Dies wäre ein sehr wichtiges, herausforderndes und nach vorne weisendes Buch, wenn sich der Autor an das gehalten hätte, was er im Vorwort über dessen Sinn und Zweck sagt. Es sei, so heißt es da (S. 11), „kein Buch über Max Weber“, sondern über zwei Sachkomplexe, deren mangelhafte Klärung eine angemessene Lektüre und Einschätzung der Protestantischen Ethik (PE) bisher verhindert hätte: der geschichtliche, d.h. kulturelle und vor allem politische Entstehungszusammenhang dieser Abhandlungen einerseits, ihre die Sache nicht Zug um Zug erhellende, sondern je länger je mehr verstellende Rezeptions- und Wirkungsgeschichte andererseits. Dieser doppelten, die Entstehung und die Überlieferung der Weberschen Untersuchungen betreffende Geschichtsgebundenheit will Steinert durch eine konsequente „Historisierung“ aufdecken, um so offen zu legen, worum es in der PE wirklich gehe. Und das habe zur unvermeidlichen Folge, dass der „klassische“ (sic) Text „und womöglich gleich der ganze verehrte ,Gründervater‘ auf Lebensgröße zurückgefahren“ werde, weil sich zeige, dass der „Klassikertext gar nicht so einmalig“ sei und manche „Zeitgenossen“ Ähnliches, „vielleicht gar Treffenderes“ (S. 15) geschrieben hätten. „In diesem Sinn also ist dieses Buch eine Übung in (sic) Historisieren einer ,Großen Erzählung‘“ (ibid.).
So missmutig man durch den sehr prätentiösen Buchtitel gestimmt sein mag, so sehr ist man nach solchen zwar sehr viel, aber doch höchst Wichtiges und nichts per se Uneinlösbares versprechenden Ankündigungen darauf gespannt, wie Heinz Steinert sein Vorhaben angeht. Groß aber ist, unumwunden gesagt, dann die Frustration, die sich schon bei der Lektüre der nachfolgenden „Einleitung“ einstellt, in der der Autor nicht nur seine leitenden Annahmen, sondern, in eins damit, die hauptsächlichen Resultate seiner Analysen präsentiert. Er tut dies, indem er ohne Umschweife, also auch ohne „Historisierung“ (zu der natürlich auch die – von Steinert durchgehend vernachlässigte – Historisierung der eigenen Rezeptions- und Deutungsvoraussetzungen gehören müsste) auf das losgeht, was Weber eigentlich und in Wahrheit gewollt und deswegen auch, ungeachtet aller Verschleierungen und Reservationen, vertreten habe.
Das fängt damit an, dass Steinert, obwohl er doch eine „genaue und unvoreingenomme Lektüre“ (S. 15) versprochen hatte, behauptet, „im Kern der ,Weber-These‘“ werde dem Puritanismus – oder gar „dem Protestantismus und der Reformation insgesamt“, wie der PE-Titel „irreführend“ suggeriere – die „historische Verantwortung“ für den Kapitalismus zugewiesen. Webers „aparte Idee“, „Kapitalismus zu der unbeabsichtigten Nebenfolge von religiöser Weltabgewandtheit zu machen“, sei „zwar hübsch, aber historisch falsch“ (S. 20; vgl.123). Darüber hinaus lasse sich „nach dem heutigen Stand der Forschung“ sagen, dass es „überhaupt keine spezifisch wirksame `protestantische Ethik`“ (S. 19) gegeben habe. Insgesamt zeige die PE nur, „wie man eine sozialhistorische Untersuchung nicht anlegen sollte“ (S. 20). Aus allen diesen Gründen erscheint es Steinert sehr verständlich, dass der „wissenschaftliche Wert“ der Weberschen Abhandlungen „von Anfang an umstritten“ gewesen sei – gerade so, als ob nicht die meisten revolutionären Erkenntnisse der neuzeitlichen Wissenschaft (darunter die S. 21 vergleichsweise angeführte Relativitätstheorie) zunächst auf massive Kritik gestoßen wären. Im Übrigen habe Weber seine ursprüngliche These zwar in seinen Abhandlungen Schritt für Schritt zurückgenommen, sich aber eben nicht auf die Publizierung der „seriös abgeschwächten These“ (S. 24) beschränkt. Und das habe damit zu tun, dass es sich, „nur wenig zugespitzt“ gesagt, bei der PE um eine „Kampfschrift des ,Kulturprotestantismus‘ im Gewand einer wissenschaftlichen Untersuchung“ (S. 25) handle. Als solche hat sie nach Steinert ihrer fortschreitenden Banalisierung bis hin zur „(säkularisierten) Wirtschaftsreligion der USA“ (S. 23) nichts entgegen zu setzen – derart, dass es, wenn dies alles durchschaut ist, nur einer „elementaren Form der Ideologiekritik“ S. 15) bedarf, um ihr wissenschaftlich Genüge zu tun.
Wem derartige, vorweg als Ergebnis der nachfolgenden Erörterungen vorgetragene Behauptungen teils unsinnig, teils eindeutig falsch oder, wie die letzte, zumindest in dieser Form nicht diskussionswürdig erscheinen, der wird es für fruchtlos halten, sich in die Argumentationen und Begründungen des Autors zu vertiefen. Er wird geneigt sein, Heinz Steinert seine wahrhaft „aparte“ Sicht- und Erklärungsweise zu lassen, die eigene Zeit aber doch lieber wichtigeren und ergiebigeren Aufgaben zu widmen. Diese Konsequenz zu ziehen, wäre aber unangemessen und unfair, und sie wäre auch falsch, weil das Buch jenseits dessen, was nach Steinert seinen eigentlichen Sinn und Zweck ausmacht, im Einzelnen viel Instruktives und Herausforderndes zu bieten hat.
Die so genannte „Weber-These“ stellt sich Heinz Steinert durchaus nicht als eine einigermaßen durchsichtige Argumentation dar, sondern als eine Reihe von „unwiderlegbaren Fehlkonstruktionen“. Nun sind wirkliche Fehlkonstruktionen nicht unwiderlegbar. Sie widerlegen sich vielmehr selbst, indem sie in sich zusammen fallen, und deshalb kann ihre ausdrückliche Widerlegung nur im Aufweis dieser Selbstwiderlegung bestehen.
Zwar sagt der Autor an keiner Stelle klar und deutlich, wiefern die Webersche Argumentation fehlkonstruiert ist, doch zielen seine Vorstellungen offenbar in eben diese Richtung: Weil Weber von der sehr umfassenden Annahme ausgehe, dass der Puritanismus, wenn nicht der Protestantismus überhaupt, den Kapitalismus, wenn nicht die „moderne Kultur“ insgesamt, in die Welt gebracht und zu verantworten habe, sich dann aber genötigt sehe, diese Annahme Zug um Zug zurück zu nehmen und auf einen „seriös abgeschwächten“, zwar diskutablen, aber nur marginale Fragen betreffenden Rest zu reduzieren, erweise sich seine originäre These als wissenschaftlich unhaltbar und etwas, das nur noch aus ideologiekritischer Sicht Interesse verdiene.
Nur mit dieser Deutung stimmt überein, dass Steinert besonders viele und besonders detaillierte Einwände gegen genau die Stücke der PE richtet, von denen er selbst – zu Recht – sagt, dass sie für das, worauf Webers umständliche Erörterungen am Ende hinauslaufen, irrelevant, also verzichtbar seien: die wegen ihrer historischen Verspätung und gewisser Mängel der herangezogenen Statistiken kaum beanspruchbaren Befunde Offenbachers (47f.), die nicht zureichend belegte Annahme, der von Weber ins Spiel gebrachte Berufs-Begriff habe seine Wurzel in Luthers Bibelübersetzung (S. 100, vgl. 209), schließlich die Exemplifizierung des unter „Geist des Kapitalismus“ zu Verstehenden an Texten Benjamin Franklins.
Wie wäre es, wenn genau das, was Steinert zum zwar wissenschaftlich seriösen, aber bedeutungslosen caput mortuum der Weberschen Untersuchungen erklärt, ihr harter Kern wäre – also das, worauf es jedenfalls Weber selbst – und zwar nachweislich, nicht nur seinen wiederholten und unmissverständlichen Selbstinterpretationen zufolge – ankam und was in der Weberforschung und Weber-Kritik (nicht nur, aber vor allem größere Teile der marxistischen ausgenommen) auch als dieser Kern verstanden, nach den Regeln der Kunst geprüft und als mehr oder minder überzeugend oder fragwürdig eingeschätzt worden ist? Die „Weber-These“, so verstanden, ist, jedenfalls für Weber, selbstverständlich keine „große Erzählung“ (im üblichen Wortsinne) und erst recht keine Kampfparole, sondern eine Hypothese, eine empirische Evidenz beanspruchende und empirische Überprüfung erfordernde Vermutung. Sie hebt auf geschichtlich, räumlich und sachlich begrenzte Zusammenhänge sinnhafter und/oder kausaler Art ab. Webers Abhandlungen enthalten – wie Steinert zutreffend feststellt, aber etwas beckmesserisch moniert – kein „handhabbares Forschungsdesign“ (S. 96), auch keinen „Forschungsplan“ (S. 106) und schon gar kein ganzes „Forschungsprogramm“ (S. 114), aber ihre konzeptuellen Vorgaben, ihre Erklärungsweise und ihre empirischen Referenzen sind derart, dass sie die Forschung in einer ganz ungewöhnlichen Weise herausgefordert und inspiriert haben. Das wäre, wenn Steinerts „Rekonstruktion“ der Weberschen (Fehl-) Konstruktionen (S. 123) – eine Auflistung einzelner Elemente, in der die sinnhaften oder kausalen Verknüpfungen ganz unterbelichtet sindFootnote 1 – zulänglich wäre, überhaupt nicht verständlich. Und dass so viele herausragende Forscher(innen) über die Jahrzehnte hinweg gar nicht von der historischen Imaginationskraft Webers und dem begrifflich-theoretischen sowie methodischen Potential seiner Untersuchungen angezogen und beeindruckt worden wären, sondern von ihrem kultur- oder gar konfessionspolitischen Hintersinn, ist eine völlig absurde, mit der fachlichen und theoretisch-methodologischen, aber auch politischen Heterogenität dieser „Weberforschung“ gewiss nicht zu vereinbarende Vorstellung.
Tatsächlich enthalten Steinerts kritische Erörterungen, auch wenn sie diesen Hintersinn als eigentlichen Sinn und Zweck des Unternehmens PE zu erweisen bestimmt sind, zugleich viel Instruktives, Überzeugendes und Weiterführendes – viel mehr, als in dieser Rezension angesprochen werden kann. Einer dieser, auch Heinz Steinert selbst besonders wichtig erscheinenden Gedankenkomplexe betrifft seine Auffassung, dass Max Weber – wegen eben jenes eigentlichen Sinns und Zwecks – den Katholizismus nicht nur am Rande, sondern durchgehend abschätzig behandle, und zwar in unterschiedlichen Zusammenhängen, besonders auffällig da, wo es um die Bedeutung und die weltverändernde Wirkung der „innerweltlichen Askese“ gehe.
Nun ist die Meinung, dass bei Weber, in der PE und im übrigen Werk, ein distanziertes und – nicht eben werturteilsfrei – auch abwertendes Verhältnis zum Katholizismus zum Ausdruck komme, nicht neu; bei dem (katholischen) Religionssoziologen Werner Stark bildet sie sogar den Dreh- und Angelpunkt seiner Weber-Kritik. Tatsächlich lässt sie sich nicht mit dem Hinweis abtun, dass Weber dem Katholizismus (und anderen historischen Ausformungen des Christentums) in der auch sonst Fragment gebliebenen Wirtschaftsethik der Weltreligionen durchaus eigene Untersuchungen zu widmen beabsichtigte. Unbestreitbar ist, dass er die katholische Religiosität und Kirchlichkeit in der PE (und auch anderswo) nur ex negativo, also wegen ihres nicht „modernitätskompatiblen“ (F. W. Graf) Charakters, in den Blick nimmt, aber das hat mit der nun einmal gewählten Fragestellung und gewiss nicht mit einer besonderen persönlichen Sympathie für eine Ethik und Lebensführung zu tun, zu deren konstitutiven Merkmalen Weber ein hohes Maß an „Unbrüderlichkeit“ rechnete.
Ungeachtet dessen hat Steinert gewiss recht mit seiner Beobachtung, dass durch Webers Opposition von innerweltlicher und außerweltlicher Askese die von dieser, der mönchischen Askese, ausgehenden weltverändernden Wirkungen weitgehend ausgeblendet würden. Und da die PE nach Steinert vorrangig von der Absicht bestimmt ist, die überlegene „Kulturbedeutung“ des Protestantismus zu erweisen, hätte er mit sehr viel Grund darauf hinweisen können, dass der Katholizismus gerade im 19. und beginnenden 20. Jahrhundert eine ganz eigentümliche, mit einem Lieblingswort Steinerts (S. 190 u. ö.) „reflexiv“ zu nennende „Modernität“ bewiesen habe, so im Umkreis der romantischen Bewegung und, dies vor allem und in Verbindung damit, bei der Herausbildung von auf „Subsidiarität“ setzenden Formen der Sozialpolitik resp. Sozialstaatlichkeit.
Allerdings verträgt sich Steinerts gelegentliche Betonung der von Weber marginalisierten Weltbedeutung katholischer Religiosität und Kirchlichkeit nicht damit, dass er im Übrigen immer wieder, so auch im Fazit seines Franklin-Fugger-Vergleichs (S. 113), zum Ausdruck bringt, wie wenig er bereit ist, eine eigenständige und eigen-sinnige Wirksamkeit religiöser oder religiös-ethischer Überzeugungen und Motivlagen anzuerkennen. Webers – ja durchaus „historisierende“ – Bemerkung, dass es den Nachgeborenen sehr schwer falle, sich in die Bewusstseinslage der von der Sorge um ihr Seelenheil bedrängten Puritaner (und Pietisten) zurück zu versetzen, geht für ihn an der Sache vorbei (S. 117). Hier wie auch sonst (S. 112, 113, 154) führt es nach seiner Ansicht allein weiter, wenn man religiöse Vorstellungen (und deren theologische Fundierung oder Überhöhung) als Rationalisierungen sehr profaner Interessen deutet. Ganz offenbar hält es Steinert in der Hinsicht weniger mit Weber als mit Marx und Freud (S. 303) – und, was den PE-Kontext angeht, mit Felix Rachfahl. Dessen sehr abschätzige Bemerkungen zu Troeltsch („phantasievoller Autor“; „solche Konstruktionen ... können nicht mehr als wirkliche Geschichtsforschung gelten“) werden von ihm zwar als „persönliche Sottisen“ (S. 226) qualifiziert, könnten aber unverändert von ihm selbst gegen Troeltsch und auch Weber gerichtet sein. Jedenfalls teilt er Rachfahls Tendenz, einen eigenständigen Einfluss religiöser Faktoren ganz außer Betracht zu lassen oder nach Möglichkeit zu minimieren. Darin lässt er sich auch nicht von Troeltschs zusammenfassender Replik irritieren, Rachfahls Kritik liege offenbar nicht nur in seinem überlegenen historischen Wissen, sondern „auch ein ganz klein wenig in der Intoleranz seiner Aufklärung“ (S. 229) begründet. Und doch könnte sich Steinert von dieser, von ihm selbst „elegant ironisch“ genannten Antikritik getroffen fühlen – wenn nicht bezüglich der Überlegenheit des historischen Wissens, so doch, was die Intoleranz, oder besser: die mangelnde Reflexivität, seiner Aufklärung betrifft.
An mehreren Stellen (S. 20 f., 95 f., 167, 214) spricht Steinert einen weiteren, die begrifflich-theoretische „Konstruktion“ der Weber-These unmittelbar betreffenden, also sehr diskussionswürdigen Problemkomplex an, ohne dass er sich auf eine nähere Erörterung einließe. Die PE, allgemein als einer der wichtigsten „klassischen“ soziologischen Texte ausgegeben, ist viele Jahre vor Webers Hinwendung zur Soziologie verfasst und, jedenfalls in ihrem Kernbestand (also unter Absehung von Kirchen und Sekten) von Weber im Zuge der Überarbeitung auch nicht nachträglich „soziologisiert“ worden. Weber hat sie als kulturhistorische Untersuchung verstanden, während Steinert sie als soziologische Analyse kritisiert, gelegentlich (s.o.) allerdings auch als – missglückte – sozialgeschichtliche Studie auffasst. Es ist unangemessen, sie an irgendwelchen, auch Weberschen Maßstäben fachsoziologischer Forschung zu messen. Allerdings muss sie, nach der Unterscheidung Max Webers, eindeutig als „soziologisch relevant“ gelten, und deshalb hat er sie aus gutem Grund in die Gesammelten Aufsätze zur Religionssoziologie aufgenommen, so aber, dass er sie nicht in die mit „Wirtschaftsethik der Weltreligionen“ überschriebenen späteren Untersuchungen einreiht. Das könnte u.a. Anlass geben, über Stellung und Aufgabe der Verstehenden Soziologie im Ganzen seines Forschungsprogramms nachzudenken.
Steinert belässt es, wie gesagt, auch bei dieser Problematik bei einigen kritischen Anmerkungen. Dasselbe gilt für alles, was sich bei ihm über das Buch verstreut und besonders in Teil II (Die Logik von historischen Zusammenhängen) zu Webers Methodologie (Idealtypus, Verstehen, Kausalität und kausales Erklären, Werturteilfreiheit) findet. Es liegt offen zutage, dass er sich mit diesen Dingen nicht eingehend beschäftigt und weder die einschlägigen Weberschen Abhandlungen noch die wichtigste Sekundärliteratur gründlich und genau gelesen hat. Das wäre bei einem Buch über die PE nicht allzu schwerwiegend, wenn Steinert bei seiner Kritik der Weberschen „Fehlkonstruktionen“ nur empirisch-historisch und nicht auch, und zwar sehr entschieden, theoretisch und methodologisch argumentierte und (angesichts seiner Hauptintention) argumentieren müsste.
Wer behauptet, die PE sei – in ihrer Fragestellung und Zielsetzung – nicht nur irgendwie von der Einbindung ihres Autors in bestimmte Interessenlagen, politische Konflikte und kulturelle Dominanzansprüche in einer wissenschaftlich problematischen Weise beeinflusst, sondern sie sei letzten Endes kaum etwas anderes als ein Instrument des Kulturkampfs und der kulturellen Hegemonie des Protestantismus sowie, „mit kleinen Abweichungen“, der Ausdruck einer „großen nationalistischen Übereinstimmung“ (S. 162), und sie sei, was ihre (gewiss nicht „unvoreingenommen“, sondern sehr selektiv S. 264 ff. behandelte) Rezeptions- und Wirkungsgeschichte nach dem 2. Weltkrieg angehe, dem von den USA gesteuerten Kalten Krieg an seiner ideologischen Front zu Diensten gewesen, von dem ist eine ebenso breit angelegte wie differenzierte, in der Sache genaue und begrifflich klare, methodisch bestens abgesicherte Beweisführung zu erwarten. Diese Erwartung erfüllt Heinz Steinerts Buch durchaus nicht. Tatsächlich weist es überhaupt keine durchgehende und bündige Gedankenführung auf, besteht vielmehr aus einer Zusammenstellung von Studien, die sich teils mit philologischer Penibilität auf Webers Abhandlung einlassen, teils deren Bedeutungs- und Enstehungskontexte ausleuchten, sich zum nicht geringen Teil aber auch auf – zumeist historische – Fragen einlassen, die nur in einem sehr mittelbaren Bezug zu tatsächlichen oder vermeintlichen Behauptungen Webers stehen.
Das alles heißt nicht, dass man in Steinerts Buch, und zwar in den meisten Teilen, nicht viel Neues, Überraschendes und Bedenkenswertes fände und dass es, was den Umgang mit der PE angeht, nicht dazu nötigte, manches für klar und gesichert Erachtete erneut zu durchdenken und zu prüfen. Das kann – und wird – auch dazu führen, dass sich diese Annahme oder jenes Argument Webers als unhaltbar erweist, ohne dass deshalb seine Hypothese insgesamt widerlegt wäre. Aber die Vorstellung, dass eine historische Hypothese dieser Art, wenn sie nicht ein für alle Mal und im Ganzen widerlegt oder aber bestätigt werden kann, als unsinnig und erledigt gelten müsse, ist ohnehin falsch, und sie ist selbstdestruktiv für die historische und die historisch-soziologische Forschung.
Man könnte es einer späten Einsicht zuschreiben, dass Heinz Steinert am Ende aller seiner kritischen Bemühungen „Dr. Sigmund Freund“ Max Webers „Phantasie über die Puritaner und ihre großartig disziplinierende Lebensweise, ihre ,innerweltliche Askese‘“ (S. 303) psychoanalytisch auf den Grund gehen lässt. Aber gewiss handelt es sich hier um einen Scherz, denn andernfalls wäre das Meiste von dem, was Steinert zuvor an Erklärungen angeboten hatte, als ganz überflüssig erwiesen. Ich jedenfalls möchte glauben, dass sich Heinz Steinert mit dieser scherzhaften Fiktion als der intellektuell höchst lebendige und respektlose, kenntnisreiche, geistvolle und gewitzte Kollege zeigt, der er war – ganz frei von der seltsamen Verbissenheit, die seinen Versuch durchzieht, Webers Fehlkonstruktionen aufzudecken, zu erklären und durch Historisierung zu erledigen.Footnote 2