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Die markinischen Summarien—ein literarischer und theologischer Schlüssel zu Mark 1–6*

Published online by Cambridge University Press:  07 September 2010

Eve-Marie Becker
Affiliation:
Department of Biblical Studies, Faculty of Theology, Aarhus UniversityTaasingegade 3, DK-8000 Aarhus C. email: eb@teo.au.dk
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Abstract

On the basis of a concise definition of the literary form of a summary/Summarium/sommaire that has to be distinguished from epitome (e.g. Mk 1.14f.; 8.31) or ‘Geschichtsabriss’ (cf. Acts), this contribution analyzes the literary and theological function of all three summaries that can be found in Mark 1–6 (1.32–34; 3.7–12; 6.54–56). By these summaries the author of the Markan Gospel not only provides a macro-textual structure for his narrative, but also gives a theological interpretation and a narrative emplotment of Jesus' Galilean ministry, and thus carries forward essential parts of the Gospel story.

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Articles
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Copyright © Cambridge University Press 2010

1. Zur Form und Funktion eines Summariums—Mk 1.32–34 als Beispiel

32 Als es aber Abend geworden war, als die Sonne untergegangen war, brachten sie alle (πάντας) zu ihm, denen es schlecht ging und die dämonisch besessen waren.

33 Und es war die ganze (ὅλη) Stadt versammelt vor der Tür.

34 Und er heilte viele (πολλούς), denen es schlecht ging—(die) mit verschiedenartigen Krankheiten—und trieb viele (πολλά) Dämonen aus und ließ die Dämonen nicht reden, denn sie kannten ihn.

Mk 1.32–34 wird in der Markus-Exegese gemeinhin als ein sog. Sammelbericht oder als Summarium bzw. ‘summary’Footnote 1 oder ‘sommaire’Footnote 2 bezeichnet. Es handelt sich um eine summarische Zusammenfassung des Wunderwirkens Jesu:Footnote 3 Jesus heilt viele Kranke und Besessene auf einmal. Adela Yarbro Collins versteht den Textabschnitt in ihrem Markus-Kommentar von 2007 zuletzt als ein ‘editorial summary’,Footnote 4 d.h. sie bewertet ihn als eine kurze editorische Zusammenfassung und mißt ihm so faktisch weder literarisch noch theologisch eine eigenständige Bedeutung bei.Footnote 5 Ich möchte eine andere Bewertung des Textes vorschlagen, die die spezifische literarische und theologische Bedeutung der Summarien in den Blick nimmt, und beginne mit einer eigenen Betrachtung des ersten Summariums.

Das Summarium in 1.32–34 hat zunächst eine anaphorische Erzählfunktion. Denn die Themen ‘Exorzismus und Krankenheilung’ wurden bereits früher in Kapitel 1 eingeführt: In Mk 1.23–27 lehrt Jesus am ersten Tag seines Wirkens in der Synagoge in Kapernaum und fungiert hier als Exorzist. Unmittelbar danach, in 1.29–31, wirkt er als ein Wunderheiler, indem er—immer noch in Kapernaum weilend—im Haus des Petrus dessen Schwiegermutter vom Fieber heilt. Im Summarium werden die Erzählmotive von Krankheit (1.30) und dämonischer Besessenheit (1.23) nun terminologisch neu gefasst und dabei gewissermaßen auch abstrahiert: Denn nun ist verallgemeinernd von Dämonen und Menschen, ‘denen es schlecht ging’, die Rede. In 1.30 war die Krankheit der Schwiegermutter des Petrus konkret als πυρέσσουσα bezeichnet, in 1.32 spricht Markus von τούς κακῶς ἔχοντας. Wurde die dämonische Besessenheit in 1.23 als ἐν πνεύματι ἀκαϑάρτῳ gefasst, so heißen die Besessenen in 1.32 hingegen τούς δαιμονιζομένους. So lässt sich im Summarium in 1.32–34 beides beobachten: die Wiederaufnahme oder Rekapitulation von bereits bekannten Erzählmotiven und deren sprachlich-abstrahierende Neuformulierung. Das Summarium fungiert in narrativer Hinsicht also als variierende Wiederholung, die hyperbolische Züge trägt.Footnote 6

Über diese ersten Textwahrnehmungen führen die Beobachtungen hinaus, die Ulrich Wendel 1998 zu den sprachlichen und grammatischen Formmerkmalen für synoptische Summarien insgesamt gemacht hat. Sie finden sich auch in Mk 1.32–34 und weisen den Text damit der Textgruppe der Summarien zu, ja sie machen unseren Ausgangstext sogar zu einem prototypischen markinischen Summarium.Footnote 7

Bevor wir den Text diachron betrachten (s.u. 2.), zunächst weiter zur synchronen Textbeschreibung: Mk 1.32–34 ist ein eigenständiger Textabschnitt, der eine in sich abgeschlossene literarische Einheit darstellt. Denn der Text ist durch Zeit- und Ortsangaben formal-literarisch von seinem Mikrokontext nach vorne (1.31) und nach hinten (1.35)Footnote 8 abgrenzbar: Die im Vergleich zur Gesamtlänge des Textes relativ ausführliche einleitende Wendung in V. 32—‘als es aber Abend geworden war, als die Sonne untergegangen war’—markiert den Einsatzpunkt der summarischen Erzählung und grenzt V. 32 von der vorausgehenden Heilungsgeschichte ab. Nach hinten wird der Textabschnitt durch das Schweigegebot in V. 34 sowie durch eine neue Zeit- und Ortsangabe, die Jesu Aufbruch aus Kapernaum in V. 35 einleitet, abgegrenzt: ‘Und früh, als es noch dunkel war…’.

Besonders interessant sind die Zeitangaben in V. 32 und V. 35, die an einander anknüpfen, mehr noch: ‘Die zweite erläutert die erste und malt sie aus’:Footnote 9

Mit Hilfe dieser chronologischen Angaben historisiert Markus den Erzählzusammenhang in Kapitel 1.Footnote 10 Zugleich aber dramatisiert er die Erzählung, denn er stellt vor Augen, wie Jesus selbst in der Nacht noch als Wunderheiler und Exorzist tätig ist. Dabei findet zumindest die Erzählfolge in Mk 1.29–38 an einem Tag und an einem Ort statt:Footnote 11 die Heilung der Schwiegermutter des Petrus (1.29–31), die im Summarium erzählte Heilung vieler Kranker und Besessener (1.32–34) sowie schließlich der Aufbruch Jesu aus Kapernaum (1.35–38). Wilhelm Egger (1976) hält gerade die literarische Abgrenzbarkeit für ein grundsätzliches Merkmal der markinischen Summarien.Footnote 12 Er betont bei seiner Analyse von Mk 1.32–34 dann aber vor allem, wie hier die Zeit- und Ortsangaben den Summarium-Text in den erzählerischen Zusammenhang der Kapernaum-Überlieferungen einbetten.Footnote 13 Darauf ist nun unter 2. zurückzukommen.

2. Zur Herkunft und literarischen Bewertung von Mk 1.32–34—historische Reminiszenz oder redaktionelle Bildung?

Im Unterschied zu den vorausgehenden Textabschnitten erzählt Markus in 1.32–34 mit generalisierenden Angaben über Jesu Wunderwirken: Er nennt keinen Individualfall einer spezifischen Krankenheilung oder eines Exorzismus, sondern berichtet von einer Mehrzahl von Heilungen und Exorzismen und verwendet dazu die adjektivischen Quantoren πάντα, πολλοί und πολλά. Diese Quantoren stellen Jesu Wundertätigkeit universalisierend dar, was besonders in V. 32 (πάντα) und V. 33 (ὅλη) deutlich wird: ‘…sie brachten alle zu ihm… Und es war die ganze Stadt versammelt’. Trotz Generalisierung und Universalisierung hält Markus jedoch insgesamt an einer eher ‘realistischen’ Darstellungsweise fest, die dann erst im matthäischen Paralleltext (Mt 8.16) unscharf wird: Während bei Markus zwar ‘alle’ kommen, doch nur ‘viele’ geheilt werden, werden in Mt 8.16 schlichtweg ‘alle’ Kranken geheilt.

Die summarisch erzählten Heilungen und Exorzismen finden ‘vor der Tür’ (1.33: πρὸς τὴν ϑύραν) statt—der Erzähllogik zufolge ist offenbar die Tür des Hauses Petri gemeint. Doch ist hier wohl kaum mit einer historischen Reminiszenz oder mit dem Vorliegen einer Einzeltradition zu rechnen. Wenn wir zudem wie Daniel Marguerat die Ortsangaben innerhalb von Mk 1.21–34 symbolisch verstehen,Footnote 14 dann fällt auch von hierher ein besonderes Licht auf die Kompositionstechnik, mit der Markus die Perikopenfolge in Kapitel 1 anordnet. Warum aber schafft er plötzlich in 1.32–34 diese Generalisierung, nachdem er zuvor individuelle Heilungen geschildert hatte? Hat Markus—wie Egger andeutet—hier speziell ‘petrinische Erinnerung’ gekannt und verarbeitet?Footnote 15 Eine andere Erklärung scheint plausibler zu sein: Offensichtlich lag Markus in 1.32–34 gerade keine Überlieferung vor, so dass er vom Wunderwirken Jesu ‘nur’ generalisierend sprechen kann. Wie kommt es zu diesem Urteil? Es wertet die Beobachtungen zur Semantik weiter aus: Besonders πᾶς und πολύς in V. 32 und 34 sind nämlich—neben z.B. φέρω in V. 32—sog. ‘markinische Vorzugswörter’.Footnote 16 Sie gehen also auf Markus selbst zurück. So zeigt Mk 1.32–34 sprachlich-philologisch eine redaktionelle Prägung durch Markus an, während—wie schon Rudolf Bultmann gezeigt hat—die Individualberichte über den Exorzismus in Mk 1.21–28 und die Krankenheilung in 1.29–31 zumindest in ihrem Grundbestand auf Traditionen, d.h. vormarkinische Überlieferungen, zurückgehen.Footnote 17 Dass das Summarium in 1.32–34 redaktionell geprägt ist, zeigt sich dann auch thematisch an dem für die markinische Evangelien-Konzeption typischen Schweigegebot an die Dämonen in V. 34. Hier stimme ich in der Tat Joachim Gnilka zu, der vermutet, dass die ganze Erzähleinheit in 1.32–34 ‘vom Evangelisten gestaltet ist’Footnote 18 und nicht vormarkinischen Ursprungs ist.

Dies Urteil hat allerdings in der Forschung zu einer Unterbewertung der Summarien geführt und daher auch selbst Kritik hervorgerufen. Folgen wir nämlich zunächst Gnilka, Bultmann Footnote 19 oder der anfangs zitierten Adela Collins darin, Mk 1.32–34 für eine solche ‘redaktionelle Bildung’ zu halten, so laufen wir Gefahr, die Summarien lediglich als sekundäre Elemente der Evangelien-Erzählung abzuwerten und darauf zu beschränken, verschiedene Einzelüberlieferungen redaktionell zu verknüpfen. Demnach wären die Summarien für die literaturgeschichtliche Entstehung der Evangelien-Erzählung des Markus völlig unbedeutend,Footnote 20 wie ja auch Gnilka selbst Mk 1.32–34 als ‘blasse und allgemeine Schilderung’ versteht.Footnote 21

Dagegen wendet sich zu recht Klaus Berger. Berger hat die literarische Geringschätzung der Summarien kritisiert und aus diesem Grunde zugleich literarkritische Analysen dieser Texte abgelehnt.Footnote 22 Seiner Meinung nach sind Summarien vielmehr ‘Basis-Berichte’, da sie die ‘entscheidende Fülle des Wirkens’ bieten, denn sie ‘sind die Grundlage der Erzählung, aus der sich die Einzelszenen wie Schaumkronen aus dem Meer erheben’.Footnote 23 Auch Egger meint, der Sammelbericht sei ‘mehr… als nur eine Verallgemeinerung von Heilungs- und Austreibungsgeschichten’.Footnote 24Egger setzt aber—im Unterschied zu Berger—bei literarkritischen Fragen an und will in Mk 1.32–34 einen ‘traditionellen Bericht’Footnote 25 erkennen. Vor allem die oben schon erwähnte starke temporale Verknüpfung mit dem Mikrokontext in Kapitel 1 wertet Egger als Hinweis darauf, dass Mk 1.32–34 nur zusammen mit 1.29–31 überliefert worden sein könne.Footnote 26

Nun meine ich weiterhin—gegen Egger—und mit der Mehrheit der Exegeten, dass Mk 1.32–34 auf die markinische Redaktion zurückzuführen sei. Ich möchte dies Urteil aber nicht so bewerten, dass die Summarien auf redaktionelle Überleitungen oder ‘editorial summaries’ reduziert würden. Berger hat ja zu recht das Augenmerk auf die eigenständige literarische Form des Summariums gelenkt. Und Egger betont ebenfalls zu recht dessen spezifische narrative Funktion innerhalb von Mk 1. Ich stimme beiden Exegeten darin zu, dass die Summarien viel stärker als eigenständige literarisch und theologisch bedeutsame Textgruppe wahrgenommen werden müssen. Die formgeschichtliche und literarkritische Analyse allein ermöglichen diese Sicht auf die Summarien aber nicht. Vielmehr muss neben die Betrachtung der Summarien auch die angemessene Beachtung der literarischen Strategie ihres Verfassers treten. Denn der Evangelist Markus ist keineswegs nur ‘Sammler und Redaktor’,Footnote 27 wie die Formgeschichte und letztlich auch die Redaktionsgeschichte annahmen. Und obwohl Werner Georg Kümmel meinte, die ‘redaktionsgeschichtliche Forschung’ habe erkannt, dass Markus ‘ein die Tradition bewύt gestaltender Schriftsteller’ sei,Footnote 28 bleiben beim redaktionsgeschichtlichen approach—so etwa in Dieter Lührmanns Markus-Kommentar—die Summarien faktisch deutlich unterbelichtet.Footnote 29

3. Zur literarischen Strategie des Verfassers in Mk 1.32–34

Und damit bin ich bei meiner These: Gerade bei der Konzeption von Summarien weist sich Markus als selbständiger Schriftsteller aus, denn er schreibt seine Geschichte nicht nur auf, sondern er ‘schreibt sie fort’.Footnote 30

Was ist an dieser These neu, und was leistet sie für die Interpretation des Markus-Evangeliums? Die jüngste Erzähl-Forschung hat das Augenmerk auf Markus als Erzähler gelenkt und damit gewissermaßen die entstandene Diskrepanz zwischen dem Redaktor sowie dem Erzähler, Schriftsteller oder Autor ‘Markus’ zu überwinden gesucht (z.B. Willem S. Vorster).Footnote 31 Allerdings führt diese Erkenntnis—soweit ich sehe—bislang nicht dazu, die Summarien als wichtige literarische und theologische Elemente der Evangelien-Erzählung zu betrachten. Ein ähnliches Desiderat ist—in Fortsetzung der Erzähl-Forschung—im sog. reader-response-criticism (z.B. Bas M. F. van Iersel; Robert M. Fowler)Footnote 32 zu beobachten: Hier wird die narrative Interaktion von Autor und Leser untersucht, nicht aber nach der spezifischen literarischen Funktion der Summarien gefragt. Und in den Feldern von oral/aural criticism oder zuletzt auch performance criticism wird zwar die narrative Funktion von Summarien bei der Rezeption der Evangelien-Erzählung durch die Zuhörerschaft (audience) mitbedacht.Footnote 33 Allerdings ziehen die beteiligten Exegeten aus diesen Beobachtungen keine oder nur wenig Rückschlüsse auf das Autor-Profil des Evangelisten Markus.Footnote 34 Schließlich lassen auch solche Textanalysen, die das sozial-historische Profil der markinischen Hörer- und Leserschaft zu rekonstruieren suchen (Hendrika Nicoline Roskam),Footnote 35 teils speziell aus einer post colonial perspective (Richard Horsley),Footnote 36 den Aussagehalt und das literarische Profil der Summarien als Verdichtung der Evangelien-Erzählung unberücksichtigt.

Doch erweisen sich die Summarien gerade, weil sie eine bestimmte stützende und strukturierende Funktion im Erzählduktus haben, nicht nur für die Analyse der Autor-Hörer- oder Autor-Leser-Relation als relevant. Eine literaturgeschichtlich geschärfte Sicht auf die Textgruppe der Summarien hilft daher der Markus-Exegese, den Evangelisten Markus bei seiner Arbeit am literarischen Profil und der theologischen Deutung seiner Evangelien-Erzählung konturiert als Autor und Schriftsteller hervortreten zu lassen. Mit der Frage nach der theologischen Tendenz und der literarischen Struktur der Evangelienschrift kommen wir letztlich auch der seit William Wrede offenen Frage nach dem ‘Messiasgeheimnis’Footnote 37 im Markus-Evangelium auf die Spur.

Zunächst dient ein Summarium der HistorisierungFootnote 38 und—wie Martin Dibelius meinte—der ‘Verbreiterung’ der Erzählung, durch die die ‘Taten Jesu… ins Typische’ erhoben warden.Footnote 39 So hat Mk 1.32–34 nicht nur eine anaphorische Erzählfunktion, indem die zuvor geschilderten Individualfälle nun rekapituliert werden. Vielmehr erweckt Markus ‘den Eindruck eines umfassenden Geschehens, indem er zwischen die Einzelberichte… Sammelberichte einfügt’.Footnote 40 Markus gestaltet also maßgeblich durch 1.32–34 den Erzählzusammenhang in Kapitel 1 aus. Er nutzt aber die Summarien-Form nicht nur historisierend-narrativ, sondern auch zu einer theologischen Reflexion. Das wird an einem Vergleich der sog. ‘Schweigegebote’ in Mk 1.25, 1.34 und 3.12 deutlich:

Im Bericht über den Exorzismus in der Synagoge in Kapernaum in Mk 1.23–28 bedroht Jesus den unreinen Geist, zu verstummen und aus dem Menschen auszufahren (V. 25). Unklar ist hier, wie die Wendung φιμώϑητι καὶ ἔξελϑε ἐξ αὐτοῦ zu deuten sei: Gerd Theißen versteht den Ausruf Jesu als Teil der exorzistischen Handlung und wertet das ‘Fehlen exorzistischer Rituale’, wie sie etwa bei Josephus über den jüdischen Exorzisten Eleazar berichtet werden (ant 8.46–48), als ein Charakteristikum ‘für die Exorzismen Jesu’.Footnote 41Bernd Kollmann hingegen sieht keine direkten semantischen Parallelen zu der Wendung φιμώϑητι in der ‘traditionellen antiken Exorzismustopik’,Footnote 42 die der in Mk 1.25 geschilderten Situation analog wären. Er meint daher, Mk 1.25 reagiere auf die ἅγιος τοῦ ϑεοῦ-Proklamation in V. 24 und stelle insofern bereits eines der für Markus typischen Schweigegebote dar.Footnote 43Joel Marcus hingegen deutet sowohl die Proklamation in 1.24 als auch den Ausruf Jesu in 1.25 vor dem Hintergrund eschatologischer und apokalyptischer Kampfterminologie.Footnote 44

Wichtig scheint mir indes, die Entwicklung des Motivs von Mk 1.24f. über 1.34 zu 3.11f. zu verfolgen. In 1.12 hat Markus das Schweigemotiv wohl aus dem vormarkinischen Exorzismus-Bericht übernommen.Footnote 45 Im Vergleich dazu erscheint das letzte Schweigegebot, das an die Dämonen in 3.12 ergeht, als deutliche motivische Weiterentwicklung:Footnote 46 Denn am Schluss des Heilungs-Summariums in 3.10–12 bekennen die ‘unreinen Geister’ nun noch präziser als in 1.24 Jesus als den ‘Sohn Gottes’ (3.11), woraufhin Jesus ihnen noch deutlicher als zuvor das Gebot, ihn nicht offenbar zu machen, erteilt.Footnote 47 In Mk 1.34 löst Markus also das Schweigemotiv aus dem konkreten Zusammenhang eines Exorzismus (1.25) und transformiert es zu einem Schweigegebot. In 3.12 geht Markus darüber noch hinaus, indem er nun das Schweigegebot konkret mit der Gottes-Sohn-Erkenntnis der Dämonen in Zusammenhang bringt. So liegt in Mk 1.34 eine theologische Schaltstelle vor, an der Markus seine Messiasgeheimnistheorie theologisch selbständig zu entwickeln beginnt. Es wäre zu fragen, ob Markus, indem er die Schweigeformel hier zu einer theologischen Deutungskategorie macht, letztlich literarisch—um mit Walter Benjamin zu sprechen—die mit den Exorzismen verbundene ‘Magie liquidiert’.Footnote 48

4. Die Summarien in Mk 1–6 als eigenständige Textgruppe

Ich gehe nun von dem ersten und prototypischen Summarium weiter zur Textgruppe der markinischen Summarien insgesamt.

Mk 1.32–34 ist das erste von Markus erzählte Summarium und auch insofern prototypisch.Footnote 49 Entgegen der Meinung einiger ExegetenFootnote 50 lässt sich Mk 1.14–15, der Bericht über den Beginn der Verkündigung Jesu in Galiläa, nicht als ein Summarium verstehen.Footnote 51 Zwar wird auch in Mk 1.14–15 ein summarischer Erzählstil erkennbar, doch hat der Abschnitt keine anaphorische Erzählfunktion. Vielmehr werden hier unverzichtbare, weil für das Markus-Evangelium singuläre Informationen geliefert: Markus begründet den Beginn der Evangeliumsverkündigung Jesu (Mk 1.14) und teilt zugleich den Inhalt der Predigt Jesu (Mk 1.15) mit, den wir sonst nur aus Q 10.9.11 erschließen können.Footnote 52 Ich bestimme Mk 1.14–15 daher nicht als ein Summarium, sondern besser als eine Verkündigungs-Epitome,Footnote 53 mit der Markus gleichsam exzerptförmig das Thema von Jesu Auftreten und Wirken benennt.Footnote 54 So findet sich im Markus-Evangelium einerseits die Textgruppe der Epitome (1.14f.; 8.31ff. s.u.) und andererseits die davon zu unterscheidende Textgruppe der Summarien.Footnote 55

Wie aber läßt sich die Textgruppe der markinischen Summarien insgesamt definieren und als spezifische Form erfassen? Ich gehe bei der nun folgenden Definition von der Kriteriologie aus, die Dietmar Mathias (1989) entwickelt hat. Nach Mathias sind Summarien ‘das Resümee oder Fazit aus einer Summe von Einzelereignissen’, die durch ‘Verallgemeinerung und Typisierung der Einzelberichte’ zustande kommt. Sie ‘erfüllen eine redaktionelle Funktion durch die Gliederung größerer Zusammenhänge’ und sind ‘am ehesten durch die Gattungsbezeichnung “konstruierter Bericht” erfaßt…’.Footnote 56 Demnach lassen sich insgesamt drei wichtige Kriterien festhalten, anhand derer die markinischen Summarien identifiziert werden können: Markinische Summarien sind abgrenzbare literarische Text-Einheiten,Footnote 57die über eine bloße redaktionelle Bearbeitung oder Erweiterung von Überlieferungen hinausgehen Footnote 58und deren Inhalt eine summarische Zusammenfassung des Wirkens Jesu ist.Footnote 59Es handelt sich um personenzentrierte Kurztexte mit einer erhöhten Relevanz für die literarische und theologische Modellierung der Person Jesu.

Doch wo im Markus-Evangelium finden sich Summarien, die dieser Definition entsprechen? Die folgende Übersicht über die Forschungsgeschichte der letzten ca. 35 Jahre zeigt, dass sich die Markus-Exegeten nicht einig sind über die genaue Anzahl und das Vorkommen von ‘Summarien’.

Die erkennbare Uneinigkeit rührt überwiegend daher, dass unklar bleibt, wie die markinischen Summarien in Abgrenzung von verwandten Textformen zu klassifizieren und zu typologisieren seien:Footnote 65 Mir scheint notwendig, dass Summarien oder Sammelberichte erstens von kurzen summarischen Notizen (z.B. Mk 1.39; 2.13; 6.6b),Footnote 66 zweitens von Epitomai (z.B. Mk 1.14f.), drittens von Periochai und viertens von Geschichtsabrissen unterschieden werden. Das Markus-Evangelium enthält weder Periochai Footnote 67 noch sog. Geschichtssummarien,Footnote 68 die für Teile der Apostelgeschichte (z.B. Apg 7.2bff.; 13.17–25)Footnote 69 und z.B. für die GeschichtspsalmenFootnote 70 charakteristisch sind—eine Textform, die treffender als ‘Geschichtsabrisse’ zu bezeichnen ware.Footnote 71

Wenn wir also von der oben formulierten konzisen literarischen Definition eines ‘Summariums’ ausgehen, so lassen sich neben Mk 1.32–34Footnote 72 nur 3.7–12Footnote 73 und 6.54–56Footnote 74 als Summarien, d.h. als generalisierende Zusammenfassungen des Wirkens Jesu oder besser als ‘konstruierte Berichte’, verstehen.Footnote 75 Es handelt sich bei diesen drei Texten ausschließlich um Summarien über Jesu Wunderwirken als Heiler und Exorzist. Es finden sich hingegen keine Summarien über Naturwunder,Footnote 76 so etwa über Jesu Herrschaft über Wind und Meer (Mk 4.35–41; 6.45–52) oder über Speisungswunder (Mk 6.32–44; 8.1–9).

Den drei Summarien-Texten in Mk 1. 3 und 6 ist gemeinsam, dass sie eigenständige literarische Einheiten (Mk 1.32–34) darstellen oder sich innerhalb dieser (Mk 3.7–12; 6.54–56) befinden. Zudem haben sie jeweils eine anaphorische Funktion: Mk 3.10–12 rekapituliert wiederum die vorausgehenden Heilungen in Mk 2.1–12 und 3.1–5. Und Mk 6.56 greift sogar vier konkrete Begriffe aus der Geschichte über die Heilung der blutflüssigen Frau in Mk 5.23–28 auf (κἂν, ἅπτομαι, ἱμάτιον, σῴζω). Doch neben dieser Wiederaufnahme von bekannten Erzählmotiven bringen die Summarien in Mk 3 und 6 auch eine gewisse narrative Steigerung zum Ausdruck: Das Schweigebot in Mk 3.12 geht über die vorausgehenden Schweigemotive (1.25, 34) hinaus. Und in Mk 6.56 geschehen die Heilungen in maximaler Öffentlichkeit (ἐν ταῖς ἀγοραῖς). Sie setzen nun, über die Heilung der Blutflüssigen hinausgehend, lediglich die Berührung des Saumes von Jesu Gewand voraus, wodurch Jesu Vollmacht als Wundertäter noch einmal gesteigert wird.Footnote 77

Offenbar liegt am Ende von Kapitel 6 also der Akzent auf dem Wunderheiler Jesus,Footnote 78 so dass weitere Exorzismen hier nicht mehr erwähnt werden. Doch weisen die drei Summarien in Kapitel 1. 3 und 6 im Detail auch einige Unterschiede auf.Footnote 79 Markus also hat die Summarien-Form nicht standardisiert. Er bleibt vielmehr literarisch flexibel und schafft keine Stereotypen.

5. Die markinischen Summarien als makrotextuelle Scharniere und narratives emplotment

Besonders auffallend und erklärungsbedürftig ist schließlich der Umstand, dass Markus die Gestaltung der Summarien auf den ersten Teil seines Evangeliums, der in Galiläa stattfindet, noch genauer: auf die Kapitel 1–6, beschränkt.Footnote 80 Es finden sich hingegen weder Summarien in den Jerusalem-Überlieferungen, d.h. in den Kapiteln 11–16, noch in den Abschnitten, in denen Jesus sich vermehrt auch außerhalb von Galiläa aufhält (Mk 7–10). Diese Beobachtung verlangt nach einer Deutung. Ich versuche in dreifacher Hinsicht, eine solche Deutung zu geben, nämlich überlieferungsgeschichtlich, narratologisch und schließlich auch theologisch.

[1] Zunächst zu den überlieferungsgeschichtlichen Aspekten: Martin Dibelius hat beobachtet, wie Lukas besonders in Apostelgeschichte 1–5 sog. Gemeindesummarien (z.B. Apg 2.42–47; 4.32–35; 5.12–16)Footnote 81 in die Überlieferungen von der Jerusalemer Urgemeinde einfügt, um damit offenbar die ihm vorliegende schlechte, weil unzusammenhängende Überlieferung zu kompensieren: ‘Denn eine fortlaufende Erzählung von den Schicksalen der jerusalemischen Gemeinde gibt es überhaupt nicht…’ und ist ‘dem Verfasser weder überliefert noch von ihm gestaltet worden’.Footnote 82 Ähnlich begrenzt und unzusammenhängend sind für Markus offenbar die Galiläa-Überlieferungen. Demnach täte sich—um noch einmal mit Dibelius zu sprechen—das pragmatische Bestreben des Autors der Apostelgeschichte wie des Markusevangeliums ‘nur in den verschiedenen Sammelberichten kund, die, zwischen die einzelnen Szenen und Erzählungen gestellt, Überleitungen und Verbreiterungen schaffen und so das in jenen Geschichten berichtete Einzelne als Spezialfall des hier geschilderten Zuständlichen erscheinen lassen’.Footnote 83 So gesehen wird Markus—wohl aus Mangel an einer zusammenhängenden vormarkinischen Galiläa-Überlieferung—der Erfinder einer Kompositionstechnik, die besonders erfolgreich von Lukas adaptiert wird.Footnote 84 Und wenn—wie Dibelius meint—gerade die Komposition von Summarien in der Apostelgeschichte Lukas zum ‘Schriftsteller’ macht, muss Analoges auch für Markus gelten.Footnote 85

[2] Markus liegt da, wo er über Jesu Wirken in Galiläa erzählt, kein kausal verknüpfter vormarkinischer Erzählzusammenhang vor, den er weiter ausgestalten könnte. Das ist in der Passionsgeschichte in Mk 14–16 deutlich anders: Diese beginnt vermutlich mit dem Tötungsplan des Hohen Rates (Mk 14.1f.) und endet mit der Erzählung vom leeren Grab (Mk 16.1–8). Die Passionsgeschichte hat daher—narratologisch gesprochen—einen plot, d.h. eine fortschreitende dramatische Handlung.Footnote 86 Während Markus mit der Passionsüberlieferung bereits eine Erzählung mit logischen Kausalverknüpfungen, also ein plot, vorgegeben ist, muss er einen solchen Erzählzusammenhang in Mk 1–6 selbst erst herstellen.Footnote 87 Dieser Vorgang lässt sich nach Martinez/Scheffel als emplotment bezeichnen, nämlich als ‘Erklärung durch formale Schlußfolgerung und Erklärung durch ideologische Implikation’.Footnote 88 Als ein solches emplotment hatte Hayden White die narrative Strategie innerhalb von historiographischen Werken definiert, die die erzählte Geschichte mit Sinn (meaning) versehen soll:Footnote 89 ‘Providing the “meaning” of a story by identifying the kind of story that has been told is called explanation by emplotment’.Footnote 90 Das emplotment folgt gleichsam ‘einer anthropologisch bedingten Grunddisposition des Menschen als eines “pattern-building-animal”.’Footnote 91

Auch Markus agiert als ‘pattern-building-author’ und schafft ein solches emplotment in zweifacher Weise: Mit dem Hinweis auf den Tötungsplan in Mk 3.6 deutet er die Konsequenzen des Wirkens Jesu in Galiläa und verknüpft den ersten Teil seines Evangeliums mit dem plot der Passionsgeschichte.Footnote 92 Mit den Summarien in Kapitel 1, 3 und 6 nimmt Markus ein mehrdimensionales emplotment vor: Er gliedert die Kapitel 1–6 makro-textuell, indem er die Summarien sachlich und geschichtlich gleichsam als Scharniere zwischen den Einzelerzählungen positioniert.Footnote 93 Daneben präsentiert er mit den Summarien die essentials des Erzählten und deutet die Erzählung, indem er sie summiert und resümiert: Er wiederholt das in den Individualberichten Erzählte und verfolgt offenbar damit auch eine didaktische Intention: Dem Hörer oder Leser sollen sich besonders Jesu Wirken als Wunderheiler und Exorzist und damit ein durchaus erfolgreicher Aspekt des Wirkens Jesu einprägen.Footnote 94 Wenn wir davon ausgehen, dass die Evangelienschrift zunächst auditiv rezipiert wurde, helfen die Summarien nicht nur dabei, die essentials der Erzählung zu memorieren, sondern auch den Erzählzusammenhang zu erfassen.Footnote 95 So zielen die Summarien faktisch darauf, wichtige Aspekte des Wirkens Jesu zu einer generalisierenden story zu machen, die dann auch vom Hörer oder Leser jenseits von an Zeit, Ort und Personen gebundenen Einzelereignissen mnemohistorisch verstanden werden kann:Footnote 96 Markus generiert hier eine ‘hot memory’.Footnote 97 Zugleich deuten die Summarien die von Markus erzählte Geschichte und gewähren auch Einblick in die ‘ideologischen Implikationen’, die seiner Evangelienschreibung zugrundeliegen: Hörer und Leser außerhalb Galiläas sollen den Erzählzusammenhang verstehen und die essentials memorieren können.

Doch warum begrenzt Markus die Summarien auf die Kapitel 1–6? In Mk 8–10 scheinen an die Stelle der Summarien nun die Leidensweissagungen Jesu zu treten (Mk 8.31; 9.31; 10.32–34). Auch sie gliedern die Erzählung makro-textuell und haben, indem sie zweimal wiederholt werden, eine didaktische Funktion.Footnote 98 Im Unterschied zu den Summarien in Mk 1–6 greift Markus mit den Leidensweissagungen jedoch nicht anaphorisch auf bereits Erzähltes zurück, sondern exzerpiert hier kataphorisch Teile des frühchristlichen Kerygmas, wie wir es vor allem aus 1 Kor 15.3b-5 kennen: So sind die Leidensweissagungen in Hinsicht auf ihre literarische Funktion am ehesten mit der Verkündigungs-Epitome in Mk 1.14f. zu vergleichen und dann am besten als Passions-Epitome zu bezeichnen.

Mit der Konzeption seiner Summarien ist Markus der Erfinder einer Textgruppe, die von den Seitenreferenten Matthäus und Lukas rezipiert, z.T. auch literarisch ausgebaut wird. Matthäus und Lukas führen Markus in der Komposition und Anordnung der Summarien weitgehend fort: Matthäus folgt der markinischen Vorlage durchgängig, nimmt aber auch Umstellungen vor und bearbeitet auch darüber hinaus die ihm vorliegenden Summarien redaktionell, verdoppelt sie teilweise sogar.Footnote 99 Auch Lukas greift—mit Ausnahme in seiner sog. Auslassung (Mk 6.45–8.26)—die markinischen Summarien auf.Footnote 100 Zugleich hat er—wohl stärker als Matthäus—‘die summarische Form als eigenständige Größe wahrgenommen und verarbeitet’.Footnote 101 Dies zeigt sich nicht nur, wie schon gesehen, in Apg 1–5, sondern auch bereits innerhalb des Lukas-Evangeliums (z.B. Lk 4.31–44; 24.53).Footnote 102

Interessanterweise verzichtet das Johannes-Evangelium vollständig auf Summarien. Es wäre weiterführend zu fragen, ob Johannes sowie ein späterer Redaktor diesen Mangel an einer übergreifenden und generalisierenden Darstellung des Wunderwirkens Jesu, wie er sich bei Markus findet, im ersten und zweiten sog. Epilog in Joh 20.30f. und Joh 21.25 selbst sehen und reflektieren:Footnote 103 ‘Gewiß tat Jesus viele und andere (πολλὰ… καὶ ἄλλα) Zeichen vor [seinen] Jüngern…’ (Joh 20). ‘Es gibt aber auch vieles Andere (καὶ ἄλλα πολλὰ…), was Jesus tat…’ (Joh 21).

Die markinischen Summarien sind also als eine spezifische literarische Leistung des Autors und Schriftstellers Markus zu würdigen. Das wird auch daran deutlich, dass Matthäus und Lukas diese Textgruppe rezipieren und ausbauen. Dem für die weitere Auslegungsgeschichte prägenden Diktum Johann Gottfried Herders: ‘Kein Evangelium hat so wenig Schriftstellerisches und so viel lebendigen Laut eines Erzählers wie dieses’,Footnote 104 können wir uns also nicht einfach anschließen.Footnote 105 Denn gerade die Summarien zeigen die schriftstellerische Leistung des Evangelisten Markus.

[3] Wichtig ist weiterhin die eigenständige theologische Funktion der Summarien, die ich abschließend skizzieren möchte. Mit Mk 1.32–34 und 3.10–12 entwickelt Markus wichtige Aspekte seiner Messiasgeheimnistheorie: Weil die Dämonen die einzigen Wesen sind, die zwischen der Taufe Jesu (Mk 1.9; 1.1) und dem Bekenntnis des Petrus (Mk 8.29) die Messianität Jesu erkennen,Footnote 106 müssen sie zum Schweigen gebracht werden. Auf der Erzählebene ist dieses Schweigen übrigens durchaus erfolgreich, denn die ‘Dämonen übertreten das Gebot nicht’.Footnote 107

Mit dem Summarium in Kapitel 6 schließlich steigert Markus die Wundertätigkeit Jesu im Blick auf das Wunderwirken und den Grad der Öffentlichkeit: Jetzt genügt zur Heilung, den Saum des Gewandes Jesu zu berühren. Da diese Heilungen in größter Öffentlichkeit stattfinden (ἐν ταῖς ἀγοραῖς), können hier keine Dämonen mehr erwähnt werden, da diese die wahre Identität Jesu zu früh offiziell verbreiten würden. Doch offiziell und unwidersprochen wird die Identität Jesu erst nach seinem Tod durch den Kenturio (Mk 15.39) erkannt und coram publico bekannt werden. So modelliert Markus mit den Summarien einen wesentlichen Teil seiner Jesulogie und deutet besonders das Wunderwirken Jesu in Galiläa aus: ‘An der verallgemeinernden Zustandsschilderung liegt dem Evangelisten offenbar ebensoviel wie am Aufweis der Kohärenz der Ereignisfolge’.Footnote 108

Mit der Textgruppe der Summarien entwickelt Markus gleichsam einen wichtigen Bestandteil einer Erzählung über die Jesus-Christus-Geschichte.Footnote 109 Er gibt zugleich Einblick in seine literarischen Intentionen, die er mit der Abfassung seiner Evangelienschrift insgesamt verfolgt: Er will die Jesus-Christus-Geschichte generalisierend und universalisierend erzählen. Der ‘Sitz im Leben’ der Summarien bzw. das sozio-kulturelle setting ist die Lektüre des Evangeliums selbst. So sind die Summarien als schriftstellerische Leistung des Markus kaum zu überschätzen.

Als William Wrede 1901 schrieb, Markus sei als ‘Schriftsteller’ zu begreifen, wollte er der seinerzeit historistischen Ansicht entgegentreten, Markus habe ‘bei seiner Geschichtserzählung die wirklichen Verhältnisse des Lebens Jesu annähernd deutlich’ vor Augen gehabt.Footnote 110 Gegenwärtig bedeutet die Einsicht in die schriftstellerische Tätigkeit des Markus, von bloßen Quellentheorien oder Erzähltextanalysen loszukommen. Dagegen ist eine Sicht auf die literarische Leistung des frühesten Evangelisten notwendig: Denn so wie Markus der Schriftsteller und Theologe mit den Summarien eine synoptische Textgruppe kreiert und das Wirken Jesu deutet und fortschreibt, so generiert er mit seiner Schrift ein zugleich narratives wie theologisches genre, nämlich Evangelienliteratur.

German abstract: Ausgehend von einer konzisen Bestimmung der literarischen Form eines Summariums, die zu dessen Abgrenzung von einer Epitome oder einem Geschichtsabriss führt, untersucht der vorliegende Beitrag die literarische und theologische Funktion der drei Summarien, die im Markus-Evangelium (Mk 1.32–34; 3.7–12; 6.54–56) begegnen: Durch diese Summarien gliedert der Verfasser seine Erzählung in Kap. 1–6 makro-textuell. Zugleich nimmt er mit den Summarien eine theologische Interpretation und ein narratives emplotment der galiläischen Wirksamkeit Jesu vor und führt dabei wichtige Themen der Evangelienerzählung selbständig aus.

References

1 A. Yarbro Collins, Mark. A Commentary, Minneapolis 2007 (Hermeneia), 175; J. Marcus, Mark 1–8. A New Translation with Introduction and Commentary, New Haven/London 2000 (AncB 27), 198.

2 C. Focant, L’évangile selon Marc, Paris 2004 (Commentaire biblique. Nouveau Testament 2), 95.

3 P. Dschulnigg, Das Markusevangelium, Stuttgart 2007 (ThKNT 2), 84 sieht in 1.32–34 eine dreiteilige Struktur vorliegen: V. 32 Exposition; V. 33 Mitte; V. 34 Schluss: ‘Es handelt sich um einen Sammelbericht (Summarium) über die Heilung vieler Kranker und Besessener durch Jesus. Summarien verallgemeinern, steigern und sprechen hyperbolisch von der umfassenderen Heiltätigkeit Jesu, die über Erzählungen von einzelnen Wundertaten hinausgeht’, ebd. (Markierungen im Text sind nicht wiedergegeben).

4 A. Yarbro Collins, Mark, 172. – D. E. Aune, The New Testament in Its Literary Environment, Cambridge 1987, 54 und 102 spricht allgemein von ‘summary reports’, was dem konstruierten Charakter der Summarien näherkommt, s. dazu unten.

5 Vgl. A. Yarbro Collins, Mark, 175f.

6 Vgl. P. Dschulnigg, Markusevangelium, 85: ‘Redaktionskritisch gesehen betont der Sammelbericht über viele Heilungen erstmals hyperbolisch Jesu umfassende Wundertätigkeit’.

7 Es handelt sich dabei besonders um terminologische, grammatische und narrative Elemente: Vgl. U. Wendel, Gemeinde in Kraft. Das Gemeindeverständnis in den Summarien der Apostelgeschichte, Neukirchen-Vluyn 1998 (Neukirchener Theologische Dissertationen und Habilitationen Band 20), 15f. nennt hier: ‘Terminologie’ (v.a. maximale Größenangaben), ‘Grammatik’ (‘Das Verbum steht oft im Imperfekt’), ‘Explizite Zeitangaben’ und den ‘Bezug zum Erzählverlauf’ (‘Die ntl. Summarien sind keine Rückblicke, sondern treiben den Erzählfaden durchaus voran’).

8 Dies gilt, auch wenn etwa Dieter Lührmann Mk 1.32–39 insgesamt als einen ‘summarisch Jesu Wirken beschreibenden Abschnitt’ bezeichnet D. Lührmann, Markusevangelium, 53.

9 J. Gnilka, Das Evangelium nach Markus. 1. Teilband Mk 1–8,26, Neukirchen-Vluyn5 1998 (EKK II/1), 86.

10 Vgl. M. Dibelius, Formgeschichte, 226: Markus liegt ‘an der historisierenden Darstellung’.

11 Einige Exegeten—so schon K. L. Schmidt, Der Rahmen der Geschichte Jesu. Literarkritische Untersuchungen zur ältesten Jesusüberlieferung, Berlin 1919, 57 oder auch z.B. J. Gnilka, Evangelium 1, 86—meinen, dass hier immer noch die Zeitstufe von 1.21—also der erste Tag des Wirkens Jesu, d.h. der Sabbat—im Blick sei. Dies scheint mir vor dem Hintergrund von 1.28, aber auch im Blick auf das Verhältnis von 1.21f. zu 1.23ff. nicht plausibel.

12 Vgl. W. Egger, Frohbotschaft und Lehre. Die Sammelberichte des Wirkens Jesu im Markusevangelium, Frankfurt 1976 (FThSt 19), 1.

13 Vgl. W. Egger, Frohbotschaft, bes. 65f.

14 D. Marguerat, L'aube du christianisme, Paris 2008 (Le Monde de La Bible 60), 284: ‘la synagogue est lieu de l'autorité libératrice de Jésus, la maison symbolise la proximité avec les disciples, l'espace ouvert symbolise l'affluence de la foule’.

15 W. Egger, Frohbotschaft, 67. – Vgl. ähnlich zuletzt auch J. Marcus, Mark 1–8, 198, der Mk 1.32–34 für eine ‘pre-Markan tradition’ hält.

16 J. Gnilka, Evangelim 1, 86 mit Hinweis auf L. Gaston, Horae synopticae electronicae. World Statistics of the Synoptic Gospels, Missoula 1973 (Sources for Biblical Study 3). Vgl. auch P. Dschulnigg, Sprache, Redaktion und Intention des Markus-Evangeliums. Eigentümlichkeiten der Sprache des Markus-Evangeliums und ihre Bedeutung für die Redaktionskritik, Stuttgart 1984 (SBB 11), 136.

17 Vgl. R. Bultmann, Die Geschichte der synoptischen Tradition. Mit einem Nachwort von G. Theißen, Göttingen10 1995, 223 und 226f. Redaktionell sind in 1.21–28: 1.21*, 22*, 27*, 28. ‘Das gereinigte Stück zeigt die typischen Züge einer Wundergeschichte“, 223f. Mk 1,29–31 wird ‘unter dem Einfluß von 1,16–20 redigiert sein’, 227.

18 J. Gnilka, Evangelium 1, 86.

19 Vgl. R. Bultmann, GST, 366.

20 In der Literaturgeschichte Georg Streckers z.B. finden die Summarien überhaupt keine Erwähnung: G. Strecker, Literaturgeschichte des Neuen Testaments, Göttingen 1992 (UTB 1682).

21 J. Gnilka, Evangelium 1, 85.

22 Berger meint, diesen Umstand der literar- und redaktionskritischen Arbeit anlasten zu können. So hält er den Ausdruck ‘Summar’ sogar für ‘irreführend’, weil er ‘primär literarkritisch orientiert sei’, K. Berger, Formgeschichte des Neuen Testaments, Heidelberg 1984, 331f.

23 K. Berger, Formgeschichte, 332.

24 W. Egger, Frohbotschaft, 66.

25 W. Egger, Frohbotschaft, 68.

26 Vgl. W. Egger, Frohbotschaft, 67f. In Mk 1.32–34 findet sich—nach Egger—nicht die für die markinischen Sammelberichte sonst typische ‘Mosaik-Technik‘: Dabei werden in den Sammelberichten ‘die Elemente wie Mosaiksteine aneinander gekoppelt’, und man kann ‘dementsprechend ohne große Störung Elemente herausnehmen’, 68. Auch Emil Wendling (1908) hielt Mk 1.32–34 in seinem Grundbestand für ‘echt’, da er im Text—bis auf 1.34—keine redaktionellen Elemente erkennen kann, vgl. E. Wendling, Die Entstehung des Marcus-Evangeliums. Philologische Untersuchungen, Tübingen 1908, 4 und 17.—Mit seiner Beobachtung führt Egger faktisch das formgeschichtliche Konzept Karl Ludwig Schmidts (1919) fort, der die in den synoptischen Evangelien erzählte ‘Geschichte Jesu’ insbesondere auf der Basis chronologischer und topographischer Angaben zu rekonstruieren suchte, vgl. hierzu K. L. Schmidt, Rahmen, bes. 57f. Ähnlich geht auch C. H. Dodd vor: In kritischer Rezeption von Schmidts Annahme, dem Evangelisten habe bereits teilweise ein chronologischer und topographischer Rahmen vorgelegen, in welchen die Sammelberichte eingefügt worden seien, meint Dodd allerdings, Markus habe der Tradition unterschiedliches Überlieferungsmaterial entnommen, u.a. Summarien bzw. Sammelberichte (Mk 1.14f.; 1.21f.; 1.39; 2.13; 3.7b-19; 4.33–34; 6.7, 12, 13; 6.30), die auf das mündliche kerygma zurückgingen: Vgl. C. H. Dodd, The Framework of the Gospel Narrative: Ders., New Testament Studies, Manchester 1953, 1–11, bes. 6ff.: ‘The outline which we have recognized as existing in fragmentary form in the framework of Mark may well have belonged to a form of the primitive kerygma’, a.a.O., 10. Für Schmidt sind die Sammelberichte jedoch ‘jeglichen chronologischen Berechnungen entrückt’ (a.a.O., 13).—Zur grundsätzlichen Kritik an Schmidts Zweifel an der Historizität der markinischen Evangelien-Erzählung vgl. D. R. Hall, The Gospel Framework. Fiction or Fact? A Critical Evaluation of Der Rahmen der Geschichte Jesu by Karl Ludwig Schmidt, Carlisle 1998. Zur kritischen Auseinandersetzung mit Schmidt und Hall einerseits sowie Dodd andererseits vgl. zuletzt auch S. Hultgren, Narrative Elements in the Double Tradition. A Study of Their Place within the Framework of the Gospel Narrative, Berlin/New York 2002 (BZNW 113), bes. 35–51 und 311–13: Hultgren geht von der Annahme aus, Markus habe bereits ein, wenn auch nicht notwendig historisches, so doch ‘traditional narrative framework for the life of Jesus’ vorgelegen, in welchem diejenigen sog. Sammelberichte eine formative Rolle gespielt haben, die über Markus hinaus auch bei Matthäus und/oder Lukas begegnen, a.a.O., 46. Bei allen genannten Ansätzen jedoch bleibt die konzise Definition eines Summariums als spezifischer literarischer Form offen, s. dazu unter 4.

27 So z.B. das Diktum bei: M. Dibelius, Formgeschichte, 2.—Ich halte—gegen z.B. W. S. Vorster, Markus—Sammler, Redaktor, Autor oder Erzähler?: F. Hahn (Hg.), Der Erzähler des Evangeliums. Methodische Neuansätze in der Markusforschung, Stuttgart 1985 (SBB 118/119), 11–36, 36: ‘Der Begriff Redaktor hat meines Erachtens geringe Bedeutung für die Lösung des Problems der literarischen Persönlichkeit, die für die endgültige Textgestaltung des Markusevangeliums verantwortlich war’—den Begriff ‘Redaktor’ weiterhin für sinnvoll, wenn er nicht dazu führt, die schriftstellerische Leistung des Markus zu verkennen.

28 W. G. Kümmel, Einleitung in das Neue Testament, Heidelberg21 1983, 58.

29 Vgl. D. Lührmann, Markusevangelium, 52f. Das trifft auch für den Klassiker des redaktionsgeschichtlichen Ansatzes, Willi Marxsen (1956/21959), zu, vgl. W. Marxsen, Der Evangelist Markus. Studien zur Redaktionsgeschichte des Evangeliums, Göttingen2 1959: Marxsen widmet sich den Summarien nur am Rande (Mk 1.32–34 wird nicht erwähnt und zu Mk 3.7f.: a.a.O., 39) und bezeichnet Markus bestenfalls als ‘Schöpfer der Literaturwerke’ der Evangelien (145).

30 Vgl. dazu R. Koselleck, Erfahrungswandel und Methodenwechsel. Eine historisch-anthropologische Skizze: Ders., Zeitschichten. Studien zur Historik. Mit einem Beitrag von H.-G. Gadamer, Frankfurt 2003 (stw 1656), 27–77, bes. 41: ‘Das Aufschreiben ist ein erstmaliger Akt, das Fortschreiben akkumuliert Zeitfristen, das Umschreiben korrigiert beides, das Auf- und Fortgeschriebene, um rückwirkend eine neue Geschichte daraus hervorgehen zu lassen’.

31 Vgl. W. S. Vorster, Markus, bes. 32, wo Vorster auf die Identität von ‘Autor’ und ‘Erzähler’ hinweist: ‘Der Autor hat nicht irgendeine fiktive Erzählerfigur erfunden, sondern er erzählt die Geschichte Jesu aus der Perspektive der dritten Person und macht sich selbst zum Erzähler’.

32 Vgl. B. M. F. van Iersel, Mark. A Reader-Response-Commentary, Sheffield 1998 (JSNT.SS 164), z.B. 139f.; R. M. Fowler, Let the Reader Understand. Reader-Response-Criticism and the Gospel of Mark, Minneapolis 1991.

33 Vgl. dazu z.B.: C. W. Hedrick, The Role of ‘Summary Statements’ in the Composition of the Gospel of Mark. A Dialogue with Karl Schmidt and Norman Perrin: NT 4 (1984) 289–311; J. Dewey Oral Methods of Structuring Narrative in Mark: Int. 43 (1989) 32–44, bes. 36: ‘When one hears the Gospel, the passages (Summarien, E-MB) do not seem set off in kind; they too are “visible”’.—Vgl. zum performance criticism zuletzt auch: R. Horsley et al. (Eds.), Performing the Gospel. Orality, Memory, and Mark, Minneapolis 2006; K. M. Hartvigsen, ‘Prepare the Way of the Lord’. Towards a Cognitive Poetic Analysis of Audience Involvement and Events in the Markan World, PhD-Diss. Universität Oslo 2009.

34 Hier sind weitere gattungsgeschichtliche Fragen anzuschließen, die allerdings vielfach wiederum die Summarien ausblenden: So etwa C. Bryan, A Preface to Mark. Notes on the Gospel and Ist Literary and Cultural Settings, New York/Oxford 1993. Vgl. zu wichtigen Aspekten der jüngeren und jüngsten Forschungsgeschichte hier auch D. Dormeyer, Das Markusevangelium, Darmstadt 2005, 166–185.

35 Vgl. nur die beiläufigen Erwähnungen von Mk 1.32–34 in: H. N. Roskam, The Purpose of the Gospel of Mark and its Historical and Social Context, Leiden/Boston 2004 (NT.S 114), z.B. 148 Anm. 7.—Vgl. zuletzt auch: A. Winn, The Purpose of Mark's Gospel. An early Christian Response to Roman Imperial Propaganda, Tübingen 2008 (WUNT 2.245).

36 Vgl. R. Horsley, Hearing the Whole Story. The Politics of Plot in Mark's Gospel, London/Leiden 2001, z.B. 121. Hier beschreibt Horsley, wie die Summarien den Kampf Jesu gegen die Dämonen—den er als ‘struggle against Roman rule’ wertet—narrativ verstärken.

37 Vgl. W. Wrede, Das Messiasgeheimnis in den Evangelien. Zugleich ein Beitrag zum Verständnis des Markusevangeliums, Göttingen 1901, bes. 31–3. Zur Systematisierung der verschiedene Aspekte des Messiasgeheimnisses vgl. a.a.O., 33–34: (1) Verbote an Dämonen (Mk 1.25.34; 3.12); (2) Verbote nach anderen Wundern (Mk 1.43–45; 5.43; 7.36; 8.26); (3) Verbote nach dem Petrus-Bekenntnis (Mk 8.30; 9.9); (4) ‘Absicht, das Inkognito zu wahren’ (Mk 7.24; 9.30f.); (5) ‘Ein nicht von Jesus selbst ausgehendes Verbot zu reden’ (Mk 10.47f.).—Vgl. zur forschungsgeschichtlichen Bedeutung von Wredes Konzept besonders: H. J. Ebeling, Das Messiasgeheimnis und die Botschaft des Marcus-Evangelisten, Berlin 1939 (BZNW 19), 1–113. Vgl. zuletzt auch den Exkurs in A. Yarbro Collins, Mark, 170–2.

38 Vgl. M. Dibelius, Formgeschichte, 226f.

39 M. Dibelius, Stilkritisches zur Apostelgeschichte: Ders., Aufsätze zur Apostelgeschichte, hg. v. H. Greeven, Berlin2 1953, 9–28, 15f.; vgl. auch H. J. Cadbury, The Making of Luke-Acts, London 1927, 58: ‘The summaries…give continuity and historical perspective’.

40 W. G. Kümmel, Einleitung in das Neue Testament, Heidelberg21 1983, 59.

41 G. Theißen/A. Merz, Der historische Jesus. Ein Lehrbuch, Göttingen3 2001, 265; vgl. auch G. Theißen, Urchristliche Wundergeschichten. Ein Beitrag zur formgeschichtlichen Erforschung der synoptischen Evangelien, Gütersloh 1974 (StNT 8), 143–4. Theißen bezeichnet Mk 1.25 (nicht: 1.24!) und 4.39 als ‘Verstummungsbefehle’, a.a.O., 144.—Vgl. ähnlich auch schon R. Bultmann, GST, 239 Anm. 3.—Vgl. im Blick auf die Religionsgeschichte auch K. Thraede, Art. Exorzismus: RAC 7 (1969) 44–117, bes. 51f., der mit Verweis auf antike Fluchtafeln (PGM VII,396.967ff.; IX,4f.) Mk 1.25 für ein typisches Exorzismusritual hält: ‘Unentbehrlich war der Ausfahrbefehl, die ἀποπομπή…; er lautete ἔχελϑε bzw. recede…’, a.a.O., 52.

42 B. Kollmann, Jesu Schweigegebote an die Dämonen: ZNW 82 (1991) 267–73, 268.—Zum traditionsgeschichtlichen Hintergrund der Exorzismen Jesu vgl. zuletzt auch L. Stuckenbruck, Jesus' Apocalyptic Worldview and His Exorcistic Ministry: G. S. Oegema/J. H. Charlesworth (Eds.), The Pseudepigrapha and Christian Origins. Essays from the Studiorum Novi Testamenti Societas, New York/London 2008 (Jewish and Christian Texts in Contexts and Related Studies 4), 68–84.

43 Vgl. B. Kollmann, Jesu Schweigegebote, bes. 270: ‘Ein Mk 1.25 vergleichbarer Schweige- oder Verstummungsbefehl an Dämonen, der dem dortigen φιμώϑητι auch nur annähernd entspräche, ist aus den hierfür beanspruchten Belegen nicht analogisierbar, stellt also auch keine traditionelle exorzistische Technik dar’. Ob Mk 1.25 daher auch auf Redaktion zurückzuführen sei, diskutiert Kollmann hingegen nicht deutlich.—Vgl. in der Tendenz ähnlich W. Wrede, Messiasgeheimnis, 33 Anm. 1, der Mk 1.25 in der Tendenz als Schweigegebot deutet.

44 Vgl. J. Marcus, Mark 1–8, 193f. mit Verweis auf H. C. Kee, The Terminology of Mark's Exorcism Stories: NTS 14 (1967/68) 232–46.

45 S.o. zur Literarkritik.—Vgl. auch bereits E. Wendling, Entstehung, 16f.: ‘Erst der Evangelist hat aus seiner Vorlage in 1.25 herausgelesen, daß Jesus nicht als Messias verkündigt werden sollte’.

46 Vgl. in der Tendenz ähnliche Überlegungen bei z.B. G. Strecker, Zur Messiasgeheimnistheorie im Markusevangelium: Ders., Eschaton und Historie. Aufsätze, Göttingen 1979, 33–51, 35f.; H. Räisänen, Das ‘Messiasgeheimnis’ im Markusevangelium. Ein redaktionskritischer Versuch, Helsinki 1976 (Schriften der Finnischen Exegetischen Gesellschaft 28), 91f.: ‘Die Tradition hat… erzählt, wie die Dämonen Jesus mit christologischen Schreien anredeten und Jesus sie entweder zum Schweigen brachten (1.25) oder ein Gespräch anfing (5.9). Markus hat in den redaktionellen Bemerkungen diesen Befund so interpretiert, dass Jesus die Dämonen hindern wollte, ihr christologisches Wissen zu verbreiten’.—Zuletzt auch A. Yarbro Collins, Mark, 213: ‘The whole scene in 3:7–12 is analogous to that in 1:32–34, but intensified’.—J. Marcus, The Beelzebul Controversy and the Eschatologies of Jesus: Authenticating the Activities of Jesus, ed. B. Chilton/C. A. Evans, Leiden etc. 1999 (New Testament Tools and Studies 28,2), 247–77, sieht auf der Basis von Mk 3.23–26/Q 11.17–18 eine Entwicklung in Jesu Beurteilung des Satans und in der Entwicklung seiner Eschatologie von einer futurischen, ‘pre-baptismal’ zu einer ‘realized eschatology’ in a ‘post-baptismal phase’ (a.a.O., 274), die auch mit Jesu Erfahrungen mit Exorzismen in Zusammenhang steht.

47 Das Verbum ἐπιτιμάω ist im Sinne von ‘Drohen’ und ‘Schelten’ dabei typisch für die markinische Darstellung der Vollmacht Jesu: Vgl. Mk 1.25; 3.12; 4.39; 8.30, 32, 33; 9.25; 10.13, 48: Dazu auch E. Stauffer, Art. ἐπιτιμάω, ἐπιτιμία: ThWNT 2 (1935) 620–3.

48 Vgl. Walter Benjamins Schrift von 1933: Über das mimetische Vermögen: Ders., Erzählen. Schriften zur Theorie der Narration und zur literarischen Prosa. Ausgewählt und mit einem Nachwort von A. Honold, Frankfurt 2007 (stw 1841), 92–5, bes. 95 (GS II.1, 204–10): Im Anschluß an Benjamins Überlegungen zum mimetischen Vermögen der Sprache und der Literatur könnte man an den drei Schweigegeboten erkennen, wie Markus mit der Transformation des Schweigemotivs zum Schweigegebot in Mk 1–3 nicht nur das Messiasgeheimnis entwickelt, sondern auch mögliche magische Rituale sprachlich-literarisch ‘liquidiert’: ‘Dergestalt wäre die Sprache die höchste Stufe des mimetischen Verhaltens…: ein Medium, in welches ohne Rest die früheren Kräfte mimetischer Hervorbringung und Auffassung hineingewandert sind, bis sie so weit gelangten, die der Magie zu liquidieren’, 95. Vgl. dazu auch: E. Auerbach, Mimesis. Dargestellte Wirklichkeit in der abendländischen Tradition, Bern 1946 sowie M. Opitz, Art. Ähnlichkeit: Benjamins Begriffe. Hg. v. M. Opitz/E. Wizisla. Erster Band, Frankfurt 2000, 15–49.—Vgl. zur Bedeutung der Magie in den synoptischen Evangelien grundlegend auch: J. M. Hull, Hellenistic Magic and the Synoptic Tradition, London 1974 (Studies in Biblical Theology Second Series 28), bes. 61–86 und 142–5: Hull wertet besonders das Wissen der Dämonen über Jesu Identität in Mk 1.34 als eine ‘theological ambiguity… created by the point of view of the evangelist’, a.a.O., 70.

49 Mk 1.14f. lässt sich kaum als Summarium betrachten, da hier eine spezifische Tradition im Hintergrund steht (s.u.); Mk 1.21f. ist deswegen nicht als Summarium zu werten, weil diese zwei Verse als notwendige narrative Einleitung in den folgenden Exorzismus (1.23–28) fungieren.

50 So schon K. L. Schmidt, Rahmen, 33: ‘Sie stellen einen Sammelbericht dar, den wir am besten auf das Konto des Evangelisten setzen’.

51 Vgl. z.B. U. Wendel, Gemeinde, 18; J. Gnilka, Das Evangelium nach Markus, 64. Vgl. in der Tendenz auch D. Lührmann, Markusevangelium, 41.—Hier kommt es auch zu einer Vermischung von Formbestimmung sowie Literar- bzw. Redaktionskritik: Auch wenn Mk 1.14–15—wie etwa Bultmann meinte—eine ‘ganz sekundäre Bildung’ ist (R. Bultmann, GST, 124), muß dieser Text nicht zwangsläufig als ‘Summarium’ bestimmt werden.

52 Q 10.9: ἤγγικεν ἐφ᾽ ὑμᾶς ἡ βασιλεία τοῦ ϑεοῦ.

53 Zur Epitome vgl. allgemein: I. Opelt, Art. Epitome: RAC 5 (1962) 944–73.—Vgl. auch U. Wendel, Gemeinde, 13, der kataphorische ‘Überblicke’ (z.B. ‘Geschichtsabrisse oder Zusammenstellungen von Reisestationen’) mit Hinweis auf 2 Makk 2.23–31 oder Josephus, BJ 1,18 als Epitome bezeichnet und damit von rückblickenden Geschichtssummarien, besser: Geschichtsabrissen wie z.B. ant 2.212–214 (s.u.) unterscheidet: Denn Geschichtsabrisse werden zumeist—in Ermangelung einer terminologischen Präzisierung—als ‘Geschichtssummarien’ bezeichnet, vgl. etwa zuletzt bei M. Vogel, Traumdarstellungen bei Josephus und Lukas: J. Frey et al. (Hgg.), Die Apostelgeschichte im Kontext antiker und frühchristlicher Historiographie, Berlin/New York 2009 (BZNW 162), 130–56, 155 und s. dazu ausführlich unten Anm. 68–71.—Als Periochai gelten die inhaltlichen Zusammenfassungen, die zu Livius zu Ab urbe condita vorliegen: Livy, Summaries, Fragments, and Obsequences, transl. by A. C. Schlesinger, London/Cambridge 1959 (LCL 404), 1–169. Zu den Hypotheseis bzw. Argumenta bei Josephus vgl. zuletzt J. Sievers, Forgotten Aspects oft he Reception of Josephus' Bellum Judaicum. Its List of Contents: E.-M. Becker/S. Scholz (Hgg.), Kanon in Konstruktion und Dekonstruktion. Ein Handbuch, Berlin/New York 2011 (im Druck).

54 Auch Camille Focant spricht hier sinnvoller von einer ‘déclaration inaugurale’, C. Focant, L’évangile, z.B. 659.

55 D. Dormeyer, Das Neue Testament im Rahmen der antiken Literaturgeschichte. Eine Einführung, Darmstadt 1993, 189 spricht hier von einer ‘Kleingattung’ der Summarien oder Sammelberichte.

56 ‘(1) Als Summarium wird… das Resümee oder Fazit aus einer Summe von Einzelereignissen bezeichnet. (2) Es kommt durch Verallgemeinerung und Typisierung der Einzelberichte zustande. (3) Diese Summarien erfüllen eine redaktionelle Funktion durch die Gliederung größerer Zusammenhänge… (4) Als literarische Produkte der Redaktion wird die ntl. Hauptgruppe der Texte am ehesten durch die Gattungsbezeichnung “konstruierter Bericht’ erfaßt…”, D. Mathias, Die Geschichtstheologie der Geschichtssummarien in den Psalmen, Diss. Leipzig 1989, 5. Der Ausdruck ‘konstruierter Bericht’ scheint mir hilfreich und kommt der Bezeichnung ‘summary report’ bei D. E. Aune, New Testament, z.B. 54 nahe (s.o.).—Vgl. auch die hilfreiche Definition bei U. Wendel, Gemeinde, 13: ‘Summarien sind Texte, die keine Einzelereignisse, sondern über einen längeren Zeitraum andauernde (durative) Zustände oder innerhalb eines längeren Zeitraums stets wiederkehrende (iterative) Ereignisse beschreiben. Diese Zustände oder Ereignisse sind mit dem aktuellen Erzählverlauf gleichzeitig’ (im Original kursiv).

57 So stellt z.B. Mk 6.34 kein Summarium dar.

58 So stellen z.B. Mk 2.13 oder 4.1–2 kein Summarium dar.

59 So stellen z.B. Mk 1.14f. oder 3.6 kein Summarium dar.

60 Vgl. W. Egger, Frohbotschaft, VII-VIII.

61 Vgl. K. Berger, Formgeschichte, 333.

62 Vgl. U. Wendel, Gemeinde, 18.

63 Vgl. C. Focant, L’évangile, 94; 659–62.

64 Vgl. A. Yarbro Collins, Mark, vii–xiii; 337f.

65 So typologisiert W. Egger, Frohbotschaft, VIIf. die Sammelberichte teils inhaltsbezogen (‘Das Kommen und Verkündigen Jesu’ z.B. Mk 1.32–34; 1.39; ‘Offenbarung und Geheimhaltung’ z.B. Mk 3.7–12; 4.1f.), teils funktional im Blick auf die Person Jesu (‘Jesus als Lehrer und Arzt’ Mk 6.30–34; 6.53–56) oder im Blick auf die Form (‘Lehrsummarien’ z.B. Mk 1.21; 2.1f.).—Meines Erachtens könnte ggf. zwischen: Mk 1.32–34 und 3.10–12 als ‘Heilungs-Summarien’, Mk 4.32–34 als ‘Lehr-Summarium’, Mk 3.7–12 und 6.53–56 als ‘kombinierten Summarien’ sowie Mk 6.12–13 als ‘Jünger-Summarium’ unterschieden werden.

66 So lassen sich ‘Summarien’ von ‘sogenannten pragmatischen Verknüpfungen’ (H.-M. Schenke/K. M. Fischer, Einleitung in die Schriften des Neuen Testaments. II Die Evangelien und die anderen neutestamentlichen Schriften, Gütersloh 144f.) bzw. ‘referierenden Zwischenbemerkungen’ (M. Dibelius, Formgeschichte 226) oder ‘summarischen Zwischenbemerkungen’ (z.B.: Mk 1.35–39; 3.7f.: H.-M. Schenke/K. M. Fischer, a.a.O., 64) unterscheiden. H. Conzelmann, Die Apostelgeschichte, Tübingen2 1972 (HNT 7), 9 differenziert in der Apostelgeschichte die ‘summarischen Notizen’ (Apg 1.14; 6.7; 9.31f.), die ‘leicht als redaktionelle Gebilde zu erkennen sind’ von den ‘drei grossen Summarien’ (Apg 2.42–47; 4.32–35; 5.12–16).—Vgl. dazu auch D. Mathias, Geschichtstheologie, 5.

67 S.o. Anm. 53.

68 Zur klassischen Definition der Geschichtssummarien vgl. G. von Rad, Weisheit in Israel, Gütersloh 1992, 348: ‘Die Gattung der Geschichtssummarien, d.h. kürzerer oder ausgeführter Rekapitulationen der Geschichte Jahwes mit Israel, hatte ja in Israel eine lange Geschichte’—Vgl. zur Definition auch J. Jeska, Die Geschichte Israels in der Sicht des Lukas. Apg 7.2b-53 und 13.17–25 im Kontext antik-jüdischer Summarien der Geschichte Israels, Göttingen 2001 (FRLANT 195), 18f. Kritisch im Blick auf die Gattungsbestimmung ist D. Mathias, Geschichtstheologie, 3f., der folgende Konstitutiva für eine Definition der Geschichtssummarien nennt: ‘(1) Der Begriff GS beinhaltet Reihenbildung (Aufzählung) und bezieht sich damit auf den Vorgang der Summation einzelner Geschichtsereignisse. (2) Der Begriff meint andererseits eine Kurzfassung von Geschichte (Rekapitulation, Kompendium) und bezieht sich damit auf das Ergebnis der Summation (Summa). (3) Die Länge der Summe ist unbestimmt. Sie ist abhängig von der Anzahl der erfaßten Ereignisse (Summanden) sowie von der Ausführlichkeit, mit der die einzelnen Ereignisse berichtet werden. Der Aufzählungscharakter darf aber nicht verloren gehen. (4) Da die Summe über Geschichtsereignisse gebildet wird, ist die Zeitstufe das Präteritum. (5) Handlungsträger können Gott oder Gottesmänner sein, sofern der Begriff Geschichte auf biblische Geschichte bezogen ist. (6) Ob im GS von Gott in der 1., 2. oder 3. Person gesprochen wird, hängt offenbar vom jeweiligen Verwendungszusammenhang des GS ab. (7) Die voranstehenden Angaben reichen nicht aus, um das GS als literarische Gattung zu konstituieren’—Die Form- und Gattungsdiskussionen über Geschichtssummarien, die in der alttestamentlichen Exegese geführt werden, können daher nicht auf die Synoptiker-Exegese übertragen werden—darauf weist auch Joachim Jeska (a.a.O., bes. 22–5) hin. Vgl. auch D. Mathias, Geschichtstheologie, 4.—Martin Dibelius (Stilkritisches, 15f.) schlägt folgende Differenzierung von Geschichtssummarien und synoptischen Summarien vor: ‘Der so festgelegten Bedeutung des Begriffs GS steht eine andere Verwendung des Begriffs Summarium zur Seite, die ihn ebenfalls auf Geschichte bezieht, aber allein am Ergebnis der Summation (Summa) orientiert ist. Man versteht darunter “redaktionelle Sammelberichte”’ Schenke/Fischer (Einleitung, 144) definieren wie folgt: ‘Das sind redaktionelle Zustandsschilderungen, weithin nur auf Verallgemeinerungen von überlieferten singulären Begebenheiten beruhend, mit denen der Verfasser… die erzählten Einzelereignisse, die er der Tradition entnimmt und an denen er als anschaulicher Erzähler am meisten interessiert ist, verknüpft und die zeitlichen Zwischenräume zwischen ihnen überbrückt’—Zu den methodologischen Problemen bei der Klassifizierung der synoptischen Sammelberichte als ‘redaktionelle Sammelberichte’ s.o.

69 Die Geschichtssummarien in der Apg lassen sich höchstens insofern als ‘Summarien’ bezeichnen, als hier ein dicht komprimierter Abriß der Geschichte Israels geboten wird. Dieser Typus des Geschichtssummariums findet sich nach Jeska (Geschichte Israels; vgl. auch die Rezension von W. Reinbold, Jeska, Joachim: Die Geschichte Israels in der Sicht des Lukas: ThLZ 129 [2004] 518–20) besonders in der frühjüdischen Historiographie, so z.B. bei Ben Sira (44.3–50.21) oder bei Josephus (BJ 5,379–412). Doch auch hier herrscht wenig terminologische Klarheit: So bezeichnen O. Michel/O. Bauernfeind (De Bello Judaico. Der Jüdische Krieg. Griechisch und Deutsch. Band II,1: Buch IV-V, Darmstadt 1963, 264) ebendiesen Abschnitt in BJ 5 als ein ‘Midrasch’.

70 Vgl. z.B. Ps 77, 78, 105; 106; 135; 136 und dazu: D. Mathias, Geschichtstheologie; S. Kreuzer, Die Frühgeschichte Israels in Bekenntnis und Verkündigung des Alten Testaments, Berlin/New York 1989 (BZAW 178).

71 Vgl. U. Wendel, Gemeinde, 13. S.o. Anm. 53.

72 K. L. Schmid, Rahmen, 57f. hingegen zählt Mk 1.32–34 nicht zu den Sammelberichten, da er Mk 1.29–34 für ‘eine geschlossene Perikope’ hält (a.a.O., 57), s.o.

73 A. Yarbro Collins, Mark, 211 bezeichnet Mk 3.7–12 nur unspezifisch als ‘editorial formulation’ und ‘transitional passage’.

74 Ich meine allerdings, dass innerhalb von Mk 3.7–12 nur 3.10–12 und innerhalb von Mk 6.54–56 nur V. 56 als eigentliche Summarien verstanden werden können: Indizien für diese Abgrenzungen sind einerseits, dass Mk 3.7–9 singuläre Informationen enthält und für die Handlung relevant ist, und, dass sich andererseits zu Mk 6.54–56 eine Parallele in Joh 6.22–25 findet, die gerade kein Summarium ist.—Vgl. ähnlich auch H.-M. Schenke/K. M. Fischer, Einleitung, 64, die Mk 1.32–34; 3.10–12; 6.54–56 als Summarien bezeichnen.

75 So auch z.B. R. Bultmann, GST, 366; G. Theißen, Wundergeschichten, 319 oder zuletzt P. Dschulnigg, Markusevangelium, 84.—Auch in Mk 3.10–12 (πολλούς, ὅσοι, πολλά) und Mk 6.56 (ὅσοι) begegnen Quantoren oder quantifizierende Relativpronomen.

76 Vgl. dazu G. Theißen/A. Merz, Jesus, 271: Es werden in den synoptischen Summarien keine ‘Naturwunder’, also kein Seewandel, keine Brotvermehrung’ erzählt. ‘Diese galten schon in früher Zeit als nicht typische Wunder Jesu, sondern als Ausnahmen’.

77 Vgl. hierzu auch J. T. Cummings, The Tassel of his Cloak. Mark, Luke, Matthew—and Zechariah: Studia Biblica 1978. II. Papers on the Gospels. Sixth International Congress on Biblical Studies. Oxford 3–7 April 1978. Ed. by E. A. Linvingstone, Sheffield 1980 (JSNTS.SS 2), 47–61, bes. 50–52, der nicht nur die Steigerung der Wundertätigkeit in Mk 6.56 gegenüber Mk 5.24bff., sondern auch die Auslassung von τοῦ κρασπέδου in Mk 5.27 (vgl. Mt 9.20/Lk 8.44) auf markinische Redaktion zurückführt.

78 Insgesamt ist—wie mir scheint—z.B. P. Dschulnigg, Sprache, bes. 596f. darin zuzustimmen, dass im Markus-Evangelium keine Kritik an Wundern begegnet: ‘Die Wunder werden vielmehr äusserst geschätzt und haben eine grundlegende Funktion für das Verständnis der Hoheit und Vollmacht Jesu, der Möglichkeiten des Glaubens und der Dimensionen des missionarischen Wirkens Jesu wie des Reiches Gottes’, a.a.O., 597.

79 Vgl. z.B. den Umfang oder die unterschiedlich starke temporale Verknüpfung mit dem Mikro-Kontext.

80 Mk 10.1 hingegen ist—wie die lukanische Parallele andeutet (Lk 9.51)—als Reisenotiz und nicht als summarische Verknüpfung zu verstehen.

81 Vgl. dazu ausführlich U. Wendel, Gemeinde.

82 M. Dibelius, Stilkritisches, 15.

83 M. Dibelius, Stilkritisches, 15 (Kursivsetzung durch Verf.in).

84 Vgl. ähnlich auch P. Vielhauer, Geschichte der urchristlichen Literatur. Einleitung in das Neue Testament, die Apokryphen und die Apostolischen Väter, Berlin/New York 1975, 394f.—Vgl. hier auch die Hinweise zu den späteren Summarien innerhalb von Apg 1–12 (6.8; 9.31; 11.19–21; 12.24) oder sogar 19.8–12, 17–20).

85 ‘… Angesichts einer solchen Aufgabe durfte der Verfasser nicht bloß Sammler sein, hier müsste er Schriftsteller werden’, M. Dibelius, Geschichte der urchristlichen Literatur, hg. v. F. Hahn, München 1975, 166.

86 Vgl. dazu z.B. H. Antor, Art. Plot: Metzler Lexikon Literatur- und Kulturtheorie. Ansätze—Personen—Grundbegriffe, hg. A. Nünning, Stuttgart/Weimar 1998, 426.

87 Hier könnte die von E. M. Forster (Aspects of the Novel, London 1927) vorgeschlagene Unterscheidung von plot und story hilfreich sein: Während der plot kausale Verknüpfungen voraussetzt (vgl. Mk 14–16), geht die story auf temporale Verknüpfungen zurück (vgl. z.B. Mk 1–6). Vgl. auch H. Antor, Art. Plot.

88 M. Martinez/M. Scheffel, Einführung in die Erzähltheorie, München4 2003, 157.

89 Vgl. H. White, The Content of the Form. Narrative Discourse and Historical Representation, Baltimore/London 1987, 52: ‘… in telling a story, the historian necessarily reveals a plot’—hier mit Hinweis auf Paul Ricœur.

90 H. White, Metahistory. The Historical Imagination in Nineteenth-Century Europe, Baltimore/London 1973, 7. White folgt hier (7ff.) N. Fryes (Anatomy of Criticism. Four Essays, Pinceton 1971) vier ‘modes of emplotment’ (romance, Satire, Komödie, Tragödie), vgl. auch M. Martinez/M. Scheffel, Einführung, 157f.

91 L. Volkmann, Art. Emplotment: A. Nünning (Hg.), Grundbegriffe der Literaturtheorie, Stuttgart/Weimar 2004, 41–42, 42 mit Hinweis auf H. Antor, The Ethics of Criticism in the Age After Value: R. Ahrens/H. Volkmann (Eds.), Why literature matters. Theories and functions of literature, Heidelberg 1996 (Anglistische Forschungen 241), 65–85.

92 Darauf weist auch R. Bauckham, Jesus and the Eyewitnesses. The Gospels as Eyewitness Testimony, Grand Rapids/Cambridge 2006, 230 hin.

93 In diesem Zusammenhang ist natürlich auch Mk 3.6 als redaktioneller Eintrag des Tötungsbeschlusses, der der Verknüpfung der Galiläa-Erzählung mit dem plot der Passionserzählung dienen soll, zu verstehen.—Die Summarien ‘spiegeln die Struktur des Geschichtsverständnisses: es beruht nicht auf kausaler Verknüpfung, sondern auf dem Finden des Gesamtsinnes in den einzelnen Vorgängen’, H. Conzelmann, Apostelgeschichte, 9.

94 Ähnlich auch C. W. Hedrick, Role, 298 im Blick auf z.B. Mk 6.56: This summary ‘emphasizes the popularity of Jesus’ healing ministry…’—Insofern sind die Summarien auch elementare Textabschnitte, die z.B. auch für die jüngste kognitionspsychologische Erforschung der markinischen Hörer- oder Leserschaft viel stärker als eigenständige Textgruppe ausgewertet werden müssen, vgl. z.B. K. M. Hartvigsen, ‘Prepare the Way of the Lord’.

95 Diese Beobachtung konvergiert mit dem, was M. Reiser, Syntax und Stil des Markusevangeliums im Licht der hellenistischen Volksliteratur, Tübingen 1984 (WUNT 2.11), 35–42 über den ‘mündlichen Erzählstil’ des Evangelisten Markus hervorgehoben hat.—So hat W. Marxsen, Evanglist, bes. 139 durchaus Richtiges gesehen, wenn er das Markus-Evangelium als eine ‘Predigt’ versteht.

96 Vice versa weist J. le Goff, Geschichte und Gedächtnis, Berlin 1999, bes 92f. darauf hin, dass die Entwicklung von schriftlicher Erinnerung in der Antike gerade der Überwindung von geographischen Distanzen dient.

97 W. H. Kelber, The Works of Memory. Christian Origins as Mnemohistory—A Response: Memory, Tradition, and Text. Uses of the Past in Early Christianity, ed. by A. Kirk/T. Thatcher, Atlanta 2005 (Semeia Studies 52), 221–48, 229. Mark undertakes ‘a productive redescription of tradition, to challenge social identities, and to recommemorate the past’, a.a.O., 228f.

98 Vgl. dazu auch G. Strecker, Die Leidens- und Auferstehungsvoraussagen im Markusevangelium (Mk 8.31; 9.31; 10.32–34): ZThK 64 (1967) 16–39, bes. 39, der auch die geschichtsdeutende Funktion der Leidensvoraussagen betont.

99 Vgl. Mt 8.16–17par. Mk 1.32–34; Mt 4.24–25 und 12.15–16par. Mk 3.7–12; Mt 14.34–36par. Mk 6.53–56.—Zur redaktionellen Bearbeitung s.o., vgl. aber z.B. auch die Verknüpfung mit einem Erfüllungszitat in Mt 12.17. Zum ersten von Markus übernommenen Summarium in Mt 4.24f. vgl. U. Luz, Das Evangelium nach Matthäus. 1. Teilband Mt 1–7, Neukirchen-Vluyn5 2002 (EKK I/1), 245: ‘Heilungswunder sind von Mk her als Hauptinhalt von Summarien überliefert; Mt hält sich darin an seine Quelle’ Luz analysiert allerdings die markinische Vorlage hier wie folgt: Mt 4.24a = Mk 1.28; M 4.24b.c = Mk 1.32–34; Mt 4.25 = Mk 3.7f. und kommt zum Schluß: ‘Der Evangelist überblickt also weite Teile seiner Mk-Quelle und exzerpiert sie’, ebd.

100 Vgl. Lk 4.40–41par. Mk 1.32–34; Lk 6.17–19par. Mk 3.7–12.—Zur lukanischen Bearbeitung der markinischen Summarien vgl. auch U. Wendel, Gemeinde, 17–32.

101 U. Wendel, Gemeinde, 31.

102 Vgl. generell bereits H. J. Cadbury, The Style and Literary Method of Luke. II The Treatment of Sources in the Gospel, Cambridge 1920, bes. 105–15: ‘With extraordinary fidelity Luke avoids amplifying or exaggerating his source in these summaries of Jesus’ work or fame’ (a.a.O., 108). ‘Perhaps the chief liberty that Luke takes with Mark's summaries is the liberty of repeating them, so as to apply them to two or three successive stages in his own narrative’ mit Hinweis auf Mk 1.28par. Lk 4.14.37; 7.17 (a.a.O., 111). Allerdings bleibt bei Cadbury die Klassifikation von ‘Summarien’ undeutlich, so dass speziell die lukanische Rezeption der markinischen Summarien, die als solche eindeutig identifiziert werden können, untersucht werden müßte.—In Lk 4.31–44 (Lk 4.40–41par. Mk 1.32–34) hat Lukas zwei Sammelberichte (V. 31–32; V. 44) mit vier Einzelgeschichten verknüpft: Lukas verwendete die markinische Kompositionstechnik der Summarien, ‘um Atempausen in der spannenden Erzählung und elegante Übergänge zu schaffen’, F. Bovon, Das Evangelium nach Lukas. 1. Teilband Lk 1.1–9.50, Neukirchen-Vluyn 1989 (EKK III/1), 218. Vgl. ders., a.a.O., 218–220 auch zur redaktionellen (sprachlichen und stilistischen) Bearbeitung der markinischen Vorlage.—Zu Lk 24.53 vgl. auch M. Wolter, Das Lukasevangelium, Tübingen 2008 (HNT 5), 797, der das Summarium zugleich als ‘theo-logische Coda’ bezeichnet.

103 Könnte dann sogar zutreffend sein, was Wrede vergleichend über Markus und Johannes geschrieben hatte: ‘Man betrachte Markus durch ein starkes Vergrösserungsglas, und man hat etwa eine Schriftstellerei, wie sie Johannes zeigt’, W. Wrede, Messiasgeheimnis, 145.

104 Vgl. J. G. Herder, Christliche Schriften. Zweite Sammlung, Riga 1796, in: B. Suphan (Hg.), Sämtliche Werke Bd. 19, Berlin 1880, 216.

105 In dieser Hinsicht ist auch M. Reiser, Sprache und literarische Formen des Neuen Testaments. Eine Einführung, Paderborn etc. 2001 (UTB 2197), 58 kritisch.

106 Wichtig für den Diskurs über die Identität Jesu sind schließlich auch Mk 6.14–16 und 8.27–28: Vgl. dazu E.-M. Becker, Elija redivivus im Markus-Evangelium? Zur Typologisierung von Wiederkehr-Vorstellungen: H. Lichtenberger/U. Mittmann-Richert (Hgg.), Biblical Figures in Deuterocanonical and Cognate Literature, Berlin/New York 2009 (DCLY 2008), 587–625.

107 H. Räisänen, ‘Messiasgeheimnis’, 95.—Das Schweigegebot in Folge von Heilungen wird hingegen vielfach nicht eingehalten vgl. z.B. Mk 1.45; 7.36f.—Zugleich verwendet Markus die Schweigegebote im Sinne einer literarischen Autor-Leser-Strategie: Denn mit dem Messiasgeheimnis hängt Markus gleichsam ein ‘Schloß vor die Türe’ seiner Evangelienschrift, ‘das nur denen auffällt, die es öffnen können, und den anderen nicht’, L. Wittgenstein, Vermischte Bemerkungen. Eine Auswahl aus dem Nachlaß, hg. v. G. H. von Wright, unter Mitarbeit von H. Nyman, Frankfurt 1977, 23: ‘Ist ein Buch nur für wenige geschrieben, so wird sich das eben dadurch zeigen, daß nur wenige es verstehen. Das Buch muß automatisch die Scheidung derer bewirken, die es verstehen, und die es nicht verstehen…’.

108 P. Vielhauer, Geschichte, 339.

109 Dementsprechend ist die geschichtsdeutende Funktion der markinischen Summarien verwandt mit derjenigen in den Geschichtssummarien: ‘In all diesen Geschichtssummarien und auch in den Geschichtspsalmen ging es nicht um Geschichte an sich, sondern immer zugleich um die aktuelle Bedeutung der Geschichte’ Es geht nicht um ‘Geschichte an sich und um ihrer selbst willen, sondern um die aus dieser Geschichte gewordene Gegenwart und um den verpflichtenden, mahnenden, warnenden oder auch ermutigenden Sinn dieser Geschichte’, S. Kreuzer, Frühgeschichte, 256.

110 W. Wrede, Messiasgeheimnis, 129.