren Ergebnisse, etwa die besondere Bedeutung des neutestamentlichen Begriffs κοινωνία, maßgeblich von den Neutestamentlern Aulén, Fridrichsen und Nygren bestimmt waren.Footnote 26 In Deutschland wurden die ökumenischen Tagungen der Lutherakademie weitergeführt, an denen bis 1943 je nach Kriegslage skandinavische, baltische und osteuropäische Theologen und Neutestamentler teilnahmen.Footnote 27 Für die Entstehung der SNTS und für die Pläne einer internationalen Zeitschrift zur Forschung im Neuen Testament waren dann aber die Weltkirchenkonferenz für praktisches Christentum („Life and Work“) in Oxford 12. bis 26. Juli 1937 und für Glaube und Kirchenverfassung („Faith and Order“) in Edinburgh 3. bis 18. August 1937 maßgebend.
Am Rande der Konferenz von Edinburgh versammelten sich auf die Initiative de Zwaans hin zwölf Neutestamentler, die erste Vereinbarungen über die Gründung einer internationalen Gesellschaft trafen:
Firstly: during the conference on ‘Faith and Order’ at Edinburgh last year I succeeded in getting together a certain number of colleagues from different countries, mainly English speaking, for the idea of forming a sort of New Testament Society or Association.Footnote 28
Die in der Anfangsphase verwendeten Bezeichnungen für diese Gesellschaft reichen von „New Testament Academy“ über „N.T. Association“ oder „N.T. Society“ bis zu „Society for New Testament Studies“, wobei mit letzterer Bezeichnung in Anlehnung an die 1917 gegründete Society for Old Testament Studies (SOTS) die Vorstellung einer rein britischen Gesellschaft, die nicht-britische Wissenschaftler als Ehrenmitglieder berufen würde, verbunden war.Footnote 29 De Zwaan hatte von Anfang an auch eine internationale neutestamentliche Vierteljahresschrift im Blick. Allerdings waren die Reaktionen auf dieses Ansinnen weit zurückhaltender als auf die Gründung der Gesellschaft. In den ausführlichen Berichten Kittels über die ersten Sitzungen des provisorischen Komitees wird eine Zeitschrift nur kurz erwähnt.Footnote 30 Während im Jahr 1939 die Mitgliederliste auf 91 angewachsen und die erste Generalversammlung geplant war, wurde die Verwirklichung der Idee einer wissenschaftlichen Zeitschrift nicht im gleichem Maße vorangetrieben.
Neben dieser Verbindung mit der ökumenischen Bewegung wirkten aber auch fachdisziplinäre Entwicklungen auf die Gründung einer neutestamentlichen Fachzeitschrift ein. In vielen europäischen Ländern gab es wissenschaftliche Zeitschriften für das gesamte Feld der Theologie, aber nur wenige Fachorgane für Teildisziplinen. Britische Kollegen publizierten neutestamentliche Fachartikel in The Journal of Theological Studies (seit 1899). In den Niederlanden gab es die Nieuw Theologisch Tijdschrift (1912–46) bzw. Nederlands Theologisch Tijdschrift (ab 1947). In den skandinavischen Ländern existierten mehrere Zeitschriften für das Gesamtgebiet der Theologie, für Dänemark die Dansk Teologisk tidskrift (ab 1938), die Norsk Teologisk tidsskrift für Norwegen (ab 1900), eine Teologisk tidskrift (finn.: Teologinen aikakaskirja) für Finnland (ab 1896) und für Schweden die Svensk Teologisk Kvartalskrift (ab 1925), in denen jeweils auch neutestamentliche Beiträge abgedruckt wurden.Footnote 31
In der deutschen Theologie hingegen war die Ausdifferenzierung der theologischen Fächer so weit fortgeschritten, dass es bereits Zeitschriften für Teildisziplinen der Theologie gab. Die Zeitschrift für die neutestamentliche Wissenschaft und die Kunde der älteren Kirche (ZNW) war im Jahr 1900 von Erwin Preuschen (1867–1920) gegründet worden.Footnote 32 1903 erschien der erste Band der Biblischen Zeitschrift, herausgegeben von Johann Göttsberger (1868–1958), die etwa zur Hälfte dem Neuen Testament gewidmet war. In den dreißiger Jahren gab es außerhalb Deutschlands nur sehr wenige eigenständige exegetische oder gar neutestamentliche Publikationsorgan: In den USA war 1888 das Journal of Biblical Literature für das gesamte Feld der Exegese, aber zunächst nur als Vereinsschrift gegründet worden. 1936 erschien der erste Band des Svensk Exegetisk Årsbok und die Reihe Coniectanea neotestamentica wurde ins Leben gerufen. In dieser Zeit unterschied man zudem noch klar zwischen protestantischen und katholischen Fachzeitschriften, so dass die Zeitschriften Revue biblique (1892),Footnote 33Biblica (1920), Ephemerides theologicae Lovanienses (1924) oder die bereits genannte Biblische Zeitschrift für protestantische Autoren ebenso wenig infrage kam wie die ZNW für katholische. Es existierte demnach im europäisch-protestantischen Raum außer der ZNW keine neutestamentliche Fachzeitschrift.
Schließlich ist noch das von James Rendel Harris (1852–1941) durch den Verlag E. J. Brill, Leiden herausgegebene Bulletin of the Bezan Club for Critical Study of New Testament Texts zu nennen, das zwischen 1926 und 1937 in zwölf Ausgaben erschien und die fachwissenschaftliche Korrespondenz einer Gruppe von Textkritikerinnen und Textkritikern aus Europa und den USA evangelischer wie katholischer Konfession abdruckte, die dem „Geheimnis des Westlichen Textes“ auf den Grund gehen wollten.Footnote 34 Die Zeitschrift, an der Forscherinnen wie Miss Dr. Ad. H.A. Bakker und Mrs. Sylva New-Lake beteiligt waren, war ausdrücklich „for private circulation“ vorgesehen und demnach nur einem eingeschränkten Personenkreis zugänglich.Footnote 35 Zu diesem gehörte von Anfang an auch de Zwaan, der bei Rendel Harris studierte hatte und weitere im Jahr 1939 als Mitglieder der SNTS genannte Personen wie George Simpson Duncan, J. A. Findlay, Hans Lietzmann, Arent Jan Wensinck und T. W. Manson.Footnote 36 De Zwaan fungierte nach den Tod von Daniel Plooij (1877–1935) als Sekretär dieser Zeitschrift und strebte eine Ausweitung des am Bezan Bulletin beteiligten Personenkreises an.Footnote 37 Zu diesem Zweck hatte er den dänischen Neutestamentler Frederik Torm im Jahr 1936 um Hinweise auf skandinavische Textkritiker gebeten.Footnote 38 Die Antwort Torms, er kenne in Skandinavien keine Neutestamentler, die sich selbstständig mit der Textkritik beschäftigten, gehörte vermutlich auch zu den Erfahrungen, die de Zwaan dazu bewegten, die internationale Zusammenarbeit von Neutestamentlern auf eine breitere Grundlage als die der textkritischen Forschung zu stellen.Footnote 39 Im Jahr 1937 ergriff de Zwaan dann die Initiative zur Gründung einer internationalen wissenschaftlichen Gesellschaft für das Neue Testament, aus der sich neue Möglichkeiten für eine internationale Zusammenarbeit von Neutestamentlern ergaben.
Die Anstrengungen, eine internationale Vierteljahreschrift für die Erforschung des Neuen Testaments zu gründen, war demnach von einem Gesamtklima geprägt, in dem die theologische und wissenschaftliche Zusammenarbeit der protestantischen Kirchen und der universitären theologischen Institutionen die Gemeinsamkeiten, die im Ersten Weltkrieg zerbrochen zu sein schienen, auf der international betriebenen Exegese des Neuen Testaments neu begründet werden sollten. Zugleich war mit de Zwaan ein international vernetzter und erfahrener Neutestamentler in die Situation geraten, die internationale Kooperation des an seine Grenzen gestoßenen Bezan Clubs neu organisieren zu müssen. Eingeordnet in diese die Zeitläufe der dreißiger Jahre bestimmenden Wirkkräfte lässt sich auch die Gründungsgeschichte der NTS in verschiedene Phasen untergliedern: (a) die Aufbauphase in den Jahren 1937 bis 1939, (b) die Unterbrechung zwischen 1939 und 1945, (c) die Wiederaufnahme nach 1945 und die durch Krisen und Widersprüche geprägte Verwirklichung 1947 bis 1954.
3. Johannes de Zwaan
De Zwaan galt vielen seiner Zeitgenossen als der zentrale Ideengeber für die Gründung der SNTS. Deswegen soll der niederländische Gelehrte in einer biographischen Skizze etwas näher vorgestellt werden. De Zwaan wurde am 26. Juni 1883 in Den Haag geboren und besuchte dort das Gymnasium. Ab 1901 studierte er in Leiden Theologie.Footnote 40 Er nahm zudem ergänzenden Privatunterricht in Neugriechisch, Syrisch, Koptisch, Aramäisch und Georgisch. In Wechselwirkung mit diesen Sprachstudien bildete sich sein besonderes Interesse am orientalischen Christentum aus.Footnote 41 Während seines Studiums verbrachte de Zwaan im Jahr 1906 ein Semester in Woodbrooke (Selly Oak, Birmingham) und knüpfte schon zu diesem frühen Zeitpunkt enge Verbindungen nach England, die bis zu seinem Tod anhielten.Footnote 42 1907 wurde de Zwaan Pfarrer der Nederlandse Hervormde Kerk und arbeitete bis 1912 als Gemeindepfarrer in zwei kleinen Landgemeinden.Footnote 43
1909 wurde de Zwaan mit einer Studie zur Textkritik des 2Petr und Jud in Leiden promoviert.Footnote 44 Im Jahr 1912 wurde er als außerordentlicher Professor für das Orientalische Christentum nach Leiden und nur 18 Monate später (1914) als Ordinarius für Neues Testament und frühchristliche Literatur an die Universität Groningen berufen.Footnote 45 Die 15 Jahre, die de Zwaan Professor in Groningen war, gelten nach Einschätzung von de Jonge als eine wissenschaftlich sehr produktive Phase.Footnote 46 De Zwaan war von Anfang an Mitglied des 1926 gegründeten Bezan Clubs, in dem sich textkritisch interessierte Forscherinnen und Forscher zusammengefunden hatten.Footnote 47 Im Jahr 1929 kehrte de Zwaan als Nachfolger von Hans Windisch (1881–1935) nach Leiden zurück. Den dortigen Lehrstuhl für Neues Testament hatte er bis zu seiner Emeritierung im Jahr 1953 für fast 24 Jahre inne. Als Hochschullehrer maß er der philologischen Arbeit und der historisch-kritischen Methode besonders viel Bedeutung bei und verstand diese als die Grundlagen für die selbstständige Auseinandersetzung mit biblischen Texten.Footnote 48 Van Unnik, einer der bedeutenderen Schüler de Zwaans, schreibt über dessen Wirksamkeit und die Art seines Unterrichtens:
De Zwaan had an open mind and was always ready to listen to new suggestions. His teaching was stimulating and sometimes provocative. His criticism was always encouraging, opening up new ways. To his pupils in the stricter sense he was often more the older friend than the teacher.Footnote 49
De Zwaans theologische Überzeugungen, die er in seinen Briefen und öffentlichen Vorträgen darlegte, sind durch drei Merkmale besonders charakterisiert: erstens ist für de Zwaan, die philologische Auseinandersetzung mit den biblischen Texten und die Beherrschung der alten Sprachen grundlegend.Footnote 50 Die Bearbeitung der biblischen Texte musste den Ansprüchen der historisch-kritischen Methode, als dem eigentlichen Proprium der neutestamentlichen Wissenschaft, genügen. Daraus leitet sich auch zweitens seine Ablehnung gegenüber einer Vermischung von Exegese mit systematischer Theologie und Philosophie ab. Er misstraute insbesondere der Theologie Karl Barths und anderer deutschsprachiger Theologen, die seiner Meinung nach die wissenschaftliche Arbeit am Neuen Testament unzulässig mit philosophischen Annahmen vermischten:
I think this task should be conceived as upkeeping the tradition of level-minded, sound scholarship, Greek and Semitic; distrust of sweeping hypothesis [sic!] from whichever side; disqualification of mixtures of philosophy and N.T. research … the so-called ‘Barthianism’ is propagating a mixture of ‘existential’ philosophy or of so-infected ‘theology’ with N.T. research. I like taking my Kierkegaard or Heidegger undiluted, not in a mixture brewed by my friend Bultmann. And so I hold that … great minds like Kierkegaard, and even K. Barth, Gogarten, Brunner and minor gods, should be consulted in the process, but N.T. exegesis shall come first and actualities of the ‘German minds’ … shall not again wrench the whole course of N.T. research from its real bearings.Footnote 51
De Zwaan muss sich auch gegenüber Gerhard Kittel ähnlich geäußert haben.Footnote 52 Kittel schreibt in einem seiner Berichte zur Gründung der SNTS an den Reichserziehungsminister (REM) über de Zwaan, dieser sei „ein verständiger und politisch einsichtiger Mann und kein Freund Barths“.Footnote 53 Kittel gelang es auf der Basis dieser geteilten Antipathie mit de Zwaan „in voller Harmonie“, die Liste der für die Mitgliedschaft in der SNTS vorzuschlagenden Kontinentaleuropäer zu erstellen.Footnote 54
Drittens ist de Zwaans theologisches Denken durch die Annahme geprägt gewesen, dass die im Neuen Testament bezeugte lebendige Wirklichkeit des Glaubens unmittelbar, d.h. ohne eine hermeneutische Vermittlung, für die Gegenwart relevant sei.Footnote 55
Diese Überzeugungen de Zwaans spiegeln sich in seiner Wirksamkeit für die SNTS und in der von ihm angestrebten inhaltlichen Ausrichtung der Gesellschaft wider. Auf dem Gründungstreffen der Gesellschaft im September 1938 hielt de Zwaan eine Rede, in der er forderte, die Exegese als eigenständige Fachrichtung und nicht als Hilfswissenschaft für die Dogmatik zu verstehen.Footnote 56 In dieser Rede bringt er ebenfalls seine Aversion gegen eine existenzialphilosophisch ausgerichtete Theologie zum Ausdruck und betont, dass neutestamentliche Wissenschaft im Glauben betrieben und der Beförderung des Glaubens dienlich sein müsse. Diese Grundgedanken bestimmen auch de Zwaans Presidential Address zum ersten General Meeting der SNTS in Oxford im März 1947 mit dem Titel: „The Unity of Purpose in New Testament Studies“.Footnote 57 Dort führte er aus, dass in forschungsgeschichtlicher Perspektive die Auseinandersetzung mit dem Neuen Testament bisher entweder einem Erkenntnisgewinn in dogmatischer Hinsicht dienen oder als Einleitungswissenschaft im Wesentlichen den historischen Entstehungskontext eruieren musste. Tatsächlich solle sich aber neutestamentliche Wissenschaft wie das Neue Testaments selbst dem Glauben verpflichtet wissen, an dessen Verbreitung mitwirken und die Offenbarung als Auftrag für gegenwärtiges Handeln und die Verwirklichung einer besseren Welt verstehen.Footnote 58 Zusammenfassend formuliert de Zwaan:
We should inspire our students by our vision of the tremendous importance of New Testament revelation, by the perfect loyalty, cleanness and openness of our methods and our whole mind, by the humility of our theorizing and the stern rejection of any kind of insincerity.Footnote 59
Neben seiner Arbeit als Hochschullehrer engagierte sich de Zwaan auch innerhalb der Kirche und wirkte als Prediger u.a. in englisch- und französischsprachigen Gemeinden.Footnote 60 Er beteiligte sich an einer neuen Übersetzung der Bibel in zeitgemäßes Niederländisch und publizierte zahlreiche Werke in der Reihe Volksuniversiteitsbibliotheek (V.U.B.), in der Bücher einer begrenzten Länge zu wissenschaftlichen Themen für den gebildeten Laien erschienen.Footnote 61 Des Weiteren war de Zwaan auch als Politiker aktiv und als stellvertretender Vorsitzender der Christelijk-Historische Unie Mitglied des niederländischen Senats. Für seine politischen Verdienste wurde er von der Königin zum Ritter des Orden des niederländischen Löwen geschlagen.Footnote 62
An seinem 70. Geburtstag im Jahr 1953 wurde de Zwaan mit einer Festschrift, an der sich u.a. M. Black, H. Clavier, C. H. Dodd und T. W. Manson beteiligt hatten, geehrt.Footnote 63 Seine Bedeutung für die Gründung der SNTS wird von Cuthbert Lattey (1877–1954) in einem Schreiben aus dem gleichen Jahr zum Ausdruck gebracht:Footnote 64
So far as I understand, nobody has a better claim than he [de Zwaan] to be called our founder, and many of us regret that we have not been able to enjoy more of his genial society.Footnote 65
Vier Jahre später, am 23. Dezember 1957 verstarb Johannes de Zwaan.
4. Die Gründung einer wissenschaftlichen Gesellschaft für das Neue Testament („New Testament Academy“) und einer Vierteljahresschrift („Quarterly“)
Die entscheidende Initiative zur Gründung einer Gesellschaft für die Erforschung des Neuen Testaments und einer internationalen Fachzeitschrift ergriff de Zwaan auf der „Faith and Order Conference“ in Edinburgh im August 1937. Dort präsentierte er seinen Fachkollegen diese Idee, die wohlwollend und zustimmend aufgenommen wurde.Footnote 66 George Simpson Duncan wurde damit beauftragt, eine größere Zahl an neutestamentlichen Wissenschaftlern zu kontaktieren und hinsichtlich ihres Interesses und ihrer Unterstützung zu befragen, und versandte am 8. März 1938 schließlich einen Brief, in dem er das Anliegen vorbrachte.Footnote 67
De Zwaan scheint die Idee zur Gründung einer Gesellschaft für neutestamentliche Wissenschaft selbst, schon länger beschäftigt zu haben. Wie sich in seiner brieflichen Korrespondenz zeigt, hat er schon in den Jahren 1936 und vor allem 1937 damit begonnen, seine Tätigkeit als Sekretär des Bezan Clubs auch dazu zu nutzen, das Interesse und die Unterstützung für eine internationale wissenschaftliche Gesellschaft für das Neue Testament unter den europäischen Neutestamentlern zu sondieren.Footnote 68 So wandte de Zwaan sich, wie bereits erwähnt, in einem ähnlichen Anliegen im Mai 1936 an Torm. Vor allem im Jahr 1937 verstärkte de Zwaan dann seine Kontakte zu ausländischen Wissenschaftlern. Im Vorfeld der „Faith and Order Conference“ schrieb er am 18. April 1937 eine vertrauliche Postkarte an Eelis Gideon Gulin, in der er Gulin bittet, seiner Idee einer Vierteljahresschrift zum Erfolg zu verhelfen. Die Ausrichtung der geplanten Zeitschrift beschreibt de Zwaan in der für ihn charakteristischen Weise:
It is meant to be free from German ‘Schulmeinungen’ and other one-sideness. I think this means that it will be consistently orthodox & conservative in a large & broad sense.Footnote 69
Gulin solle ihm zu diesem Zweck einige eigene Texte oder solche seiner Kollegen sowie eine Übersicht über die neutestamentlichen Studien in Finnland der vergangenen zwei Jahre zusenden. Er informiert Gulin zudem darüber, dass er auch Gyllenberg kontaktiert habe. Auffällig ist, dass de Zwaan über die Verhältnisse in Finnland gut unterrichtet ist und Gyllenberg sowie Gulin bittet, dass je einer den Kontakt zu den schwedischsprachigen und einer zu den finnischsprachigen Neutestamentlern suchen solle.
Schon wenige Monate nach der Präsentation seiner Idee und den Vorgesprächen über die Gründung der neutestamentlichen Gesellschaft nahmen die Überlegungen konkrete Formen an. In einem Antwortbrief vom 24. November 1937 an de Zwaan berichtet Manson, dass auch er hinsichtlich der Umsetzung der Herausgabe der Zeitschrift ungeduldig sei, es sich aber um eine schwierige Angelegenheit handele. Besonders die Mitarbeit schottischer Kollegen sei fraglich:
For one thing they [the Scottish brethren] are not, I think, very much in love with publication in periodicals. At least the Journal of Theological Studies is not bulging with contributions from Scotland … I do not find that there is as much keenness in Scotland as I should like to see. In fact, between ourselves, I sometimes suspect my beloved Scottish brethren of being a little lazy.Footnote 70
Darüber hinaus habe er sich aber mit Dodd getroffen und über die Struktur und den Aufbau der angedachten Gesellschaft gesprochen. Hinsichtlich der Struktur sei vor allem die Entscheidung zu treffen, ob „a small club of ‘experts’“oder eine größere Gesellschaft, der SOTS vergleichbar, mit mehr Mitgliedern und einem niedrigeren wissenschaftlichen Anspruch, angestrebt werden solle.Footnote 71 Bedenkenswert sei in diesem Kontext die Frage nach der Finanzierung der beabsichtigten Zeitschrift, die in einer größeren Gesellschaft, insofern Mitgliedschaft und Abonnement zusammengehörten, besser zu realisieren wäre. Die prinzipielle Präferenz eines kleinen Kreises von Experten und die finanzielle Sicherheit, die eine größere Gesellschaft biete, ließe sich möglicherweise durch die Einrichtung eines „Commitees“ oder „Editorial Boards“, das mit der Herausgabe der Zeitschrift betraut sein könnte, auch innerhalb einer größeren Gesellschaft umsetzen – nach Art einer „ecclesiola in ecclesia“, wie Manson mit einem Zitat Philipp Jacob Speners schreibt. Manson konkretisiert seine Überlegungen weiter, indem er darauf verweist, dass es in Manchester mehr als zehn Mitglieder am Seminar für das Neue Testament gebe, die an der Herausgabe der Zeitschrift interessiert wären. Sobald die Frage nach der Gestalt der Gesellschaft geklärt sei, sei er bereit weitergehende Schritte in irgendeine dieser Richtung zu unternehmen. Er bietet zudem an, die Idee einigen amerikanischen Kollegen, während seiner Vortragsreise nach Yale im Frühjahr 1939, zu präsentieren. Die Frage nach dem Herausgeber der Zeitschrift wird in diesem Brief aus de Zwaans Korrespondenz zum ersten Mal thematisiert. Manson bietet an, bei der Suche nach einem englischen Herausgeber behilflich zu sein, wenn mögliche englische Mitglieder der Gesellschaft festständen. Seiner Ansicht nach sei ein Engländer besser geeignet als ein Schotte, wobei ein kontinentaler Herausgeber von ihm scheinbar überhaupt nicht in Betracht gezogen wurde.
In den folgenden Monaten bis zu Duncans oben genannten Brief vom 8. März 1938 erreichten de Zwaan mehrere Schreiben, die die Gründung der Gesellschaft und die Zeitschrift thematisierten. Herbert George Wood fragte am 25. November 1937, ob sich etwas aus der vorgeschlagenen neutestamentlichen Gesellschaft ergeben habe.Footnote 72 Duncan bot am 17. Dezember 1937 an, für das Gründungstreffen der Gesellschaft eine Vorlesungsreihe zu organisieren, falls dieses in Großbritannien stattfinden solle und Zeit und Ort festständen. Des Weiteren schließt er sich Dodd und Manson in der Einschätzung an, dass eine kleinere Gesellschaft als Kreis von Experten zu bevorzugen sei, wenngleich eine größere Gesellschaft die Herausgabe der Zeitschrift sichere und den Leserkreis weite. Duncan schlägt weiterhin den Schotten John Y. Campbell als möglichen Herausgeber der Zeitschrift vor.Footnote 73 Diesem Vorschlag schloss sich Manson in seinem Brief vom 17. Januar 1938 an.
Nun setzten die Vorbereitungen für eine Gründungsversammlung im September des Jahres 1938 ein. Am 19. März 1938 schrieb Duncan an de Zwaan, dass Boobyer in seinen Augen für die Organisation gut geeignet und auch Birmingham ein passender Ort sei. Weiterhin erkundigte er sich nach der geplanten Zeitschrift und empfahl erneut Campbell, der sich schon dazu bereit erklärt habe, als Herausgeber. Desgleichen formulierte er aber Bedenken gegenüber der Möglichkeit, in der Gründungsphase der Gesellschaft zugleich eine Zeitschrift ins Leben zu rufen, die auch Vincent Taylor hege:Footnote 74
[H]e [Vincent Taylor] thinks the issue of a new International Quarterly for N. T. Study is a speculative venture which ought to be postponed until the N. T. Society is on its feet. That, as you know, has also been my opinion. Such a Quarterly would need adequate financial support.Footnote 75
Während also die Herausgabe der Vierteljahresschrift unter den neutestamentlichen Wissenschaftlern Zweifel hervorrief, konkretisierte sich die Planung für das Gründungstreffen der Gesellschaft. Boobyer schrieb am 23. März 1938 an de Zwaan, dass er mit der Organisation des Treffens betraut worden sei und die Antworten, die er bisher erhalten habe, ihn ermutigten, damit fortzufahren. Als Zeit und Ort seien der 14. bis 16. September 1938 in der Carey Hall, Selly Oak in Birmingham vorgesehen.
Diese Zweifel scheinen de Zwaan dazu bewogen zu haben, vorerst jedes weitere Vorgehen hinsichtlich der Zeitschrift ruhen zu lassen, wie er in einem Brief vom 22. April 1938 an einen unbekannten Empfänger schreibt:
Therefore I stopped for a time any steps on behalf of the ‘Quarterly’ in order that I should not go too far afield for retreat and be left with an undertaking I would have to push through without adequate background, a thing which I never contemplated, because the effort wanted would exceed my reserve of time and strength.Footnote 76
Dennoch habe er bereits Kontakt zu Wissenschaftlern in verschiedenen europäischen Ländern aufgenommen und teilweise einige ausgewählt, die als „Editorial secretaries“ fungieren sollten. Für Deutschland sei dies Kittel, für die Tschechoslowakei František Žilka und für Schweden Aulén.Footnote 77 Weiterhin bestünden Kontakte nach Norwegen, Finnland, Griechenland, Polen und Litauen, während er in Richtung Belgien und Frankreich noch nichts unternommen habe.
Im gleichen Brief äußerte de Zwaan sich über die Gestalt sowie die inhaltliche Ausrichtung der Gesellschaft und der Zeitschrift. In diesem Kontext wird zum ersten Mal die Frage nach der Nationalität der potentiellen Mitglieder thematisiert. Drei verschiedene Möglichkeiten zur Gestaltung der Gesellschaft nennt er: (1) einen kleinen Kreis von Experten, vorrangig Briten und wenige ausländische Mitglieder; (2) eine große vollständig britische Gruppe von neutestamentlichen Wissenschaftlern und solchen, die sich für das Neue Testament interessieren, zu der ausländische Vortragende eingeladen werden könnten oder (3) eine „New Testament Academy“, die ihre Mitglieder wählt und aus Neutestamentlern aus dem Empire, vom Kontinent oder aus Amerika bestehe. De Zwaan selbst präferierte eine international ausgerichtete „Academy“. Er schlägt zwei Arten der Mitgliedschaft vor: einerseits ordentliche Mitglieder, die einen inneren Kreis bilden und die Leitung inne hätten, und andererseits eine Mitgliedschaft als „fellow“. Die inhaltliche Ausrichtung der Gesellschaft beschrieb de Zwaan mit offensichtlichen Aversionen gegen die Theologie Barths und gegen das, was er als „German minds“ bezeichnete und worunter er eine unangemessene Beeinflussung der Exegese durch philosophische Überzeugungen verstand.Footnote 78
Am 28. Mai 1938 beglückwünschte Boobyer de Zwaan zu den Fortschritten hinsichtlich der Zeitschrift, gab aber gleichzeitig erneut zu bedenken, dass viele Kollegen Zweifel daran geäußert hätten, ob die Gesellschaft zum gegenwärtigen Zeitpunkt die Verantwortung für deren Herausgabe tragen könne.Footnote 79 Für die Gründung der Gesellschaft gebe es genügend Unterstützung, der Rückhalt für die Zeitschrift sei aber eher fraglich. Boobyer schlägt vor, zum Treffen im September auch die kontinentalen Wissenschaftler einzuladen, mit denen de Zwaan bisher im Kontakt stand. Er skizzierte ein vorläufiges Programm und wies darauf hin, dass er zur Veranstaltung mindestens 15 Teilnehmer erwarte. De Zwaan antwortete schon zwei Tage später am 31. Mai 1938 und teilte Boobyer mit, dass der Brill-Verlag in Leiden bereit sei, die Zeitschrift zu verlegen. Erneut erwähnt er das Bezan Bulletin als Vorbild und äußert die Erwartung, dass die beiden Zeitschriften von Brill in Zukunft zusammengelegt werden könnten. Vor allem „the warm sympathies with this idea I have met abroad“ begründeten sein Selbstbewusstsein hinsichtlich der Zeitschrift und er hoffe, „that members in Great Britain will feel a certain amount of responsibility and will allow their ‘national secretary’ and, eventually, myself [de Zwaan] to trouble them for copy“.Footnote 80 Die Zeitschrift als solche solle aber weitgehend unabhängig von der Gesellschaft sein, dieser aber die Möglichkeit eröffnen zur Publikation oder Kommunikation genutzt zu werden. Sie solle keinesfalls von einer Mitgliedschaft abschrecken. Die finanzielle Verantwortung liege vollständig bei Brill, während er und die „National secretaries“ die herausgeberische trügen. Eine Verbindung zwischen der Gesellschaft und der Zeitschrift könne dann nach Belieben gestaltet werden. De Zwaan dankte Boobyer für das vorläufige Programm, zweifelte aber, ob wirklich die erhofften 15 Mitglieder kommen würden, da er nicht sehe, dass „the attraction of our idea is in its nascent stage so strong“.Footnote 81
Am gleichen Tag, dem 31. Mai 1938, schrieb de Zwaan einen Brief an Fridrichsen, in dem er die gegenwärtige Lage der Gesellschaft sowie der Zeitschrift beschrieb und Fridrichsen als Herausgeber respektive „National secretary“ für Schweden gewinnen wollte.Footnote 82 De Zwaan sprach über die Initiative für die Gründung einer Gesellschaft, die er auf der „Faith and Order Conference“ in Edinburgh 1937 ergriffen habe und dass diese nun auf einer ersten Tagung im September ins Leben gerufen werden solle. Auch hier verdeutlichte er erneut seine Intention hinter der Gründung:
The idea is still somewhat undeveloped, but it tends to be a sort of international cooperation for the protection of sound standards in N.T. research, philologically and critically. The mixing up of philosophy and philosophical theology with interpretation has caused serious damage in the previous century and a new wave of this peculiarly German characteristic seems to threaten our studies.Footnote 83
De Zwaan führte weiter aus, dass Brill bereit sei, die Zeitschrift zu verlegen, die vergleichsweise unabhängig von der Gesellschaft sein solle und dem folgenden Zweck diene:
The special character, however, of this periodical will be a new feature, viz. its opportunity for scholars who live in a country whose language is not widely read – e.g. Holland, Danmark [sic], Finland, Norway, Hungary, Cekhoslovakya [sic], Greece, Italy, Sweden – to publish work of their own or of their pupils, to draw attention to studies which have appeared in national periodicals, in short to establish a lasting connection between research in their country and in the world at large.Footnote 84
Er schloss mit dem Hinweis darauf, dass bei dem Treffen in Carey Hall weitere Diskussionen, auch über die Herausgabe der Zeitschrift, geführt werden sollten, verwies darauf, dass Torm der „National secretary“ für Dänemark sei und kündigte die geplante erste Ausgabe der Vierteljahresschrift für Januar 1939 an.
Das Gründungstreffen der Gesellschaft fand vom 14.–16. September 1938, wie geplant, in Birmingham statt und wurde von 19 Teilnehmern besucht.Footnote 85 In diesem Rahmen gab es auch eine Zusammenkunft, die sich eigens mit der Idee einer neutestamentlichen Fachzeitschrift befasste, ohne dass nähere Entscheidungen getroffen wurden.Footnote 86
Der Briefwechsel von de Zwaan aus den Jahren 1936 bis 1938 ermöglicht einen tiefen Einblick in die Auseinandersetzungen um die Gründung einer „New Testament Academy“, die bereits 1938 als SNTS geschaffen wurde, sowie um die Herausgabe eines „Quarterly“, dessen Verwirklichung als NTS fast zwei Jahrzehnte später erfolgte. Für de Zwaan waren die Gründung der Gesellschaft und die Herausgabe der Zeitschrift auf das Engste miteinander verbunden. Der Briefwechsel der Jahre 1937 bis 1939 macht allerdings deutlich, dass de Zwaans britische Korrespondenzpartner primär an der Gründung einer Gesellschaft interessiert waren, die einem kleinen Kreis von hauptsächlich britischen Neutestamentlern, der möglicherweise durch einige ausländische Wissenschaftler ergänzt werden könnte, vorbehalten bleiben sollte. Der Wunsch nach einer möglichst kleinen und elitären Gesellschaft stand im Gegensatz zu der finanziellen Notwendigkeit, mit einer Zeitschrift einen größeren Personenkreis erreichen zu müssen. Die Präferenzen, die de Zwaan, immerhin unterstützt von Manson, einerseits und die Mehrheit der britischen Neutestamentler andererseits verfolgten, divergierten mehr und mehr. Während die Briten an der Umsetzung und Organisation der Gesellschaft und deren Gründung arbeiteten, brachte de Zwaan die Vorbereitungen für die Zeitschrift voran. Er kontaktierte Unterstützer in vielen anderen europäischen Ländern, setzte diese als „National secretary“ ein und verhandelte mit dem Brill-Verlag über die Verlegung und Finanzierung der Zeitschrift. Er arbeitete weiterhin an der Umsetzung seiner Idee, eine Plattform für die neutestamentliche Forschung in Europa und weltweit zu schaffen und neutestamentliche Wissenschaftler dauerhaft zu verbinden.
Die inhaltliche Ausrichtung, die de Zwaan mit seinem internationalen Engagement verfolgte, blieb die gleiche: Frei von deutschen Schulmeinungen und anderen Einseitigkeiten. Die Gesellschaft solle in Opposition zu der in Deutschland durch Karl Barth und Rudolf Bultmann geprägten und von der Existenzphilosophie beeinflussten Theologie treten sowie die eigentlichen Propria der neutestamentlichen Wissenschaft, vornehmlich die philologische und historisch-kritische Exegese, befördern. Diese mehrfach ausgesprochene Distanzierung und Opposition zu der in Deutschland nach Meinung de Zwaans vorherrschenden Theologie darf allerdings nicht als prinzipielle Ablehnung der Mitgliedschaft deutscher Theologen verstanden werden. Diese Opposition gegen Barth erklärt auch die starke Stellung Kittels, der aus kirchenpolitischen Gründen gegen Barth eingestellt war, in der Gründungsphase der Gesellschaft. Kittel wurde von de Zwaan als „National secretary“ der Zeitschrift für Deutschland vorgesehen und wurde als einziger Deutscher Mitglied des ersten provisorischen Komitees, das sich beim Gründungstreffen im September 1938 konstituierte.Footnote 87 In Carey Hall wurde de Zwaan als Präsident für das erste General Meeting im September 1939 nominiert.Footnote 88 Der Kriegsausbruch verhinderte zunächst, dass diese Pläne verwirklicht werden konnten.
5. Die Unterbrechung durch den zweiten Weltkrieg
Die Gründung der Gesellschaft wurde in einer Zeit, in der Europa unter höchster Anspannung stand, vorangetrieben. So wurde der von de Zwaan noch im April 1938 als „for Czechoslovakia the leading N.T. scholar“ benannte und als „National secretary“ der geplanten Zeitschrift vorgesehene Žilka weder Mitglied noch je weiter in der Geschichte der SNTS beachtet.Footnote 89 Die Folgen des Münchener Abkommen und die Annexion der Tschechoslowakei durch das Deutsche Reich waren wohl die Ursache für diesen auffälligen Sachverhalt.Footnote 90 Der Beginn des Krieges am 1. September 1939 machte auch die übrigen Planungen vorerst zunichte. Die deutschen Behörden wurden vom Auswärtigen Amt per „Schnellbrief“ vom 28. August 1939 angewiesen, „die deutschen Teilnehmer an dem Kongress in Birmingham von der Ausreise abzuhalten“.Footnote 91 Die Tagung fand nie statt. Damit waren zunächst auch die Bemühungen um die Gründung einer internationalen neutestamentlichen Fachzeitschrift unterbrochen.
Während des Krieges war es nicht möglich, den Kontakt der SNTS-Mitglieder über die Landesgrenzen hinweg aufrecht zu erhalten. Internationale Kontakte von Neutestamentlern waren nur noch begrenzt möglich. In den ökumenischen Sommerakademien in Sondershausen fehlten ab 1940 die dänischen, norwegischen und lettischen Lutheraner, darunter die SNTS-Mitglieder Olaf Moe (1876–1963), Karlis Kundzinš (1883–1967) und Torm, der die judenfeindliche Politik in Deutschland kontinuierlich von 1933 an gegenüber den deutschen Theologen kritisiert hatte.Footnote 92 Finnen und Schweden besuchten die Akademietagungen weiter, teilweise bis zur letzten Tagung im Krieg im August 1943 unter ihnen die Neutestamentler Eidem und Hugo Odeberg (1898–1973) aus Schweden sowie Gulin und Gyllenberg aus Finnland.Footnote 93 Eine Gruppe von schwedischen Neutestamentlern rund um Fridrichsen versuchte während und verstärkt wieder nach dem Krieg ihre ausländischen Fachkollegen durch die Bereitstellung von Kommunikationswegen und Informationen zu unterstützen und so den Wissenschaftsbetrieb aufrechtzuerhalten respektive wiederherzustellen.Footnote 94
Die exegetischen und neutestamentlichen Fachzeitschriften waren auf unterschiedliche Weise durch die Kriegsereignisse betroffen. Die katholische Biblische Zeitschrift musste auf Druck der Nationalsozialisten schon 1939 eingestellt werden. Die Revue biblique musste ab 1940 aufgrund des Krieges und der deutschen Besatzung unter dem Titel Vivre et penser erscheinen. The Journal of Theological Studies erschien mit zahlreichen neutestamentlichen Beiträgen etwa von T. W. Manson, D. Daube u.a. ohne Unterbrechung weiter. Das gleiche gilt für die in Rom beheimatete Biblica sowie die skandinavischen Zeitschriften.
Die ZNW erschien noch bis 1942. Der Tod des Herausgebers Hans Lietzmann am 25. Juni 1942 machte eine Nachfolgeregelung notwendig. Lietzmann hatte wohl keine Vorkehrungen zu seiner Nachfolge getroffen. Der Mitherausgeber Walther Eltester (1899–1976) führte die Zeitschrift zunächst weiter. Ab November 1943 traten Martin Dibelius (1883–1947) und Kittel in die Redaktion der Zeitschrift ein. Während Dibelius in Distanz zum NS-Staat und seiner Ideologie stand, gehörte Kittel, NSDAP-Mitglied seit 1933, zum Kreis der wissenschaftlichen Unterstützer.Footnote 95 Königseder beurteilt in ihrer Geschichte des Verlags de Gruyter diese Vorgänge um die Redaktion als „Spagat zwischen Wissenschaft und Akzeptanz“ und kommt zu dem Resümee: „Die Aufnahme Kittels in die Redaktion der Zeitschrift für die neutestamentliche Wissenschaft muss als Kotau des Verlages vor den Machthabern gewertet werden.“Footnote 96 Dennoch erging gegen die ZNW und die anderen theologischen Zeitschriften des zur Verlagsgruppe de Gruyter gehörigen Töpelmann Verlags am 7. Juni 1943 der Stilllegungsbescheid.Footnote 97 Ein Widerspruch des Verlages konnte diesen zunächst außer Vollzug setzen. Erst Ende 1944 musste die Zeitschriften tatsächlich ihr Erscheinen einstellen. Zwischen 1943 und 1948 erschienen keine Bände.
In den ersten Jahren nach dem Krieg war unklar, ob die ZNW tatsächlich wieder aufgenommen werden würde. Das Protokoll der Sitzung des SNTS-Komitees vom 23. April 1946 zitiert aus einem Brief de Zwaans an Manson: „In a letter to T.W. Manson, he [de Zwaan] expressed the hope that the Society would try to publish a periodical which would replace the Zeitschrift für Neutestamentliche Wissenschaft.“Footnote 98 Die Idee, die ZNW durch eine von der SNTS herausgegebene Zeitschrift zu ersetzen, wurde wohl auch noch nach dem Erscheinen der ersten Nachkriegshefte der ZNW ab 1949 weiterverfolgt und in etwas modifizierter Weise von Bultmann unterstützt. Im September 1952 hält das Protokoll fest, Bultmann habe seinen Vorschlag, die ZNW in ein internationales Periodikum umzuwandeln, zurückziehen müssen, da nicht alle Mitglieder des Herausgeberkreises damit einverstanden gewesen seien.Footnote 99
6. Wiederaufnahme und Gründung der New Testament Studies mit Cambridge University Press
Kaum ein Jahr nach dem Ende des Krieges, am 23. April 1946 trafen sich die britischen Mitglieder des Provisional Committee in London, um das erste General Meeting im folgenden Jahr vorzubereiten.Footnote 100 Dieses fand am 26. März 1947 in Oxford unter der Präsidentschaft von de Zwaan statt und wurde von 38 Mitgliedern besucht.Footnote 101 Die Planung der Herausgabe einer internationalen neutestamentlichen Zeitschrift konnte nach der Unterbrechung durch den Krieg nicht unmittelbar umgesetzt werden, sondern bedurfte weiterer Beratungen und Klärungen. In den Jahren von 1950 bis 1952 wurde das Bulletin der SNTS von Robert Henry Lightfoot (1883–1953) herausgegeben. Lightfoot diskutierte Fragen, die durch die Herausgabe des Bulletins aufkamen, mit Matthew Black.Footnote 102 Black wurde zunehmend in die Diskussion um die Herausgabe der Zeitschrift miteinbezogen.Footnote 103 Am 16. März 1951 berichtete er Manson, dass er einen ausführlichen Brief von Boobyer über die Zukunft des Bulletins erhalten habe.Footnote 104 Aus seinen Schilderungen geht zudem hervor, dass ihm das Angebot des Brill-Verlages und dessen finanzielle Details bekannt gemacht worden waren. Black stellt dennoch Überlegungen an, ob nicht ein britischer Verlag ähnliches anbieten könnte: „Do you think it possible to get some publisher here to do the same?“ Zugleich bringt er zum Ausdruck, dass er auch persönliche Ambitionen mit der Gründung der Zeitschrift verbindet.
Aus dem Nachlass de Zwaans geht hervor, dass am 1. Juni 1953 ein Schreiben von Manson, als Vorsitzendem des Publication Committee, an die Mitglieder verschickt wurde, das über den aktuellen Stand der Beratungen über die Herausgabe der Zeitschrift informierte und um die Bestätigung oder Modifikation der genannten Vorschläge bat.Footnote 105 Es bestehe der Wunsch eine internationale Zeitschrift für die Erforschung des Neuen Testaments in der Verantwortung der Gesellschaft zu publizieren, die den Namen Novum Testamentum tragen solle. Dafür sei die Benennung eines Secretary notwendig, der für die Klärung der finanziellen Belange der Herausgabe zuständig sei. Manson empfiehlt der Gesellschaft, das vorliegende Angebot des Brill-Verlages aus Leiden anzunehmen und ein Editorial Board, bestehend aus dem Secretary als „editor of the journal“ und vier weiteren beratenden Mitgliedern einzurichten. Dieses solle die geplante erste Ausgabe für das kommende Jahr vorbereiten. Für das erste Jahr seiner Arbeit stehe dem Editorial Board ein finanzieller Rahmen von £50 zur Verfügung, es sei dem Sekretär der Gesellschaft rechenschaftspflichtig und seine Arbeit werde auf dem General Meeting 1954 geprüft.Footnote 106
Auf dem General Meeting vom 8. bis 10. September 1953 in Cambridge sollte über diese Vorschläge beraten werden. Dort wurde Black, der ja bereits 1951 über einen englischen Verlag als Alternative zu Brill nachgedacht hatte, zum Secretary des Editorial Board gewählt.Footnote 107 Dieses wurde beauftragt, gemeinsam mit dem Komitee der Gesellschaft einen Verlag auszuwählen und die erste Ausgabe der Zeitschrift so schnell wie möglich zu realisieren. De Zwaan, der an der Zusammenkunft nicht teilnehmen konnte, wurde bei der Wahl des Editorial Board übergangen. In der Folge zeichnete sich ab, dass die nun Beauftragten nicht dem von de Zwaan initiierten und vom Publication Committee aufgenommenen Vorschlag, die Zeitschrift von Brill verlegen zu lassen, folgen würden. Diese unerwartete Entwicklung löste weitere Erörterungen unter den Mitgliedern aus. Van Unnik schrieb in einem Brief vom 28. September 1953 an de Zwaan unter Berufung auf Informationen durch George D. Kilpatrick (1910–89),Footnote 108 dass während des Treffens in Cambridge darüber informiert wurde, dass nun neben Brill zwei englische Verlage im Gespräch seien, aber noch keine Entscheidung getroffen worden wäre.Footnote 109 Daraufhin wandte sich de Zwaan in einem Brief vom 2. Oktober 1953 an Boobyer, unterrichtete ihn über die ihm vorliegenden Informationen und teilte ihm seine Einschätzung mit. Bezüglich der Kontroversen um die Herausgabe der Zeitschrift befürchtet er:
I should regret it very much indeed, if the course of whatever is serviceable to promote the publication of ‘Novum Testamentum’, were slowed up by misunderstandings! … Rumours, misunderstandings and misrepresentations are bed [sic] weeds. They might kill our Nov. Test. and cost us the loss of active sympathizers.Footnote 110
De Zwaan machte dann deutlich, dass seiner Ansicht nach die ursprünglich angestrebte Zusammenarbeit mit Brill schon sehr weit fortgeschritten gewesen war:
I must draw attention to the fact, that ‘negotiating’ is n o t [gesperrt i. O.] the name for what I did for the ‘publications’ committee’. Negotiating is a matter of offers and counterproposals. Such was not the case: as sufficiently appears from my words in the Publ. Comm. and in the General Meetings! Now long ago I once already was so far asea [sic] with Brill's for a magazine as possible.Footnote 111
Im folgenden Teil des Briefs stellte de Zwaan noch einmal die wichtigsten Gesichtspunkte zusammen, die für Brill als Verlag sprachen. Es handele sich um ein außergewöhnlich gutes Angebot, das der Verlag sogar zweimal aus eigenem Antrieb verbessert habe. Des Weiteren könne mit Brill der internationale Charakter der Zeitschrift am besten verwirklicht werden, da über diesen Verlag der Zugang zu den intendierten Beiträgern von Artikeln und Abonnenten gesichert sei. Darüber hinaus habe Brill angeboten, ebenfalls „Beihefte“ ohne finanzielles Risiko für die Gesellschaft mit Novum Testamentum zu verbinden und die Zeitschrift Vetus Testamentum werde bei Brill mit großem Erfolg verlegt.Footnote 112 Die Abwendung von Brill deutete de Zwaan als Folge der Wahl Blacks als Herausgeber: „The heart of the question is perhaps that the new men are a case of ‘changing the horses while in the ford’.“ Neben de Zwaan war auch Manson, der Vorsitzende des Publication Committee, nicht mehr im Editorial Board vertreten.
Die Antwort Boobyers an de Zwaan folgte am 5. Oktober 1953. Er widerspricht den Gerüchten darüber, dass er unangemessene Absprachen mit Brill getroffen oder Unterlagen darüber vorenthalten habe. Er habe die vollständige Korrespondenz mit Brill an Black, den Sekretär des Editorial Board, übergeben und alle zukünftigen Verhandlungen der Verantwortung des Editorial Board überlassen. Boobyer kann sich das Aufkommen dieses bodenlosen Gerüchtes („groundless rumours“) nicht erklären und bringt sein Unverständnis darüber zum Ausdruck „that it should ever have arisen in a circle of Christian scholars like our Society“.Footnote 113 Des Weiteren thematisiert Boobyer den Sachverhalt, dass de Zwaan auf dem vergangenen General Meeting nicht in das Editorial Board gewählt wurde:
I take the opportunity of thanking you wholeheartedly for the fine and generous spirit which you showed about the election of the editorial board at Cambridge. That you were not amongst the number appointed at the stage was naturally a disappointment to you; and I deeply admired the way in which you took it, and the fact that you were not letting it interfere with the friendly relationship which you and I have had since the beginning of our association in S.N.T.S. affairs. A secretary of an organisation like ours has to accept the fact that decisions will sometimes be taken by the committee or by the general meeting which threaten to interfere with its own personal friendships.Footnote 114
Am 12. Oktober 1953 schrieb Kilpatrick einen Brief an de Zwaan, in dem er sich zu dem Brief über die Verhandlungen mit Brill, den er angeblich zuvor nicht sehen durfte, äußert und angibt, wenige Tage später Einsicht bekommen zu haben. Aus dem Brief habe er den Eindruck gewonnen, dass sich Brill durchaus große Hoffnung habe machen können, die Zeitschrift verlegen zu dürfen. De Zwaans Argumente für die Herausgabe der Zeitschrift bei Brill überzeugten ihn und ließen ihn bei einer zukünftigen Abstimmung wohl für Brill stimmen, „against my own inclinations which were in favour of a British publisher“.Footnote 115 Kilpatrick äußert sich ebenfalls zu dem Sachverhalt, dass de Zwaan bei der Wahl des Editorial Board übergangen worden sei:
I had come to the conclusion after our last meeting of the Society that we had failed to do you justice in not putting you on the Editorial Board, and I have written to Black nominating you for co-option on to that Board and have asked him that the co-option should be put to the vote before any decision is made about a publisher.Footnote 116
Er fügt noch hinzu, dass er ebenfalls Manson und E. Gordon Selwyn zur Ergänzung für das Editorial Board vorgeschlagen habe, um zu gewährleisten, dass bei einer Hinzuwahl de Zwaans dennoch gleich viele britische wie nicht-britische Mitglieder im Herausgeberkreis vertreten wären.Footnote 117
Tatsächlich nennt das erste Heft im Einband folgende Mitglieder des Editorial Board: R. Bultmann, C. H. Dodd, P. H. Menoud, W. C. van Unnik, N. A. Dahl, T. W. Manson, B. M. Metzger, J. de Zwaan und als „editor and secretary of the board“ M. Black. De Zwaans Briefwechsel, der sich mit der Herausgabe der Zeitschrift beschäftigt, endet mit diesem Brief. Im September 1954 erschien die erste Ausgabe der Zeitschrift New Testament Studies (NTS). Die Gesellschaft war dem Vorschlag des Publication Committee, die bereits weit ausgearbeiteten Vereinbarungen mit Brill verbindlich zu machen, nicht gefolgt. Das neue Editorial Board, geleitet von Black, entschied sich für einen englischen Verlag: Cambridge University Press.
Im Vorwort zur ersten Ausgabe der NTS wird de Zwaan als Initiator der internationalen Gesellschaft für die neutestamentliche Wissenschaft genannt und auch sein initiales Drängen auf die Herausgabe einer Zeitschrift wird gewürdigt:
The idea has been kept prominently before members ever since, and Dr de Zwaan has never tired of reminding the Society (as he did again at Cambridge in 1953) that its obligations, as an international body of scholars and teachers of the New Testament, are not finally discharged by meeting together once a year to share with one another the most recent results of Biblical exegesis and research: such results belong, not only to all who desire to keep abreast of the New Testament scholarship, but to everyone interested in the elucidation and interpretation of the primary documents of the Christian faith.Footnote 118
Im Zusammenhang mit der Herausgabe der Zeitschrift wird de Zwaan nicht mehr erwähnt. Allerdings stimmen die Aussagen in Blacks Vorwort zum ersten Heft der Zeitschrift weitgehend mit den Überlegungen überein, die de Zwaan zur Gründung gedrängt hatten. Erstens verpflichtete sich die NTS in ihrem programmatischen Vorwort auf eine internationale Ausrichtung, die de Zwaans Zielsetzung, auch Neutestamentlern kleinerer Nationen eine Publikationsmöglichkeit mit großer Verbreitung zu verschaffen, aufnahm:
… by reporting on different undertakings and research projects in various countries; by encouraging constructive criticism across political and confessional frontiers, and, in general, by offering articles, studies and reviews by the main authorities in their subjects, whatever their country of origin.Footnote 119
Zweitens heißt es im Vorwort, wie von de Zwaan gefordert, dass die Vierteljahresschrift ein größeres Publikum über die Grenzen der Spezialisten hinaus erreichen wolle: „The periodical … is not intended simply to be an organ for specialist studies … and its pages are open to contributors outside the Society.“Footnote 120 Drittens folgt sie der von de Zwaan immer wieder geforderten Selbstverpflichtung auf einen philologischen und historisch-kritischen Umgang mit den biblischen Texten, sowie seine Ablehnung spekulativer Dogmatik:
The danger in the present is that theology, with its head too high in the clouds, may end by falling into the pit of an unhistorical and uncritical dogmatism. Into any new theological undertaking must be brought all that was best in the old ideal of sound learning, a scrupulous attention to philology, text and history.Footnote 121
Die erste Ausgabe der NTS 1954 erschien also ohne Beteiligung de Zwaans, während der Präsidentschaft Bultmanns, der ebenso wie Manson, als eines der Gründungsmitglieder der SNTS, maßgeblich an dieser ersten Ausgabe der Zeitschrift beteiligt war.Footnote 122 Black hebt im Rückblick aus dem Jahr 1954 Bultmanns Engagement für die NTS hervor:
Dr. Bultmann has been closely associated with the preparations for the launching of the new journal; these made heavy demands upon him, and the Society owes him a special debt of gratitude.Footnote 123
Die Gründung der NTS brachte aber de Zwaan nicht davon ab, seine Idee einer internationalen Zeitschrift eigenständig zu verwirklichen. Am 11. Juli 1955 schreibt Black an Manson, Joachim Jeremias habe ihn darüber informiert: „that Brill is still proposing to go forward with a Novum Testamentum“.Footnote 124 Die Zeitschrift Novum Testamentum (NovT) wurde schließlich ab 1956 unter der Herausgeberschaft von de Zwaan bei Brill in Leiden verlegt. Im Vorwort zur ersten Ausgabe bezieht de Zwaan sich auf die NTS und grenzt sein NovT insofern davon ab, dass die NTS in Verantwortung der SNTS herausgegeben würde, sein NovT allerdings unabhängig von der Gesellschaft sei. Er fügt zu NovT hinzu: „It is the same [NovT] that undoubtedly would have been published first, if the last war had not intervened“Footnote 125 und „at this moment we might have had – for about twenty years already – a really ‘international’ quarterly“.Footnote 126
Cullmann kommentierte die Gründungen zweier weiterer Zeitschriften neben der bereits existierenden Zeitschrift für neutestamentliche Wissenschaft (ZNW) kritisch und beurteilte die Existenz von nun insgesamt drei neutestamentlichen Fachzeitschriften als „schädlich“ und „überflüssig“.Footnote 127 Dieses Urteil Cullmanns hat sich in jeder Hinsicht als voreilig und unzutreffend erwiesen.
7. Fazit
Die erste Phase in der Entstehungsgeschichte der Zeitschrift New Testament Studies von 1937 bis 1939 war durch die Tatsache bestimmt, dass die neutestamentliche Wissenschaft neben der ZNW über keine weitere fachdisziplinäre wissenschaftliche Zeitschrift verfügte. Die internationale ökumenische Zusammenarbeit nach dem Ersten Weltkrieg, die von der neutestamentlichen Wissenschaft wesentliche und orientierende Beiträge zu den Grundlagen des Christentums, besonders zum Kirchenverständnis und zur Christologie, erwartete, verstärkte den Eindruck, dass eine internationale Fachzeitschrift für das Neue Testament notwendig sei. Johannes de Zwaan hatte in England studiert, kannte bereits einige britische Neutestamentler persönlich und hatte zudem im Bezan Club Erfahrungen in der internationalen Zusammenarbeit gesammelt. Nachdem er 1935 mit der Herausgabe des Bezan Bulletins beauftragt worden war, verstand er schnell, dass die Beschäftigung mit textkritischen Fragen alleine den Erwartungen an die neutestamentliche Wissenschaft nicht mehr gerecht werden konnte. Er erkannte, dass eine neutestamentliche Fachgesellschaft verbunden mit einer internationalen Zeitschrift das Gebot der Stunde war. Mit seinen Plänen verfolgte er auch das Ziel, die Publikationsmöglichkeiten für Gelehrte aus europäischen Ländern, in denen nur an einigen wenigen Einrichtungen neutestamentliche Exegese betrieben wurde, zu verbessern.
In Thomas W. Manson traf er auf einen britischen Gelehrten, der beide Anliegen unterstützte und in der Frage der Zeitschrift zwischen der deutlichen Zurückhaltung der britischen Gründungsmitglieder und de Zwaans Enthusiasmus vermittelte. In dieser Anfangsphase brachten vor allem protestantische Neutestamentler, die mit der ökumenischen Bewegung in Beziehung standen, die Gründung der Gesellschaft voran. Dabei wurde weder auf einen konfessionsübergreifenden Charakter der wissenschaftlichen Gesellschaft noch auf die Beteiligung von Wissenschaftlerinnen geachtet, was beides noch im Bezan Club normale Praxis gewesen war. Vielmehr stand im Vordergrund, dass durch die Gründung von SNTS und NTS die Qualität neutestamentlicher Forschung gesichert, aber auch kontrolliert werden sollte.
Im Briefwechsel von de Zwaan kommt zudem zum Ausdruck, dass er einer historischen Ausrichtung der Theologie und besonders der Exegese den Vorzug gab. De Zwaan und auch Manson waren der Ansicht, dass die historische Methode die Überzeugungen des Neuen Testaments zuverlässig herausarbeiten und für die Gegenwart von Kirche und Christentum relevant applizieren könne. Vor diesem Hintergrund hob vor allem de Zwaan immer wieder hervor, dass systematisch-theologische und philosophische Einflüsse, wie er sie in der Theologie Barths und in der existentialphilosophischen Hermeneutik Bultmanns, beeinflusst von Kierkegaard und Heidegger, zu entdecken meinte, in der neutestamentlichen Wissenschaft zurückzuweisen seien. Damit stimmte de Zwaan nicht nur mit Manson überein, sondern auch mit Gerhard Kittel, der vor allem die gemeinsame Gegnerschaft zur Theologie Barths für die Verfolgung seiner eigenen kirchenpolitischen Ziele zu nutzen suchte.
Diese Grundüberzeugungen wurden dann nach der Unterbrechung durch den Zweiten Weltkrieg in den fünfziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts verwirklicht. Der Einfluss von de Zwaan reichte aber zu diesem Zeitpunkt nicht mehr aus, um die organisatorischen Entscheidungen bezüglich der Zeitschrift weiter zu bestimmen. Obwohl er und auch Manson für E. J. Brill als Verlag eintraten, sorgte vor allem der neue Herausgeber Black dafür, dass ein britischer Verlag in die Verantwortung genommen wurde. Die neue Zeitschrift erschien unter dem Namen New Testament Studies bei Cambridge University Press und wurde von Black, der dann von 1953 bis 1977 als Vorsitzender des Editorial Boards fungierte, im Auftrag der SNTS herausgegeben. De Zwaan, unterstützt von van Unnik und Doeve, verfolgte seine Pläne weiter und gründete in Zusammenarbeit mit dem Verlag E. J. Brill eine Zeitschrift, die den ursprünglich für die Zeitschrift der SNTS vorgesehenen Namen Novum Testamentum erhielt. Für beide Zeitschriften aber sollte nach Ansicht ihrer Herausgeber gelten, was de Zwaan 1937 gefordert hatte: “Free from German ‘Schulmeinungen’ and other one-sidedness”.